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Falschberatung bei Abschluss privater Rentenversicherungsvertrag

Ein selbstständiger Handwerker wähnte sich mit seiner Rürup-Rente gut fürs Alter gerüstet – bis die vermeintlich sichere Vorsorgefalle zuschnappte. Sein über Jahre angespartes Kapital konnte er weder vorzeitig entnehmen noch flexibel nutzen. Nun musste ein Oberlandesgericht klären, wer die Verantwortung trägt, wenn ein staatlich geförderter Rentenvertrag ganz anders funktioniert als versprochen.

Zum vorliegenden Urteil Az.: I-20 U 185/18 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: OLG Köln
  • Datum: 26.07.2019
  • Aktenzeichen: I-20 U 185/18
  • Verfahrensart: Berufungsverfahren
  • Rechtsbereiche: Versicherungsrecht, Zivilrecht

Beteiligte Parteien:

  • Kläger: Selbstständiger Handwerker, der Schadensersatz wegen angeblicher Falschberatung beim Abschluss eines Basisrentenvertrages forderte.
  • Beklagte: Versicherungsgesellschaft, die den umstrittenen Basisrentenvertrag ausstellte und gegen die der Kläger Schadensersatzansprüche geltend machte.

Worum ging es in dem Fall?

  • Sachverhalt: Der Kläger schloss einen staatlich geförderten Basisrentenvertrag ab und zahlte 52.000 EUR ein. Als er den Vertrag später kündigen wollte, erfuhr er, dass keine Auszahlung des Guthabens möglich ist, sondern nur eine Beitragsfreistellung. Er forderte daraufhin sein Geld zurück und begründete dies mit einer behaupteten Falschberatung.
  • Kern des Rechtsstreits: Es ging um die Frage, ob dem Kläger ein Schadensersatzanspruch gegen die Versicherungsgesellschaft wegen Falschberatung beim Abschluss eines Basisrentenvertrages zusteht. Streitpunkte waren fehlender Rückkaufswert, fehlendes Kapitalwahlrecht und eingeschränkte Vererbbarkeit.

Was wurde entschieden?

  • Entscheidung: Das Oberlandesgericht Köln änderte das erstinstanzliche Urteil ab und verurteilte die Versicherungsgesellschaft zur Zahlung von 52.000,00 EUR zuzüglich Zinsen an den Kläger. Die Revision wurde nicht zugelassen.
  • Begründung: Das Gericht begründete die Entscheidung damit, dass der Berater seine Aufklärungs- und Beratungspflichten nicht erfüllt habe und die Versicherungsgesellschaft dies nicht widerlegen konnte. Es wurde vermutet, dass der Kläger den Vertrag bei ordnungsgemäßer Beratung nicht abgeschlossen hätte, wodurch ein kausaler Schaden vorliegt. Ein Mitverschulden des Klägers wurde verneint und die Einrede der Verjährung zurückgewiesen.
  • Folgen: Die Versicherungsgesellschaft muss dem Kläger die eingezahlten Beiträge von 52.000 EUR zuzüglich Zinsen zurückzahlen. Damit wird der fehlerhaft zustande gekommene Versicherungsvertrag rückabgewickelt.

Der Fall vor Gericht


Ein Rentenvertrag mit Haken: Wenn die Beratung nicht alle Nachteile aufzeigt

Jeder, der für das Alter vorsorgt, wünscht sich vor allem zwei Dinge: Sicherheit und eine gute Rendite. Doch was passiert, wenn ein als sicher und vorteilhaft angepriesenes Produkt entscheidende Nachteile hat, über die im Beratungsgespräch kein Wort verloren wurde? Genau diese Frage musste ein Gericht klären, nachdem ein selbständiger Handwerker feststellte, dass sein staatlich geförderter Rentenvertrag ganz anders funktionierte, als er es erwartet hatte. Er konnte sein eingezahltes Geld nicht vorzeitig zurückerhalten und hatte auch keine Möglichkeit, sich das Kapital später als Einmalbetrag auszahlen zu lassen.

Finanzberatung: Handwerker unterschreibt Rentenvertrag mit sicherem Berater.
Handwerker unterschreibt Rentenvertrag. Finanzberater verschweigt wichtige Kapital-Nachteile. | Symbolbild: KI-generiertes Bild

Der Fall zeigt eindrücklich, wie wichtig eine umfassende Aufklärung ist und welche Konsequenzen eine fehlerhafte Beratung haben kann. Er dreht sich um die zentrale Frage: Wer trägt die Verantwortung, wenn ein Kunde einen Vertrag abschließt, den er bei vollständiger Kenntnis aller Fakten niemals unterzeichnet hätte?

Zwei Verträge, ein Problem: Der Weg vor Gericht

Alles begann im April 2008. Ein selbständiger Handwerker, nennen wir ihn Herrn K., suchte einen Berater einer großen Versicherungsgruppe auf, um sich über seine Altersvorsorge zu informieren. Das Gespräch führte dazu, dass Herr K. noch am selben Tag zwei Verträge unterschrieb. Einer war ein klassischer, nicht staatlich geförderter Rentenvertrag. Der zweite war ein staatlich geförderter Basisrentenvertrag, oft auch als „Rürup-Rente“ bekannt. Genau dieser zweite Vertrag sollte zum Auslöser eines langen Rechtsstreits werden.

Jahrelang zahlte Herr K. fleißig Beiträge in beide Verträge ein. Allein in den Rürup-Vertrag flossen bis Ende 2016 insgesamt 52.000 Euro. Als er im Jahr 2017 beschloss, diesen Vertrag zu kündigen und sich das angesparte Guthaben auszahlen zu lassen, erlebte er eine böse Überraschung. Die Versicherungsgesellschaft teilte ihm mit, dass eine Auszahlung nicht möglich sei. Eine Kündigung führe bei diesem Vertragstyp lediglich zu einer Beitragsfreistellung. Das bedeutet, der Kunde muss keine weiteren Beiträge mehr zahlen, aber das bereits eingezahlte Geld bleibt bis zum Rentenbeginn im Vertrag gebunden und kann nicht entnommen werden.

Für Herrn K. war das ein Schock. Er wandte sich an einen Anwalt und warf der Versicherung vor, dass ihr Berater ihn falsch beraten habe. Er verlangte die Rückzahlung seiner eingezahlten 52.000 Euro. Die Versicherung weigerte sich, und so landete der Fall vor Gericht.

Die zentralen Vorwürfe: Was wurde dem Kunden nicht gesagt?

Was genau warf Herr K. dem Berater vor? Er behauptete, über drei entscheidende Nachteile der Rürup-Rente im Unklaren gelassen worden zu sein. Um das zu verstehen, müssen wir uns die Eigenschaften dieses speziellen Rentenmodells ansehen.

Erstens, das fehlende Kündigungsrecht mit Auszahlung. Herr K. gab an, ihm sei nicht erklärt worden, dass er bei einer Kündigung keinen sogenannten Rückkaufswert erhält. Der Rückkaufswert ist der Betrag, den eine Versicherung bei einer vorzeitigen Vertragsauflösung an den Kunden auszahlt. Bei vielen privaten Rentenversicherungen gibt es diesen Wert, bei der staatlich geförderten Rürup-Rente jedoch nicht. Für Herrn K., einen Selbständigen, war die flexible Verfügbarkeit seines Kapitals aber nach eigenen Angaben extrem wichtig.

Zweitens, das fehlende Kapitalwahlrecht. Damit ist die Möglichkeit gemeint, sich zu Beginn der Rentenzeit das gesamte angesparte Guthaben auf einmal auszahlen zu lassen, anstatt einer monatlichen Rente. Auch über diesen Umstand sei er nicht aufgeklärt worden. Die Rürup-Rente sieht ausschließlich eine lebenslange Rentenzahlung vor, eine komplette Auszahlung des Kapitals ist gesetzlich ausgeschlossen.

Drittens, die eingeschränkte Vererbbarkeit. Herr K. war davon ausgegangen, dass sein angespartes Kapital im Todesfall frei an seine Erben weitergegeben werden kann. Der Berater habe ihn nicht darüber informiert, dass bei der Rürup-Rente nur der Ehepartner oder kindergeldberechtigte Kinder eine Hinterbliebenenrente erhalten können. Andere Erben, wie zum Beispiel erwachsene Kinder ohne Kindergeldanspruch, gehen leer aus.

Die Sicht der Versicherung: Eine Frage der Beweise

Die verklagte Versicherungsgesellschaft und ihr Berater sahen die Sache naturgemäß völlig anders. Sie argumentierten, Herr K. sei sehr wohl über alle Eigenschaften des Produkts aufgeklärt worden. Er habe sich bewusst für die Rürup-Rente entschieden, um die erheblichen Steuervorteile zu nutzen, die mit diesem Modell verbunden sind. Die Beiträge können nämlich von der Steuer abgesetzt werden.

Die Versicherung brachte zudem ein wichtiges Argument vor: Warum, so fragten sie, hat Herr K. am selben Tag zwei unterschiedliche Verträge abgeschlossen? Neben dem starren Rürup-Vertrag schloss er ja auch eine flexible, ungeförderte Rentenversicherung ab. Das zeige doch, dass ihm die Unterschiede zwischen den beiden Modellen bewusst gewesen sein müssen. Außerdem stünden die entsprechenden Hinweise in den Vertragsunterlagen, die Herr K. erhalten habe.

Schließlich brachte die Versicherung die sogenannte Einrede der Verjährung vor. Das ist ein juristisches Mittel, mit dem man sich dagegen wehren kann, für einen Anspruch in Anspruch genommen zu werden, der schon zu lange zurückliegt. Die Beratung fand 2008 statt, die Klage wurde aber erst viele Jahre später eingereicht.

