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Feststellungsklage über den Fortbestand einer Unfallversicherung

KG Berlin – Az.: 6 W 105/14 – Beschluss vom 12.08.2014

Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Beklagten gegen den Beschluss der Zivilkammer 23 des Landgerichts Berlin vom 6. Juni 2014 wird zurückgewiesen.

Gründe

Die Beschwerde ist nur als solche aus eigenem Recht der Prozessbevollmächtigten der Beklagten gemäß § 32 Abs. 2 RVG zulässig, denn die Beklagte hat selbst kein schutzwürdiges Interesse an der Heraufsetzung des Streitwertes. Die Beschwerde ist zulässig, sie ist auch fristgerecht eingelegt worden.

In der Sache hat das Rechtsmittel der Prozessbevollmächtigten der Beklagten keinen Erfolg.

Das Landgericht hat den Streitwert einer Feststellungsklage über den Fortbestand der Unfallversicherung in Kombination mit einer Leistungsklage überzeugend auf 80% der 3,5 – fachen jährlichen Versicherungsprämie festgesetzt.

1) Zutreffend verweist das Landgericht darauf, dass die Unfallversicherung der Berufsunfähigkeitsversicherung ähnlich ist. Beide Versicherungen setzen einen Personenschaden voraus; bei beiden Versicherungen wird kein Ausgleich für Vermögensschäden gewährt, vielmehr eine Summe als Versicherungsleistung zugesagt.

A) Bei der Berufsunfähigkeitsversicherung setzt der Bundesgerichtshof für den Fall eines Antrages auf Fortbestehen der Versicherung neben einem konkreten Leistungsantrag den Streitwert auf 20% der Summe der 3,5-fachen Jahresbeträge der Summe aus den monatlich begehrten Rentenleistungen sowie der monatlichen Prämie fest (vgl. BGH, Beschluss v 6. Oktober 2011 – IV ZR 183/10 – zitiert nach juris: Rdnr. 2). Mit dieser Entscheidung gab er auch seine bisherige Rechtsprechung zum Streitwert auf (Senatsbeschluss vom 1. Dezember 2004 – IV ZR 150/04). Wird dagegen bereits die volle Leistung beansprucht, kommt einem Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit von Rücktritt und Anfechtung des Vertrages durch den Versicherer allenfalls noch ein geringer Streitwert zu (vgl. Beschluss vom 21. 11. 2007 – IV ZR 282/06).

In der genannten Entscheidung vom 1. Dezember 2004 hatte der Bundesgerichtshof noch den Wert für den Streit über den Fortbestand der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung differenziert festgesetzt auf 50% des 3,5-fachen Jahresbetrages der Summe aus monatlicher Leistung sowie monatlicher Prämie bei ungeklärter Berufsunfähigkeit und 80% des genannten Betrages, wenn die Berufsunfähigkeit bereits geklärt ist (BGH VersR 2005, 959 f. = NJW-RR 2005, 259 f. – zitiert nach juris: Rdnr. 7; Beschl vom 22. Februar 2006 – IV ZR 52/05 – zitiert nach juris). Diese Entscheidung nimmt Bezug auf ein Urteil des 4. Zivilsenats des BGH vom 13. Dezember 2000 (IV ZR 279/99 = NJW-RR 2001, 316 f.). In dieser Entscheidung stellt der Bundesgerichtshof wiederum differenziert für den Streitwert darauf ab, ob der Kläger den Eintritt des Versicherungsfalls behauptet, der Eintritt aber noch ungeklärt ist – dann 50% – oder ob der Eintritt des Versicherungsfalls noch gar nicht in Rede steht – dann 20% (vgl. BGH, a. a. O. – zitiert nach juris: Rdnr. 10). Bei einer kombinierten Leistungs- und Feststellungsklage ist der Streitwert vom Bundesgerichtshof im gleichen Jahr noch auf 80% des 3,5-fachen Jahresbetrages der Summe aus Rente und Prämie bestimmt worden (vgl. Beschluss vom 15. Mai 2000 – IV ZR 294/99 – NJW-RR 2000, 1266 – zitiert nach juris: Rdnr. 2). In der Entscheidung vom 13. Dezember 2000 (vgl. BGH, a. a. O.) führt er weiter zum grundlegenden Unterschied bei der Streitwertbemessung zwischen einer Risikolebensversicherung und einer Krankenversicherung aus. Die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung soll dabei einer Risikolebensversicherung entsprechen. Bei der Risikolebensversicherung sei der Eintritt des Versicherungsfalls ungewiss, während die geschuldete Leistung in ihrer Höhe und Dauer feststehe. Dies sei bei einer Krankenversicherung nicht der Fall, bei der die zu erbringenden Leistungen nicht derart bestimmt seien.

Feststellungsklage über den Fortbestand einer Unfallversicherung
Symbolfoto: Von Billion Photos /Shutterstock.com

Auf diesen Gesichtspunkt stellt der Bundesgerichtshof auch in seinem Beschluss vom 12. März 2008 – IV ZR 123/06 – (NJW-RR 2008, 1664 f. = VersR 2008, 988 – zitiert nach juris: Rdnr. 1) für die Streitwertbemessung bei einer Gebäudeversicherung ab. Bei der Risikolebensversicherung müsse der Versicherer bei Eintritt des Versicherungsfalls die volle Leistung erbringen, während bei der Gebäudeversicherung, der Krankenversicherung und der Kraftfahrtversicherung nur der jeweils durch den Versicherungsfall entstandene konkrete Schaden zu ersetzen sei.

