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Firmen- und Gebäudeversicherung – Trocknungsmaßnahmen nach Wasserschaden

LG Stuttgart – Az.: 3 O 257/15 – Urteil vom 21.12.2018

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 921.072,75 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Versicherungsleistungen aus einer Gebäudeversicherung aufgrund eines Wasserschadens im Jahr 2007.

Die Klägerin unterhielt bei der Beklagten eine Firmenversicherung unter der Versicherungsnummer 11-, die unter anderem eine Gebäudeversicherung und eine Inhaltsversicherung enthielt. Diese Versicherungen umfassten unter anderem den Sachschaden, der durch Elementar-, Feuer-, Einbruchdiebstahl-, Sturm/Hagel- oder Leitungswasserschaden entsteht. Die Firmenversicherung enthält zudem eine Ertragsausfallversicherung, die allerdings lediglich die Gefahr Feuer umfasst.

Am 09.06.2007 kam es in den Geschäftsräumen der Klägerin, in denen diese ein Küchenstudio mit Verkaufsräumen betreibt, zu einem Leitungswasserschaden, verursacht durch Starkregen. Der Starkregen führte dazu, dass von oben Wasser in die Geschäftsräume eindrang und Teile davon flutete. Unmittelbar von der Überflutung betroffen war eine Fläche im Erdgeschoss von 420 m². In den Geschäftsräumen war ein Fliesenboden verlegt. Durch eine Verteilung des Wassers durchfeuchtete der Estrich und der Fliesenbelag löste sich auf einer Fläche von 420 m². Darüber hinaus entstand im unter dieser Fläche befindlichen Untergeschoss ein Schaden am dort gelagerten Inventar, da das Wasser durch die Decke tropfte. Schließlich stellte die Klägerin fest, dass sich der Fliesenbelag auf der gesamten Fläche der Geschäftsräume von 935 m² löste – also auch bei den nicht direkt überfluteten Teilen.

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Beklagte grundsätzlich einstandspflichtig ist. Streit besteht einerseits über die Frage, ob die Beklagte einstandspflichtig für die gesamte Fläche ist oder nur für den Schaden, der bei dem unmittelbar überfluteten Bereich von 420 m² entstanden ist. Zum anderen streiten die Parteien über die Höhe des entstandenen Schadens. Überdies hatte die Klägerin ursprünglich einen Betriebsunterbrechungsschaden i.H.v. 360.000,00 € geltend gemacht, die Klage wurde jedoch insoweit zurückgenommen. Am 26.01.2008 schlossen die Parteien einen Vergleich, mit dem

„sämtliche Ansprüche anlässlich des Leitungswasserschadenereignisses vom 09.05.2007, Schaden-Nr. 63-1128 436-70, Versicherungsschein-Nr. 11-…“

gegen eine Zahlung der Beklagten i.H.v. 20.000,00 € abgegolten werden sollten (Anlage B 1).

Die Parteien haben von der gem. § 15 der Verbundenen Versicherungsbedingungen für die Firmensachversicherung – Teil A (im Folgenden „VFS A“) vorgesehenen Möglichkeit der Durchführung eines Sachverständigenverfahrens gem. § 84 VVG Gebrauch gemacht und dieses durchgeführt. Der dabei bestimmte Sachverständige H kam in seinem Gutachten (Anlage B 3 der beigezogenen Akte 16 OH 18/10, dort Bl. 148 ff.) zu der Feststellung, dass ein Neuwertschaden i.H.v. 139.892,00 € entstanden sei, wobei er die Fläche von 420 m² zugrunde legte, da er davon ausging, dass der Schaden auf der übrigen Fläche nicht auf den Wassereinbruch zurückzuführen sei. Auf Grundlage dieses Gutachtens regulierte die Beklagte außergerichtlich einen Betrag i.H.v. 53.827,61 €, wobei sie davon ausging, dass der vom Obmann-Sachverständigen H ermittelte Neuwert auf einen Zeitwert zu reduzieren sei. Der Fliesenboden wurde ursprünglich 1992 verlegt.

Firmen- und Gebäudeversicherung - Trocknungsmaßnahmen nach Wasserschaden
(Symbolfoto: Robert Kneschke/Shutterstock.com)

Insoweit war zwischen den Parteien für die Inhaltsversicherung gem. § 20 Nr. 5 der Verbundenen Versicherungsbedingungen für die Firmensachversicherung – Teil B (im Folgenden „VFS-B“) vereinbart, dass der Neuwert lediglich ersetzt wird, soweit und sobald der Versicherungsnehmer innerhalb von drei Jahren nach Eintritt des Versicherungsfalles sichergestellt hat, dass er die Entschädigung zur Wiederherstellung oder Neubeschaffung gleichwertiger Sachen verwenden wird, wobei die Erteilung eines bindenden Auftrages genüge. Andernfalls ist lediglich der Ersatz des Zeitwerts vereinbart. Sinngemäß dasselbe war gem. § 19 Nr. 5 der Verbundenen Versicherungsbedingungen für die Gebäudeversicherung – Teil C (im Folgenden „VFS-C“) vereinbart.

Die Beklagte verständigte nach der Schadensmeldung aufgrund des Schadensbildes ein Trocknungsunternehmen, das in den Geschäftsräumen der Klägerin eine Schadensaufnahme durchführte und der Klägerin daraufhin ein Trocknungsangebot unterbreitete, welches diese jedoch nicht annahm.

Die Klägerin trägt vor, der am 26.01.2008 geschlossene Vergleich beziehe sich lediglich auf das Inventar im Untergeschoss und nicht auf Inventar im Erdgeschoss oder die Gebäudeversicherung. Der gesamte Schaden am Fliesenboden sei auf den Wasserschaden zurückzuführen. Insbesondere sei dieser auch nicht durch eine zeitnahe Trocknung nach dem Schadensereignis zu verhindern oder auf eine Fläche von 420 m² zu beschränken gewesen. Darüber hinaus liege auch kein Vorschaden vor. Das von der Beklagten verständigte Trocknungsunternehmen sei kurz nach dem Schadenseintritt bei der Klägerin erschienen. Der Mitarbeiter des Trocknungsunternehmens C habe dem Geschäftsführer der Klägerin auf Nachfrage mitgeteilt, eine sofortige Trocknung sei nicht erforderlich. Seitens der Beklagten sei nie eine Empfehlung ausgesprochen worden, dass eine zeitnahe Trocknung erforderlich sei.