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts: Ein Urteil für den Kunden

Während die erste Instanz, das Landgericht, die Klage noch abgewiesen hatte, kam das Oberlandesgericht Köln zu einem völlig anderen Ergebnis. Es verurteilte die Versicherungsgesellschaft, Herrn K. die gesamten eingezahlten 52.000 Euro nebst Zinsen zurückzuzahlen. Aber wie kam das Gericht zu dieser Kehrtwende? Die Begründung stützt sich auf vier entscheidende Pfeiler.

Warum musste die Versicherung zahlen? Die vier Pfeiler der Begründung

Pfeiler 1: Die verletzte Beratungspflicht

Zuerst prüfte das Gericht, ob der Berater seine Pflichten verletzt hat. Ein Versicherungsberater muss den Kunden umfassend und verständlich über alle Vor- und Nachteile eines Produkts aufklären. Aber wer muss beweisen, was im Beratungsgespräch gesagt wurde? Hier kam ein entscheidender Punkt ins Spiel: Es gab keine schriftliche Beratungsdokumentation. Das ist ein Protokoll, in dem der Berater die Wünsche des Kunden, die Gründe für seine Empfehlung und die erteilten Ratschläge festhält.

Weil dieses Protokoll fehlte, wendete das Gericht eine wichtige Regel an: die Beweislastumkehr. Normalerweise muss derjenige, der etwas behauptet (hier: Herr K., der eine Falschberatung behauptet), dies auch beweisen. Wenn aber die gesetzlich vorgeschriebene Dokumentation fehlt, kehrt sich diese Last um. Nun musste die Versicherung beweisen, dass die Beratung korrekt und vollständig war. Diesen Beweis konnte sie nicht erbringen. Die bloße Behauptung, man kläre Kunden immer umfassend auf, reichte dem Gericht nicht.

Pfeiler 2: Der entstandene Schaden und die Frage „Was wäre wenn?“

Eine Pflichtverletzung allein reicht für einen Schadensersatzanspruch aber nicht aus. Die falsche Beratung muss auch die Ursache, also kausal, für den Schaden gewesen sein. Hätte Herr K. den Vertrag auch dann abgeschlossen, wenn er korrekt beraten worden wäre? Hier half ihm eine weitere juristische Regel: die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens.

Diese Vermutung besagt: Wenn ein Berater eine wichtige Information verschweigt, geht das Gesetz davon aus, dass der Kunde sich bei Kenntnis dieser Information vernünftig verhalten und dem Rat, den der Berater hätte geben müssen, gefolgt wäre. In diesem Fall hätte der Berater Herrn K. vom Abschluss des Rürup-Vertrags abraten müssen, da dieser nicht zu seinen Wünschen nach Flexibilität und Kapitalverfügbarkeit passte. Das Gericht vermutete also, dass Herr K. diesem Rat gefolgt und den Vertrag nicht unterschrieben hätte. Es lag nun an der Versicherung zu beweisen, dass Herr K. den Vertrag trotzdem abgeschlossen hätte – ein fast unmöglicher Beweis.

Pfeiler 3: Kein Mitverschulden durch Nichtlesen des Kleingedruckten

Die Versicherung hatte argumentiert, Herr K. hätte die Nachteile selbst erkennen können, wenn er nur die Vertragsunterlagen sorgfältig gelesen hätte. Ihm sei daher ein Mitverschulden anzulasten. Damit ist gemeint, dass jemand, der einen Schaden erleidet, durch sein eigenes Verhalten dazu beigetragen hat.

Dieses Argument wies das Gericht entschieden zurück. Es erklärte, dass der Sinn einer professionellen Beratung gerade darin besteht, dass sich der Kunde auf die mündlichen Aussagen des Experten verlassen darf. Man kann dem Kunden nicht vorwerfen, dem Berater vertraut zu haben. Es widerspräche dem Zweck der Beratungspflicht, wenn der Berater sich später darauf berufen könnte, der Kunde hätte seine Fehler durch das Lesen des Kleingedruckten selbst korrigieren müssen. Auch die Tatsache, dass Herr K. ein selbständiger Handwerker ist, macht ihn nicht automatisch zum Experten für komplexe Finanzprodukte.

Pfeiler 4: Der Anspruch war nicht verjährt

Zuletzt musste das Gericht die Frage der Verjährung klären. Die regelmäßige Frist hierfür beträgt drei Jahre. Aber wann beginnt diese Frist zu laufen? Nicht schon im Moment der Falschberatung. Sie beginnt erst am Ende des Jahres, in dem der Geschädigte von dem Fehler erfahren hat oder hätte erfahren müssen.

Die Versicherung meinte, Herr K. hätte schon viel früher merken müssen, dass etwas nicht stimmt, wenn er seine Unterlagen gelesen hätte. Seine Unkenntnis sei also grob fahrlässig gewesen. Grobe Fahrlässigkeit bedeutet, dass jemand die Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt und das nicht beachtet hat, was jedem hätte einleuchten müssen. Das Gericht sah das anders. Das Vertrauen in den eigenen Berater und das daraus folgende Nichtlesen der Vertragsdetails sei keine grobe Fahrlässigkeit. Herr K. erlangte erst 2017 sichere Kenntnis von der Falschberatung, als die Versicherung seine Kündigung zurückwies. Damit war die Klage rechtzeitig erhoben worden und der Anspruch nicht verjährt.



Die Schlüsselerkenntnisse

Das Urteil zeigt, dass Versicherungsberater umfassend über alle Nachteile eines Produkts aufklären müssen – auch wenn diese in den Vertragsunterlagen stehen. Wenn ein Berater wichtige Eigenschaften wie fehlende Kündigungsmöglichkeiten oder eingeschränkte Vererbbarkeit verschweigt, kann der Kunde den kompletten Vertrag rückgängig machen und sein Geld zurückverlangen. Besonders wichtig ist, dass Kunden sich auf die mündliche Beratung verlassen dürfen und nicht verpflichtet sind, alle Vertragsdetails selbst zu durchforsten. Die Entscheidung stärkt damit die Rechte von Verbrauchern gegenüber Finanzberatern erheblich.

Befinden Sie sich in einer ähnlichen Situation? Fragen Sie unsere Ersteinschätzung an.

FAQ Versicherungsrecht: Waage, Geld und Versicherungspolice unter Schirm mit Fragezeichen-Schild illustrieren häufige Rechtsfragen.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was gilt als Falschberatung bei Finanzprodukten?

Falschberatung bei Finanzprodukten liegt vor, wenn ein Finanzberater seine vertraglichen Pflichten Ihnen gegenüber verletzt und Ihnen dadurch ein Schaden entsteht. Es geht im Kern darum, dass Sie aufgrund einer fehlerhaften oder unvollständigen Beratung eine Anlageentscheidung getroffen haben, die Sie bei korrekter Aufklärung nicht getroffen hätten. Für Sie als Kunde bedeutet das, dass Sie sich auf die Expertise und die Sorgfalt des Beraters verlassen dürfen.

Die Pflichten eines Finanzberaters

Ein Finanzberater hat wichtige Pflichten, um Sie umfassend und korrekt zu informieren:

  • Die Aufklärungspflicht: Der Berater muss Sie über alle wesentlichen Aspekte des Finanzprodukts aufklären. Das beinhaltet nicht nur die Chancen und potenziellen Gewinne, sondern auch alle wesentlichen Risiken, Nachteile und Kosten. Stellen Sie sich vor, Sie kaufen ein Haus und der Verkäufer würde Ihnen wichtige Mängel verschweigen, die den Wert stark mindern könnten. Genauso müssen Sie über mögliche Verluste oder Gebühren transparent informiert werden. Die Informationen müssen dabei verständlich und vollständig sein.
  • Die Geeignetheitsprüfung: Der Berater muss prüfen, ob das empfohlene Finanzprodukt überhaupt zu Ihrer persönlichen Situation passt. Hierbei werden Ihre finanziellen Verhältnisse (wie viel Geld haben Sie zur Verfügung?), Ihre Anlageziele (was wollen Sie mit der Investition erreichen, z.B. Altersvorsorge oder kurzfristige Gewinne?), Ihre Risikobereitschaft (wie viel Verlust können oder wollen Sie maximal tragen?) und Ihre Vorkenntnisse mit Finanzprodukten berücksichtigt. Ein Produkt muss zu Ihnen passen wie ein maßgeschneiderter Anzug.

Merkmale einer Falschberatung

Eine Falschberatung kann in verschiedenen Szenarien vorliegen:

  • Falsche oder unvollständige Informationen: Wenn der Berater Ihnen wichtige Fakten zu einem Finanzprodukt vorenthält oder Sie bewusst falsch informiert. Denken Sie daran, dass Ihnen alle relevanten Details klar und verständlich vermittelt werden müssen.
  • Unzureichende Aufklärung über Risiken: Finanzprodukte bergen oft Risiken. Eine Falschberatung kann vorliegen, wenn Ihnen diese Risiken, insbesondere das Risiko eines möglichen Totalverlusts des eingesetzten Kapitals, nicht oder nur unzureichend erklärt wurden.
  • Empfehlung eines ungeeigneten Produkts: Der Berater muss ein Produkt empfehlen, das zu Ihrer individuellen Situation passt. Wenn Ihnen ein Produkt vorgeschlagen wird, das nicht Ihren Anlagezielen, Ihrer Risikobereitschaft oder Ihren finanziellen Verhältnissen entspricht, kann dies eine Falschberatung darstellen.

