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Forderungsausfallversicherung – Ausschluss des Versicherungsschutzes bei vorsätzlichem Handeln

OLG Köln, Az.: I-9 U 244/15, Urteil vom 07.06.2016

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 16.09.2015 — 20 O 399/14 — wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.

Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger verlangt aus einer Forderungsausfallversicherung Entschädigungsleistungen für eine titulierte Schadensersatzforderung gegen den Schädiger Herrn B, die er nicht realisieren konnte.

Zwischen den Parteien besteht ein Vertrag über eine Privathaftpflichtversicherung. Es finden die „Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB) PHA 400/05“ (im Folgenden: AHB) und die „Besonderen Bedingungen zum Privathaftpflichtschutz PHA 433/05 (Familie optimal)“ (im Folgenden: BB PHV) Anwendung.

§ 4 II 1. AHB lautet:

Ausgeschlossen von der Versicherung bleiben Versicherungsansprüche aller Personen, die den Schaden vorsätzlich herbeigeführt haben […].

In den BB PHV heißt es u.a. wie folgt:

18.1 Gegenstand des Versicherungsschutzes

Hat ein Versicherter […]

– wegen Personen- oder Sachschäden berechtigte Schadensersatzansprüche

– und kann er diese berechtigten Forderungen gegen den Schadensersatzpflichtigen nicht oder nicht voll durchsetzen (Forderungsausfall – siehe Ziff. 18.3 a),

so stellt ihn der Versicherer so, als hätte der Schadensersatzpflichtige als Versicherter Versicherungsschutz im Rahmen und Umfang der diesem Vertrag zu Grunde liegenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB) und der zusätzlichen Bedingungen dieser Ziffer 18.

Der Versicherer prüft die Haftpflichtfrage und leistet den Ersatz der Entschädigung, welche der Schadensersatzpflichtige aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts nach dem Recht eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union […] zu erbringen hat.

[…]

18.3 Leistungsvoraussetzungen

Voraussetzung für eine Versicherungsleistung ist, dass

a) der Schadensersatzpflichtige zahlungs-/leistungsunfähig ist; dies liegt vor, wenn aufgrund eines Urteils nach einem streitigen Verfahren […]

– eine Zwangsvollstreckung nicht zur vollen Befriedigung geführt hat […].

– eine Zwangsvollstreckung aussichtslos erscheint […]

– ein gegen den Schadensersatzpflichtigen durchgeführtes […] Insolvenzverfahren nicht zur vollen Befriedigung geführt hat […]

b) dem Versicherer […] alle Umstände des Versicherungsfalls […] gemeldet werden und der Versicherer die gesetzliche Haftpflicht des Schadensersatzpflichtigen anerkennt;

c) an den Versicherer die Ansprüche gegen den Schadensersatzpflichtigen in Höhe der Versicherungsleistung abgetreten werden, die vollstreckbare Ausfertigung des Urteils ausgehändigt und an deren erforderlichen Umschreibung auf den Versicherer mitgewirkt wird. […]

Die Leistungsvoraussetzungen sind dem Versicherer zu belegen und nachzuweisen (z.B. […] Vorlage eines rechtskräftigen Urteils […]

Am 01.05.2010 verletzte Herr B den Kläger. Der Kläger verlor das Sehvermögen auf dem linken Auge.

Mit Urteil vom 15.03.2012 verurteilte das Landgericht Bonn — 4 O 92/11 — Herrn B, an den Kläger aufgrund dieses Vorfalls Schadensersatz in Höhe von 79.547,73 € nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz ab dem 29.09.2011 zu zahlen. Es wurde festgestellt, dass die Forderungen aus einer seitens Herrn B begangenen vorsätzlichen unerlaubten Handlung herrühren. Zur Begründung führte das Landgericht aus, Herr B habe nicht bewiesen, den unstreitigen Schlag in einer Notwehrsituation verübt zu haben. Der Schlag sei für die Verletzungsfolgen auch ursächlich. Es sei davon auszugehen, dass Herr B bei Ausführung des Schlages noch ein Glas in der Hand gehalten habe; er hafte aber auch, wenn sich der Kläger die Verletzung erst bei dem Sturz zugezogen haben sollte. Nach Zurückweisung der Berufung des Herrn B durch den Senat mit Urteil vom 15.08.2013 – 9 U 65/12 —ist dieses Urteil mittlerweile rechtskräftig. In einem strafgerichtlichen Verfahren wegen gefährlicher Körperverletzung sprach das Amtsgericht Siegburg Herrn B mit Urteil vom 15.05.2012 — 231 Ls – 554 Js 439/10 – 4/11 — frei: Zwar habe er den objektiven Tatbestand der schweren Körperverletzung erfüllt. Auch sei davon auszugehen, dass er während des Schlages ein Glas in Händen gehalten habe. Es sei jedoch nicht festzustellen, dass er die Verletzungsfolge wissentlich herbeigeführt habe: In dem allgemeinen Tumult und Handgemenge sei für den Angeklagten sicherlich nicht vorhersehbar gewesen, dass er den Kläger so treffen und verletzen werde, dass sich ein Glassplitter in dessen Auge bohrte. Zu seinen Gunsten sei auch von einer Rechtfertigung der Tat gem. § 32 StGB auszugehen; seine Einlassung, vor dem von ihm geführten Schlag eine Kopfnuss erhalten zu haben, sei nicht zu widerlegen.