Der Schaden sei auch nicht auf Zeitwert-Basis abzurechnen, sondern nach der Neuwertspitze, denn die Klägerin habe einen verbindlichen Vertrag mit einem Fliesenleger GR geschlossen, wonach dieser beauftragt werde, die Schäden zu beseitigen (Anlage K 11). Die Beauftragung erfolge nur für den Fall und für den Zeitpunkt, dass die Beklagte ihre Einstandspflicht bekenne und bereit sei, die Kosten zu übernehmen.

Das Gutachten des Obmann-Sachverständigen H sei unrichtig, da er ohne Anhaltspunkte davon ausgehe, dass außerhalb der unmittelbar überfluteten Fläche von 420 m² ein Vorschaden bestanden hätte. Zudem lege er bei der Schadensermittlung falsche Bemessungswerte zugrunde.

Die Klägerin beantragte ursprünglich,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 633.072,76 € nebst Zinsen i.H.v. 4 % seit dem 25. Juni 2007 aus 626.539,01 € sowie 4 % Zinsen aus einem Betrag i.H.v. 6.533,75 € ab dem 06.04.2010 zu bezahlen,

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin weitere Kosten zu ersetzen, welche den in Klagantrag Ziffer 1. genannten Betrag übersteigen und die erforderlich sind, um die Schäden aus dem Versicherungsfall vom 09.06.2007 zu beseitigen.

Nach teilweise erklärter Klagerücknahme beantragt die Klägerin zuletzt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 597.245,16 € nebst Zinsen i.H.v. 4 % seit dem 25. Juni 2007 aus 572.711,40 € sowie 4 % Zinsen aus einem Betrag i.H.v. 6.533,75 € ab dem 06.04.2010 zu bezahlen,

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen

Die Beklagte trägt vor, lediglich der Schaden auf der unmittelbar überfluteten Fläche von 420 m² sei auf den Wasserschaden zurückzuführen. Die übrige Fläche sei bereits vorgeschädigt gewesen, da die Fliesen nicht ordnungsgemäß verlegt worden seien. Jedenfalls aber hätte, auch wenn kein Vorschaden bestanden hätte, eine zeitnahe Trocknung der Fläche dazu geführt, dass der Wasserschaden auf die 420 m² Fläche beschränkt geblieben wäre. Denn die sofortige Trocknung hätte verhindert, dass sich das Wasser auch auf andere Bereiche ausbreitet bzw. dass es in anderen Bereichen zu einer Dampfdiffusion kommt, durch die sich die Fliesen gelöst haben könnten. Sowohl der mit dem Schadensfall beauftragte Zeuge G als auch die Mitarbeiter des Trocknungsunternehmens hätten die Klägerin mehrfach ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine sofortige Trocknung vorgenommen werden müsse.

Überdies sei jedenfalls nur der Zeitwert zu ersetzen, da nicht sichergestellt sei, dass der Fliesenboden wiederhergestellt werde. Der Fliesenboden habe eine technische Lebensdauer von nicht mehr als 40 Jahren. Zudem sei die Wiederherstellungsfrist gem. § 19 VFS-C bzw. § 20 VFS-B verstrichen.

Für eine Unrichtigkeit des Sachverständigengutachtens H gebe es keine Anhaltspunkte, jedenfalls habe die Klägerin hierzu nicht substantiiert vorgetragen.

Schäden an den Küchen seien nicht entstanden. Diese könnten ohne Weiteres aus und wieder eingebaut werden und würden hierdurch keine Wertminderung erleiden. Es handle sich um Ausstellungsstücke. Lagerkosten, die die Klägerin geltend macht, seien ohnehin nicht versichert. Schließlich sei jeder Inventarschaden bereits durch den zwischen den Parteien geschlossenen Vergleich abgegolten.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung verschiedener Gutachten und Ergänzungsgutachten des Sachverständigen N sowie Vernehmung der Zeugen M, O, K, C, G und Ge. Ergänzend wird umfassend auf den Akteninhalt (auch der beigezogenen Akte des selbständigen Beweisverfahrens vor dem Landgericht Stuttgart, Az. 16 OH 18/10), insbesondere den schriftsätzlichen Vortrag der Parteien, die Anlagen hierzu, die schriftlichen Gutachten und die Protokolle der mündlichen Verhandlungen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.

I.

Die Klage auf Zahlung eines Betrages i.H.v. 597.245,15 € ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

1.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte zwar grundsätzlich einen Anspruch aus dem zwischen den Parteien bestehenden Firmenversicherungsvertrag auf Ersatz derjenigen Kosten, die für die Beseitigung des Schadens auf der unmittelbar durch die Havarie betroffene Fläche von 420 m² entstehen würden. Dagegen bestehen schon dem Grunde nach weder Ansprüche auf Ersatz eines Betriebsausfallschadens noch auf Ersatz eines Inventarschadens an den Küchen. Allerdings hat sie zu den ihr zustehenden Kosten nicht substantiiert vorgetragen. Denn der Klägerin steht kein Anspruch auf Ersatz des Neuwerts für die auszutauschenden Teile des Fliesenbelags und der Elektrik zu, sondern lediglich ein Ersatz des Zeitwerts. Zum Zeitwert hat die Klägerin jedoch keinen substantiierten Vortrag gehalten. Mangels klarer Abgrenzbarkeit und aufgrund der Bindungswirkung des Obmann-Gutachtens, ist daher nicht feststellbar, welche Kosten in welcher Höhe auf ihren Zeitwert zu reduzieren sind. Deshalb ist die Klage insgesamt unbegründet.