Entscheidend für das Vorliegen einer Falschberatung ist zudem, dass die Pflichtverletzung des Beraters ursächlich für Ihre Investitionsentscheidung war. Das bedeutet, dass Sie bei einer korrekten und umfassenden Beratung eine andere Entscheidung getroffen hätten, zum Beispiel das Finanzprodukt gar nicht oder in einer anderen Form erworben hätten.


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Welche Rechte habe ich, wenn ich Opfer einer Falschberatung geworden bin?

Wenn Sie Opfer einer sogenannten Falschberatung geworden sind, das heißt, eine Person oder Institution hat Sie unzureichend, fehlerhaft oder absichtlich irreführend beraten, sodass Ihnen dadurch ein Schaden entstanden ist, kann Ihnen grundsätzlich ein Anspruch auf Schadensersatz zustehen. Dieser Anspruch soll den finanziellen Nachteil, den Sie erlitten haben, ausgleichen.

Was bedeutet Schadensersatz bei Falschberatung?

Der Kern eines Schadensersatzanspruchs bei Falschberatung liegt darin, dass Sie so gestellt werden sollen, als hätten Sie den Vertrag oder die Handlung, die auf der Falschberatung beruhte, niemals vorgenommen. Anders ausgedrückt: Der entstandene Schaden soll ausgeglichen werden, als wäre die fehlerhafte Beratung nie erfolgt und Sie hätten dadurch keine nachteiligen Entscheidungen getroffen. Stellen Sie sich vor, Sie haben aufgrund einer falschen Empfehlung eine Investition getätigt, die nun wertlos ist. Der Schadensersatz zielt darauf ab, den finanziellen Verlust aus dieser Investition auszugleichen.

Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch

Damit ein Anspruch auf Schadensersatz wegen Falschberatung besteht, müssen in der Regel folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Pflichtverletzung des Beraters: Es muss eine fehlerhafte Beratung vorliegen. Dies bedeutet, dass der Berater seine Aufgabe nicht ordnungsgemäß erfüllt hat. Das kann eine unvollständige, unrichtige oder irreführende Information sein oder eine Beratung, die nicht auf Ihre individuellen Bedürfnisse und Umstände abgestimmt war. Eine solche Beratung verletzt eine vertragliche Pflicht, wenn sie im Rahmen eines Beratungsvertrages erfolgte, oder eine Pflicht aus dem Gesetz, wenn es sich um eine vorvertragliche Aufklärungspflicht handelt.
  • Kausalität: Die fehlerhafte Beratung muss ursächlich für Ihre Entscheidung gewesen sein. Das bedeutet, dass Sie die schädigende Handlung (z.B. den Abschluss eines Vertrages oder eine bestimmte Investition) nur aufgrund der falschen oder fehlenden Informationen vorgenommen haben. Ohne diese Falschberatung hätten Sie die Entscheidung nicht getroffen.
  • Schaden: Ihnen muss durch die fehlerhafte Beratung ein messbarer finanzieller Schaden entstanden sein. Das ist der konkrete Nachteil, der Ihnen entstanden ist, weil Sie auf die falsche Auskunft vertraut haben. Dies kann der Verlust einer Investition sein, unnötig gezahlte Gebühren oder andere Vermögensnachteile.
  • Verschulden: Der Berater muss die Pflichtverletzung zu vertreten haben, was meistens Vorsatz oder Fahrlässigkeit bedeutet. Das heißt, der Berater wusste von der Falschheit seiner Aussage oder hätte dies bei der gebotenen Sorgfalt erkennen und vermeiden müssen.

Für Sie als Betroffene bedeutet das, dass das Vorliegen dieser Punkte im Einzelfall geprüft und dargelegt werden muss. Jede Falschberatungssituation ist einzigartig und hängt stark von den konkreten Umständen, dem Inhalt der Beratung und dem entstandenen Schaden ab.


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Wie kann ich eine Falschberatung beweisen und welche Rolle spielt dabei die Dokumentation?

Wenn Sie der Ansicht sind, falsch beraten worden zu sein und Ihnen dadurch ein Schaden entstanden ist, stehen Sie vor der Herausforderung, dies zu beweisen. Im deutschen Recht gilt grundsätzlich der Grundsatz: Wer etwas behauptet, muss es auch beweisen. Das bedeutet, dass Sie als die Person, die den Schaden geltend macht, beweisen müssen, dass eine Falschberatung stattgefunden hat, diese Ihnen einen Schaden verursacht hat und dass ein direkter Zusammenhang zwischen der Beratung und dem Schaden besteht.

Der Nachweis der Falschberatung

Um eine Falschberatung zu beweisen, muss in der Regel dargelegt werden:

  • Die Beratungspflichtverletzung: Dass der Berater seine Pflichten verletzt hat, beispielsweise durch unvollständige, unverständliche, fehlerhafte oder nicht auf Ihre individuellen Bedürfnisse abgestimmte Informationen.
  • Der Schaden: Dass Ihnen tatsächlich ein finanzieller oder sonstiger Nachteil entstanden ist.
  • Der ursächliche Zusammenhang: Dass dieser Schaden gerade durch die falsche oder unterlassene Beratung entstanden ist. Das bedeutet, wenn richtig beraten worden wäre, wäre der Schaden nicht eingetreten.

Die entscheidende Rolle der Dokumentation und die Beweislastumkehr

Gerade bei Beratungen ist der genaue Inhalt eines Gesprächs oder die genaue Empfehlung oft schwer zu rekonstruieren, da sie mündlich erfolgt sein können. Hier kommt der Dokumentation eine entscheidende Bedeutung zu:

  • Eigene Aufzeichnungen: Haben Sie selbst Notizen gemacht, E-Mails geschrieben oder andere Unterlagen gesammelt, die den Beratungsverlauf und die erhaltenen Informationen festhalten, sind diese sehr wertvoll. Sie können als Beweismittel dienen, um Ihre Version der Ereignisse zu stützen.
  • Fehlende oder unzureichende Dokumentation durch den Berater: Besonders wichtig ist jedoch die Dokumentation auf Seiten des Beraters (z.B. einer Bank, einer Versicherung oder eines Anlageberaters). Berater haben in vielen Fällen eine Pflicht, die Beratung zu dokumentieren. Dazu gehört, welche Empfehlungen gegeben wurden, welche Risiken besprochen wurden und welche Informationen der Kunde preisgegeben hat.

Fehlt eine solche Dokumentation komplett oder ist sie lückenhaft und unzureichend, kann dies eine sogenannte Beweislastumkehr zur Folge haben. Das ist ein großer Vorteil für die geschädigte Person.

Was bedeutet Beweislastumkehr?

Normalerweise müssten Sie beweisen, dass die Beratung falsch war. Bei einer Beweislastumkehr ist das anders: Nicht mehr Sie müssen beweisen, dass die Beratung fehlerhaft war, sondern der Berater muss beweisen, dass er Sie richtig und umfassend beraten hat. Wenn der Berater dies aufgrund fehlender oder mangelhafter Dokumentation nicht kann, wird zugunsten des Kunden angenommen, dass die Falschberatung stattgefunden hat. Dies erleichtert es erheblich, einen Anspruch auf Schadensersatz durchzusetzen.

Für Sie als potenziell geschädigte Person bedeutet das, dass das Vorhandensein oder Fehlen einer umfassenden Beratungsdokumentation auf Seiten des Beraters einen fundamentalen Unterschied im Nachweis einer Falschberatung machen kann. Es verschiebt die Beweislast zugunsten des Kunden, wenn der Berater seine Dokumentationspflichten vernachlässigt hat.


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Gibt es eine Frist, innerhalb derer ich Ansprüche wegen Falschberatung geltend machen muss?

Ja, Ansprüche wegen Falschberatung unterliegen Fristen, innerhalb derer sie geltend gemacht werden müssen. Diese Fristen nennt man Verjährungsfristen. Nach Ablauf dieser Fristen kann ein Anspruch in der Regel nicht mehr erfolgreich durchgesetzt werden, selbst wenn er ursprünglich berechtigt war. Für Sie bedeutet das: Es ist entscheidend, diese Fristen zu kennen und zu beachten, da sonst der Verlust Ihres Anspruchs droht.

Die regelmäßige Verjährungsfrist

Die häufigste Verjährungsfrist für Schadensersatzansprüche wegen Falschberatung beträgt drei Jahre. Diese Frist gilt als die sogenannte „regelmäßige Verjährungsfrist“.

Wann beginnt die Frist?

Die dreijährige Verjährungsfrist beginnt nicht sofort mit der Falschberatung oder dem entstandenen Schaden. Sie startet erst, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind, nämlich mit dem Schluss des Jahres, in dem:

  • Der Anspruch entstanden ist: Das heißt, der Schaden aufgrund der Falschberatung ist tatsächlich eingetreten oder absehbar.
  • Sie als Geschädigter von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt haben oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätten erlangen müssen.

Einfacher ausgedrückt: Die Frist beginnt erst dann zu laufen, wenn Sie wissen, dass Sie durch eine fehlerhafte Beratung einen Schaden erlitten haben und wer für diesen Schaden verantwortlich ist. Hätten Sie diese Informationen aber aufgrund Ihrer eigenen, außergewöhnlich großen Unachtsamkeit (grober Fahrlässigkeit) längst erkennen können, beginnt die Frist trotzdem.

Beispiel: Stellen Sie sich vor, Sie erhalten eine schlechte Anlageberatung im Januar 2020. Den Schaden bemerken Sie aber erst im Juni 2021, und erst dann erfahren Sie auch, dass die Beratung fehlerhaft war und wer der Berater war. Die dreijährige Frist würde dann ab dem 31. Dezember 2021 beginnen und würde Ende 2024 ablaufen.

