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Freiwillige Krankenversicherung – Berechnung des Mitgliedsbeitrags – Beitragsbemessung

Hessisches Landessozialgericht, Az: L 1 KR 327/10 B ER

Beschluss vom 21.02.2011

Freiwillige Krankenversicherung – Berechnung des Mitgliedsbeitrags - BeitragsbemessungAuf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Darmstadt vom 4. Oktober 2010 dahingehend abgeändert, dass die aufschiebende Wirkung der Klage S 10 KR 178/10 angeordnet wird, soweit mit ihr die Aufhebung einer Festsetzung von Beiträgen zur Gesetzlichen Krankenversicherung auf den Zahlbetrag einer Lebensversicherung im Bescheid der Antragsgegnerin vom 13. Juli 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Mai 2010 begehrt wird.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller in beiden Instanzen die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage, mit der er sich gegen die Erhebung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung auf eine zum 1. April 2009 ausbezahlte Kapitalleistung aus einer Lebensversicherung wendet.

Der 1949 geborene Antragsteller ist seit dem Ende der Beschäftigung bei der Firma C. bei der Antragsgegnerin freiwillig versichert.

Er war Geschäftsführer und Liquidator der Firma Autohaus D. GmbH, deren Auflösung am 10. Januar 1985 in das Handelsregister des Amtsgerichts E. eingetragen wurde. Die Löschung erfolgte am 29. April 1986.

Bereits im Jahr 1979 schloss die Autohaus D. GmbH zugunsten des Antragstellers eine Lebensversicherung bei der E. AG ab. Im Schreiben der E. AG vom 23. November 2009 wurde gegenüber der Antragsgegnerin ausgeführt, dass nach einer Erklärung des damaligen Filialdirektors die GmbH von Vertragsbeginn an nicht in der Lage gewesen sei, die Beiträge zu zahlen. Der Antragsteller habe die Beiträge privat zahlen sollen. Ein entsprechender Vertrag mit der Ehefrau des Antragstellers sei rückwirkend zum Vertragsbeginn aufgehoben worden.

Mit Schreiben vom 22. April 2009 teilte die E. AG der Antragsgegnerin mit, dass aus einem „ursprünglich als Direktversicherung“ abgeschlossenen Vertrag mit Fälligkeit zum 1. April 2009 Leistungen i.H.v. 95.923,61 € angezeigt werden. Ausgezahlt wurden dem Antragsteller ausweislich der vorgelegten Kontoauszüge 73.938,06 €.

Daraufhin setzte die Antragsgegnerin auch im Namen der bei ihr errichteten Pflegekasse im Bescheid vom 13. Juli 2009 mit Wirkung ab dem 1. Mai 2009 Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von insgesamt 139,49 € fest, die sich zum 1. Juli 2009 auf monatlich 134,69 € reduzierten.

Hiergegen wandte sich der Antragsteller mit seinem Widerspruch unter dem Datum vom 15. Juli 2009, mit dem er geltend machte, dass die Lebensversicherung kein Bestandteil der betrieblichen Altersversorgung sei, da niemals Beiträge von seinem früheren Arbeitgeber, der Firma D. GmbH gezahlt worden seien. Der Vertrag sei zwar über eine betriebliche Altersversorgung abgeschlossen worden, jedoch ausschließlich von ihm selbst finanziert worden, weil die Firma finanziell nicht in der Lage gewesen sei, die geforderten Beiträge zu entrichten. Der Versicherungsvertreter sei darüber informiert worden. Dieser habe gesagt, dass es keinen Einfluss habe, auf wen der Vertrag geschrieben sei, da die fälligen Prämien ohnehin privat gezahlt werden würden. Der Widerspruch wurde mit Bescheid vom 7. Mai 2010 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Beitragspflicht aus § 240 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) in Verbindung mit § 3 der „Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler“ folge. Für freiwillige Mitglieder werde die Beitragsbemessung einheitlich durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen geregelt. Dabei sei sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtige. Bei der Bestimmung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit seien mindestens die Einnahmen des freiwilligen Mitglieds zu berücksichtigen, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen seien. Dieser Vorgabe folgend gälten als beitragspflichtige Einnahme alle Einnahmen und Geldmittel, die zum Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbraucht werden könnten, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung. Bei versicherungspflichtig Beschäftigten werde u.a. der Zahlbetrag der Versorgungsbezüge zugrunde gelegt. Als Versorgungsbezüge gälten u.a. Renten der betrieblichen Altersversorgung.

Bei der am 1. April 2009 ausgezahlten Kapitalleistung handele es sich um eine einmalige Leistung der betrieblichen Altersvorsorge. Unerheblich sei, dass der Antragsteller die Beiträge selbst entrichtet habe. Die E. AG habe mitgeteilt, dass es sich bei der Kapitalleistung um eine Zahlung aus einem ursprünglich als Direktversicherung abgeschlossenen Vertrag gehandelt habe. Die Versicherung habe nicht bestätigen können, dass der Antragsteller im Vertrag als Versicherungsnehmer geführt worden sei. Für die Beitragspflicht komme es zudem nicht darauf an, ob aufgrund der Zahlung der Versicherungsprämien steuerliche oder betriebliche Vorteile in Anspruch genommen worden seien. Das Bundessozialgericht habe mit diversen Urteilen entschieden, dass eine Kapitalleistung aus einem ursprünglichen Direktversicherungsvertrag in vollem Umfang als Versorgungsbezug beitragspflichtig sei.