2.

Der Vergleich vom 26.01.2008 steht einem Anspruch der Klägerin allerdings nicht entgegen. Wie der damals auf Seiten der Beklagten maßgeblich mit der Schadensregulierung betraute Zeuge G im Rahmen seiner Vernehmung übereinstimmend mit der Klägerin mitteilte, sollte der Vergleich lediglich das Inventar abdecken, nicht jedoch den Gebäudeschaden. Dem steht zwar der Wortlaut des Vergleichstextes entgegen, der sämtliche Schäden umfasst. Gem. §§ 133, 157 BGB ist die Auslegung jedoch aus Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers in der Position der Parteien vorzunehmen. Zum Zeitpunkt des Vergleichsschlusses war indes zwischen den Parteien klar, dass sich der Vergleich lediglich auf das Inventar beziehen sollte, nicht jedoch auf die Gebäudeschäden, was auch der Zeuge G bestätigt hat.

3.

Der Schadensersatzanspruch der Klägerin ist von vornherein begrenzt auf den Schaden, der unmittelbar auf den Wasserschaden zurückzuführen ist. Hierzu gehören nicht die Kosten für den Austausch des Fliesenbelags sowie Bewegungs- und Schutzkosten, soweit sie durch den Austausch des Fliesenbodens außerhalb der unmittelbar gefluteten Fläche von 420 m² entstehen.

Denn nach der Beweisaufnahme steht fest, dass dieser Schaden jedenfalls nicht auf die Havarie zurückzuführen wäre, wenn die Klägerin eine zeitnahe Trocknung des Wasserschadens eingeleitet hätte. Dies hat sie unstreitig nicht getan. Die Behauptung der Beklagten, dass bereits ein Vorschaden bestanden hätte, konnte jedoch nicht nachgewiesen werden. Es ist jedoch – anders als die Klägerin meint – auch nicht erwiesen, dass ein Vorschaden nicht bestand. Dieser kann angesichts der Ursächlichkeit der Nichttrocknung aber dahinstehen. Denn jedenfalls schuldet die Beklagte bereits aufgrund der ausgebliebenen Trocknung keinen Ersatz für die Kosten, die aufgrund des Austauschs der Fläche entstehen, die nicht unmittelbar überschwemmt war.

a)

Eine zeitnahe technische Trocknung wäre nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen N zwingend erforderlich gewesen, um eine Schadensausbreitung zu verhindern.

Das Gericht folgt in technischer Hinsicht den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen. Als Diplom-Bauingenieur mit dem Schwerpunkt Gebäudeschäden und Wasser- bzw. Feuchteschäden ist der Sachverständige für die vorliegenden Fragen ohne Weiteres hinreichend fachlich qualifiziert. Das Gutachten ist gedanklich nachvollziehbar, der Sachverständige ist bei der Feststellung der Ursächlichkeit des Wasserschadens für den Schaden und bei der Frage der Vermeidbarkeit durch eine zeitnahe Trocknung von zutreffenden Anknüpfungstatsachen ausgegangen und hat die daraus gezogenen Schlussfolgerungen logisch widerspruchsfrei sowie gedanklich nachvollziehbar dargestellt. Er hat dies im Rahmen seiner Befragung in den mündlichen Verhandlungen ergänzend erläutert. Das Gericht sieht keine Anhaltspunkte, an den Ausführungen des Sachverständigen zu zweifeln und hält diese für vollständig überzeugend. Das Gutachten ist auch mit den Denkgesetzen vereinbar.

Der Sachverständige N hat dabei festgestellt, dass der Schaden an dem Fliesenbelag im Bereich der unmittelbar von der Havarie betroffenen, d.h. überfluteten Fläche auf die Überflutung zurückzuführen sei und auch eine zeitnahe Trocknung in diesem Bereich nicht zu einer Rettung des Fliesenbelags geführt hätte. Denn das Wasser habe in diesem Bereich innerhalb kürzester Zeit Fliesenkleber und Estrich durchnässt. Die Trocknung der hiervon betroffenen Schicht zwischen Estrich und Fliesenbelag sei nicht möglich, da dort zum einen kein Hohlraum existiere, durch den Luft zum Trocknen geführt werden könne und zum anderen eine Aufheizung durch Infrarotplatten den Fliesenbelag beschädigt oder jedenfalls den Fliesenkleber abgesprengt hätte.

Hingegen hat der Sachverständige in seinem Gutachten ebenso plausibel dargelegt, dass der Schaden außerhalb dieser Fläche hätte vermieden werden können, wenn eine zeitnahe Trocknung eingeleitet worden wäre. Dies deshalb, da das Wasser außerhalb der überfluteten Fläche sich eben nicht über dem Estrich habe bewegen können, sondern zunächst unter der gefluteten Fläche durch den Estrich bzw. Durchlässe auf die Rohdecke gelangt sei und sich dort unter der Dämmung verteilt habe. Von dort sei es dann innerhalb der folgenden Monate wieder nach oben gestiegen und habe den Boden durch Dampfdiffusion von unten durch den Bodenaufbau, d.h. Dämmung, Folie und Estrich durchnässt. Allerdings sei dies ein länger währender Prozess, der sich nicht innerhalb weniger Tage abgespielt habe. Der Estrich sei daher jedenfalls für einen Zeitraum von sechs bis acht Wochen nach dem Wasserschaden außerhalb der unmittelbar betroffenen Fläche noch nicht nass gewesen. Dementsprechend hätte eine zeitnahe Trocknung innerhalb dieses Zeitraumes dazu geführt, dass der Fliesenkleber in diesem Bereich keinen Schaden genommen hätte.