Absolute Fristen

Unabhängig von Ihrer Kenntnis gibt es auch absolute Höchstfristen. Ein Schadensersatzanspruch wegen Falschberatung verjährt spätestens nach zehn Jahren ab seiner Entstehung, also ab dem Zeitpunkt, zu dem der Schaden eingetreten ist oder die Falschberatung erfolgte, selbst wenn Sie den Schaden oder die Falschberatung noch nicht bemerkt haben.

Diese Fristen sollen sicherstellen, dass rechtliche Auseinandersetzungen nicht unbegrenzt lange möglich sind. Für Sie ist es daher wichtig zu wissen, dass sowohl das Wissen um den Schaden und die Falschberatung als auch die maximale Zeit seit der Entstehung des Anspruchs eine Rolle spielen.


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Welche wichtigen Eigenschaften von Altersvorsorgeverträgen sollte ich kennen, um spätere Enttäuschungen zu vermeiden?

Altersvorsorgeverträge sind vielfältig und nicht alle funktionieren gleich. Um Missverständnisse oder Enttäuschungen zu vermeiden, ist es wichtig, die grundlegenden Merkmale eines Vertrags genau zu verstehen, bevor Sie ihn abschließen. Hier sind zentrale Eigenschaften, die sich erheblich unterscheiden können und für Sie wichtig sind:

Der Rückkaufswert: Wenn Sie vorzeitig Geld benötigen

Ein wichtiger Punkt ist die Möglichkeit, vorzeitig an das angesparte Geld zu kommen. Dies wird als Rückkaufswert bezeichnet. Wenn Sie einen Altersvorsorgevertrag kündigen, bevor er eigentlich auszahlen sollte, erhalten Sie den Rückkaufswert. Dieser Betrag ist oft geringer als die Summe der eingezahlten Beiträge, besonders in den ersten Jahren. Der Grund dafür sind in der Regel Abschluss- und Verwaltungskosten, die das Versicherungsunternehmen direkt nach Vertragsbeginn verrechnet. Wenn Sie also zum Beispiel nach fünf Jahren feststellen, dass Sie das Geld dringend benötigen und den Vertrag kündigen, kann es sein, dass Sie weniger zurückerhalten, als Sie eingezahlt haben. Es ist daher entscheidend zu wissen, unter welchen Bedingungen und in welcher Höhe ein Rückkaufswert überhaupt vorgesehen ist und wie er sich im Laufe der Zeit entwickelt. Manche Verträge sehen eine vorzeitige Auszahlung gar nicht oder nur unter sehr strengen Voraussetzungen vor.

Wahl zwischen Kapitalauszahlung und monatlicher Rente

Ein weiterer zentraler Aspekt ist die Frage, wie das angesparte Kapital im Alter ausgezahlt wird. Viele Altersvorsorgeverträge bieten am Ende der Laufzeit ein Wahlrecht zwischen einer einmaligen Kapitalauszahlung und einer lebenslangen monatlichen Rente.

  • Die Kapitalauszahlung bedeutet, Sie erhalten das gesamte angesparte Geld auf einmal. Das gibt Ihnen sofortigen Zugriff auf einen größeren Betrag, den Sie frei verwenden können.
  • Die monatliche Rente hingegen sichert Ihnen regelmäßige Einnahmen über Ihr gesamtes Leben hinweg, ähnlich einem Gehalt. Dies kann eine gute Planungsgrundlage für Ihre Altersfinanzen sein.
    Nicht jeder Vertrag bietet beide Optionen an. Es ist wichtig, vorab zu klären, welche Auszahlungsmöglichkeiten Ihr gewählter Vertrag vorsieht und ob Sie später frei zwischen ihnen wählen können. Manche Verträge sind zum Beispiel ausschließlich auf eine monatliche Rente ausgelegt.

Vererbbarkeit: Was nach Ihrem Tod mit dem Geld geschieht

Die Regeln zur Vererbbarkeit des angesparten Kapitals sind ebenfalls sehr unterschiedlich und sollten genau geprüft werden. Was passiert mit dem Geld, wenn Sie versterben, bevor oder nachdem die Auszahlungsphase beginnt?

  • Bei einigen Verträgen, insbesondere reinen Rentenversicherungen ohne Kapitalwahlrecht, kann es sein, dass nach Ihrem Tod keine oder nur geringe Beträge an Ihre Erben ausgezahlt werden, wenn Sie keine spezielle Hinterbliebenenversorgung vereinbart haben. Die Rentenzahlung endet dann mit Ihrem Tod.
  • Andere Verträge sehen vor, dass ein Restkapital an bestimmte, von Ihnen benannte Personen (Bezugsberechtigte) oder an Ihre gesetzlichen Erben ausgezahlt wird. Oft haben Sie die Möglichkeit, im Vertrag festzulegen, wer im Todesfall das Geld erhalten soll. Dies ist besonders wichtig, da eine solche Benennung dazu führen kann, dass das Geld direkt an diese Person geht und nicht erst Teil des Nachlasses wird, der unter Umständen langwierig über ein Testament oder die gesetzliche Erbfolge verteilt werden muss. Informieren Sie sich genau, welche Regelungen zur Vererbbarkeit Ihr Vertrag beinhaltet und ob Sie Bezugsberechtigte benennen können.

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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


Illustration zum Glossar Versicherungsrecht: Waage, aufgeschlagenes Buch und Siegelrolle.

Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Beitragsfreistellung

Eine Beitragsfreistellung bedeutet, dass ein Versicherungsnehmer keine weiteren Beiträge mehr zahlen muss, der Versicherungsvertrag aber dennoch bestehen bleibt. Das angesparte Guthaben bleibt dabei im Vertrag gebunden und kann nicht vorzeitig ausgezahlt werden. Dies ist insbesondere bei bestimmten Altersvorsorgeverträgen wie der Rürup-Rente der Fall, wo keine Kündigung mit Auszahlung möglich ist. Die Beitragsfreistellung führt also nicht zu einer Rückzahlung der eingezahlten Beiträge, sondern nur zur Einstellung weiterer Zahlungen.

Beispiel: Wenn Herr K. seinen Rürup-Vertrag kündigt, bekommt er durch die Beitragsfreistellung keine Auszahlung, sondern nur die Verpflichtung, keine weiteren Beiträge zu leisten. Sein Guthaben bleibt aber bis zum Rentenbeginn gebunden.

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Rückkaufswert

Der Rückkaufswert ist der Betrag, den eine Versicherung bei vorzeitiger Vertragsauflösung an den Versicherungsnehmer auszahlt. Er liegt oft unter den eingezahlten Beiträgen, weil Kosten und Gebühren abgezogen werden und noch keine oder geringe Verzinsungen erwirtschaftet wurden. Bei staatlich geförderten Produkten wie der Rürup-Rente gibt es jedoch häufig keinen Rückkaufswert, das heißt, bei vorzeitiger Kündigung gibt es keine Rückzahlung des Kapitals. Die Kenntnis über das Vorhandensein oder Fehlen eines Rückkaufswertes ist für Kunden wichtig, um finanzielle Nachteile zu vermeiden.

Beispiel: Würde Herr K. bei einer normalen privaten Rentenversicherung kündigen, bekäme er meist einen Rückkaufswert ausgezahlt. Bei seiner Rürup-Rente ist dies jedoch ausgeschlossen.

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Kapitalwahlrecht

Das Kapitalwahlrecht beschreibt die Möglichkeit, sich bei Rentenversicherungen entweder eine lebenslange monatliche Rente auszahlen zu lassen oder alternativ das angesparte Kapital in einer Einmalzahlung zu erhalten. Nicht alle Verträge bieten dieses Wahlrecht an; insbesondere die Rürup-Rente sieht gesetzlich ausschließlich eine lebenslange Rentenzahlung vor. Das Kapitalwahlrecht gibt Kunden mehr Flexibilität bei der Gestaltung ihrer Altersvorsorge, ist aber bei manchen staatlich geförderten Verträgen ausgeschlossen.

Beispiel: Herr K. wollte sich das gesamte Guthaben aus seinem Rürup-Vertrag ausgezahlt lassen, was ihm aber wegen fehlenden Kapitalwahlrechts nicht möglich war; er erhält nur eine lebenslange monatliche Rente.

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Beweislastumkehr

Die Beweislastumkehr bedeutet, dass nicht mehr der Kläger (die geschädigte Person) beweisen muss, dass eine Pflichtverletzung oder Falschberatung vorlag, sondern der Beklagte (zum Beispiel die Versicherung) nachweisen muss, dass er korrekt und umfassend beraten hat. Diese Regel gilt insbesondere, wenn der Berater eine gesetzlich vorgeschriebene Dokumentation der Beratung nicht oder nur unvollständig geführt hat. Die Beweislastumkehr erleichtert es dem Kunden, einen Schadensersatzanspruch durchzusetzen, weil der Berater die ordnungsgemäße Beratung beweisen muss.

Beispiel: Da im Fall von Herrn K. keine Beratungsdokumentation vorlag, musste die Versicherung beweisen, dass sie ihn ordnungsgemäß aufgeklärt hat – was ihr nicht gelang.

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Verjährung

Verjährung bezeichnet die gesetzliche Frist, nach deren Ablauf ein Anspruch nicht mehr gerichtlich geltend gemacht werden kann. Für Schadensersatzansprüche wegen Falschberatung gilt regelmäßig eine dreijährige Verjährungsfrist, die jedoch erst am Ende des Jahres beginnt, in dem der Geschädigte Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen (vgl. § 199 BGB). Zusätzlich gibt es eine absolute Höchstfrist von zehn Jahren ab Entstehung des Anspruchs. Die Verjährung schützt davor, dass Ansprüche unbegrenzt lange geltend gemacht werden können.

