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Feststellung der Behandlungskostenübernahme

Fristlose Kündigung Basistarifversicherungsschutz

Oberlandesgericht Bremen – Az.: 3 U 41/11 – Beschluss vom 08.03.2012

1. Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Berufung des Verfügungsklägers aus den auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens für zutreffend gehaltenen Gründen der angefochtenen Entscheidung durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

2. Der Verfügungskläger erhält gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO eine Frist zur Stellungnahme von zwei Wochen.

3. Der Wert des Streitgegenstandes für die Berufungsinstanz wird auf € 33.600,00 festgesetzt.

Gründe

I.

Der Verfügungskläger wehrt sich gegen eine fristlose Kündigung seiner bei der Verfügungsbeklagten bestehenden privaten Krankenversicherung.

Der Verfügungskläger, der 71 Jahre alt ist und sich wegen Bluthochdrucks bereits vor Jahren einer Bypass-Operation unterziehen musste, unterhielt bei der Verfügungsbeklagten eine private Krankheitskostenversicherung sowie eine Krankenhaustagegeldversicherung und eine Pflegepflichtversicherung. Mit Schreiben vom 06.06.2011 warf die Verfügungsbeklagte dem Verfügungskläger vor, sich auf betrügerische Art und Weise Versicherungsleistungen erschlichen zu haben, indem er bei ihr Rechnungen des Arztes Dr. W. zur Erstattung eingereicht habe, denen nachweislich keine Behandlungen durch diesen zugrunde gelegen hätten. Unter Berufung auf Treu und Glauben kündigte die Verfügungsbeklagte deswegen alle bestehenden Verträge fristlos und stellte Schadensersatzforderungen in Aussicht. Tatsächlich hatte Dr. W. aufgrund erheblicher eigener gesundheitlicher Beeinträchtigungen nicht mehr alle Behandlungen, die er dem Verfügungskläger und anderen Patienten in Rechnung gestellt und deren Kosten die Verfügungsbeklagte erstattet hatte, selbst durchgeführt. Wegen seiner gesundheitlichen Probleme hatte auch sein Sohn, Dr. M. bereits die Kassenarztpraxis übernommen, wohingegen er, Dr. W., nach Möglichkeit noch für die Privatpatienten tätig war. Die Staatsanwaltschaft Bremen ermittelt gegen Dr. W. wegen Abrechnungsbetruges, weil dieser seinen Patienten nicht erbrachte Leistungen berechnet habe und die Patienten sich die Rechnungsbeträge von der Krankenversicherung „erstatten“ lassen und sodann mit Dr. W. geteilt hätten. Der Verfügungskläger hat sich zwischenzeitlich anderweitig zum Basistarif krankenversichert, diese Versicherung ist jedoch weniger umfassend; eine annähernd gleiche Versicherung wie bei der Verfügungsbeklagten wäre für den Verfügungskläger erheblich teurer.

Auf Antrag des Verfügungsklägers hat das Landgericht mit Beschluss vom 19.07.2011 im Wege einer einstweiligen Verfügung festgestellt, dass die bei der Verfügungsbeklagten bestehenden Krankenversicherungen nicht infolge der fristlosen Kündigung unwirksam geworden sind, sondern fortbestehen. Hiergegen hat die Verfügungsbeklagte Widerspruch eingelegt.

Der Verfügungskläger hat behauptet, dass seinen zur Erstattung eingereichten Rechnungen immer Behandlungen durch die Praxis Dr. W. zugrunde gelegen hätten. Identischer Versicherungsschutz wie bei der Verfügungsbeklagten, den er aufgrund seiner Vorerkrankungen eigentlich benötige, würde ihn monatlich rund 2.762,00 € kosten; dies sei ihm finanziell effektiv nicht möglich.

Der Verfügungskläger hat die Ansicht vertreten, die Kündigung durch die Verfügungsbeklagte sei unwirksam. Denn zum einen sei Dr. W. berechtigt gewesen, Behandlungen abzurechnen, die sein Sohn Dr. M. als sein Vertreter durchgeführt habe. Außerdem sei er, der Verfügungskläger, auch nicht verpflichtet, sämtliche Rechnungen auf ihre Richtigkeit hin durchzusehen. Falls es auf seiner Seite aber dennoch zu Fehlern gekommen sein sollte, hätte ihn die Verfügungsbeklagte vor einer Kündigung des Vertragsverhältnisses auch zunächst darauf hinweisen müssen. Für den Fall einer Erkrankung benötige er eine sofortige Entscheidung über die Wirksamkeit der bisherigen Krankenversicherung; ein Abwarten bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren sei ihm ohne ausreichenden Krankenversicherungsschutz nicht zuzumuten.