Vor diesem Hintergrund ändert auch der ohnehin gem. § 411 Abs. 4 i.V.m. § 296 Abs. 1 ZPO verspätete Einwand der Klägerin im Schriftsatz vom 02.11.2018, eine Trocknung sei nur nach Abnahme der Fliesen möglich gewesen, da der Fliesenkleber durch die Trocknung beschädigt worden wäre, nichts an den Feststellungen des Sachverständigen. Das ist gerade der Unterschied zwischen der gefluteten und der nicht gefluteten Fläche. Hierauf war der Sachverständige bereits im Rahmen seines mündlichen Ergänzungsgutachtens am 11.01.2018 eingegangen: Der Estrich außerhalb des unmittelbar gefluteten Bereichs war innerhalb der ersten sechs bis acht Wochen gerade noch nicht durchnässt, sondern trocken. Lediglich die Fläche unter der Dämmung bzw. der Folie zwischen Dämmung und Rohdecke war durchnässt. Erst durch die langsam fortschreitende Dampfdiffusion kam es dann zu einer Nässebildung im Bereich des Fliesenklebers. Eine Trocknung der Dämmung bzw. der Fläche unter der Dämmung wäre demnach durch Absaugen erfolgt und nicht durch Erhitzen des Estrichs oder der Oberfläche. Letztere hätte ersichtlich keinen Sinn gemacht, da diese Bodenteile nicht nass waren. Möglich wäre indes auch eine Trocknung der Rohdecke von unten gewesen. Beim Absaugen oder der Trocknung der Fläche unter der Dämmung von unten hätte der Fliesenkleber hingegen keinen Schaden erlitten, da sich diese offenkundig nicht auf den Fliesenbelag auswirken konnten.

b)

Es ist damit belegt, dass die zeitnahe Trocknung die Ausbreitung des Schadens verhindert hätte. Die Klägerin hat diese zeitnahe Trocknung jedoch unterlassen.

Damit hat sie gegen die ihr gem. § 4 Nr. 1 a) VFS-A i.V.m. § 62 Abs. 1 VVG a.F. auferlegte Obliegenheit zur Abwendung oder Minderung des Schadens verstoßen. Gem. § 4 Nr. 2 VFS-A i.V.m. § 62 Abs. 1, Abs. 2 VVG a.F. ist die Beklagte deshalb nur dann zur Leistung verpflichtet, wenn die Klägerin beweist, dass diese Verletzung weder grob fahrlässig noch vorsätzlich erfolgte. Die Versicherungsbedingungen und § 62 Abs. 2 VVG a.F. sehen daher eine Darlegungs- und Beweislast der Klägerin vor. Dabei ist nicht relevant, ob die Beklagte darauf hingewiesen hat, dass eine zeitnahe Trocknung erforderlich ist.

Es obliegt nicht der Beklagten, zu beweisen, dass eine solche Empfehlung erfolgte. Vielmehr muss die Klägerin beweisen, dass sie das Unterbleiben der sofortigen Trocknung weder vorsätzlich noch grob fahrlässig zu vertreten hat. Eventuelle Äußerungen der Beklagten oder des Trocknungsunternehmens, mit denen sie dies widerlegen will, hatte daher die Klägerin zu beweisen (Voit/Knappmann in Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 62 Rn. 34 m.w.N.).

c)

Es ist der Klägerin nicht gelungen, diesen Beweis zu führen.

Gemäß § 286 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. Unumstößliche Gewissheit, ob eine Behauptung wahr und erwiesen ist, ist dabei nicht erforderlich. Vielmehr genügt ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet. Entscheidend ist, ob das Gericht mögliche Zweifel überwinden und sich von einem bestimmten Sachverhalt als wahr überzeugen kann (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Urteil vom 18.01.2000 – VI ZR 375/98, Rn. 18).

Vorliegend wurden als Beweismittel lediglich Zeugenaussagen angeboten. Es kommt daher auf die Glaubhaftigkeit dieser Zeugenaussagen an. Das methodische Grundprinzip bei der Würdigung der Glaubhaftigkeit einer Zeugenaussage besteht darin, einen zu überprüfenden Sachverhalt (hier: Glaubhaftigkeit der spezifischen Aussage) so lange zu negieren, bis diese Negation mit den gesammelten Fakten nicht mehr vereinbar ist. Das Gericht nimmt daher zunächst an, die Aussage sei unwahr (sog. Nullhypothese). Zur Prüfung dieser Annahme sind dann weitere Hypothesen zu bilden. Ergibt seine Prüfstrategie, dass die Unwahrhypothese mit den erhobenen Fakten nicht mehr in Übereinstimmung stehen kann, so wird sie verworfen, und es gilt dann die Alternativhypothese, dass es sich um eine wahre Aussage handelt (vgl. dazu insgesamt BGH, Urteil vom 30.07.1999 – 1 StR 618/98, juris-Rn. 11 = NJW 1999, 2746).

Davon kann hier bei keinem der vernommenen Zeugen die Rede sein. Gemessen an diesem Maßstab konnte sich das Gericht daher keine Überzeugung davon bilden, dass die Klägerin aufgrund aus der Sphäre der Beklagten stammenden Äußerungen die Obliegenheitsverletzung nicht grob fahrlässig oder vorsätzlich zu vertreten hätte.

Soweit der Zeuge C bei beiden Vernehmungen bekräftigt hat, sich ganz sicher zu sein, auf das Bedürfnis einer zeitnahen Trocknung hingewiesen zu haben, erscheint das jedenfalls nicht von vornherein unglaubhaft. Zunächst weist die Aussage Glaubhaftigkeitsmerkmale auf. Denn der Zeuge hat nicht ausgesagt, er erinnere sich noch genau an den Wortlaut der Gespräche, sondern lediglich, er sei sich sicher, in Fällen wie dem Vorliegenden immer auf die sofortige Erforderlichkeit einer Trocknung hinzuweisen. Hätte der Zeuge gezielt die Unwahrheit sagen wollen, um sich selbst zu entlasten, wäre es naheliegend gewesen, er hätte konkrete Erinnerungen an die mit der Klägerin geführten Gespräche geschildert. Hierzu hat er jedoch zwanglos eingeräumt, keine konkrete Erinnerung mehr zu haben, was genau zwischen ihm und der Klägerin gesprochen wurde. Das spricht ebenso für die Glaubhaftigkeit seiner Aussage wie die Widerspruchlosigkeit seiner Angaben.