Versuche des Klägers, die ausgeurteilte Schadensersatzforderung zu vollstrecken, scheiterten. Am 26.11.2013 erstellte Herr B ein Vermögensverzeichnis. Mittlerweile ist Herr B arbeitslos und erhält Leistungen der Grundsicherung. Der Kläger teilte der Beklagten den Versicherungsfall mit und übermittelte die oben genannten Urteile. Die Beklagte lehnte ihre Eintrittspflicht mit Schreiben vom 15.07.2014 ab: Sie sei leistungsfrei, da Herr B zumindest bedingt vorsätzlich gehandelt habe.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ein vorsätzliches Handeln des Herrn B führe nicht zu einer Leistungsfreiheit der Beklagten: Ein Risikoausschluss wegen vorsätzlichen Handelns des Schädigers sei in Ziff. 18 BB PHV nicht genannt; der Verweis auf die AHB sei intransparent und unwirksam. Das Urteil des zwischen dem Kläger und Herrn B geführten Haftpflichtprozesses entfalte auch keine Bindungswirkung, zumal die Frage eines Vorsatzes bzgl. der Verletzungsfolge für den Anspruch gem. § 823 BGB nicht relevant gewesen sei. Hilfsweise hat der Kläger behauptet, Herr B habe hinsichtlich der Verletzungsfolge nicht vorsätzlich gehandelt. Er habe kein Bierglas in der Hand gehalten, als er ihm ins Gesicht geschlagen habe. Die im Vermögensverzeichnis angegeben Einkünfte von 1.400,- € netto bestünden nicht; Herr B sei tatsächlich arbeitslos.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 79.547,73 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.09.2011 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, sie sei leistungsfrei, da Herr B vorsätzlich gehandelt habe. Gem. Ziff. 18.1 Abs. 2 BB PHV habe sie den Kläger allenfalls so zu stellen, als genösse Herr B bedingungsgemäßen Versicherungsschutz. Wäre dies der Fall, wäre bei einer vorsätzlichen Handlung des Herrn B Leistungsfreiheit gem. § 4 II 1. AHB eingetreten. Ein solch vorsätzliches Handeln ergebe sich schon bindend aus den rechtskräftigen Feststellungen des Landgerichts Bonn. Herr B habe auch tatsächlich vorsätzlich gehandelt. Er habe dem Kläger gezielt mit der Faust gegen den Kopf geschlagen und dann mit einem Glas in der Hand weiter auf den Kläger eingeschlagen; aus der Intensität und Gefährlichkeit dieses Angriffs könne auf einen Vorsatz auch hinsichtlich der Verletzungsfolgen geschlossen werden. Dass Herr B nur kurzfristig bei der Fa. T beschäftigt gewesen sei, hat die Beklagte mit Nichtwissen bestritten. Sie hat behauptet, der Kläger könne in ein monatliches Nettoeinkommen und Forderungen des Herrn B aus einem früheren Arbeitsverhältnis vollstrecken.

Nach schriftlicher Vernehmung des Zeugen I hat das Landgericht mit Urteil vom 16.09.2015 die Beklagte verurteilt, an den Kläger 79.547,73 € nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 15.07.2014 zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen wie folgt ausgeführt:

Die Voraussetzungen gem. Ziff. 18.3 a) BB PHV lägen vor. Unstreitig habe der Kläger fruchtlos gegen den Schädiger zu vollstrecken versucht. Er sei nicht auf eine Vollstreckung in laufende Einkünfte des Herrn B zu verweisen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe fest, dass Herr B nicht mehr bei der Fa. T beschäftigt sei. Die in Ziff. 18.3 b) und c) BB PHV genannten Voraussetzungen müssten nicht kumulativ erfüllt sein. Der Wortlaut verlange dies nicht, auch würde es den Versicherungsnehmer unangemessen belasten. Die unter c) geforderte Abtretung der Forderung gegen den Schädiger weiche zudem überraschend von der Wertung des § 86 Abs. 1 VVG ab.

Die Forderung ergebe sich aus dem Urteil des Landgerichts Bonn. Die Parteien seien an dieses Urteil gebunden, nachdem der Kläger dem letzten Absatz von Ziff. 18 BB PHV entsprechend die Leistungsvoraussetzungen gerade durch Vorlage dieses rechtskräftigen Urteils nachgewiesen habe. Dementsprechend sei zwar auch bindend festgestellt, dass Herr B vorsätzlich gehandelt habe. Der Anspruch des Klägers sei aber deswegen nicht ausgeschlossen. Die Versicherungsbedingungen ließen aus Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers einen Leistungsausschluss bei Vorsatz des Schädigers nicht erkennen. Der Wortlaut des § 4 II 1. AHB beziehe sich nur auf einen Vorsatz des Versicherungsnehmers. Auch die von der Beklagten angeführte Ergänzungsfunktion bzw. Spiegelbildlichkeit der Forderungsausfallversicherung lasse den Vorsatz des Schädigers als Ausschlussgrund nicht hinreichend erkennen, da § 4 II 1. AHB auch für die Forderungsausfallversicherung Sinn mache, wenn allein der vom Versicherungsnehmer vorsätzlich mitherbeigeführte Haftpflichtschaden nicht abgedeckt sein soll. Damit bleibe die Reichweite des Vorsatzausschlusses unklar und sei gem. § 305 c Abs. 2 BGB zu Gunsten des Klägers auszulegen. Zudem vermittle Ziff. 18.1 Abs. 2 BB PHV dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer den Eindruck, dass es allein auf gesetzliche Bestimmungen zum Schadensersatz ankomme; ein Fortfall der Leistungspflicht bei einer wegen des Vorsatzes des Schädigers eindeutigen Haftungslage sei für den Laien überraschend.

Gegen dieses ihr am 18.09.2015 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, die am 15.10.2015 bei Gericht eingegangen und nach entsprechender Fristverlängerung von der Beklagten am 18.12.2015 begründet worden ist.

Die Beklagte hält an ihrer Auffassung fest, wonach aus der Intensität und Gefährlichkeit des von Herrn B zielgerichtet gegen den Kopf ausgeübten Faustschlags auf bedingten Vorsatz hinsichtlich der Verletzungsfolgen geschlossen werden könne. Sie meint, die Voraussetzungen gem. Ziff. 18.3 BB PHV müssten kumulativ erfüllt sein. Die einzelnen Varianten stünden gleichberechtigt nebeneinander. Darüber hinaus sei der Versicherer stets darauf angewiesen, dass ein gerichtliches Verfahren durchgeführt worden sei. Auch sei die sich aus der Auffassung des Landgerichts ergebende Schlussfolgerung evident unrichtig, dass allein eine Abtretung gem. Ziff. 18.3 c) BB PHV Ansprüche begründen könne. Ziff. 18.3 c) BB PHV sei auch nicht überraschend, sondern verlange dem Versicherungsnehmer nur ab, was ohnehin gem. § 86 VVG eintrete. Feststellungen, ob die Voraussetzungen der Ziff. 18.3 b) und c) BB PHV erfüllt seien, habe das Landgericht fehlerhaft nicht getroffen. Unzutreffend seien jedenfalls die Ausführungen, wonach ein vergeblicher Vollstreckungsversuch des Klägers unstreitig sei.