Beispiel: Herr K. erlangte erst 2017 Kenntnis der Falschberatung, obwohl der Vertrag 2008 geschlossen wurde. Die dreijährige Verjährungsfrist begann daher erst zum 31.12.2017 und war bei Klageerhebung noch nicht abgelaufen.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • Versicherungsvertragsgesetz (VVG), insbesondere § 6 VVG (alte Fassung) bzw. § 61 VVG (neue Fassung): Ein Versicherungsvermittler oder -berater ist gesetzlich verpflichtet, den Kunden umfassend und verständlich über das Produkt aufzuklären, das seinen Bedürfnissen und Zielen entspricht. Dazu gehören alle wesentlichen Merkmale, Vor- und Nachteile sowie die damit verbundenen Risiken. Diese Pflicht dient dem Schutz des Kunden vor Fehlentscheidungen und stellt sicher, dass er eine informierte Wahl treffen kann. Die Beratung muss anlassbezogen und bedarfsgerecht sein. → Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Kernfrage war, ob der Berater Herrn K. über die entscheidenden Nachteile der Rürup-Rente, wie das fehlende Kündigungs- und Kapitalwahlrecht, ausreichend aufgeklärt hat. Eine Verletzung dieser Pflicht war die Grundlage des Schadensersatzanspruchs.
  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), insbesondere § 280 Abs. 1 BGB: Diese Vorschrift regelt den allgemeinen Schadensersatzanspruch bei einer Pflichtverletzung. Wenn jemand eine Pflicht aus einem Schuldverhältnis verletzt und dadurch einem anderen ein Schaden entsteht, muss der Verursacher den Schaden ersetzen. Voraussetzung ist, dass die Pflichtverletzung kausal für den Schaden war und die Pflichtverletzung schuldhaft (vorsätzlich oder fahrlässig) erfolgte, wobei die Schuld bei einer Pflichtverletzung vermutet wird. → Bedeutung im vorliegenden Fall: Herr K. forderte aufgrund der behaupteten Falschberatung und der daraus resultierenden Pflichtverletzung die Rückzahlung seiner eingezahlten Beiträge als Schadensersatz von der Versicherung.
  • Beweislastumkehr bei fehlender Beratungsdokumentation (Versicherungsvertragsgesetz (VVG), insbesondere § 6 VVG (alte Fassung) bzw. § 61 Abs. 2 VVG (neue Fassung) und Grundsätze der Beweislastverteilung): Der Berater ist verpflichtet, die erfolgte Beratung und die Empfehlungsgründe schriftlich zu dokumentieren. Fehlt diese Dokumentation, wird zugunsten des Kunden vermutet, dass die Beratung nicht ordnungsgemäß oder vollständig erfolgte. Dies führt zu einer Beweislastumkehr, bei der nun der Berater bzw. die Versicherung beweisen muss, dass er seine Pflichten erfüllt hat. → Bedeutung im vorliegenden Fall: Da keine Beratungsdokumentation vorlag, konnte sich die Versicherung nicht darauf berufen, dass Herr K. die Falschberatung beweisen müsse. Stattdessen musste die Versicherung beweisen, dass die Beratung korrekt war, was ihr nicht gelang.
  • Grundsatz der Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens (im Schadensersatzrecht): Im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs wegen fehlerhafter Beratung muss der Geschädigte beweisen, dass der Schaden gerade wegen der Falschberatung eingetreten ist. Hier hilft die Vermutung, dass der Kunde bei korrekter und vollständiger Aufklärung dem pflichtgemäßen Rat gefolgt wäre und den Vertrag nicht abgeschlossen hätte oder eine andere, passende Entscheidung getroffen hätte. Diese Vermutung ist oft schwer zu widerlegen. → Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht ging davon aus, dass Herr K. den Rürup-Vertrag bei korrekter Aufklärung über seine Nachteile, insbesondere die fehlende Flexibilität, nicht abgeschlossen hätte, da dies seinen Wünschen widersprach.
  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), insbesondere §§ 195, 199 BGB: Die Verjährung regelt, innerhalb welcher Frist ein Anspruch gerichtlich geltend gemacht werden muss. Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre und beginnt in der Regel mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Nach Ablauf der Frist kann der Schuldner die Leistung verweigern. → Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Versicherung berief sich auf Verjährung, da die Beratung 2008 erfolgte. Das Gericht stellte jedoch fest, dass die Verjährungsfrist erst 2017 begann, als Herr K. sichere Kenntnis von der Unmöglichkeit der Auszahlung erlangte, da seine frühere Unkenntnis nicht als grob fahrlässig galt.
  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), § 254 BGB: Diese Vorschrift besagt, dass sich ein Geschädigter seinen Schaden gegebenenfalls selbst anteilig zurechnen lassen muss, wenn er durch eigenes Verhalten (z.B. durch Unvorsichtigkeit oder Nichtbeachtung von Hinweisen) an der Entstehung oder Vergrößerung des Schadens mitgewirkt hat. In diesem Fall wird der Schadensersatzanspruch entsprechend gekürzt oder kann ganz entfallen. → Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht lehnte ein Mitverschulden des Herrn K. ab, da er sich auf die Beratung verlassen durfte und ihm nicht vorgeworfen werden konnte, die Nachteile des Vertrags nicht eigenständig aus den Vertragsunterlagen erkannt zu haben.

Das vorliegende Urteil


OLG Köln – Az.: I-20 U 185/18 – Urteil vom 26.07.2019

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 17.10.2018 verkündete Urteil des Landgerichts Köln (Az.: 26 O 39/18) abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Unter Abweisung der Klage im Übrigen wird die Beklagte zu 2) verurteilt, an den Kläger 52.000,00 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.03.2018 zu zahlen.

Die gerichtlichen Kosten des Rechtsstreits erster Instanz sowie die außergerichtlichen Kosten des Klägers tragen der Kläger und die Beklagte zu 2) zu je 50 %. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) erster Instanz trägt der Kläger. Die Beklagte zu 2) trägt ihre außergerichtlichen Kosten erster Instanz selbst. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte zu 2).

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger und die Beklagte zu 2) dürfen die Vollstreckung der jeweils anderen Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt Schadensersatz wegen einer von ihm angenommenen Falschberatung bei Abschluss eines privaten Rentenversicherungsvertrages (Basisrentenversicherungsvertrag).

Am 07.04.2008 ließ sich der Kläger in der Filiale der A in B durch den Beklagten zu 1), einem Berater der C Versicherungsgruppe, zum Thema Rentenversicherung beraten. Er unterzeichnete daraufhin am selben Tage neben einem Antrag auf einen ungeförderten fondsgebundenen Rentenversicherungsvertrag bei der C D Lebensversicherung S.A. auch den Antrag zum Abschluss des streitgegenständlichen staatlich geförderten Basisrentenversicherungsvertrages bei der Beklagten zu 2) und erhielt sodann den entsprechenden Versicherungsschein Nr. 7x x54xx00xx vom 14.04.2008.

Der Kläger zahlte auf diesen Vertrag bis zur Beitragsfreistellung zum 01.01.2017 insgesamt Beiträge in Höhe von 52.000,00 EUR. Mit Schreiben vom 11.10.2017 erklärte er die Kündigung und bat um Auszahlung des Guthabens. Die Beklagte zu 2) bestätigte den Erhalt der Kündigung, wies jedoch darauf hin, dass die Kündigung bedingungsgemäß zu einer beitragsfreien Versicherung führe und daher nichts ausgezahlt werden dürfe.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 26.11.2017 ließ der Kläger die Beklagte zu 2) daraufhin wegen Falschberatung bzw. unterlassener Aufklärung zur Zahlung der geleisteten Beiträge bis zum 11.02.2017 auffordern; die Beklagte zu 2) wies mit Schreiben vom 14.12.2017 ein Fehlverhalten und den geltend gemachten Zahlungsanspruch zurück.

Falschberatung bei Abschluss privater Rentenversicherungsvertrag
(Symbolfoto: pixfly/Shutterstock.com)

Der Kläger hat erstinstanzlich – soweit für die Berufung noch relevant – behauptet, der Beklagte zu 1) habe es in dem Beratungsgespräch unterlassen, ihn auf den Umstand hinzuweisen, dass es im Falle einer Kündigung des staatlich geförderten Versicherungsvertrages keinen Rückkaufswert gebe und er deshalb bis zum 60. Lebensjahr nicht über das eingezahlte Kapital verfügen könne. Ebenso wenig habe der Beklagte zu 1) darauf hingewiesen, dass er nach dem 60. Lebensjahr die Rente nicht auf einmal ausgezahlt bekommen könne. Schließlich habe der Beklagte zu 1) auch den Hinweis auf den Nachteil unterlassen, dass nach seinem Tod lediglich der Ehegatte und die Kinder, für die ein Anspruch auf Kindergeld bestehe, eine Hinterbliebenenrente erhalten könnten. Wäre er über diese Nachteile aufgeklärt worden, so hätte er diesen Versicherungsvertrag niemals abgeschlossen. Vor dem Hintergrund seiner selbständigen handwerklichen Tätigkeit sei es für ihn wichtig gewesen, jederzeit flexibel an das Kapital herkommen zu können.

