OLG Celle – Az.: 8 W 3/10 – Beschluss vom 16.02.2010
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Einzelrichters der 1. Zivilkammer des Landgerichts Bückeburg vom 20. Januar 2010 wird zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller.
Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird (für die Anwaltsgebühren) auf bis zu 65.000,00 € festgesetzt.
Gründe
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Einzelrichters der 1. Zivilkammer des Landgerichts Verden ist unbegründet. Die beabsichtigte Klage besitzt keine hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne von § 114 ZPO.
Nach Prüfung der Sach- und Rechtslage steht dem Antragsteller kein Anspruch gegen die Antragsgegnerin auf Gewährung von Deckungsschutz gemäß §§ 1 Satz 1, 49 VVG a. F. in Verbindung mit Teil III, Abschnitt 1, § 7 des Allgemeinen Teils- / Sach-, Inhalts- und Betriebsunterbrechungs-, Betriebsschließungs-,Elektronik-, Autoinhalts und Glasversicherung (nachfolgend: AVB) zu.
Der Antragsteller verstieß gegen seine vorvertraglichen Obliegenheiten mit der Folge, dass die Antragsgegnerin gemäß Ziff. III.1 § 4 Ziff. 2 AVB in Verbindung mit § 6 Abs. 1 VVG a. F. von der Leistung frei ist.
Der Brandsachverständige kam in seinem Gutachten vom 12. Juli 2007 zu dem Ergebnis, dass die Entstehung des Brandes in einem hinter der Theke befindlichen Mülleimer als gesichert angesehen werden könne (Bl. 168 d. A.). Dies ergebe sich aus dem vom Antragsteller geschilderten zeitlichen Ablauf der Aufräumarbeiten und aus dem vorgefundenen Schadensbild. Diese Feststellungen werden vom Antragsteller nicht in Zweifel gezogen. Vielmehr geht auch der Antragsteller davon aus, dass sich im Mülleimer aufgrund der hierin entleerten Zigarettenreste ein Brand entwickelte (Bl. 4 d. A.). Das sei möglich gewesen, weil der Deckel des Mülleimers auch nicht mehr aufklärbaren Umständen vor dem Verlassen des Restaurants nicht von Hand verschlossen worden sei. Der Antragsteller räumt darüber hinaus ein, dass der ursprünglich selbstschließende Deckel des Mülleimers aufgrund einer vor einigen Jahren erfolgten Reparatur nur noch von Hand geschlossen werden konnte.
Dieser Umstand begründet eine Verletzung von Obliegenheitspflichten gemäß Ziff. III.1 § 4 Ziff. 1 a) AVB in Verbindung mit § 6 VVG a. F. Danach verstößt der Versicherungsnehmer gegen seine Obliegenheiten, wenn er gesetzliche, behördliche oder in dem Versicherungsvertrag vereinbarte Sicherheitsvorschriften verletzt.
Der Einzelrichter hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die von der Antragsgegnerin vorgelegte Verordnung über die Verhütung von Bränden nur für das Bundesland Bayern gilt und eine entsprechende niedersächsische Bestimmung nicht existiert. Auch unterfällt das versicherte Restaurant nicht dem Anwendungsbereich der niedersächsischen Versammlungsstättenverordnung. Diese Bestimmung ist gemäß § 1 Abs. 1 NVStättVO vielmehr erst bei Versammlungsräumen mit einer Kapazität von mehr als 200 Besuchern anwendbar.
Allerdings stellen die bereits vom Antragsteller zitierten Unfallverhütungsvorschriften eine gesetzliche Sicherheitsvorschrift im Sinne von Ziff. III.1 § 4 Ziff. 1 a) AVB dar. Mit dem Begriff der gesetzlichen Sicherheitsvorschriften sind Gesetze im materiellen Sinne gemeint, m. a. W. jede generell-abstrakte Regelung mit Außenwirkung (vgl. Martin, Sachversicherungsrecht, 3. Aufl., Abschnitt M I, Rn. 19). Hierunter fallen neben Gesetzen im formellen Sinne auch Verordnungen und Satzungen. Erfasst werden damit auch die berufsgenossenschaftlichen Unfallverhütungsvorschriften. Diese Vorschriften werden gemäß § 15 SGB VII von den Unfallversicherungsträgern als Körperschaften öffentlichen Rechts erlassen und vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales genehmigt. Sie regeln die erforderlichen Maßnahmen unter anderem zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren. Unfallverhütungsvorschriften stellten gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB VII autonomes Satzungsrecht dar (vgl. Ossenbühl in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 66, Rn. 10). Autonomes Satzungsrecht ist aber Recht im Sinne materieller Gesetze, steht deshalb unter anderem unter Gesetzesvorbehalt und unterliegt der Staatsgarantie sowie der Rechtsweggarantie (vgl. BVerfG, NJW 1981, 2239; BVerfG BVerfGE 33, 125; Ossenbühl a. a. O., Rn. 35).