Ein Leistungsausschluss bei vorsätzlichem Handeln des Schädigers sei wirksam vereinbart: Es sei schon nicht erkennbar, ob das Landgericht die Voraussetzungen von Ziff. 18.1 BB PHV i.V.m. § 4 II 1. AHB als nicht erfüllt ansehe, oder von einem Verstoß gegen AGB-rechtliche Grundsätze ausgehe. Dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer sei klar, dass der Versicherer bei einem vorsätzlichen Handeln des Versicherungsnehmers selbst leistungsfrei werde. § 4 II 1. AHB sei nicht intransparent oder missverständlich. Die Kammer habe übersehen, dass der Versicherungsnehmer gem. Ziff. 18 BB PHV so zu stellen sei, als sei der Schadensersatzpflichtige Versicherter. Wäre der Schadensersatzpflichtige aber Versicherungsnehmer, wäre die Beklagte leistungsfrei, weil er vorsätzlich gehandelt hätte.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Landgerichts Köln vom 16.09.2015, Az.: 20 O 399/14, abzuändern und die Klage abzuweisen, hilfsweise: das Urteil des Landgerichts Köln vom 16.09.2015, Az.: 20 O 399/14, aufzuheben und den Rechtsstreit an das Landgericht Köln zurückzuverweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen.

Die Akten der Staatsanwaltschaft Bonn, Az.: 554 Js 439/10 A, und die Akten des Landgerichts Bonn, Az.: 4 O 92/11 = 9 U 65/12, waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt im Übrigen Bezug genommen.

II.

Die fristgerecht und formbedenkenfrei erhobene zulässige Berufung ist unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte den vom Landgericht zuerkannten Anspruch auf Zahlung von 79.547,73 € gem. § 1 VVG i.V.m. Ziff. 18.1 BB PHV ff.

1. Der vom Kläger verfolgte Anspruch verlangt gem. Ziff. 18.1 BB PHV, dass der Versicherte berechtigte Schadensersatzansprüche wegen Personenschäden nicht oder nicht voll durchsetzen kann. Voraussetzung für die Versicherungsleistung ist dabei gem. Ziff. 18.3 BB PHV, dass der Schadensersatzpflichtige zahlungs- und leistungsunfähig ist. Dies ist u.a. gem. Ziff. 18.3 BB PHV, erster Spiegelstrich, dann anzunehmen, wenn aufgrund eines Urteils nach einem streitigen Verfahren vor einem ordentlichen Gericht der EU eine Zwangsvollstreckung nicht zur vollen Befriedigung geführt hat. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.

Das Landgericht Bonn hat als ordentliches Gericht der EU nach streitigem Verfahren mit Urteil vom 15.03.2012 dem Kläger aufgrund erlittener Personenschäden gegen Herrn B eine Forderung in Höhe von 79.547,73 € nebst Zinsen zugesprochen.

Der Kläger ist mit dieser Forderung auch ausgefallen. Dabei ist unstreitig, dass gem. Ziff. 18.3 a) BB PHV, erster Spiegelstrich, eine Zwangsvollstreckung des Klägers nicht zu seiner Befriedigung geführt hat. Das Landgericht hat im Tatbestand des angegriffenen Urteils nämlich als unstreitig dargestellt, dass der Kläger mit Hilfe des Büros C vergeblich bei Herrn B zu vollstrecken versucht habe. Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, abweichend von dieser Darstellung sei ein Vollstreckungsversuch erstinstanzlich tatsächlich streitig gewesen. Gem. § 314 ZPO liefert der Tatbestand des Urteils nämlich den Beweis dafür, dass entsprechendes Parteivorbringen tatsächlich zum Verhandlungsschluss erfolgt ist. Die gegenteiligen Ausführungen der Beklagten allein genügen nicht. Ist in Wahrheit streitiges Vorbringen als unstreitig im angefochtenen Urteil dargestellt, muss Tatbestandsberichtigung gem. § 320 ZPO beantragt werden (Zöller/Heßler, ZPO 30. Aufl. 2014, § 529 Rn. 2 m.w.N.; OLG Karlsruhe NJW-RR 2003, 891; OLG Rostock OLGR 2004, 61). Ein entsprechender Antrag der Beklagten ist jedoch unterblieben. Darüber hinaus genügte das erstinstanzliche, einfache Bestreiten der Beklagten auch nicht mehr, nachdem der Kläger auf entsprechenden Hinweis des Landgerichts zu den Umständen des Zwangsvollstreckungsversuchs näher vorgetragen hatte. Diesem Vortrag ist die Beklagte nicht weiter entgegengetreten.

Der Anspruch des Klägers verlangt nicht, dass neben einer erfolglosen Zwangsvollstreckung i.S.v. Ziff. 18.3 a) BB PHV, erster Spiegelstrich, die unter den weiteren Spiegelstrichen genannten Voraussetzungen des Offenbarungseides und des durchgeführten Insolvenzverfahrens zusätzlich erfüllt sein müssen. Die unter den einzelnen Spiegelstrichen genannten Voraussetzungen müssen nur alternativ erfüllt sein. Dies ergibt die Auslegung der Klausel unter Berücksichtigung der wechselseitigen Interessen der Parteien: Dem Interesse des Versicherers, erst nachrangig in Anspruch genommen zu werden, wird bereits ausreichend Rechnung getragen, wenn eine der Voraussetzungen erfüllt ist. Hingegen widerspricht es dem Interesse des Versicherungsnehmers, alle drei Voraussetzungen kumulativ erfüllen zu müssen — bspw. nach Leistung eines Offenbarungseides noch einen erkennbar unnötigen Vollstreckungsversuch zu unternehmen. Hinzu kommt, dass durchaus Fälle denkbar sind, in denen zu keiner Zeit sämtliche Voraussetzungen erfüllbar sind. Dieser Auslegung entsprechend werden in den Musterbedingungen in der Haftpflichtversicherung des GDV, Stand 13.04.2011 — abgedruckt in Prölss/Martin, 29. Aufl., Nr. 220, S. 1506 ff. — die entsprechenden Regelungen eindeutig alternativ gefordert.