Die hiergegen gerichtete Klage ist am 31. Mai 2010 bei dem Sozialgericht Darmstadt eingegangen. Am 13. September 2010 hat der Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage beantragt.

Der Antragsteller hat vorgetragen, dass er den gesamten Beitrag der Lebensversicherung zur Schuldentilgung habe verwenden müssen, weshalb die Beitragszahlung für ihn eine besonders unbillige Härte darstelle. Schließlich habe die Antragsgegnerin zu Unrecht Beiträge auf die Kapitalleistung erhoben, da es sich um eine rein private Lebensversicherung handele, die auch ausschließlich auf den von ihm selbst und allein gezahlten Beiträgen beruhe. Zudem habe die Versicherung ausdrücklich bestätigt, dass der Vertrag nicht im Rahmen eines Gruppenvertrages abgeschlossen worden sei.

Die Antragsgegnerin hat die Auffassung vertreten, dass die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht vorlägen. Denn nach der gesetzgeberischen Wertung sei im Regelfall davon auszugehen, dass bei einer Entscheidung zur Beitragspflicht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs entfalle, was auch im Rahmen eines Klageverfahrens zu gelten habe. Demnach wäre eine aufschiebende Wirkung der Klage nur dann auszusprechen, wenn ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestünden oder wenn die Vollziehung für den Abgabepflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Beides sei vorliegend zu verneinen, weshalb die Beiträge zunächst zu entrichten seien.

Das Sozialgericht Darmstadt hat den Antrag mit Beschluss vom 4. Oktober 2010, dem Antragsteller zugestellt am 6. Oktober 2010, zurückgewiesen. Es lasse sich nicht feststellen, dass die vom Antragsteller gegen die in der Hauptsache streitgegenständlichen Bescheide vorgebrachten Bedenken derart überwiegen würden, dass der Erfolg des Klageverfahrens wahrscheinlicher sei als dessen Misserfolg. Nach § 240 Abs. 1 SGB V sei bei der Bestimmung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit freiwilliger Mitglieder einer gesetzlichen Krankenkasse deren gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit bei den Einnahmen zu berücksichtigen, wie sie auch bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragspflicht zugrunde zu legen sind. Demzufolge gehörten auch die nach § 229 Abs. 1 Ziffer 5 SGB V erzielten „einer Rente vergleichbaren Einnahmen“ zu den beitragspflichtigen Einkünften eines freiwilligen Mitgliedes. Nach den derzeit vorliegenden Unterlagen stelle sich die dem Antragsteller zum 1. April 2009 ausbezahlte Kapitalleistung aus einer Lebensversicherung als eine der Rente vergleichbare Einnahme dar. Zum einen sei der Lebensversicherungsvertrag, was auch vom Antragsteller selbst nicht bestritten werde, ursprünglich im Rahmen einer sogenannten Direktversicherung als betriebliche Altersvorsorge abgeschlossen worden. Im Übrigen habe der Versicherungsträger mit Schreiben vom 22.04.2009 der Antragsgegnerin ausdrücklich bestätigt, dass sich die Leistungen, „soweit sich dies anhand der Vertragsunterlagen nachvollziehen lasse, aus arbeitgeber- und arbeitnehmerfinanzierten Teilen zusammensetzt“. Es lasse sich auch nicht feststellen, dass dieser von der Firma D. GmbH zugunsten des Antragstellers abgeschlossene Vertrag zu einem späteren Zeitpunkt gekündigt worden sei. Vielmehr sei er ohne Unterbrechung bis zur Auszahlung fortgesetzt worden. Dies werde auch seitens des Antragstellers im Rahmen des Klageverfahrens nicht bestritten, sondern lediglich darauf verwiesen, dass er die Beiträge selbst habe tragen müssen und dies auch gegenüber dem Versicherungsvertreter deutlich gemacht habe. Dies ist jedoch nicht mit einer Kündigung des Vertrages gleichzusetzen. Im Übrigen spiele es für die Bewertung, ob es sich um einen zum Aufbau einer betrieblichen Altersversorgung dienenden Lebensversicherungsvertrag handele, keine Rolle, wer letztlich die Beiträge bezahlt hat. Denn Leistungen aus einer Direktversicherung verlören ihren Charakter als Versorgungsbezug selbst dann nicht, wenn sie teilweise oder ganz vom Arbeitnehmer finanziert wurden; dies gelte nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts selbst unter Einbeziehung verfassungsrechtlicher Gesichtspunkte. Insoweit könne es auch dahingestellt bleiben, ob tatsächlich die Beitragszahlung für den Antragsteller eine unbillige Härte bedeute. Denn weder habe er glaubhaft gemacht noch bewiesen, dass er die gesamte Kapitalauszahlung zur Schuldentilgung verwandt habe, oder ob er tatsächlich aktuell (nur) über eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit i.H.v. monatlich 628,06 € sowie eine Witwerrente i.H.v. monatlich 282,11 € verfüge, zumal er offenbar bis September 2009 durchaus in der Lage gewesen war, die Beiträge zu entrichten.