Der Verfügungskläger hat beantragt, den Widerspruch kostenpflichtig zurückzuweisen und die Verfügungsbeklagte zu verurteilen, an ihn 653,90 € vorgerichtliche Mahnkosten zu zahlen.

Die Verfügungsbeklagte hat beantragt, die einstweilige Verfügung aufzuheben und den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Die Verfügungsbeklagte hat behauptet, dass eine ihrer Außendienstmitarbeiterinnen bereits eingeräumt habe, dass es im Zusammenwirken mit Dr. W. zu betrügerischen Manipulationen gekommen sei.

Sie hat die Ansicht vertreten, es beständen weder ein Verfügungsanspruch noch ein Verfügungsgrund. Zur fristlosen Kündigung sei sie berechtigt gewesen, weil der Verfügungskläger Erstattungen für Behandlungen von Dr. W. verlangt und erhalten habe, die dieser nicht durchgeführt habe. § 206 VVG stehe der Kündigung nicht entgegen, da dieser keinen Schutz bei Straftaten zu Lasten des Vertragspartners gewähre. Der Verfügungskläger sei wegen der bestehenden Basiskrankenversicherung auch nicht auf sofortigen Rechtsschutz angewiesen.

Auf Antrag des Verfügungsklägers hat das Landgericht mit Beschluss vom 28.07.2011 im Wege einer einstweiligen Verfügung festgestellt, dass die bei der Verfügungsbeklagten bestehenden Krankenversicherungen nicht infolge der fristlosen Kündigung unwirksam geworden sind, sondern fortbestehen. Hiergegen hat die Verfügungsbeklagte Widerspruch eingelegt.

Mit Urteil vom 13.10.2011 hat das Landgericht unter Aufhebung der einstweiligen Verfügung den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass jedenfalls kein Verfügungsgrund gegeben sei. Der Verfügungskläger begehre vorliegend im Ergebnis den Erlass einer sogenannten Leistungsverfügung, die bereits zu einer endgültigen und vollständigen Befriedigung der streitigen Ansprüche auf Vertragserfüllung führen würde und an die strenge Anforderungen zu stellen seien. Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Eine solche existenzielle Notlage habe der Verfügungskläger nicht glaubhaft gemacht. So mache er schon keine dringende und konkrete Behandlungsnotwendigkeit geltend. Des Weiteren sei der Verfügungskläger zumindest im Basistarif krankenversichert, so dass davon auszugehen sei, dass er zwar nicht im bisherigen, aber doch in ausreichendem Umfang krankenversichert ist. Letztlich habe der Verfügungskläger auch nicht glaubhaft gemacht, die höheren Kosten für einen vergleichbaren Versicherungsschutz in Höhe von rund 2.500,00 € bis zum Abschluss des ordentlichen Verfahrens nicht aufbringen zu können. Seine Behauptung, dies sei ihm finanziell effektiv nicht möglich, sei mangels jeden weiteren Vortrags zu seiner finanziellen Situation unsubstantiiert und durch nichts belegt. Erst recht fehle es an einem Verfügungsgrund hinsichtlich des Antrags auf Erstattung vorgerichtlicher Mahnkosten.

Mit der Berufung verfolgt der Verfügungskläger seinen ursprünglichen Klagantrag weiter. Er rügt, das Landgericht habe rechtsfehlerhaft das Vorliegen eines Verfügungsgrundes verneint. Ein irreparabler Gesundheitsschaden würde bereits deshalb eintreten, weil die Verfügungsbeklagte angekündigt habe, diesen Rechtsstreit bis zum BGH zu verfolgen. Ferner gebe es in Deutschland eine Zweiklassen-Medizin, nach der Kassenpatienten nicht so qualifiziert und zügig behandelt würden wie Privatpatienten. Durch den bestehenden Basistarif sei der Verfügungskläger daher nicht in gleicher Weise geschützt wie durch eine Privatversicherung. Unter Berufung auf eine Entscheidung des OLG Hamm hält der Verfügungskläger die Kündigung durch die Beklagte im Übrigen generell für unzulässig.