Dass der Zeuge C auf die Erforderlichkeit einer zeitnahen Trocknung hingewiesen hat, ist auch plausibel. Denn es ist naheliegend, dass ein Trocknungsunternehmen darauf bedacht ist, möglichst rasch den Auftrag für die Trocknung zu erhalten, denn nur so kann das Trocknungsunternehmen wirtschaftlich erfolgreich sein. Es ist daher lebensnah, davon auszugehen, dass ein Trocknungsunternehmen immer dann eine sofortige Trocknung empfehlen wird, wenn diese zumindest vertretbar ist, und erst Recht, wenn diese – wie vorliegend – zwingend erforderlich ist.

Ungeachtet dessen dürfte es hierauf ohnehin nur eingeschränkt ankommen. Denn eine Empfehlung durch das Trocknungsunternehmen ist nicht erforderlich, um eine grobe Fahrlässigkeit zu bejahen. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob die Beklagte oder Dritte eine Empfehlung ausgesprochen haben. Nach einem derart massiven Wasserschaden wie dem vorliegenden liegt es auch für einen Laien auf der Hand, eine sofortige Trocknung zumindest zu erwägen. Die Beklagte muss hierauf als Versicherer nicht gesondert hinweisen.

Die Behauptung der Klägerin, der Zeuge C habe bei einem der Gesprächstermine im Sommer 2007 zugesichert, es genüge „auf jeden Fall“, mit der Trocknung noch bis Weihnachten oder sogar im Frühjahr 2008 zuzuwarten, hat diese jedoch nicht bewiesen.

Vielmehr erscheint es aus Sicht eines Trocknungsunternehmens regelrecht abwegig, eine solche Empfehlung auszusprechen und hierdurch zu riskieren, dass sich der Auftrag verschleppt oder dieser gar entfällt. Auch eine Risikoerhöhung durch Schadensausbreitung dürfte einem erfahrenen Mitarbeiter eines Trocknungsunternehmens wie dem Zeugen C ohne Weiteres ersichtlich gewesen sein. Es erscheint daher nicht nachvollziehbar, wieso der Zeuge – jedenfalls ohne Hinweis auf die hiermit verbundenen Risiken – eine solche Empfehlung hätte aussprechen sollen, ohne dass ihm hierdurch irgendein Vorteil entstehen könnte, sondern ausschließlich nicht unerhebliche Nachteile wie etwa die eigene Haftung für aufgrund dessen entstehender Schäden.

Das Gericht verkennt nicht, dass der Zeuge durchaus auch ein eigenes wirtschaftliches Interesse daran haben könnte, die Empfehlung nun im Nachhinein zu bezeugen bzw. die vermeintliche Darstellung einer Verzögerung als unbedenklich zu bestreiten, um eine eventuelle Inanspruchnahme seinerseits zu vermeiden. Auch intellektuell wäre der Zeuge zweifelsohne in der Lage gewesen, bei seiner Vernehmung die Unwahrheit zu sagen. Insofern geht das Gericht auch nicht davon aus, dass der Gegenbeweis geführt ist, dass der Zeuge C eine Empfehlung zur zeitnahen Trocknung abgegeben und den Rat, mit der Trocknung könne noch zugewartet werden, nicht gegeben hat. Maßgeblich ist jedoch, ob die Klägerin bewiesen hat, dass diese Aussage getätigt wurde.

Das ist ihr auch mittels der Zeugen O und M nicht gelungen. Insofern bestehen zudem Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen M. Dieser hat bei seiner Vernehmung von sich aus mehr oder weniger ungefragt die Aussage regelrecht aufgedrängt, dass das Unternehmen C auf die Möglichkeit einer späteren Trocknung hingewiesen habe – ohne auf Risiken hinzuweisen. Die Aussage des Zeugen M war insgesamt durch deutliche Parteilichkeit zugunsten der Klägerin geprägt. Das Gericht stützt dies auf den persönlichen Eindruck von dem Zeugen. Dies lässt sich auch damit in Einklang bringen, dass der Zeuge bei Schadenseintritt alles versucht hat, den Schaden möglichst positiv für die Klägerin abzuwickeln. Auch dieser Zeuge hatte jedenfalls die intellektuelle Fähigkeit, die Unwahrheit zu sagen. Es kann daher im Ergebnis nicht davon ausgegangen werden, dass seine Aussage den der Klägerin obliegenden Beweis erbringt.

Dasselbe gilt für die offenkundig im Lager der Klägerin stehende Zeugin O. Besondere Glaubhaftigkeitsmerkmale sind ihrer Aussage nicht zu entnehmen. Auch diese Zeugin war in der Lage, im entscheidenden Punkt zu lügen. Es liegen daher keine ausreichenden Anhaltspunkte vor, von der Glaubhaftigkeit der Aussage auszugehen.

Dass dieselben Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen G – dieser verhielt sich erkennbar zugunsten der Beklagten parteilich – bestehen, ändert hieran nichts. Im Ergebnis ist davon auszugehen, dass keine der Aussagen den nach höchstrichterlicher Rechtsprechung anzulegenden Maßstab erreicht, wonach von einer Glaubhaftigkeit der Aussage auszugehen ist. Am nächsten kommt dem noch die Aussage des Zeugen C. Insgesamt geht das Gericht jedoch von einer non-liquet Konstellation aus. Diese geht zu Lasten der Klägerin, der damit der Entlastungsbeweis des fehlenden Verschuldens in Form grober Fahrlässigkeit oder Vorsatzes nicht gelungen ist.

4.