Hiergegen richtet sich die am 28. Oktober eingegangene Beschwerde zum Hessischen Landessozialgericht.

Der Antragsteller trägt vor, dass der Versicherungsnehmer aus dem ursprünglich abgeschlossenen Vertrag ab dem 10. Januar 1985 nicht mehr existent gewesen sei. Im Rahmen der Liquidation habe der Antragsteller aus eigenen Mitteln die verbliebenen Schulden der GmbH getilgt oder übernommen, so dass die GmbH im Jahr 1985 habe aufgelöst werden können. Einer förmlichen Übertragung der Versicherungsnehmereigenschaft habe es nicht bedurft, da der Beschwerdeführer seinerseits die Beiträge weiter gezahlt habe und anderseits die Versicherung an ihn abgetreten worden sei, so dass sein Leistungsanspruch gesichert gewesen sei.

Der Antragsteller ist der Rechtsauffassung, die Beitragserhebung verstoße gegen die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28. September 2010 – 1 BvR 1660/08. Dieser Entscheidung habe ein Fall zu Grunde gelegen, in dem eine Direktversicherung seitens des Arbeitgebers abgeschlossen worden sei und der Arbeitnehmer diese Direktversicherung nach der Insolvenz des Arbeitgebers übernommen habe. Die Insolvenz sei der Liquidation des Unternehmens gleichzusetzen.

Die „Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler“ enthielten mit § 5 Abs. 4 nur eine sehr allgemeine Regelung über die Zuordnung nicht regelmäßig wiederkehrender Leistungen von Versorgungsunternehmen; diese Regelungen seien im Lichte der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28. September 2010 – 1 BvR 1660/08 – zu überprüfen.

Die „Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler“ seien keine Satzung, da das erforderliche Verfahren nicht durchgeführt worden sei. Es handele sich lediglich um eine Interpretationshilfe.

Der Antragsteller wiederholt und vertieft seine Ausführungen zur unbilligen Härte der Vollziehung.

Der Antragsteller beantragt, den Beschluss des Sozialgerichts Darmstadt vom 4. Oktober 2010 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage S 10 KR 178/10 anzuordnen.

Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin nimmt Bezug auf den Beschluss des Sozialgerichts. Sie ist der Rechtsauffassung, dass durch den Verbleib des Arbeitgebers in der Stellung des Versicherungsnehmers die Direktversicherung innerhalb der institutionellen Vorgaben des Betriebsrentenrechts fortgeführt worden sei. Die Abgrenzung zwischen Versorgungsbezügen und Auszahlungen aus privaten Lebensversicherungverträgen sei lediglich hinsichtlich der Anwendung des ermäßigten Beitragssatzes relevant. Bei einer Auszahlung aus einer privaten Lebensversicherung handele es sich um eine Einnahme zum Lebensunterhalt, welche nach den „Beitragsverfahrensgrundsätzen Selbstzahler“ der Beitragsbemessung bei der freiwilligen Mitgliedschaft unterliege.

Hinsichtlich des Sachstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Gerichtsakte SG Darmstadt – S 10 KR 178/10 – sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin (ein Hefter) Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist im Wesentlichen begründet. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts war die aufschiebende Wirkung der gegen die Beitragserhebung auf den Auszahlungsbetrag aus einer Lebensversicherung gerichteten Klage anzuordnen.

Der Antrag ist begründet. Es bestehen in dem in der Hauptsache angefochtenen Umfang ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der im angefochtenen Bescheid erfolgten Festsetzung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung.

Die gerichtliche Entscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch oder Klage nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ergeht aufgrund einer Interessenabwägung. Handelt es sich bei dem angegriffenen Verwaltungsakt um eine Entscheidung über Beitragspflichten bzw. der Anforderung von Beiträgen (§ 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG), so ist auf den Maßstab zur behördlichen Aussetzungsentscheidung zurückzugreifen, da § 86b Abs. 1 SGG keine eigenen Kriterien für die gerichtliche Entscheidung enthält. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage kommt nach § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG nur bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides in Betracht oder wenn die Vollziehung für den Pflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel bestehen, wenn aufgrund der summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ein Erfolg des Rechtsbehelfs im Hauptsacheverfahren wahrscheinlicher ist als der Misserfolg (st. Rspr.: Hessisches LSG, Beschluss vom 26. März 2009 – L 1 KR 331/08 B ER; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 86b Rn. 12b und § 86a Rn. 27a m. w. N.).

Es bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beitragsbescheides, da nach summarischer Prüfung die Auszahlung aus dem ursprünglich von der Firma D. GmbH mit der E. AG abgeschlossenen Lebensversicherungsvertrag mit am oben genannten Maßstab hinreichender Wahrscheinlichkeit nicht einer im Rahmen der verfassungskonformen Auslegung des § 240 Abs. 1 SGB V zu ermittelnden Beitragspflicht unterfällt.