2. Auch die weiteren Anspruchsvoraussetzungen gem. Ziff. 18.3 b) und c) BB PHV liegen vor, soweit die entsprechenden Klauseln wirksam sind.

a) Allerdings müssen die Voraussetzungen der Klauseln gem. Ziff. 18.3 a) bis c) BB PHV entgegen der Auffassung des Klägers kumulativ erfüllt sein, wie es auch die Regelungen der Musterbedingungsstruktur in der Haftpflichtversicherung des GDV verlangen. Mit der Definition des Forderungsausfalls (a), bestimmten Melde- und Verhaltensregeln (b) und Ansprüchen zu Gunsten des Versicherers (c) werden völlig unterschiedliche Bereiche und Interessen geregelt, die sich ergänzen und ineinandergreifen. Zu Recht weist die Beklagte darauf hin, dass die alleinige Erfüllung einzelner Klauseln „völlig sinnlos“ wäre, bspw. eine Abtretung der Ansprüche allein keinen Anspruch des Versicherungsnehmers begründen kann. Hingegen besteht ein Interesse des Versicherers an den unter b) und c) getroffenen Regelungen stets und in jedem Fall.

b) Die Klausel gem. Ziff. 18.3 b) BB PHV ist wirksam, soweit sie den Versicherungsnehmer verpflichtet, der Beklagten alle Umstände des Versicherungsfalls ausführlich, wahrheitsgemäß und unverzüglich zu melden. Auch kumulativ zu Ziff. 18.3 a) BB PHV angewandt, benachteiligt sie den Versicherungsnehmer nicht unzumutbar. Für den Versicherer ist die Meldepflicht von großer Bedeutung. Sie ist — auch in Fällen eines gerichtlichen Verfahrens — oft der einzige Weg, notwendige Informationen zu erhalten, um die Berechtigung geltend gemachter Ansprüche zu überprüfen. Dem Versicherungsnehmer ist es hingegen ohne weiteres möglich, dem Versicherer die Umstände des Versicherungsfalls mitzuteilen.

Die Beklagte trägt indes nicht vor, dass der Kläger diese Meldepflicht verletzt hätte. Die Darlegungslast trifft aber die Beklagte. Versteht man die Meldepflicht als Obliegenheit, trifft die Beklagte die Darlegungslast nach allgemeinen Regeln: Als Versicherer muss sie eine Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers beweisen. Versteht man die Meldepflicht in Anlehnung an die Überschrift der Klausel als Leistungs- oder Anspruchsvoraussetzung, träfe zwar primär den Kläger die Darlegungslast; durch seinen unbestrittenen Vortrag, der Beklagten die maßgeblichen Urteile vorgelegt zu haben, hat der Kläger dieser primären Darlegungslast aber genügt. Es kann von ihm nicht verlangt werden, alle denkbaren Umstände mitzuteilen, die auch nur entfernt für die Beklagte von Interesse sein könnten. Weitergehender Vortrag der Beklagten im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast, inwieweit die Mitteilungen des Klägers unvollständig oder fehlerhaft sein sollen, fehlt.

Soweit Ziff. 18.3 b) BB PHV im letzten Halbsatzes ein Anerkenntnis der Haftpflicht des Schädigers durch die Beklagte verlangt, steht dies Ansprüchen des Klägers nicht entgegen. Zum einen hat die Beklagte die gesetzliche Haftpflicht Herrn Bs durch ihren Vortrag in dem vorliegenden Rechtsstreit anerkannt. Zwar streiten die Parteien um die Frage eines Vorsatzes des Herrn B hinsichtlich der Verletzungsfolgen. Dieser Streit hat aber allein versicherungsrechtliche Bedeutung. Die gesetzliche Haftpflicht des Herrn B, die gem. § 823 BGB keinen auf die Verletzungsfolgen bezogenen Vorsatz erfordert, ist hiervon unabhängig. Sie ist durch das Landgericht Bonn festgestellt und von der Beklagten uneingeschränkt eingeräumt worden.

Zum anderen ist die Klausel aber auch unwirksam. Sie ist überraschend im Sinne von § 305 c) BGB und benachteiligt den Versicherungsnehmer unangemessen i.S.v. § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Eine Klausel ist gem. § 305 c) BGB nicht Vertragsbestandteil, wenn sie objektiv ungewöhnlich ist und der Klauseladressat nicht mit ihr zu rechnen braucht. Die Klausel verlangt ein Anerkenntnis als anspruchsbegründende Voraussetzung des Versicherers zusätzlich neben der Vorlage eines rechtskräftigen Urteils. Der Klauseladressat wird aber eine Versicherungsleistung erwarten, sobald er die Haftpflicht des Schädigers durch Vorlage eines Urteils belegt hat. Dabei darf er gerade einem rechtskräftigen Urteil besondere Bedeutung zumessen. Nach ihrem Wortlaut räumt die Klausel dem Versicherer die Möglichkeit ein, trotz Vorlage eines rechtskräftigen Urteils, das dem Versicherungsnehmer Schadensersatzansprüche wegen Personen- oder Sachschäden zuspricht, durch Verweigerung eines entsprechenden Anerkenntnisses einen Anspruch überhaupt nicht erst entstehen zu lassen, obgleich alle übrigen Voraussetzungen erfüllt und nachgewiesen sind. Mit einem derart unbeeinflussbaren Tatbestand muss der Versicherungsnehmer nicht rechnen. Aus diesem Grund ist auch von einer vertragszweckgefährdenden Einschränkung wesentlicher Rechte und Pflichte gem. § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB auszugehen: Ist der Anspruch trotz Vorliegens aller übrigen Voraussetzungen noch von einem einseitigen Anerkenntnis der Beklagten abhängig, höhlt die der Beklagten nach der Klausel eingeräumte Möglichkeit, dieses zu verweigern, den Vertragszweck gänzlich aus.

c) Der Anspruch des Klägers scheitert auch nicht daran, dass er der Beklagten entgegen der Regelung des Ziff. 18.3 c) BB PHV bislang weder seine gegen Herrn B gerichteten Ansprüche abgetreten noch ihr die vollstreckbare Ausfertigung des Urteils des Landgerichts Bonn ausgehändigt hat.