Die Klägerin könnte demnach bereits dem Grunde nach überhaupt nur einen Anspruch auf Ersatz der für die Beseitigung des Schadens auf der unmittelbar von der Überschwemmung betroffenen Fläche von 420 m² erforderlichen Kosten haben. Diese wurden durch den Obmann-Sachverständigen H binden festgestellt. Das Gutachten des Sachverständigen ist nicht offenbar unrichtig. Die Klägerin hat hierzu trotz ausdrücklichen Hinweises durch das Gericht keinen substantiierten Vortrag gehalten.

a)

Ein Obmann-Gutachten ist gem. § 64 VVG a.F. grundsätzlich bindend. Der Sachverständige H hat für die Fläche von 420 m² einen Neuwert-Schaden i.H.v. 139.892,00 € festgestellt. Hieran hat sich die Schadensbemessung zu orientieren.

Ein solches Sachverständigengutachten ist nur dann nicht bindend, wenn es offenbar von der wirklichen Sachlage erheblich abweicht. Dies ist dann der Fall, wenn sich die Fehlerhaftigkeit des Gutachtens dem sachkundigen und unbefangenen Beobachter – wenn auch möglicherweise erst nach eingehender Prüfung – aufdrängt (BGH, Urteil vom 30.11.1977 – IV ZR 42/75, juris-Rn. 26 = MDR 1978, 561).

An diese Voraussetzungen sind strenge Anforderungen zu stellen, da sonst der von den Parteien verfolgte Zweck in Frage gestellt werden würde, ein möglicherweise langes und kostspieliges Prozessverfahren zu vermeiden. Andererseits dürfen die Anforderungen aber auch nicht überspannt werden (BGH, Urteil vom 30.11.1977 – IV ZR 42/75, juris-Rn. 26 = MDR 1978, 561). So muss ein Gutachten z.B. dann als offenbar unrichtig angesehen werden, wenn der Sachverständige falsche Berechnungsgrundlagen oder Schätzungsgrundlagen oder unrichtige Bewertungsmaßstäbe angewendet oder (bei Abgabe des Gutachtens) vorhandene Erkenntnisquellen, wie z.B. Geschäftsbücher oder sonstige Buchungsunterlagen, nicht benutzt oder ungenügend ausgeschöpft hat (BGH, Urteil vom 30.11.1977 – IV ZR 42/75, juris-Rn. 26 = MDR 1978, 561 m.w.N.). Folgt aus einem solchen Fehler, dass die Feststellung des Sachverständigen im Gesamtergebnis erheblich von der wirklichen Sachlage abweicht, ist das gesamte Gutachten unverbindlich (BGH, Urteil vom 30.11.1977 – IV ZR 42/75, juris-Rn. 26 = MDR 1978, 561).

Abzustellen ist für die Beurteilung auf den Sach- und Streitstand, den die Parteien dem Gutachter zur Beurteilung unterbreitet haben. Neuer Sachvortrag nach Abgabe des Gutachtens ist nicht zu berücksichtigen. Für die Frage, ob das Gutachten offenbar unrichtig ist, kann es nur darauf ankommen, ob den Gutachtern bei der Beurteilung des ihnen vorgelegten Materials offenbare Fehler unterlaufen sind OLG Köln, Urteil vom 27.11.2007 – 9 U 196/06, juris-Rn. 4 = r + s 2008, 111).

Diese Anforderungen für eine Überprüfung des Sachverständigengutachtens gemäß § 15 VFS-B und VFS-C i.V.m. § 64 VVG a.F. erfüllt der Sachvortrag der Klägerin nicht. Sie hat nicht substantiiert dazu vorgetragen, in welchen Punkten und weshalb die Feststellungen des Sachverständigen H offenbar unrichtig sein sollten.

Es genügt hierfür gerade nicht, schlicht die Einheitspreise oder Mengen anzuzweifeln, die der Sachverständige angesetzt hat. Gerade diese Meinungsverschiedenheiten, die zwischen Sachverständigen naturgemäß auftreten können, will das Sachverständigenverfahren nach § 64 VVG a.F. bzw. § 84 VVG vermeiden.

Soweit die Klägerin die von ihr angenommene Unrichtigkeit darauf stützt, dass der Sachverständige aus ihrer Sicht zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass aufgrund eines Vorschadens lediglich eine Fläche von 420 m² anzusetzen sei, bedeutet dies nicht, dass das Gutachten insgesamt unverbindlich ist. Denn zum einen ist gerade nicht erwiesen, dass diese Annahme unrichtig ist – lediglich der Gegenbeweis ist der Beklagten nicht gelungen. Zum anderen handelt es sich bei dieser Frage aber um einen abgrenzbaren Teil des Gutachtens, der die Feststellung zur Höhe des Schadens für diesen Bereich gerade nicht betrifft. Wenn von Fehlern behaftete Teilbereiche des Gutachtens jedoch abgrenzbar sind, bindet das Gutachten die Parteien gleichwohl im Hinblick auf die fehlerfreien Teile (vgl. BGH, Urteil vom 11.01.1989 – IVa ZR 245/87, juris-Rn. 27 = RuS 1989, 261; Langheid in Langheid/Rixecker, VVG, 5. Aufl., § 84 VVG Rn. 14).

Vorliegend ist es aber gerade so, dass die Beweisaufnahme ergeben hat, dass diese Vorfrage vom Sachverständigen H jedenfalls im Ergebnis richtig beantwortet wurde. Die ggf. bestehende Unrichtigkeit kann sich daher gar nicht auf den abgrenzbaren Teil des Gutachtens, nämlich die Feststellungen zur Höhe der Schäden begrenzt auf diesen Bereich, auswirken. Auf die Begründung der Beschränkung auf 420 m² kommt es ersichtlich nicht an. Die Parteien sind daher an diesen abgrenzbaren Teil des Gutachtens gebunden, soweit dieser nicht offenbar unrichtig ist.