Als materiell-rechtliche Grundlage der streitgegenständlichen Erhebung von Beiträgen zur Gesetzlichen Krankenversicherung auf die Auszahlung der Deckungsrückstellung kommen vorliegend allein § 240 Abs. 1 SGB V i.V.m. §§ 3 Abs. 1, 5 Abs. 4 und 7 Abs. 6 der „Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler“ des GKV-Spitzenverbandes vom 27. Oktober 2008 in Betracht. Für freiwillige Mitglieder wird die Beitragsbemessung hiernach einheitlich durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen geregelt. Dabei ist sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt. Nach § 3 Abs. 1 der „Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler“ sind als beitragspflichtige Einnahmen das Arbeitsentgelt, das Arbeitseinkommen, der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, der Zahlbetrag der Versorgungsbezüge sowie alle Einnahmen und Geldmittel, die für den Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbraucht werden können, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung zugrunde zu legen.

Dabei geht der Senat in verfassungskonformer Auslegung der §§ 240 Abs. 1 und 217e Abs. 2 SGB V davon aus, dass es sich bei den „Beitragsverfahrensgrundsätzen Selbstzahler“ um bloße Verwaltungsvorschriften handelt, mit denen nur klarstellend auf bestehende gesetzliche Normen zur Beitragsbemessung nach §§ 226ff. SGB V verwiesen wird. Die „Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler“ stellen eine bloße Interpretation des von § 240 Abs. 2 Satz 1 SGB V gesetzten Rahmens dar, wonach mindestens die Einnahmen zu berücksichtigen sind, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen sind, soweit entsprechende gesetzliche Beitragsbemessungstatbestände in den §§ 226 bis 239 SGB V vorhanden sind. Insbesondere wegen einer fehlenden hinreichenden demokratischen Legitimation des Vorstandes des GKV-Spitzenverbandes und der fehlenden Rechtssatzform sind die „Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler“ allerdings nicht geeignet, die Generalklausel der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit abweichend vom gesetzlichen Leitbild der §§ 226ff. SGB V mit eigenständigen Beitragsbemessungstatbeständen im Sinne von untergesetzlichen Rechtsnormen mit belastender Außenwirkung auszufüllen. Anders als nach dem bis 31. Dezember 2008 geltenden Recht fehlt mithin eine verfassungskonform eingeräumte Befugnis eines Selbstverwaltungsorgans, durch generell-abstrakte untergesetzliche Rechtssätze eigenständig Tatbestände der Beitragsbemessung von § 240 SGB V im gesetzten Rahmen zu normieren.

Es handelt sich nach summarischer Prüfung bei dem Auszahlungsbetrag aus der Lebensversicherung nicht um einen Versorgungsbezug im Sinne von § 229 Abs. 1 Nr. 5 SGB V i.V.m. § 3 Abs. 1 der „Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler“. Als Versorgungsbezüge gelten nach § 229 Abs. 1 Nr. 5 SGB V der Rente vergleichbare Einnahmen u.a. in Gestalt von Renten der betrieblichen Altersversorgung. Tritt an die Stelle der Versorgungsbezüge eine nicht regelmäßig wiederkehrende Leistung oder ist eine solche Leistung vor Eintritt des Versicherungsfalls vereinbart oder zugesagt worden, gilt ein 1/120 der Leistung als monatlicher Zahlbetrag der Versorgungsbezüge, längstens jedoch für 120 Monate (§ 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. Urteil vom 12. Dezember 2007 – B 12 KR 6/06 R – juris m. w. N.), der sich der Senat anschließt, gehören zu den Renten der betrieblichen Altersversorgung auch solche Renten, die aus einer vom Arbeitgeber für den Arbeitnehmer abgeschlossenen Direktversicherung gezahlt werden. Um eine solche Direktversicherung handelt es sich, wenn für die betriebliche Altersversorgung eine Lebensversicherung auf das Leben des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber abgeschlossen wird und der Arbeitnehmer oder seine Hinterbliebenen hinsichtlich der Leistung des Versicherers ganz oder teilweise bezugsberechtigt sind. Sie ist dann der betrieblichen Altersversorgung zuzurechnen, wenn sie die Versorgung des Arbeitnehmers oder seiner Hinterbliebenen im Alter, bei Invalidität oder Tod bezweckt, also der Sicherung des Lebensstandards nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Erwerbsleben dienen soll. Dieser Versorgungszweck muss nicht ausdrücklich geregelt sein, er kann sich auch aus der vereinbarten Laufzeit ergeben. Der hinreichende Zusammenhang zwischen dem Erwerb der Leistung aus der Lebensversicherung und der Berufstätigkeit des Arbeitnehmers für die Qualifizierung als beitragspflichtige Einnahme der betrieblichen Altersversorgung ist bei einer solchen für die betriebliche Altersversorgung typischen Versicherungsart der Direktversicherung jedenfalls dann gegeben, wenn der Arbeitgeber im maßgeblichen Zeitraum Versicherungsnehmer ist bzw. die Versicherung fortführt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 28. September 2010 – 1 BvR 1660/08).