Der Kläger ist der Ansicht gewesen, ihm stehe gegenüber der Beklagten zu 2) ein Schadensersatzanspruch gem. § 6 Abs. 5 VVG zu. Der Beklagte zu 1) habe ihn eindeutig auf den Unterschied zwischen den sogenannten Rürup-Rentenmodellen und den sonstigen flexiblen Rentenmodellen der Privatversicherer hinweisen müssen; es genüge nicht, nur auf die steuerlichen Vorteile hinzuweisen, ohne auch die zwingenden Nachteile dieser staatlich geförderten Rentenversicherung deutlich zu machen. Da der Beklagte zu 1) auch keine Beratungsdokumentation erstellt habe, sei ihm, dem Kläger, eine Beweislasterleichterung bis hin zur Beweislastumkehr zuzubilligen.

Der Kläger hat erstinstanzlich, nachdem er zunächst einen Antrag auf Verurteilung zur Zahlung eines Betrages von 57.000,00 EUR angekündigt hat, zuletzt beantragt, die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen,

1. an ihn Schadensersatz in Höhe von 52.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem  11.12.2017 zu zahlen, Zug um Zug gegen Abgabe einer Verpflichtungserklärung des Klägers gegenüber den Beklagten, an diese mögliche spätere Rentenzahlungen aus der streitgegenständlichen Basisrentenversicherung bei der Beklagten zu 2) – „Fondsgebundene C Rentenversicherung“ mit der Versicherungsnummer 7x x54xx00xx – bis zu einem Betrag in Höhe von 52.000,- EUR auszukehren,

2. an ihn vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.954,46 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie haben – insoweit unwidersprochen – vorgetragen, dass der Beklagte zu 1) und der Kläger im Rahmen des Beratungsgespräches zunächst über eine private, staatlich nicht geförderte Altersvorsorge gesprochen hätten, wobei der Beklagte zu 1) auf die bestehende Möglichkeit einer staatlich geförderten Basisrentenversicherung, deren Beiträge steuerlich absetzbar sind, hingewiesen habe. Der Kläger habe sich daraufhin – ebenso unstreitig – dazu entschlossen, die von ihm angedachte Beitragszahlung zur Hälfte für den streitgegenständlichen Basisrentenvertrag und zur Hälfte für einen weiteren, nicht geförderten Rentenvertrag zu verwenden. Es sei davon auszugehen, dass der Beklagte zu 1) den Kläger – wie er es immer unternehme – auch darüber informiert habe, dass aufgrund der staatlichen Förderung eine Kündigung des Vertrages lediglich zu einer Beitragsfreistellung des Vertrages führe, dass ein Kapitalwahlrecht nicht möglich sei und dass im Todesfall eine Hinterbliebenenversorgung abgesichert sei. Der Kläger habe nicht den ausdrücklichen Wunsch nach einer jederzeitigen Zugriffsmöglichkeit auf den Vertrag geäußert, ebenso wenig nach einem Kapitalwahlrecht bei Rentenbeginn oder einer freien Vererbbarkeit der Ansprüche aus dem Vertrag. Dieser habe sich lediglich die steuerlichen Vorteile dieses Vertrags sichern wollen. Der Beklagte zu 1) habe daraufhin die vom Kläger unterschriebenen Anträge zum Abschluss der streitgegenständlichen sowie der weiteren „E“-Versicherung vorbereitet. Auf der Informationsseite mit u.a. Vertragsbestimmungen und Tarifbeschreibung werde auch darauf hingewiesen, dass die Rechte und Ansprüche aus dem Basisrentenvertrag nicht vererblich und nicht kapitalisierbar seien.

Der Beklagte zu 1) sei, so haben die Beklagten gemeint, den ihm obliegenden vorvertraglichen Beratungspflichten in vollem Umfang nachgekommen. In dem Beratungsgespräch seien dem Kläger die Unterschiede zwischen dem Basisrentenvertrag und dem weiteren fondsgebundenen Vertrag sowie die Besonderheiten des Basisrentenvertrages hinreichend deutlich gemacht worden. Der Beklagte zu 1) sei ohne entsprechende Rückfragen auch nicht gehalten gewesen, auf alle Vertragsmodalitäten im Detail hinzuweisen. Was für ein Nachteil aus einem fehlenden Kapitalwahlrecht oder der Hinterbliebenenversorgung entstanden sein solle, trage der Kläger selbst nicht vor.

Weiter sind die Beklagten der Ansicht gewesen, der Kläger, der schließlich auch Versicherungsschutz erhalte, lege auch einen kausalen Schaden nicht dar und trage nicht vor, für welchen anderen Vertrag er sich bei der von ihm vermissten Beratung entschieden hätte. Unterstellt, er hätte sich für einen Vertag entschieden, bei dem eine Kündigung zur Auszahlung des Rückkaufswertes führen würde, so könne er allenfalls diesen Rückkaufswert verlangen.

Die Beklagten haben ferner die Einrede der Verjährung erhoben.

Wegen des Sachverhalts im Übrigen wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage vollumfänglich abgewiesen. Zur Begründung hat es – soweit für die Berufung noch von Bedeutung – Folgendes ausgeführt:

Ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu 2) bestehe nicht. Zwar sei davon auszugehen, dass der Beklagte zu 1) der ihm obliegenden Aufklärungs- und Beratungspflicht bei Abschluss des streitgegenständlichen Basisrentenvertrages nicht hinreichend nachgekommen sei. Einen kausalen Schaden habe der Kläger jedoch nicht dargelegt. Der Kläger habe nämlich nicht hinreichend dargetan, welche Entscheidung er getroffen hätte, wenn er von dem Beklagten zu 1) auf die mit der staatlichen Förderung des Basisrentenvertrages einhergehenden Nachteile hingewiesen worden wäre. Er habe zunächst lediglich vorgetragen, dass er für diesen Fall den Basisrentenvertrag nicht abgeschlossen hätte. Unstreitig und von ihm selbst bestätigt worden sei aber auch, dass er einen bestimmten monatlichen Betrag in seine weitere Altersvorsorge habe investieren wollen. Dementsprechend habe er vorgetragen, dass er anstelle des geförderten Vertrages einen privaten Rentenversicherungsvertrag abgeschlossen hätte, nach dessen Kündigung er die Prämien vollständig zurückerhalten hätte. Nicht dargelegt worden sei indes, ob eine vollständige Rückzahlung sämtlicher eingezahlter Beträge in einem anderen Vertrag erfolgt wäre und in welchem Vertrag eine derartige vollständige Prämienrückzahlung bei Kündigung überhaupt möglich gewesen wäre. Für den Fall, dass der gesamte zur Verfügung stehende Beitrag in den anderen oder einen weiteren nicht geförderten Rentenversicherungsvertrag eingebracht worden wäre, bestünde der Schaden allenfalls in Höhe des weiteren Rückkaufswertes, nicht aber in der Summe der in den vorliegend geschlossenen Vertrag eingezahlten Beiträge.

Hiergegen wendet sich die Berufung des Klägers, mit welcher dieser nur noch seinen ursprünglichen Klageantrag zu 1) und auch diesen nur noch gegenüber der Beklagten zu 2) weiterverfolgt. Er meint, dass es sich bei dem angegriffenen Urteil um eine unzulässige und seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzende Entscheidung handele. Sofern das Landgericht auf eine seiner Ansicht nach fehlende Darlegung einer alternativ abgeschlossenen Versicherung hingewiesen hätte, hätte er vorgetragen, in diesem Falle keinen weiteren Versicherungsvertrag abgeschlossen zu haben, da es ein Versicherungsprodukt mit den von ihm gewünschten Eigenschaften nicht gebe. Im Übrigen habe er bereits mit der Klageschrift vorgetragen, dass er den streitgegenständlichen Vertrag bei ordnungsgemäßer Beratung nicht abgeschlossen hätte. Dass er in diesem Falle einen anderen konkreten Versicherungsvertrag geschlossen hätte, habe er nie vorgetragen.

Der Kläger beantragt, nachdem er den ursprünglich gestellten Zug-um-Zug-Antrag nicht mehr aufrechterhalten hat,

die Beklagte zu 2) unter Abänderung des am 17.10.2018 verkündeten Urteils des Landgerichts Köln, Az. 26 O 39/18, zu verurteilen, einen Betrag in Höhe von 52.000,00 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an ihn zu zahlen.

Die Beklagte zu 2) beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.

Insbesondere meint sie, entgegen der Annahme des Landgerichts habe der Kläger bereits eine Pflichtverletzung des Beklagten zu 1) nicht nachgewiesen. Der Beklagte zu 1) habe in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass er den Kläger nicht nur über die steuerlichen Vorteile, sondern auch über die damit einhergehenden Nachteile aufgeklärt habe, wie dass keine Auszahlung vor Erreichen des 60. Lebensjahres erreicht werden könne, und Besonderheiten der Hinterbliebenenversorgung. Zu berücksichtigen sei auch, dass der Kläger gerade einen bestimmten zur Verfügung stehenden Betrag in die private Altersvorsorge habe investieren wollen. Dass der Kläger neben dem streitgegenständlichen Vertrag am selben Tag noch einen weiteren, staatlich nicht geförderten Vertrag beantragt habe, spreche eindeutig dafür, dass sich der Kläger der Unterschiede der Verträge bewusst gewesen sei, weil dieser sonst den vollen Betrag in den streitgegenständlichen, steuerlich geförderten Vertrag investiert hätte.

Zutreffend habe das Landgericht ausgeführt, dass es jedenfalls an einem kausalen Schaden fehle. Auch die Berufung führe nicht aus, welchen konkreten anderen Vertrag der Kläger sonst geschlossen hätte.

Jedenfalls treffe den Kläger ein erhebliches Mitverschulden, weil dieser die ihm überlassenen Vertragsunterlagen nicht gelesen habe.