Soweit die Klägerin hingegen die behauptete Unrichtigkeit darauf stützt, dass die vom Sachverständigen H zugrunde gelegten Werte und Mengen unrichtig seien, ist ihr Vortrag unsubstantiiert. Das Vorbringen der Klägerin erschöpft sich insoweit im Wesentlichen in der Bezugnahme auf ein „Angebot“ vom 08.01.2015, das sie als Anlage K 3 beifügt. Es ist dem Dokument schon nicht zu entnehmen, um was für ein Angebot es sich dabei handelt, noch nicht einmal von wem dieses stammt. Im Übrigen genügt die Vorlage eines solchen Angebots nicht für einen substantiierten Angriff gegen ein Sachverständigengutachten, jedenfalls nicht gegen ein Sachverständigengutachten i.S.v. § 64 VVG a.F. Konkreter und nachvollziehbarer schriftsätzlicher Vortrag fehlt. Dieser erschöpft sich in der pauschalen Behauptung, die Einheitspreise seien „absurd niedrig“ und die Mengen ebenfalls (etwa die Arbeitsstunden für den Abbau der Küchen), vgl. Bl. 43 d.A. Auch die Baunebenkosten seien nach den Leistungsphasen 6-8 der HOAI „nicht zutreffend“ und auf Basis „falscher“ Baukosten berechnet. Die Wertminderung der Ausstellungsküchen hat der Sachverständige ebenfalls bindend ausgeschlossen. Auch hiergegen trägt die Klägerin lediglich vor, es liege auf der Hand, dass diese durch den Ab- und Wiederaufbau eine Wertminderung erleiden würden. Sämtliche Ausführungen der Klägerin zu einer vermeintlichen offenbaren Unrichtigkeit des Gutachtens beschränken sich auf solche pauschalen Behauptungen ohne jede Begründung. Darauf dass dieser Vortrag für eine Substantiierung nicht genügt, hat das Gericht durch den Beschluss vom 10.10.2018 ausdrücklich hingewiesen.

Bei der Beurteilung der erheblichen Abweichung kommt es zudem nicht auf Einzelpositionen an, sondern entscheidend sind Abweichungen im Gesamtergebnis (Halbach in MüKo-VVG, 2. Aufl., § 84 Rn. 26 m.w.N.). Auch hierzu fehlt trotz des gerichtlichen Hinweises in dem Beschluss vom 10.10.2018 jeder Vortrag. Auch der Schriftsatz vom 02.11.2018 enthält hierzu keinen weiteren substantiierten Vortrag.

b)

Die Bindung des Gutachtens geht allerdings nur soweit, als es Tatsachenfragen betrifft. Da das Gutachten allerdings lediglich den Neuwertschaden berücksichtigt, was allerdings von einer Rechtsfrage abhängt, ist dies für das Gericht nicht bindend. Tatsächlich ist vorliegend der Zeitwert für die Position „Fliesenbelag“ sowie für sonstige Gebäudeteile anzusetzen, die durch die Schadensbeseitigung erneuert werden (etwa Malerarbeiten). Dies deshalb, da die Beklagte gem. § 19 Nr. 5 VFS-C und § 20 Nr. 5 VFS-B lediglich für den Zeitwert haftet, soweit und sobald der Versicherungsnehmer innerhalb von drei Jahren nach Eintritt des Versicherungsfalles sichergestellt hat, dass er die Entschädigung zur Wiederherstellung oder Neubeschaffung gleichwertiger Sachen verwenden wird.

Dies hat die Klägerin vorliegend nicht getan. Es kann dabei dahinstehen, ob es der Beklagten möglicherweise nach Treu und Glauben verwehrt ist, sich auf die zeitliche Befristung zu berufen, wobei dies ohnehin lediglich für die Leistungsfreiheit gelten dürfte, nicht für die Frage des Zeitwerts (vgl. dazu etwa OLG Bremen, Urteil vom 26.03.2002 – 3 U 62/01). Denn jedenfalls hat die Klägerin ungeachtet der Frist nicht sichergestellt, dass die Wiederherstellung des Fliesenbelags erfolgen wird.

Bei § 19 Nr. 5 VFS-C respektive § 20 Nr. 5 VFS-B handelt es sich um eine sog. strenge Wiederherstellungsklausel, nach der die Sicherstellung der Verwendung der Entschädigung zur Wiederherstellung oder Wiederbeschaffung Voraussetzung für die Entstehung des Anspruchs auf Ersatz des Schadens ist, der über den Zeitwertschaden hinausgeht. Ohne diese Verwendungssicherstellung (im Folgenden: „Sicherstellung“) oder die Wiederherstellung selbst ist der Anspruch auf den Ersatz des Zeitwertschadens beschränkt (vgl. BGH, Urteil vom 18.02.2004 – IV ZR 94/03, juris-Rn. 11 = VersR 2004, 512).

Die Sicherstellung im Streitfall nach den gegebenen Umständen festzustellen, ist weitgehend Sache des Tatrichters. Sie erfordert eine Prognose in dem Sinn, dass bei vorausschauendwertender Betrachtungsweise eine bestimmungsgemäße Verwendung hinreichend sicher angenommen werden kann (BGH, Urteil vom 18.02.2004 – IV ZR 94/03, juris-Rn. 12 = VersR 2004, 512). Damit ist dem erkennbaren Zweck der strengen Wiederherstellungsklausel genügt. Diese Klausel zielt auf die Begrenzung des subjektiven Risikos des Versicherers, der davor geschützt werden soll, dass der Versicherungsnehmer – wie bei freier Verwendbarkeit einer Versicherungssumme – in Versuchung geraten könnte, sich durch Vortäuschen eines Versicherungsfalls Vermögensvorteile zu verschaffen (BGH, Urteil vom 18.02.2004 – IV ZR 94/03, juris-Rn. 15 = VersR 2004, 512).