Bei der weiteren Konkretisierung der Begriffe des Versorgungsbezuges bzw. der Rente der betrieblichen Altersversorgung in Abgrenzung zur nicht beitragspflichtigen privaten Lebensversicherung ist Art. 3 Abs. 1 GG zu beachten. Im Rahmen der zur Beitragserhebung notwendigen Typisierung verbieten Bedeutung und Tragweite des allgemeinen Gleichheitssatzes, die Vorschrift auf Fälle zu erstrecken, in denen auch Einzahlungen des Arbeitnehmers auf Kapitallebensversicherungsverträge in die betriebliche Altersversorgung eingeordnet werden, die den Begriffsmerkmalen des Betriebsrentenrechts nicht entsprechen und sich in keiner Weise mehr von Einzahlungen auf private Kapitallebensversicherungsverträge unterscheiden (zum Folgenden: BVerfG a.a.O. unter III.2.c) der Entscheidungsgründe). Es ist auch bei ursprünglich betrieblich veranlassten Versicherungen danach zu differenzieren, ob sie später vollständig aus dem betrieblichen Bezug – und dem Regelwerk des Betriebsrentenrechts – gelöst worden sind und ggf. ohne Probleme in einen betrieblichen und einen privaten Teil bei der Auszahlung zu trennen sind. Das ist insbesondere der Fall, wenn nach Beendigung der Erwerbstätigkeit Beiträge auf eine frühere Direktversicherung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses und nach Einrücken des Arbeitnehmers in die Stellung des Versicherungsnehmers allein von ihm gezahlt werden.

Spätestens ab dem Datum der Löschung der D. GmbH am 29. April 1986 handelt es sich hiernach nicht mehr um einen Versorgungsbezug, da der für eine Direktversicherung erforderliche Arbeitgeber nicht mehr existierte, was versicherungsvertragsrechtlich zum Wegfall des Versicherungsnehmers der Direktversicherung führte. Eine GmbH verliert ihre Rechtsfähigkeit entgegen der Auffassung des Antragstellers zwar noch nicht mit Auflösung (§ 60 GmbHG), indes jedenfalls nach Beendigung der Liquidation der vermögenslosen Gesellschaft und Löschung im Handelsregister (vgl. OLG Koblenz, ZIP 2007, 2166 m.w.N.).

Ab diesem Zeitpunkt kann der frühere Arbeitgeber des Antragstellers nicht mehr Versicherungsnehmer gewesen sein. Offen bleiben kann, ob der Antragsteller – entsprechend seinem Vortrag – im Rahmen der Liquidation Rechtsnachfolger geworden ist oder bloß faktisch in die Rolle des Versicherungsnehmers eingetreten ist; jedenfalls ist aus dem vorgelegten Schriftverkehr zu folgern, dass der Antragsteller von der E. AG als Versicherungsnehmer behandelt worden ist und der Vertrag mit ihm fortgeführt worden ist. Das bloße Fehlen eines neuen Versicherungsscheins spricht nicht gegen eine wirksame Änderung des Vertrages (Prölls in: Prölls/Martin, VVG, 28. Aufl. § 1 Rn. 96) im Sinne des zuletzt praktizierten und übereinstimmenden Willens von Antragsteller und Versicherungsunternehmen, den Vertrag trotz Untergang des Versicherungsnehmers mit dem vom Vertrag begünstigten Antragsteller fortzuführen.

Jedenfalls am Beweismaßstab des Eilverfahrens kann auch davon ausgegangen werden, dass die Versicherung niemals einen hinreichenden betrieblichen Bezug hatte, da sie nach den Angaben des damals zuständigen Filialdirektors der E. AG „die D. GmbH nicht in der finanziellen Lage war, die Beiträge ab Vertragsbeginn zu zahlen und Herr A. die Beiträge ab Vertragsbeginn privat zahlen sollte“ (Schreiben der E. AG vom 23. November 2009).

Die vollständige Ermittlung der versicherungsvertragsrechtlich relevanten Umstände kann dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.

Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin kann der Auszahlungsbetrag auch nicht als „Einnahme, die für den Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbraucht werden kann“ bzw. „sonstige Einnahme, die die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit bestimmt“ nach §§ 3 Abs. 1, 5 Abs. 4 und 7 Abs. 6 der „Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler“ mit einem 1/120 des Zahlbetrages unter Anwendung des ermäßigten Beitragssatzes herangezogen werden. Für eine derartige Beitragserhebung fehlt die gesetzliche Grundlage. Die Beitragsbemessungstatbestände der §§ 226 bis 239 SGB V regeln die Beitragserhebung auf den Zahlbetrag einer der privaten Altersvorsorge dienenden Lebensversicherung nicht. Die Generalklausel des § 240 Abs. 1 SGB V ermächtigt in verfassungskonformer Auslegung den Vorstand des Spitzenverbandes Bund nicht auf der Grundlage des § 217e Abs. 2 SGB V zur Normierung eigener Tatbestände in „abstrakt-generellen Regelungen sui generis“, die über die gesetzliche Regelung der §§ 226ff. SGB V hinaus gehen.