Im Übrigen wiederholt die Beklagte zu 2) die bereits erstinstanzlich erhobene Einrede der Verjährung. Unabhängig davon, dass der Beklagte zu 1) den Kläger in dem Beratungsgespräch vom 07.04.2008 über sämtliche „Nachteile“ des Vertrages aufgeklärt habe, müsse sich der über Vorkenntnisse im Anlagebereich verfügende Kläger, der zudem als selbständiger Unternehmer mit wirtschaftlichen, sozialrechtlichen und steuerrechtlichen Angelegenheiten vertraut sei, jedenfalls eine grob fahrlässige Unkenntnis vorwerfen lassen, weil sämtliche Informationen auch aus den von der Beklagten zu 2) übergebenen Vertragsunterlagen sowie aus dem bei Antragstellung zur Verfügung gestellten Informationsblatt hervorgingen.

Im Übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten auf das schriftsätzliche Vorbringen der Parteien, ihre zu den Akten gereichten Unterlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 12.07.2019 Bezug genommen.

II.

1. Die zulässige Berufung des Klägers hat im Rahmen des zuletzt nach gemäß § 533 ZPO zulässiger Nichtaufrechterhaltung des Zug-um-Zug-Antrags gestellten Antrags auch in der Sache Erfolg und führt zur Abänderung des angegriffenen Urteils im zuletzt beantragten Umfang.

Das Landgericht hat die Klage, soweit diese gegen die Beklagte zu 2) gerichtet ist, zu Unrecht vollumfänglich abgewiesen. Dem Kläger steht gegen die Beklagte zu 2) ein Anspruch auf Zahlung von 52.000 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14.03.2018 zu.

1. Dem Grunde nach ergibt sich der geltend gemachte Schadensersatzanspruch aus § 6 Abs. 5 VVG. Nach persönlicher Anhörung des Klägers und des Beklagten zu 1) ist das Landgericht in berufungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass der Beklagte zu 1) der ihm obliegenden Aufklärungs- und Beratungspflicht bei Abschluss des streitgegenständlichen Versicherungsvertrags nicht nachgekommen ist. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die zutreffenden Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil Bezug genommen. Im Hinblick auf die Berufungserwiderung ist Folgendes auszuführen:

Nach § 6 Abs. 1 S. 2 VVG hat der Versicherer den erteilten Rat zu dokumentieren. Ist dies – wie unstreitig hier – unterblieben, hat der Versicherer eine ordnungsgemäße Beratung, also insbesondere die Erteilung der erforderlichen Hinweise zu beweisen (vgl. BGH, Urteil vom 13.11.2014, Az. III ZR 544/13 – zitiert nach juris; Rudy in: Prölss/Martin, VVG, 30. Auflage 2018, § 6 Rn. 34 f.). Den Beweis, dass der Beklagte zu 1) den Kläger insbesondere auf die Möglichkeit einer fehlenden Kündigung mit Auszahlung des Rückkaufswerts hingewiesen hat, hat die Beklagte zu 2) nicht geführt. Die Beklagte zu 2) hat insoweit erstinstanzlich lediglich Beweis durch Parteivernahme des Beklagten zu 1) angeboten. Die Voraussetzungen für eine Vernehmung des Beklagten zu 1) als Partei lagen allerdings nicht vor. Weder hat sich der Kläger mit einer Parteivernehmung des Beklagten zu 1) nach § 447 ZPO einverstanden erklärt noch konnte – auch mangels entsprechender Dokumentation – von einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit des Beklagtenvortrags i. S. v. § 448 ZPO ausgegangen werden. Das Landgericht hat den Kläger und den Beklagten zu 1) daher zu Recht nur nach § 141 Abs. 1 S. 1 ZPO informatorisch angehört. Dass es auf dieser Grundlage die Erteilung der gebotenen Hinweise nicht als erwiesen erachtet hat, begegnet keinen Bedenken. Die Berufung rügt zwar, das Landgericht habe nicht hinreichend berücksichtigt, dass der Kläger am selben Tag noch einen zweiten, staatlich nicht geförderten Vertrag geschlossen habe. Hieraus sei zu schließen, dass dem Kläger sämtliche Unterschiede zwischen den Verträgen bewusst gewesen seien, weil sonst nicht ersichtlich sei, weshalb dieser nicht den vollen Betrag in den streitgegenständlichen geförderten Vertrag investiert habe. Hiermit dringt die Berufung indes nicht durch. Für den Abschluss zweier Verträge ist nämlich eine Vielzahl von Gründen denkbar, nicht zuletzt die nach der Behauptung des Klägers durch den Beklagten zu 1) angeratene „Diversifizierung“ seines Portfolios.  Selbst wenn man die Zweiteilung der Anlage aber als Indiz dafür werten wollte, dass sich der Kläger gewisser Nachteile des geförderten Vertrages bewusst war, reicht dies nicht aus, um die Erteilung der gebotenen Hinweise auch nur als anbewiesen, geschweige denn als erwiesen, ansehen zu wollen.

2. Zu Unrecht ist das Landgericht aber davon ausgegangen, dass der Kläger Schadensersatz deshalb nicht beanspruchen kann, weil ein kausaler Schaden nicht hinreichend dargelegt worden ist.

a. Liegen die haftungsbegründenden Voraussetzungen – wie hier der Fall – vor, so hat der Versicherer dem Versicherungsnehmer den durch die Verletzung der Beratungspflicht entstandenen Schaden zu ersetzen. Der Versicherungsnehmer ist nach dem Grundsatz der Naturalrestitution, § 249 Abs. 1 BGB, so zu stellen wie er stünde, wenn die Beratung ordnungsgemäß erfolgt wäre (vgl. nur Armbrüster in: MünchKomm VVG, 2. Auflage 2016, § 6 Rn. 310 m.w.N.). Der Anspruch ist damit grundsätzlich auf das negative Interesse gerichtet. Hätte der Versicherungsnehmer bei ordnungsgemäßer Beratung den Vertrag nicht geschlossen, so hat er einen Anspruch auf Rückgängigmachung des Vertrags unter Zurückzahlung eingezahlter Prämien und Ersatz des Zinsschadens oder entgangenen Gewinns (OLG Düsseldorf, Urteil vom 15.08.2000, Az. 4 U 139/99 – zitiert nach juris; vgl. auch Armbrüster in: MünchKomm VVG, aaO, § 6 Rn. 310; Rudy in: Prölss/Martin, VVG, 30. Auflage 2018, § 6 Rn. 62, jeweils m.w.N.).

b. Die Behauptung des Klägers, dieser hätte den Vertrag mit der Beklagten zu 2) bei ordnungsgemäßer Beratung nicht geschlossen, ist zwar als bereits erstinstanzlich streitig anzusehen. Auch wenn die Beklagte zu 2) sich explizit hierzu erstinstanzlich nicht geäußert hat, hat sie nämlich vorgetragen, der Kläger sei ordnungsgemäß beraten worden und hätte sich gerade auf der Grundlage dieser Beratung zu dem Vertragsschluss entschieden. Hierin ist als „Weniger“ die Behauptung enthalten, der Kläger hätte sich auch bei ordnungsgemäßer Beratung für den konkreten Vertragsschluss entschieden.

Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines kausalen Schadens trägt nach allgemeinen Grundsätzen der Versicherungsnehmer. Ihm kommt allerdings – hiervon ist im Ansatz zutreffend auch das Landgericht ausgegangen – die Vermutung aufklärungs- und beratungsrichtigen Verhaltens zugute: Steht fest, dass der Schaden nicht eingetreten wäre, wenn der Rat ordnungsgemäß erteilt und befolgt worden wäre, so wird vermutet, dass sich der Versicherungsnehmer dem Rat entsprechend verhalten hätte (vgl. nur BGH, Urteil vom 08.05.2012, Az. XI ZR 262/10 – zitiert nach juris; OLG Saarbrücken, Urteil vom 26.02.2014, Az. 5 U 64/13 – zitiert nach juris; Armbrüster in: MünchKomm VVG, aaO, § 6 Rn. 319 m.w.N.; Filthuth in: Marlow/Spuhl, BeckOK VVG, 4. Edition, Stand 01.07.2018). Für das Eingreifen der Vermutung kommt es nicht darauf an, ob der Beratungsbedürftige bei gehöriger Aufklärung vernünftigerweise nur eine Handlungsalternative gehabt hätte, er sich also nicht in einem Entscheidungskonflikt befunden hätte (vgl. nur BGH, Urteil vom 08.05.2012, Az. XI ZR 262/10 – zitiert nach juris). Der Aufklärungspflichtige muss daher beweisen, dass der Versicherungsnehmer das vorgeschlagene Produkt auch bei richtiger Aufklärung erworben hätte.

Für den vorliegenden Fall ergibt sich hieraus Folgendes: Ausgehend davon, dass es dem Kläger gerade darauf ankam, einen Vertrag zu schließen, bei dessen Kündigung er die bis dahin eingezahlten Prämien in voller Höhe zurückerhalten hätte, hätte der Beklagte zu 1) als Vertreter der Beklagten zu 2) dem Kläger vor Augen führen müssen, dass eben dies bei dem von ihm empfohlenen Vertrag nicht der Fall war und ihm deshalb vom Abschluss abraten müssen. Zu vermuten ist dann, dass der Kläger einem entsprechenden Rat gefolgt wäre und den Vertrag nicht abgeschlossen hätte.

Die für das Gegenteil darlegungs- und beweispflichtige Beklagte hat weder hinreichend dargelegt, dass der Kläger den Vertrag auch bei ordnungsgemäßer Beratung geschlossen hätte, noch entsprechenden Beweis angeboten.

c. Entgegen der Annahme des Landgerichts wäre nicht zunächst der Kläger gehalten gewesen, vorzutragen, welchen konkreten Vertrag zur Altersvorsorge er im Falle des Nichtabschlusses des Vertrages mit der Beklagten zu 2) abgeschlossen hätte.