Anhand dieser Maßstäbe gelangt das erkennende Gericht vorliegend zu der Auffassung, dass die Klägerin die Wiederherstellung nicht sichergestellt hat. Die Klägerin hat versucht, dies damit zu belegen, dass sie ein „verbindliches Angebot“ der Firma GR angenommen hat. Ungeachtet dessen, dass es sich bei dem Geschäftsführer dieses Unternehmens offenkundig um einen guten Bekannten des Geschäftsführers der Klägerin handelt und dieses „Angebot“ durchaus auch ein Gefälligkeitsangebot sein kann, ist es aber jedenfalls aufschiebend bedingt nur für den Fall und für den Zeitpunkt angenommen, dass die Beklagte ihre Einstandspflicht bekenne und bereit sei, die Kosten zu übernehmen.

Dass dies nicht genügen kann, liegt auf der Hand: Zum einen deckt die bedingte Beauftragung lediglich den Fall des Anerkenntnisses ab und gerade nicht der Verurteilung zur Zahlung, die mit dem vorliegenden Verfahren angestrebt wird. Es wäre im Falle einer Verurteilung also gar nicht anwendbar.

Zum anderen ist bei einem bedingten Werkvertrag unklar, wann eine Entscheidung über das Schicksal des Werkvertrags vorliegt, zumal unbekannt ist, ob die Höhe, die im Werkvertrag aufgeführt wird, im Ergebnis auch vom Gericht ausgeurteilt bzw. im vorliegenden Fall von der Beklagten „anerkannt“ wird, ob womöglich eine Unterversicherung vorliegt oder bei einzelnen Höhenpositionen eine Abzug erfolgt usw. Hierdurch ist eine Sicherstellung ersichtlich nicht erbracht (vgl. Günther, r+s 2017, 340 f.)

c)

Trotz der mehrfachen Hinweise des Gerichts und der Beklagten, zuletzt nochmals deutlich in der Verfügung vom 25.04.2018, hat die Klägerin zum Zeitwert nichts substantiiert vorgetragen. Es kann insoweit dahinstehen, ob der Zeitwert ein aliud zum Neuwert ist und deshalb schon gar nicht von den Klageanträgen umfasst (so LG Wiesbaden, Urteil vom 12.06.2014 – 9 O 404/10, juris-Rn. 15 = RuS 2014, 608) oder ob der Zeitwert als Minus im Antrag auf den Neuwert enthalten ist.

Denn jedenfalls ist es Sache der Klägerin, substantiiert zum Zeitwert vorzutragen und diesen zu beweisen. Die Klägerin wurde auch mehrfach darauf hingewiesen, dass es mangels Sicherstellung auf den Zeitwert ankommt und ihr Vortrag dies nicht wiederspiegelt. Wenn kein Anspruch auf die Neuwertspitze besteht, hat der Versicherungsnehmer nämlich zur Höhe des Zeitwertschadens der einzelnen Gewerke substantiiert vorzutragen und dies unter Beweis zu stellen. Tut er dies nicht, ist die Klage (auch) bezüglich eines Zeitwertschadens abzuweisen (LG Aachen, Urteil vom 14.07.2016 – 9 O 288/15, juris-Rn. 31 ff. = VersR 2017, 226; Günther, r+s 2017, 340 ff.).

Zwar behauptet die Klägerin im Schriftsatz vom 27.10.2015, dass die Lebensdauer eines Fliesenbelags 100 Jahre betrage, was allerdings angesichts öffentlich verfügbarer Quellen ohnehin wenig realistisch erscheint. Auch der Bundesgerichtshof geht bei einem Fliesenboden sogar von nur 20 Jahren technischer Lebensdauer aus (BGH, Urteil vom 14.05.2003 – VIII ZR 308/02, juris-Rn. 24 = NJW 2003 ff.). Ungeachtet dessen enthält dieser knappe Vortrag der Klägerin keine hinreichenden Anknüpfungstatsachen zur Feststellung des Zeitwertes des Fliesenbelages und der Elektrik. Hierzu ist mehr erforderlich als die bloße Behauptung einer Lebensdauer ins Blaue hinein. Im Hinblick auf die Elektroinstallation oder den Anstrich fehlt insoweit sogar jeder Vortrag. Zudem sind für die Bestimmung des Zeitwerts immer auch der vorhandene Grad der Abnutzung, die Güte und Qualität einer Sache und deren Pflegezustand maßgeblich. Zu keinem dieser Punkte trägt die Klägerin vor. Damit ist die Klage insgesamt unschlüssig.

Auch zu dem geltend gemachten Anspruch auf Erstattung der hälftigen Gutachterkosten i.H.v. 6.533,75 € trägt die Klägerin nicht hinreichend substantiiert vor, insbesondere benennt sie keine zwischen den Parteien vereinbarte Rechtsgrundlage für eine solche Forderung. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, in den (im Übrigen nur von der Beklagten vorgelegten) Versicherungsbedingungen eine passende Klausel zu suchen. Eine Rechtsgrundlage für die Erstattung ist nicht ersichtlich.

II.

Auch die zurückgenommene Klage auf Feststellung war unbegründet, denn sie geht über das hinaus, was der Sachverständige gem. § 64 VVG a.F. für die Parteien bindend festgestellt hat. Soweit die Klägerin eine Feststellung der Verpflichtung der Beklagten begehrt, darüber hinausgehende Schäden zu ersetzen, steht dem die Bindung entgegen. Soweit mit ihr die Feststellung einer Ersatzpflicht für den Betriebsunterbrechungsschaden geltend gemacht wird, war sie ebenfalls unbegründet, da die entsprechende Ertragsausfallversicherung lediglich die Gefahr Feuer abdeckt, nicht jedoch Wasserschäden.

B.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 91 Abs. 1, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO. Der Streitwert wird für den ursprünglichen Antrag Ziffer 1. mit 633.072,75 € und für die mit Antrag Ziffer 2. begehrte Feststellung mit 288.000,00 € bemessen. Dies deshalb, da die Klägerin die Feststellungsklage im Wesentlichen mit dem Betriebsunterbrechungsschaden begründet, den sie mit mindestens 360.000,00 € beziffert, wovon ein 20-prozentiger Abschlag vorzunehmen ist.

 

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