Das Beitragsrecht zur freiwilligen Krankenversicherung bewegt sich im grundrechtsrelevanten Bereich. Es gilt der Vorbehalt des Gesetzes; die die Beitragspflicht regelnden Normen müssen sich jedenfalls an Art. 2 Abs. 1 GG messen lassen. Es handelt sich bei der freiwilligen Krankenversicherung nicht um ein durch Vertrag einvernehmlich ausge-staltetes Rechtsverhältnis, sondern im Bereich des Beitragsrechts um ein durch Subordination gekennzeichnetes öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis, das zwar nur durch eine freiwillige Beitrittserklärung des Versicherten nach § 9 Abs. 2 SGB V zustande kommen kann, in dem der Versicherte aber für die Dauer seiner Mitgliedschaft den hoheitlichen Befugnissen der Krankenkasse unterliegt. Zudem ist das Kündigungsrecht öffentlich-rechtlich beschränkt (vgl. § 191 i.V.m. § 175 Abs. 4 SGB V), der Beitragsverpflichtete ist nicht vollkommen frei, das die Beitragspflicht begründende Statusverhältnis zu beenden. Die Beitragsbemessung muss mithin durch oder aufgrund eines formellen Gesetzes erfolgen. Dies war nur nach der bis 31. Dezember 2008 geltenden Rechtslage der Fall (vgl. BSG, Urteil vom 17. März 2010 – B 12 KR 4/09 R): Nach § 240 SGB V in der Fassung des Gesundheits-Reformgesetzes vom 20. Dezember 1988 (BGBl. I S. 2477) war die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder durch die Satzung der Krankenkassen zu regeln (Abs. 1 Satz 1). Die Satzung musste für die Beitragshöhe die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit (Abs. 1 Satz 2) und mindestens die Einnahmen des freiwilligen Mitglieds berücksichtigen, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen waren (Abs. 2 Satz 1). Für hauptberuflich selbstständige freiwillige Mitglieder waren Mindesteinnahmen zu Grunde zu legen, es sei denn, es wurden niedrigere Einnahmen nachgewiesen (§ 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V). Die satzungsförmige Regelung, welche Einnahmen im Rahmen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zur Beitragsbemessung herangezogen werden, komplettierte auf diese Weise das übrige gesetzliche Programm aus Regelungen zu Beitragssatz, Beitragstragung und Beitragszahlung. Dabei war es notwendig wie hinreichend, dass die Satzung eine generalklauselartige Regelung zur Beitragsbemessung vorsah, um neben den im Gesetz genannten beitragspflichtigen Einnahmen der versicherungspflichtigen Beschäftigten auch andere Einnahmen der Beitragsbemessung zugrunde zu legen (BSG, Urteil vom 19. Dezember 2000 – B 12 KR 1/00 R – BSGE 87, 228).

Diese Qualität besitzt die Neuregelung der §§ 240, 217e Abs. 2 SGB V in Verbindung mit den vom Vorstand des GKV-Spitzenverbandes erlassenen „Beitragsverfahrensgrund-sätzen Selbstzahler“ nicht. Es fehlt mithin eine gegenüber dem Versicherten Rechtswirkung entfaltende untergesetzliche Norm, die eine Beitragsbemessung auf der Grundlage des Auszahlungsbetrages einer privaten Lebensversicherung rechtfertigt.

Dahinstehen kann, ob aus dem Prinzip des Vorbehalts des Gesetzes folgt, dass es einen numerus clausus untergesetzlicher Rechtsnormen gibt. § 217e Abs. 2 SGB V ist insoweit offen formuliert, da er „sonstigen Entscheidungen“ des Spitzenverbandes Bund eine Bindungswirkung gegenüber den Versicherten zuweist. Jedenfalls muss sich die gesetzgeberische Delegation oder Anerkennung originärer Rechtssetzungsbefugnisse der Verwaltung bereits aus verfassungsrechtlichen Gründen entweder im von Art. 80 GG gesetzten Rahmen halten oder es muss sich um Regelungen handeln, die dadurch gekennzeichnet sind, dass die Mitglieder von Selbstverwaltungskörperschaften im Rahmen verfassungsrechtlich oder parlamentsgesetzlich begründeter und begrenzter Sachautonomie eigene Angelegenheiten regeln (vgl. auch Di Fabio, NZS 1998, 449, 452 m.w.N. aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts). Die Legitimation muss also entweder unmittelbar staatlich-demokratischer oder mitgliedschaftlicher Natur sein (BVerfGE 64, 208, 214; Papier, VSSR 1990, 123, 132).

Bei der mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz verfolgten Gesundheitsreform sollte mit der Novellierung des § 240 SGB V ausdrücklich an die Legitimation durch Selbstverwaltung angeknüpft werden. Der Spitzenverband Bund ist gemäß §§ 217a ff. SGB V nach seiner äußeren Form als Selbstverwaltungskörperschaft konzipiert. Die Entscheidungskompetenz des Spitzenverbandes Bund nach § 217e Abs. 2 SGB V i.V.m. § 240 Abs. 1 SGB V ist an die Stelle der Satzungsbefugnis der Krankenkassen getreten. In der Begründung des Gesetzentwurfes (BT-Drs. 16/3100, S. 163f.) heißt es hierzu:

„Der Spitzenverband Bund und nicht mehr die einzelne Krankenkasse legt künftig die Grundsätze für die Beitragseinstufung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung fest. Dabei ist wie bisher die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds zu berücksichtigen. Da die Krankenkassen ab Einrichtung des Gesundheitsfonds kein originäres Interesse an der Beitragseinstufung freiwillig Versicherter mehr haben, ist es erforderlich, einheitliche, kassenartenübergreifende Regelungen zu schaffen. Zudem wird so eventuellen Verwerfungen im Wettbewerb vorgebeugt, denn die Krankenkassen haben nunmehr keine Möglichkeit, günstigere beitragsrechtliche Einstufungen mit dem Ziel der Mitgliederbindung/-gewinnung vorzunehmen. Bislang fiel die Beitragseinstufung freiwilliger Mitglieder in die Satzungskompetenz der jeweiligen Krankenkasse. Zudem war es damit nach alter Rechtslage möglich, dass die Krankenkassen unterschiedliche Einstufungsgrundsätze praktizierten. Mit der Einführung des Gesundheitsfonds können derartige Unterschiede nicht mehr aufrecht erhalten werden.“

Die „Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler“ wurden weder als Satzung noch durch das zur Rechtssetzung berufene Organ des Spitzenverbandes Bund erlassen. Sie wurden vielmehr formlos durch das Exekutivorgan in Gestalt des Vorstands des GKV-Spitzenverbandes beschlossen (Begründung zu den „Beitragsverfahrensgrundsätzen Selbstzahler“ zu § 13 S. 52; vgl. insoweit auch SG YS., Urteil vom 2. März 2010 – S 19 KR 873/09 – Rn. 24 zitiert nach juris).

Ungeachtet der Form der „Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler“ verfügt der Vorstand des GKV-Spitzenverbandes nicht über die hinreichende demokratische Legitimation zur Rechtsetzung. Die Prinzipien der Selbstverwaltung und der Autonomie wurzeln im demokratischen Prinzip und entsprechen dem freiheitlichen Charakter der Verfassung; sie ermöglichen gesellschaftlichen Gruppen, in eigener Verantwortung die Ordnung der sie berührenden Angelegenheiten mit zu gestalten (vgl. zum Folgenden: BVerfG, Beschluss vom 13. Juli 2004 – 1 BvR 1298/94, 1 BvR 1299/94, 1 BvR 1332/95, 1 BvR 613/97 – Rn. 146ff. zitiert nach juris). Dabei legt die Verfassung nicht fest, in welcher Organisationsform funktionale Selbstverwaltung stattzufinden hat. Die Ausgestaltung liegt im staatlichen Gestaltungsermessen. Die Einrichtung von Selbstverwaltungskörperschaften als Ausprägung des Demokratieprinzips mit dem Ziel der Verwirklichung der freien Selbstbestimmung darf indes nicht dazu führen, dass der Gesetzgeber sich seiner Regelungsverantwortung entäußert. Überlässt er öffentlich-rechtlichen Körperschaften und Anstalten als Trägern funktionaler Selbstverwaltung bestimmte Aufgaben zur autonomen Regelung, darf er ihnen die Rechtsetzungsbefugnis nicht zur völlig freien Verfügung überlassen. Das Gesetz muss mittels Vorgaben für das Verfahren der autonomen Entscheidungsfindung eine angemessene Partizipation der Mitglieder an der Willensbildung gewährleisten. Die Organe müssen nach demokratischen Grundsätzen gebildet werden; es sind institutionelle Vorkehrungen vorzusehen, damit die Beschlüsse so gefasst werden, dass nicht einzelne Interessen bevorzugt werden.

Der Spitzenverband Bund verfügt nach § 217b SGB V über drei Organe: einen Verwaltungsrat als Selbstverwaltungsorgan (Absatz 1), einen hauptamtlichen Vorstand, der den Spitzenverband Bund verwaltet und nach außen vertritt (Absatz 2), sowie eine Mitgliederversammlung, in die jede einzelne Kasse zwei Mitglieder ihres, aus den allgemeinen Sozialwahlen hervorgegangenen Verwaltungsrates entsendet (Absatz 3). Die Mitgliederversammlung hat den 41-köpfigen Verwaltungsrat zu wählen, welcher wiederum den bis zu dreiköpfigen Vorstand per Wahl zu bestimmen hat (vgl. zum Folgenden von Boetticher, SGb 2009, 15, 16). Die Mitgliederversammlung tritt nur jeweils nach den Sozialwahlen einmalig zum Wahlakt zusammen, hat kein Selbsteinberufungsrecht und auch keine Möglichkeiten, den Verwaltungsrat zu kontrollieren. Im Hinblick auf die demokratische Legitimation des Spitzenverbandes Bund weist zudem die Zusammensetzung der Mitgliederversammlung erhebliche Mängel auf: Es handelt sich nicht um von der jeweiligen Kassen gewählte, sondern nur um „entsandte“ Mitglieder (§ 217b Abs. 3 Satz 3 SGB V). Dies erfolgt durch Benennung seitens eines hauptamtlichen Vorstandsmitgliedes gemäß § 6 Abs. 2 der Satzung (von Boetticher a.a.O.).