Versteht man die Klausel in Anlehnung an ihre Überschrift als Leistungsvoraussetzung (so wohl: Prölss/Martin, VVG, 29. Aufl. 2015, Lücke, Ziff. 8 BB PHV, Rz. 8), wäre sie gem. § 87 VVG unwirksam, da sie zum Nachteil des Versicherungsnehmers von § 86 VVG abweicht. Zwar weist die Beklagte zu Recht darauf hin, dass mit der Abtretung etwaiger Ansprüche nur solche Folgen angestrebt werden, die dem gesetzlichen Forderungsübergang des § 86 VVG entsprechen. § 86 VVG lässt den gesetzlichen Forderungsübergang aber erst eintreten, wenn und soweit der Versicherer den Schaden ersetzt. Das heißt der Versicherungsnehmer verliert etwaige Ansprüche gegen den Schädiger erst dann, wenn er bereits eine Zahlung des Versicherers erlangt hat. Legt man die Klausel gem. Ziff. 18.3 c) BB PHV im Sinne der Beklagten als Anspruchsvoraussetzung aus, müsste der Versicherungsnehmer von dieser Regelung abweichend bereits vor Leistung des Versicherer seine Ansprüche abtreten.

Als Anspruchsvoraussetzung verstanden wäre die Klausel auch gem. § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB unwirksam, da sie den Versicherungsnehmer unangemessen benachteiligte. Von dem Versicherungsnehmer vor einer Leistung des Versicherers die Abtretung seiner Ansprüche zu verlangen, nähme ihm in dem Zeitraum zwischen Abtretung und Zahlung jede Rechtsposition aus dem eingetretenen Schadensfalls. Dies erscheint untragbar und wird durch keinerlei Interesse des Versicherers gerechtfertigt. Diese Situation würde zu Lasten des Versicherungsnehmers weiter verschärft, würde die Beklagte entsprechend obiger Ausführung trotz Abtretung der Ansprüche ihre Leistung zusätzlich noch von einem Anerkenntnis abhängig machen können.

Unangemessen und i.S.d. § 307 Abs. 2 BGB unwirksam wäre als Anspruchsvoraussetzung verstanden auch der übrige Klauselinhalt in Ziff. 18.3 c) BB PHV. Die Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung des Haftpflichturteils und die Anerkennung einer Mitwirkungsverpflichtung des Versicherungsnehmers an der Umschreibung des Titels gem. §§ 727, 325 ZPO vor der Leistung des Versicherers hätte eine wesentliche Gefährdung der Rechte des Versicherungsnehmers aus dem Titel zur Folge. Die Erfüllung dieser Verpflichtungen aus Ziff. 18.3 c) BB PHV vor Leistung des Versicherers liefe darauf hinaus, dass sich der Versicherungsnehmer der Möglichkeit begibt, selbst die Zwangsvollstreckung aus dem Titel zu betreiben. Zu einer Aushändigung der vollstreckbaren Ausfertigung des Urteils ist der Versicherungsnehmer aber erst dann verpflichtet, wenn er in vollem Umfang befriedigt ist, § 757 Abs. 1 ZPO. Gleiches gilt hinsichtlich der Mitwirkung bei der Umschreibung des Titels zu Gunsten des Versicherers.

Wirksam ist die Klausel allenfalls dann, wenn man sie derart auslegt, dass sie Folgeansprüche und Gegenrechte des Versicherers begründen soll, die der Entstehung und der Fälligkeit des klägerischen Anspruchs nicht entgegenstehen, sondern vom Versicherer geltend gemacht werden und einem Anspruch des Versicherungsnehmers ggf. im Wege des Zurückbehaltungsrechts entgegengehalten werden können. Einer solchen Auslegung entspricht der Wortlaut der Klausel, der ausdrücklich ein zukünftiges Verhalten des Versicherungsnehmers verlangt. Ob der Beklagten tatsächlich ein Zurückbehaltungsrecht zusteht, kann vorliegend jedoch dahinstehen. Ein Zurückbehaltungsrecht ist nämlich nicht von Amts wegen zu berücksichtigen. Die Beklagte müsste sich auf ein entsprechendes Zurückbehaltungsrecht ausdrücklich oder stillschweigend berufen. Dies hat sie aber nicht getan. Ihre allgemeinen Ausführungen, das Landgericht habe keine Feststellungen zu den Voraussetzungen nach Ziff. 18.3 c) BB PHV getroffen, genügen insoweit nicht. Sie erscheinen eher als Kritik an dem erstinstanzlichen Urteil denn als ernsthafte Verfolgung eines Gegenanspruchs.

3. Der Anspruch des Klägers ist nicht deswegen ausgeschlossen, weil Herr B vorsätzlich gehandelt hat.

a) Die Beklagte wird selbst bei einem vorsätzlichen Verhalten des Schädigers nicht leistungsfrei. Eine Leistungsfreiheit ergibt sich nicht unmittelbar aus § 4 Ziff. II. 1. S. 1 AHB, da der Kläger selbst als Versicherungsnehmer nicht vorsätzlich gehandelt hat. Gem. Ziff. 18.1 BB PHV ist der Kläger aber so zu stellen, als hätte der Schadensersatzpflichtige als Versicherter Versicherungsschutz im Rahmen und Umfang des gegenständlichen Vertrages genossen. Dem folgend schieden Ansprüche des Klägers aus, wenn Herr B vorsätzlich gehandelt hätte: Als Versicherter behandelt genösse er dann nämlich gem. § 4 Ziff. II 1. AHB keinen Versicherungsschutz mehr. Allerdings ist die Klausel gem. Ziff. 18.1 BB PHV und § 4 Ziff. II 1. AHB intransparent und unwirksam:

In Rechtsprechung und Literatur wird unterschiedlich beurteilt, ob Ziff. 18.1 BB PHV vergleichbare Klauseln im Rahmen der Forderungsausfallversicherung zu einer Leistungsfreiheit des Versicherers führen, wenn der Schädiger vorsätzlich handelt. Insbesondere vor dem Hintergrund des Wortlauts der Klausel und der Erkennbarkeit der Spiegelbildfunktion wird dies von den Oberlandesgerichten Koblenz und Nürnberg bejaht: Der durchschnittliche Versicherungsnehmer könne der Klausel entnehmen, so gestellt zu werden, als würde der Schädiger Versicherungsschutz über eine eigene Privathaftpflichtversicherung genießen, die sich in Inhalt und Umfang nach den allgemeinen Haftpflichtversicherungsbedingungen des Versicherungsvertrages des Versicherungsnehmers richtete. Er könne eine Spiegelbildlichkeit nach Inhalt und Versicherungsumfang erkennen. Vorsätzlich herbeigeführte Versicherungsfälle seien aber gerade nicht in den Versicherungsschutz eingeschlossen. Es handele sich um einen einheitlichen Versicherungsvertrag (OLG Koblenz, Urteil v. 19.03.2015, 10 U 964/14; OLG Nürnberg Fürth, Urteil v.16.12.15, 11 O 6287/14; Prölss/Martin, a.a.O., Ziff. 8 BB PHV, Lücke, Rz. 4). Soweit die Beklagte zusätzlich das Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 19.07.2012, 7 U 50/12, zitiert, um ihre Auffassung zu unterstreichen, ist dies unbehelflich. In dem dort maßgeblichen Regelungswerk waren Forderungsausfälle wegen Vorsatztaten ausdrücklich in den Versicherungsschutz einbezogen.

Abweichend von dieser Auffassung hält das Oberlandesgericht Hamm die Klauseln für intransparent und unwirksam und billigt dem Versicherungsnehmer Ansprüche wegen ausgefallener Forderungen zu, die auf Vorsatztaten beruhen: Der durchschnittliche Versicherungsnehmer könne dieser Klausel nur entnehmen, dass die im Rahmen seiner allgemeinen Privathaftpflichtversicherung geltenden Bedingungen und Ausschlüsse auch im Rahmen der Ausfalldeckungsversicherung Anwendung fänden. Dabei werde er allenfalls in seine Überlegungen einbeziehen, dass auch bei Schädigungen durch einen Dritten Versicherungsschutz im Falle eigenen Fehlerhaltens ausgeschlossen ist, bspw. bei einer Provokation des Schädigers. Anhalt zu der Annahme, das vorsätzliche Verhalten des Schädigers könne den Versicherungsschutz entfallen lassen, biete sich nicht. Das Verhalten des mit dem Anspruchsteller nicht identischen Schädigers sei weder in § 4 II 1. AHB noch in den BB PHV erwähnt (OLG Hamm, Urteil vom 26.01.2005, 20 U 170/04 zur Klausel: „Eingeschlossen sind nach den für die eigene Privathaftpflichtversicherung geltenden Bedingungen […] Schäden, die der Versicherte selbst durch einen Dritten erleidet“; zustimmend: Rixecker, ZfS 2005, 510; Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, 3. Aufl. 2015, Schneider, § 24, Rz. 20). Zwar spreche das spiegelbildliche Verständnis des Deckungsumfangs der Forderungsausfallversicherung zur Privathaftpflichtversicherung dafür, dass es stets auf den Vorsatz für den Ausschluss des Versicherungsschutzes ankommen solle. Allerdings sei ein solches Verständnis von § 4 Ziff. II 1. AHB vom Wortlaut der Klausel nicht mehr gedeckt, wonach lediglich „Versicherungsansprüche aller Personen, die den Schaden vorsätzlich herbeigeführt haben“ vom Versicherungsschutz ausgeschlossen seien. Der vom Versicherungsnehmer erlittene Haftpflichtschaden, den er im Rahmen der Forderungsausfallversicherung geltend mache, sei indes gerade kein Versicherungsanspruch, sondern nur der versicherte Anspruch. Allein die für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkennbare Ergänzungsfunktion bzw. Spiegelbildlichkeit der Ausfallversicherung versetze diesen nicht in die Lage, entgegen dem klaren Wortlaut der Klausel den Vorsatz des jeweiligen Schädigers als Ausschlussgrund zu erkennen. Schließlich ergebe der Verweis auf § 4 II 1. AHB für die Ausfallversicherung auch dann einen Sinn, wenn allein die vom geschädigten Versicherungsnehmer vorsätzlich (mit) herbeigeführten (etwa provozierten) Haftpflichtschäden nicht abgedeckt sein sollten (OLG Hamm, Urteil vom 13.07.2012, 20 U 9/12, zur Klausel: „Der Umfang der versicherten Schadensersatzansprüche richtet sich nach dem Deckungsumfang der Privathaftpflichtversicherung dieses Vertrages“).

In der Literatur ist diese Rechtsprechung überwiegend auf Zustimmung gestoßen (Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, 3. Aufl. 2015, Schneider, § 24, Rz. 20; Schimikowski r+s 2005, 155 – Anm.: zu OLG 26.01.2005; Späte/Schimikowski, Haftpflichtversicherung, 2. Aufl. 2015, Schimikowski, BB PHV, Rz. 190). Die verwendete Formulierung „verstecke“ den angestrebten Regelungsgehalt geradezu; die Versicherer könnten ohne Weiteres offen formulieren, dass bei vorsätzlicher Schädigung kein Schutz aus der Forderungsausfallversicherung besteht (Schimikowski, r+s 2005, 155 – Anm.: zu OLG 26.01.2005; Schimikowski in: Späte/Schimikowski, Haftpflichtversicherung, 2. Aufl. 2015, BB PHV, Rz. 190).