Im vorliegenden Fall verstieß der Antragsteller gegen die berufsgenossenschaftlichen Regeln „Arbeiten in Gaststätten“ (BGR 110), die anders als die von der Antragsgegnerin zitierte BGR 111 einschlägig sind. Entgegen der vom Antragsteller geäußerten Rechtsauffassung handelt es sich in Ziffer 3.3.2 um eine Brandverhütungsvorschrift, wie sich bereits aus der Überschrift zu Ziffer 3.3. ergibt. In dem insoweit bereits vom Sachverständigen K. in Bezug genommenen Abschnitt der BGR 110 (vgl. Bl. 168 d. A.) heißt es hierzu:
„Abfallbehälter für leicht entzündliche, selbstentzündliche oder ähnliche Stoffe müssen aus nicht brennbarem Material bestehen und evtl. Entstehungsbrände auf den Behälter begrenzen. Dies wird z.B. erreicht durch selbstlöschende Behälter oder solche mit selbsttätig und dicht schließendem Deckel.“
Hiergegen verstieß der Antragsteller. Zwar entsprach der Mülleimer ursprünglich den Sicherheitsanforderungen der BGR 110, denn er verfügte über einen selbstschließenden Deckel und bot somit die Gewähr, dass sich ein etwaiger Brand aufgrund fehlenden Sauerstoffs nicht ausbreiten konnte. Durch die vom Antragsteller vorgenommene Veränderung des Schließmechanismus verlor der Mülleimer aber diese Sicherheitsfunktion. Dem Antragsteller ist zwar zuzustimmen, dass der selbsttätig schließende Deckel nur als Beispielsfall bezeichnet wird und der erforderliche Schutz vor der Entstehung von Bränden auch auf andere Art gewährleistet werden kann. Welche andersartigen Sicherheitsmaßnahmen der Antragsteller vornahm, hat er aber nicht vorgetragen. Insbesondere hat er nicht vorgetragen, seinen Angestellten im Hinblick auf den Mülleimer konkrete Weisungen erteilt zu haben. Selbst wenn das aber der Fall gewesen sein sollte, hätte es sich hierbei nicht um eine Maßnahme mit vergleichbarer Schutzwirkung gehandelt. Vielmehr wäre eine solche Handhabung immer mit dem Risiko einher gegangen, dass das Schließen des Eimers vergessen wird und sich hieraus Brände entwickeln können. Dass der Antragsteller nach dem Ende der Reinigungsarbeiten noch eine gewisse Zeit in der Gaststätte blieb, stellt ebenfalls keine gleichwertige Sicherungsmaßnahme dar. Hiergegen spricht bereits, dass es trotzdem zur Entstehung eines Brandes kommen konnte.
Dem Versicherungsnehmer schadet bei vorvertraglichen Obliegenheitsverletzungen gemäß § 6 Abs. Abs. 1 Satz 1 VVG a. F. bereits einfache Fahrlässigkeit. Dass dem insoweit für die Entlastung darlegungspflichtigen Antragsteller im vorliegenden Fall kein Fahrlässigkeitsvorwurf zu machen ist, kann seinem Vortrag nicht entnommen werden. Zwar behauptet er unter Beweisantritt, dass zwischen dem Ende der Reinigungsarbeiten und dem Verlassen der Gaststätte mindestens 30 Minuten vergangen seien, ohne dass er Brandgeruch bemerkt habe (Bl. 6 d. A.). Abzustellen ist insoweit aber nicht auf den Schadensfall, sondern auf die Obliegenheitsverletzung. Diese besteht nicht in der Entsorgung der Zigarettenkippen, sondern in der unterbliebenen Beachtung der berufsgenossenschaftlichen Unfallverhütungsvorschriften. Zu einer solchen Verletzung durch den Antragsteller kam es aber bereits vor dem streitgegenständlichen Versicherungsfall. Die vom Antragsteller in diesem Zusammenhang zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 16. Mai 1990 (VersR 1990, 893) ist auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Der Bundesgerichtshof hatte sich im Rahmen des § 61 VVG a. F. mit der Frage einer grob fahrlässigen Verursachung des Versicherungsfalles durch den Versicherungsnehmer zu beschäftigen. Diese sah das Gericht als gegeben an, weil ein Angestellter des Versicherungsnehmers Zigarettenkippen in einem Müllsack entsorgt hatte und sich anschließend ohne Einhaltung einer Wartefrist entfernte. Hier ist Prüfungsmaßstab hingegen. Hier § 6 Abs. 1 VVG a. F.
Der Antragsteller kann den Kausalitätsgegenbeweis nicht führen. Wäre der Deckel des Mülleimers geschlossen gewesen oder hätte sich das darin sich entwickelnde Feuer aufgrund anderer Sicherheitsmaßnahmen nicht über den Mülleimer hinaus entwickeln können, wäre der streitgegenständliche Brandschaden nicht eingetreten; Gegenteiliges ist nicht ersichtlich.
Die Antragsgegnerin nahm die Obliegenheitsverletzung zum Anlass, mit Schreiben vom 14. Mai 2007 (Bl. 182, 183 d. A.) und damit innerhalb der Monatsfrist des § 6 Abs. 1 VVG a. F. die Kündigung auszusprechen.
Der Senat musste unter diesen Umständen nicht entscheiden, ob die Voraussetzungen des § 61 VVG a. F. festgestellt werden können.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 97 Abs. 1, 127 Abs. 4 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 574 ZPO liegen nicht vor. Der Gegenstandswert bemisst sich gemäß Nr. 3335 KV zum RVG nach dem Wert der Hauptsache. Der Antragsteller hat insoweit vorgetragen, dass sich die Gesamtsumme der ihm bereits entstandenen und zukünftig voraussichtlich noch entstehenden Schäden auf 77.647,11 € beläuft. Weil der Antragsteller aber nicht Leistung, sondern Feststellung begehrt, ist von diesem Betrag ein Abschlag von 20 % vorzunehmen (vgl. BGH VersR 2006, 716; OLG Oldenburg VersR 1999, 252; OLG Bremen ZfSch 1991, 127).