Der Verfügungskläger beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils, die einstweilige Verfügung vom 28.07.2011 aufrecht zu erhalten und die Verfügungsbeklagte zu verurteilen, an den Verfügungskläger 653,90 € vorgerichtliche Mahnkosten zu zahlen.

Die Verfügungsbeklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

II.

Die zulässige Berufung hat nach der Überzeugung des Senats keine Aussicht auf Erfolg. Das Gericht folgt den Gründen der angefochtenen Entscheidung, die durch die Berufungsbegründung nicht entkräftet werden. Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder nach § 529 ZPO zu Grunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Beides ist hier nicht der Fall, denn zutreffend ist das Landgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass jedenfalls ein Verfügungsgrund für die begehrte einstweilige Verfügung nicht gegeben ist.

Die vom Verfügungskläger begehrte Feststellung kommt in ihren Auswirkungen einer Verurteilung zur Zahlung der vertraglich vereinbarten Leistungen gleich. Insoweit ist auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts zu verweisen, die mit der Berufung auch nicht angegriffen werden. Eine einstweilige Verfügung zur Feststellung der Verpflichtung eines Krankenversicherungsunternehmens, die Kosten für eine vom Verfügungskläger gewünschte Behandlung zu übernehmen, kommt nur bei einer existenziellen Notlage und damit nur dann in Betracht, wenn feststeht, dass der Verfügungskläger die Kosten einer lebenserhaltenden Behandlung nicht selbst tragen kann, die Behandlung als solche eilbedürftig ist und der Verfügungsbeklagte diese Kosten mit hoher Wahrscheinlichkeit wird erstatten müssen (OLG Koblenz, VersR 2008, 1638 ff.; OLG Oldenburg, Beschl. v. 04.03.2011, Az. 5 W 11/11, zitiert nach Juris). Diese Voraussetzung hat der Verfügungskläger auch in der Berufung nicht glaubhaft gemacht. Zu Recht hat das Landgericht darauf hingewiesen, dass der Verfügungskläger durch den bereits bestehenden Versicherungsschutz im Basistarif ausreichend krankenversichert ist. Soweit der Verfügungskläger meint, Privatpatienten würden in Deutschland besser behandelt als Kassenpatienten, verkennt der Verfügungskläger, dass es im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nicht darauf ankommt, ob ein besserer Krankenversicherungsschutz möglich wäre, sondern ob eine existenzielle Notlage vorliegt. Dass Kassenpatienten mit Basistarifversicherungsschutz sich generell in einer existenziellen Notlage befinden, wird weder vom Verfügungskläger vorgetragen, noch ist dies ersichtlich.

Soweit das Landgericht zum Verfügungsanspruch ausgeführt hat, dass der fristlosen Kündigung § 206 VVG entgegenstehe, kann dem jedenfalls nach der Entscheidung des BGH vom 07.12.2011 (NJW 2012, 376) nicht mehr gefolgt werden. Das Kündigungsverbot des § 206 VVG steht einer Kündigung nach § 314 Abs. 1 S. 1 BGB im vorliegenden Fall nicht entgegen. § 206 Abs. 1 S. 1 VVG ist teleologisch dahin zu reduzieren, dass er ausnahmslos eine außerordentliche Kündigung wegen Prämienverzugs verbietet, während eine Kündigung wegen sonstiger schwerer Vertragsverletzungen unter den Voraussetzungen des § 314 BGB möglich ist (BGH, a.a.O.; so auch OLG Oldenburg, Beschl. v. 23.11.2011, Az. 5 U 141/11, zitiert nach Juris).

III.

Insgesamt hat die Berufung auf der Grundlage der vorstehenden Erwägungen offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Da die Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung hat, eine Entscheidung des Berufungsgerichts weder zur Rechtsfortbildung noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist und auch eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist, wird die Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen sein.

IV.

Den Parteien wird Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb der im Tenor genannten Frist gegeben. Es wird darauf hingewiesen, dass bei Rücknahme der Berufung Gerichtsgebühren gespart werden können (Ermäßigung der Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen gemäß Nr. 1220, 1222 KV von 4,0 auf 2,0).

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