Auch der Senat schließt sich der Auffassung des Oberlandesgerichts Hamm an: Allerdings lässt der Wortlaut des vorliegend maßgeblichen Bedingungswerks die von der Beklagten gewünschte Spiegelbildlichkeit erkennen. Bei der Bewertung der Klausel kann aber nicht allein auf den Wortlaut abgestellt werden, der die aus Sicht des durchschnittlichen Versicherungsnehmers zu fordernde Deutlichkeit vermissen lässt. Insoweit ist entscheidend, dass sich ein Anspruch auf Deckungsschutz aus Sicht des durchschnittlichen Versicherungsnehmers deutlich von dem versicherten Forderungsausfall unterscheidet. Dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer leuchtet zwar ein, dass er im Rahmen seines eigenen Haftpflichtrisikos keinen Schutz verdient, wenn er selbst vorsätzlich handelt. Die Ausfallversicherung versichert aber einen Schaden, den der Versicherungsnehmer nicht zugefügt, sondern erlitten hat. Als Geschädigter wird er aber gerade wegen der höheren moralischen Vorwerfbarkeit bei vorsätzlichen Handlungen auch erhöhten Schutz erwarten und daher nicht in Betracht ziehen, dass der Versicherer für den Ausfall von Forderungen aus fahrlässigen Handlungen des Schädigers einzustehen hat, nicht jedoch bei vorsätzlichem Handeln des Schädigers. Dass eine solche Erkenntnis generell auch zu erwarten ist, wird bspw. dadurch bestätigt, dass aus Sicht eines Geschädigten ein vorsätzliches Handeln schmerzensgelderhöhend berücksichtigt wird. Soweit die Beklagte ausgeführt hat, nach der Auffassung des Senats verlange eine Vereinbarung der Leistungsfreiheit bei Vorsatztaten des Schadensersatzverpflichteten die vollständige Wiederholung des bestehenden Regelungswerks, sei sie auf die Formulierungen in Ziff. 8.1.2 der Musterbedingungsstruktur in der Haftpflichtversicherung des GDV, Stand 13.04.2011 verwiesen. Dort heißt es: „So besteht insbesondere kein Versicherungsschutz, wenn der Schädiger den Schaden vorsätzlich herbeigeführt hat.“ Eindrucksvoller kann man die Möglichkeit, eine Leistungsfreiheit bei Vorsatztaten des Schädigers transparent auszuschließen, nicht belegen.

b) Darüber hinaus steht auch nicht fest, dass Herr B vorsätzlich i.S.v. § 4 II 1. AHB gehandelt hat. Ein solcher Vorsatz ergibt sich nicht bindend aus der Feststellung des Landgerichts Bonn in seinem Urteil vom 15.03.2012, wonach die Ansprüche des Klägers auf einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung beruhen.

Dieses Urteil kann schon grundsätzlich keine für den vorliegenden Prozess beachtliche Bindungswirkung entfalten. Als notwendige Ergänzung des Trennungsprinzips ergibt sich die Bindungswirkung aus dem Leistungsversprechen des Versicherers. Der Versicherer soll nach erfolgreichem Haftpflichtprozess nicht einwenden können, das dort gefällte Urteil sei unrichtig (BGH Urteil v. 18.05.2011, IV ZR 168/09; Späte/Schimikowski, a.a.O., Harsdorf-Gebhardt, § 5 AHB, Rz. 67). Diese Rechtsprechung zur Bindungswirkung kann aber nicht auf den vorliegenden Fall der Forderungsausfallversicherung übertragen werden. Ist im Rahmen der Haftpflichtversicherung das Interesse des Versicherers, gegen seinen Versicherungsnehmer gerichtete Forderungen abzuwehren, mit dessen Interesse identisch, sind die jeweiligen Interessen in der hypothetischen Haftpflichtversicherung des Schädigers als Folge des Forderungsausfalls gerade gegenläufig (OLG Koblenz, Urteil v. 19.03.2015, 10 U 964/14). Unzutreffend sind die Ausführungen der Beklagten, die grundsätzliche Verneinung der Bindungswirkung ließe jede haftungsrechtliche Feststellung entfallen. Das Urteil des Landgerichts Bonn behält seine Bedeutung in den in Ziff. 18.3, letzter Absatz, BB PHV definierten Grenzen: Es dient dem Nachweis der Leistungsvoraussetzungen, indem es die Berechtigung von Schadensersatzansprüchen nach Grund und Höhe festlegt. Eine weitergehende Bindungswirkung ist nicht nötig. Die Beklagte übersieht, dass die Forderungsausfallsversicherung insoweit deutlich von dem typischen Fall der Haftpflichtversicherung abweicht. Der Versicherungsnehmer muss für den Versicherungsfall des Forderungsausfalls nur das Bestehen einer berechtigten Schadensersatzforderung nachweisen. Die weiteren Umstände des Entstehens der Forderungen sind keine Leistungsvoraussetzungen und in jeder Hinsicht für den Eintritt des Versicherungsfalls ohne Belang.

Darüber hinaus fehlt es jedenfalls an der für die Bindungswirkung erforderlichen Voraussetzungsidentität. Die Bindungswirkung greift nämlich nur dann ein, wenn ein für die Deckungspflicht bedeutsamer Unterschied — bspw. die Schuldform – schon für die Verurteilung im Haftpflichtprozess relevant war. Will der Versicherer die Deckung wegen Vorsatzes versagen, hat die Feststellung vorsätzlichen Handelns im Haftpflichturteil nur dann bindende Wirkung, wenn sie zugleich den versicherungsrechtlichen Vorsatzbegriff ausfüllt (Harsdorf-Gebhard, a.a.O., Rz. 70). Nach dem auch für § 4 II 1. AHB maßgeblichen versicherungsrechtlichen Vorsatzbegriff muss Vorsatz aber auch die Schadensfolgen umfassen. Der Versicherungsnehmer muss die Handlungsfolgen mindestens in groben Umrissen voraussehen können, ihren Eintritt akzeptieren, ohne sie zwingend herbeiführen zu wollen. Das Geschehen darf nicht wesentlich vom erwarteten oder vorhersehbaren Ablauf abweichen (BGH in st. Rspr., Urteil v. 17.06.1998, IV ZR 163/97; OLG Köln, Urteil v. 11.07.1991, 5 U 198/09; Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil v. 22.11.2007, 16 U 9/07; Prölss/Martin, Lücke, a.a.O., Ziff. 7 AHB, Rz. 5 mit zahlreichen weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung). Dem genügen die Feststellungen des Landgerichts Bonn nicht, wonach die Forderung auf einer vorsätzlich unerlaubten Handlung beruht: Hiermit ist der nur auf die Verletzungshandlung bezogene Vorsatz i.S.v. § 823 Abs. 1 BGB gemeint. Auch in den Entscheidungsgründen seines Urteils nimmt das Landgericht Bonn keinen Vorsatz bzgl. der Verletzungsfolgen an: Zwar führt es aus, der Beklagte B habe den Kläger mit einem Bierglas in der Hand in das Gesicht geschlagen. Es berücksichtigt diese Feststellung aber allein bei den Fragen der Rechtswidrigkeit und der Kausalität. Notwendige Rückschlüsse auf den inneren Tatbestand des Vorsatzes zieht es nicht.