Denn vorliegend begehrt der Kläger über die Rückzahlung der auf den Vertrag geleisteten Prämien hinaus keinen entgangenen Gewinn für einen infolge der fehlerhaften Beratung unterbliebenen Abschluss eines ihm günstigeren Vertrages. Er hat vielmehr sowohl im Rahmen der Klageschrift als auch im Rahmen seines Schriftsatzes vom 24.07.2018 zunächst schlicht vorgetragen, er hätte den konkreten Vertrag nicht abgeschlossen. Dass ein Vertrag zur Altersvorsorge von ihm in jedem Falle geschlossen worden wäre, lässt sich seinem Vortrag dagegen nicht entnehmen. Soweit der Kläger mit Schriftsatz vom 24.07.2018 weiter ausführt, er hätte bei ordnungsgemäßer Beratung einen weiteren Rentenversicherungsvertrag geschlossen, hat er dies gleichzeitig dahingehend präzisiert, dass nur ein solcher Vertrag geschlossen worden wäre, nach dessen Kündigung er die eingezahlten Prämien vollständig zurückerhalten hätte. Man mag unterstellen, dass ein entsprechender Vertrag am Markt nicht verfügbar gewesen wäre. Daraus folgt dann aber nicht, dass der Kläger in diesem Falle den konkret abgeschlossenen Vertrag oder einen anderen Vertrag, nach dessen Kündigung er allenfalls den Rückkaufswert erhalten hätte, abgeschlossen hätte. Es bleibt dann vielmehr dabei, dass ein anderer Versicherungsvertrag gar nicht abgeschlossen worden wäre. Der mit der Beklagten geschlossene Vertrag ist damit rückabzuwickeln.

d. Soweit die Beklagte nach dem Verständnis des Senats geltend machen will,  der Kläger hätte bei Nichtabschluss des konkreten Vertrags einen anderen Vertrag geschlossen, bei dessen Kündigung er nur den Rückkaufswert erhalten hätte, so dass sich sein Schaden geringer darstelle, handelt es sich um die Geltendmachung eines die Kausalität unterbrechenden hypothetischen Kausalverlaufs. Hierfür trägt allerdings nicht der Kläger, sondern die Beklagte, als diejenige, die sich auf diesen beruft, die Darlegungs- und Beweislast. Auch diesbezüglich fehlt es sowohl an einer hinreichenden Darlegung als auch an einem geeigneten Beweisantritt.

3. Ohne Erfolg macht die Beklagte zu 2) geltend, der Kläger habe sich die durch die steuerliche Absetzbarkeit der Beiträge erlangten Vorteile anrechnen zu lassen. Nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung sind etwaige ersparte Steuern zwar grundsätzlich anzurechnen. Dies gilt aber dann nicht, wenn – wie hier zu erwarten – die Ersatzleistung ihrerseits zu einer Besteuerung führen wird und dem Kläger die erzielten Steuervorteile deshalb nicht verbleiben (BGH, Urteil v. 23.09.2014, XI ZR 215/13 – zitiert nach juris). Feststellungen über die genaue Höhe der Auswirkung der Versteuerung der Schadensersatzleistung müssen in der Regel nicht getroffen werden, es sei denn, der Schädiger legt – was hier nicht der Fall ist – Umstände dar, auf deren Grundlage dem Geschädigten auch unter Berücksichtigung der Steuerbarkeit der Ersatzleistung Steuervorteile in einem derart hohem Umfang verbleiben, dass es unbillig wäre, ihm die Vorteile zu belassen (BGH, Urteil v. 23.09.2014, Az. XI ZR 215/13 – zitiert nach juris).

4. Ein anspruchsminderndes oder gar ausschließendes Mitverschulden des Klägers nach § 254 Abs. 1 BGB liegt entgegen der Ansicht der Beklagten zu 2) nicht vor. Ein solches lässt sich insbesondere nicht daraus herleiten, dass der Kläger es unterlassen hat, die ihm ausgehändigten Vertragsunterlagen durchzusehen, obgleich diese es ihm ermöglicht hätten zu erkennen, dass seine Vorstellungen von dem abgeschlossenen Vertrag unzutreffend waren. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH (vgl. nur BGH, Urteil vom 13.01.2004, Az. XI ZR 355/02 – zitiert nach juris, m.w.N.; vgl. hierzu auch Rudy in: Prölss/Martin, aaO, § 6 Rn. 64), der sich der Senat anschließt, kann der Informationspflichtige dem Geschädigten nicht nach § 254 Abs. 1 BGB entgegenhalten, er habe dessen Angaben nicht vertrauen dürfen und sei deshalb für den entstandenen Schaden mitverantwortlich. Denn eine entsprechende Annahme stünde im Widerspruch zum Grundgedanken der Aufklärungs- und Beratungspflicht. Daran ändert sich entgegen der Ansicht des Beklagten zu 2) auch nicht deshalb etwas, weil hier nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Beklagte zu 1) im Rahmen der Beratung ausdrücklich unrichtige Angaben über den streitgegenständlichen Vertrag gemacht hat, sondern nur nicht auf die mit diesem einhergehenden Nachteile hingewiesen hat. Denn aufgrund der dem Versicherer obliegenden Beratungspflicht, die dieser durch den Vermittler erfüllen lässt, darf der Versicherungsnehmer grundsätzlich davon ausgehen, dass die ihm erteilten Hinweise nicht nur richtig, sondern im Hinblick auf sein Anliegen auch vollständig sind. Dass der Kläger aufgrund eigener Fachkenntnisse oder Vorerfahrung hätte erkennen müssen, dass eine Kündigung des Vertrages mit der Folge der Rückzahlung der geleisteten Prämien hier nicht möglich war, ist nicht ersichtlich. Der Kläger mag als selbständiger Handwerksunternehmer wirtschaftlich nicht gänzlich unerfahren sein und auch zuvor schon Verträge zur Altersvorsorge abgeschlossen haben. Eine Expertise in Anlage- und Versicherungssachen, insbesondere im Hinblick auf die Eigenschaften eines bestimmten Versicherungsprodukts, ergibt sich hieraus aber nicht.

5. Mit ihrer bereits erstinstanzlich erhobenen Einrede der Verjährung dringt die Beklagte nicht durch. Vorliegend gilt die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren, § 195 BGB. Diese beginnt nach § 199 Abs. 1 BGB mangels anderweitiger Bestimmungen jedoch erst mit dem Schluss des Jahres, in dem (1.) der Anspruch entstanden ist und (2.) der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

Eine entsprechende positive Kenntnis von der Falschberatung hat hier erst im Jahre 2017 mit der Zurückweisung der klägerischen Ansprüche durch die Beklagte zu 2) vorgelegen.

Die bis zu diesem Zeitpunkt bestehende Unkenntnis kann auch nicht als auf einer groben Fahrlässigkeit des Klägers beruhend angesehen werden. Grob fahrlässige Unkenntnis im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB liegt vor, wenn dem Gläubiger die Kenntnis deshalb fehlt, weil er ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt oder das nicht beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen, wie etwa dann, wenn sich dem Gläubiger die den Anspruch begründenden Umstände förmlich aufgedrängt haben und er leicht zugängliche Informationsquellen nicht genutzt hat. Dem Gläubiger muss dabei persönlich ein schwerer Obliegenheitsverstoß in seiner eigenen Angelegenheit der Anspruchsverfolgung, eine schwere Form von „Verschulden gegen sich selbst“, vorgeworfen werden können. Ihn trifft aber generell keine Obliegenheit, im Interesse des Schuldners an einem möglichst frühzeitigen Beginn der Verjährungsfrist Nachforschungen zu betreiben; vielmehr muss das Unterlassen von Ermittlungen nach Lage des Falles als geradezu unverständlich erscheinen, um ein grob fahrlässiges Verschulden des Gläubigers bejahen zu können (BGH, Urteil vom 08.07.2010, Az. III ZR 249/09, BeckRS 2010, 18203; vgl. auch Ellenberger in: Palandt, BGB, 78. Auflage 2019, § 199 Rn. 40 m.w.N.).

Daraus, dass der Kläger die ihm überlassenen Unterlagen, die ihm eine entsprechende Kenntnis vermittelt hätten, nicht durchgelesen hat, lässt sich keine grobe Fahrlässigkeit herleiten. Auch wenn die überlassenen Produktinformationen und Versicherungsbedingungen in aller Regel eine große Bedeutung für die Information des Interessenten über das ihm empfohlene Versicherungsprodukt haben, beruht die unterlassene Kontrolle in der Regel gerade auf dem in den Versicherungsvertreter bzw. den hinter diesem stehenden Versicherer gesetzten und von diesem in Anspruch genommenen Vertrauen. Dieses Verhalten kann deshalb für sich allein genommen nicht als schlechthin „unverständlich“ oder „unentschuldbar“ bezeichnet werden (vgl. BGH, Urteil vom 08.07.2010, Az. III ZR 249/09, BeckRS 2010, 18203, zur Kapitalanlage; so auch OLG Saarbrücken, Urteil vom 26.02.2014, Az. 5 U 64/13 – zitiert nach juris).

b. Die Zinsansprüche ergeben sich im zuerkannten Umfang aus §§ 291, 288 BGB.

2. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92, 269, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

3. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Dem Rechtsstreit kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu; die Zulassung ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.

Berufungsstreitwert:   52.000,00 EUR

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