Bei der Krankenversicherung wird auf den 3,5-fachen Betrag der Jahresprämie mit einem Abschlag von 20% abgestellt (BGH VersR 2012, 336 f. – zitiert nach juris: Rdnr. 3; NVersZ 2002, 21 f. – zitiert nach juris: Rdnr. 2); bei der Krankentagegeldversicherung wird ebenso verfahren (vgl. BGH VersR 2011, 237 – zitiert nach juris: Rdnr. 2; NJW 2000, 2750 – zitiert nach juris: Rdnr. 5). Hinsichtlich der Kfz-Versicherung wird auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 11. Oktober 2000 (IV ZR 177/00 – VersR 2001, 492 f. – zitiert nach juris: Rdnr. 6) verwiesen.

B) Es wird nicht übersehen, dass bei der Unfallversicherung keine monatliche Rente zugesagt wird, wie in der Berufsunfähigkeitsversicherung. Hier kann eine Rente nur bei Erreichen eines bestimmten Invaliditätsgrades geltend gemacht werden. In diesem Fall ist jedoch nicht einzusehen, warum der Streitwert anders bemessen wird als bei der Berufsunfähigkeitsversicherung, bei der auf die 3,5 – fache jährliche Versicherungsleistung für die Streitwertbestimmung abgestellt wird. Ein Abstellen auf die Versicherungssumme ist deshalb nicht sachgerecht.

In anderen Fällen ist die zu erbringende Versicherungsleistung abhängig von den Unfallfolgen beim Versicherungsnehmer. Insoweit besteht eine überwiegende Ähnlichkeit mit einer Krankenversicherung oder Krankentagegeldversicherung. Denn die Versicherungsleistung deckt bei der Unfallversicherung zwar keinen Vermögensschaden ab, die Leistung ist der Höhe nach jedoch abhängig vom Grad des unfallbedingten Körperschadens.

2) Der Bundesgerichtshof hat zum Streitwert einer Feststellungsklage auf Fortbestehen einer angefochtenen „Großlebensversicherung“, die auch eine Unfallversicherungsleistung beim Tod des Versicherungsnehmers bis zur Ablaufzeit des Vertrages enthielt, den Streitwert auf 10% der Versicherungssumme festgesetzt (vgl. BGH NJW-RR 1992, 608 – zitiert nach juris: Rdnr. 8). Diese Rechtsprechung ist jedoch noch zur alten Rechtslage – § 9 ZPO aF – ergangen und stellte auch für die Streitwertbemessung bei der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung nicht auf den 3,5-fachen Jahresbetrag der vereinbarten Leistung sondern auf die vereinbarte Gesamtleistung bis zum Vertragsende ab (vgl. auch BGH, Beschl v 29. Juni 1994 – IV ZR 9/94 – zitiert nach juris: Rdnr. 8; NJW-RR 1990, 1361 – zitiert nach juris: Rdnr. 6).

Soweit das OLG Köln (OLGR Köln 2007, 591 – zitiert nach juris: Rdnr. 2) und das LG Dresden (VersR 2008, 1256 f. – zitiert nach juris: Rdnr. 2) und das Landgericht Dortmund (NJW-RR 2007, 1040 – zitiert nach juris: Rdnr. 15) an der genannten BGH-Entscheidung festhalten, überzeugt dies wegen der geänderten Rechtslage nicht, zumal der Bundesgerichtshof in der Entscheidung lediglich eine Streitwertfestsetzung durch das Berufungsgericht nicht beanstandet hat, ohne dies weiter zu begründen.

Das OLG Köln erkennt auch, dass der Eintritt der Vollinvalidität, die allein einen Anspruch auf die Versicherungssumme auslösen kann, äußerst selten eintreten wird. Gerade die schwerste Unfallfolge – der Unfalltod – löst hier nur einen Anspruch auf 5% der Versicherungssumme (= 10.000,- EUR) aus. Dies zeigt, dass die Versicherungssumme hier nicht der geeignete Maßstab zur Bestimmung des Streitwertes ist. Vielmehr steht der durch einen Unfall erlittene Körperschaden bei der Bemessung der Leistung im Vordergrund. Dieser ist jedoch nicht vorhersehbar.

3) Deshalb überwiegt hier die Ähnlichkeit zu einer Schadensversicherung, insbesondere einer privaten Krankenversicherung. Die Unfallversicherung ist zwar keine Versicherung zur Abdeckung von Heilbehandlungskosten; sie ist jedoch gleichsam eine „Körperfunktionsschaden – Versicherung“ (als Summenversicherung). Bei beiden ist die Leistung bei Eintritt eines Versicherungsfalls noch nicht sicher bestimmt, sondern hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Die Ähnlichkeit ist so groß, dass die Anwendung der Grundsätze zur Streitwertbestimmung bei der Krankenversicherung sachgerecht ist. Die Entscheidung des Landgerichts erweist sich insoweit als zutreffend.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

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