c) Schließlich hat die Beklagte auch nicht hinreichend unter Beweis gestellt, dass Herr B hinsichtlich der Verletzungsfolgen vorsätzlich gehandelt hätte. Der Versicherer ist für den Vorsatz beweispflichtig (OLG Köln, Urt. v. 02.03.2010 – 9 U 122/09 – VersR 2010, 1362 f.; Prölss/Martin a.a.O. Rz. 8). Ein Anscheinsbeweis kommt dabei nicht in Betracht, weil es insoweit kein durch die Lebenserfahrung gesichertes typisches Verhalten gibt (Prölls/Martin, Lücke, a.a.O., § 103 VVG, Rn. 10). Allerdings können die Voraussetzungen des (bedingten) Vorsatzes aus der Lebenserfahrung geschlossen werden (Prölss/Martin, a.a.O., Rz. 8; BGH VersR 1998, 1011).

Ungenügend ist der Antrag der Beklagten, ein Sachverständigengutachten einzuholen. Als innerer Tatbestand ist der Vorsatz unmittelbar nicht dem Sachverständigenbeweis zugänglich. Aber auch für äußere Umstände, die mittelbar auf einen solchen Vorsatz schließen lassen, ist ein Sachverständigengutachten ein ungeeignetes Beweismittel. Selbst wenn ein medizinischer Sachverständiger positiv feststellen könnte, dass Herr B während des Schlages ein Glas in der Hand führte, wäre dies nicht ausreichend. Um anders als das Amtsgericht Siegburg ausschließen zu können, dass die Verletzungsfolge unbeabsichtigt im Rahmen des Tumultgeschehens eingetreten ist, müsste sich feststellen lassen, dass der Schlag mit dem Glas zielgerichtet gegen die Augenpartie des Klägers erfolgte. Der Verlust eines Augenlichts ist auch bei einem mit einem Glas ausgeführten Schlag eine unvorsätzliche, nicht vorhersehbare Verletzungsfolge, wenn der Schlag bspw. auf Hals, Oberkörper oder andere Teile des Gesichtes zielt. Der Verlust eines Augenlichts stellt sich nämlich als derart schwere Verletzungsfolge dar, dass nicht ohne Weiteres angenommen werden kann, der schlagende Täter habe eine Verletzung dieses Schweregrades erwartet oder akzeptiert. Rückschlüsse eines Sachverständigen auf die Zielrichtung des Schlages aufgrund der erlittenen Verletzung erscheinen aber völlig ausgeschlossen. Feststellbar ist allenfalls, wie der Kläger letztlich tatsächlich getroffen wurde. Ob dies dem Willen des Täters entsprach, auf einer Abwehrbewegung des Geschädigten beruhte oder der Schlag letztlich fehlging, ist hingegen nicht feststellbar.

Ungenügend ist der Hinweis der Beklagten, sie habe die Behauptung eines vorsätzlichen Handelns des Herrn B unter Urkundenbeweis gestellt. Konkrete Urkunden bezeichnet sie nicht. Soweit sie die Beiziehung der Akten des vor dem Landgericht Bonn geführten Haftpflichtprozesses und der Strafakten meint, unterlässt sie es, aus der Vielzahl der in diesen Akten enthaltenen Dokumente konkret diejenigen zu bezeichnen, die sie zum Beweis des Vorsatzes heranziehen möchte. Die jeweiligen Urteile sind insoweit jedenfalls aus mehreren Gründen nicht ausreichend: Im Haftpflichtprozess haben sich weder das Landgericht Bonn noch der Senat mit der Frage nach einem auf den Verletzungserfolg bezogenen Vorsatz auseinandergesetzt, sondern im Rahmen der Prüfung eines Anspruches gem. § 823 BGB nur den Vorsatz bzgl. der Verletzungshandlung bejaht und zu Kausalität und Rechtswidrigkeit ausgeführt. Das Amtsgericht Siegburg hat einen Vorsatz des Herrn B bzgl. der Verletzungsfolgen sogar ausdrücklich verneint, da nicht davon ausgegangen werden könne, dass er in dem Tumult mit der konkret eingetretenen Verletzung gerechnet habe. Die Urteile sind auch nicht zum Beweis äußerer Umstände geeignet, die mittelbar auf einen Vorsatz des Herr B schließen ließen. Soweit in den Urteilen festgestellt wird, Herr B habe ein Glas in Händen gehalten, beweisen die Urteile gem. § 417 ZPO nur, dass das seinerzeit erkennende Gericht, wie urkundlich belegt, entschieden und entsprechende Feststellungen getroffen hat; die Richtigkeit dieser Feststellungen beweist die Urkunde hingegen nicht.

Soweit die Beklagte die Behauptung, Herr B habe den Kläger zielgerichtet mit einem Glas in der Hand geschlagen, nunmehr erstmalig mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 18.05.2016 unter Zeugenbeweis stellt und die Zeugen B2, W, X und L benennt, sind diese Anträge sowohl gem. § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO als auch gem. §§ 530, 520 Abs. 2 Nr. 4, 296 Abs. 1 und 4 ZPO verspätet. Entsprechende Beweisantritte sind sowohl erstinstanzlich als auch in der Berufungsbegründung unterblieben; die Verzögerung dieses Vorbringens wird nicht entschuldigt.

4. Der Anspruch auf die Zinsen ergibt sich gem. §§ 286, 288 Abs. 1 BGB.

5. Die prozessualen Nebenentscheidungen ergehen gem. §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen. Zwar weicht der Senat hinsichtlich der noch nicht abschließend geklärten Frage nach der Wirksamkeit der Klauseln bzgl. der Leistungsfreiheit des Versicherers im Rahmen einer Forderungsausfallversicherung bei einem vorsätzlich handelnden Schädiger von der Auffassung der Oberlandesgerichte Koblenz und Nürnberg ab. Die vorliegende Entscheidung stützt sich aber auch darauf, dass eine die Verletzungsfolgen einschließende Vorsatztat des Schädigers B nicht feststeht. Insoweit trägt ein anderer rechtlicher Gesichtspunkt — unabhängig von der Beantwortung der Zulassungsfrage — die Entscheidung.

6. Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 79.547,73 € festgesetzt.

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