Angesichts dieser Struktur wird bereits aufgrund der Mängel in Bezug auf die demokratische Verfasstheit der Körperschaft an der hinreichenden Legitimation zur Rechtssetzung gezweifelt (SG YS. a.a.O.; von Boetticher SGb 2009, 15, 18; Mühlhausen in: Becker/Kingreen, SGB V, 2. Aufl., § 217a Rn. 4ff. und § 217e Rn. 9; kritisch auch Peters in: Kasseler Kommentar, § 240 Rn. 25; Welti, SozSich 2006, 254, 259). Diesen Zweifeln ist für den vorliegenden Fall jedenfalls insoweit zu folgen, als eine Rechtssetzung durch den Vorstand einer hinreichenden Legitimation entbehrt. Zu einer demokratischen Grundsätzen folgenden Organstruktur gehört nämlich, dass das durch Wahlen der Mitglieder hinreichend legitimierte Gremium die gesetzlich eingeräumten Legislativbefugnisse wahrnimmt. Dies wäre allenfalls – ungeachtet der insoweit ebenfalls bestehenden Legitimationsdefizite in Hinblick auf die Sozialwahlen und die Entsendung – der Verwaltungsrat. Die demokratische Legitimationskette von den Sozialwahlen zur Vorstandswahl weist über die Entsendung in die Mitgliederversammlung, die Verwaltungsratswahl und die Vorstandswahl drei weitere Glieder auf. Eine derart vielfache Delegation ist in § 240 Abs. 1 SGB V nach seinem Wortlaut weder vorgesehen noch begrenzt. Sie widerspricht zudem dem oben dargestellten, aus dem Demokratieprinzip abzuleitenden Partizipationsgedanken, wonach allein dem mitgliedschaftlich legitimierten Organ auch die Befugnis zur Rechtssetzung zukommt.

Außerhalb des Selbstverwaltungsprinzips diskutierte, andere Legitimationsmuster können auf die „Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler“ nicht übertragen werden. So genügen die „Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler“ ersichtlich nicht Art. 80 GG, weder in unmittelbarer noch analoger Anwendung. Es handelt sich um keine Rechtsverordnung; in den §§ 217e Abs. 2, 240 SGB V wird auch keiner der in Art. 80 GG genannten Adressaten ermächtigt. Sofern man überhaupt erwägen sollte, für die vorliegende Regelungsmaterie Art. 80 GG analog auf materielle Normen sui generis anzuwenden (vgl. zur Normsetzungsbefugnis des Gemeinsamen Bundesausschusses: BSG, Urteil vom 20. März 1996 – 6 RKa 62/94; Urteil vom 16. September 1997 – 1 RK 32/95; Urteil vom 27. September 2005 – B 1 KR 28/03 R; offen lassend BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 2005 – 1 BvR 347/98), so wäre § 240 Abs. 1 SGB V am Maßstab von Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG analog zu unbestimmt, da die Vorschrift dann Rechtssetzungsbefugnisse nicht an ein Exekutivorgan im Bereich der unmittelbaren Staatsverwaltung, sondern an einen Verband in Gestalt der Körperschaft des öffentlichen Rechts delegieren würde. Es bliebe wiederum unklar, welches Organ der Körperschaft zur Rechtssetzung in welcher Form berufen wäre. Dies unterscheidet die hiesige Konstellation von der Frage der Rechtssetzungsbefugnisse des Gemeinsamen Bundesausschusses.

Die namentlich im Umweltrecht anerkannte, mit Bindungswirkung gegenüber Verwaltung und Gerichten ausgestattet „normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift“ setzt einen gesetzlich eingeräumten Beurteilungsspielraum voraus (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Oktober 1998 – 8 C 16/96 – juris Rn. 16). Eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung für die Einräumung eines solchen, etwa wegen der Fachkunde eines pluralistisch besetzten Gremiums o.ä., ist im Bereich des Beitragsrechts nicht denkbar.

Die „Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler“ können schließlich auch nicht reduzierend als Allgemeinverfügung ausgelegt werden, da bei Beachtung des Regelungswillens des GKV-Spitzenverbandes die Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 SGB X nicht vorliegen. Sie sollen keinen generell-konkreten Einzelfall in Bezug auf einen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis regeln; vielmehr enthalten sie notwendige generell-abstrakte Essentialia des Beitragstatbestandes.

Unbegründet ist die Beschwerde lediglich aus formalen Gründen hinsichtlich der gegenüber der Antragsgegnerin angegriffenen Festsetzung der Beiträge zur Pflegeversicherung. Der Antrag ist nach seinem Wortlaut und dem Rubrum in der Hauptsache im gegenwärtigen Verfahrensstand auf die Beitragserhebung durch die Antragsgegnerin beschränkt. Die der Pflegekasse zuzurechnenden Festsetzungen sind nicht Streitgegenstand.

Klarstellend ist darauf hinzuweisen, dass die Anordnung der aufschiebenden Wirkung auch im Übrigen durch den Streitgegenstand der Klage beschränkt ist. Aufgrund der dortigen Formulierung des Antrages bleibt die Antragsgegnerin berechtigt, Beitragsbescheide zu vollziehen, soweit sie sich bei der Bemessung auf die jeweils geltende Mindestbemessungsgrundlage beschränkt. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.

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