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Fahrzeugdiebstahl – Nichtbeantwortung der Fragen der Versicherung – Leistungsfreiheit

OLG Hamm – Az.: 20 U 155/18 – Beschluss vom 19.12.2018

Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO zurückzuweisen.

Es wird Gelegenheit gegeben, binnen drei Wochen Stellung zu nehmen.

Gründe

I.

Der Senat ist einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung auf Grund mündlicher Verhandlung erfordern und eine mündliche Verhandlung auch sonst nicht geboten ist.

Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Die Berufungsangriffe des Klägers, wie sie sich aus der Berufungsbegründung vom 29.11.2018 (GA 162 ff.) ergeben, greifen nicht durch.

1.

Es spricht schon viel für die Beweiswürdigung des Landgerichts.

a)

Der Kläger ist beweisbelastet für den Eintritt eines bedingungsgemäßen Versicherungsfalls, hier also des von ihm behaupteten Fahrzeugdiebstahls.

Dabei stehen ihm zwar Beweiserleichterungen dergestalt zur Seite, dass er auf der ersten Stufe nur einen Lebenssachverhalt nachzuweisen hat, der nach der Lebenserfahrung den Schluss auf einen bedingungsgemäßen Diebstahl zulässt. Der Nachweis von Tatsachen, aus denen sich das äußere Bild eines Diebstahls ergibt, ist im Allgemeinen schon dann erbracht, wenn der Versicherungsnehmer beweist, dass er das Fahrzeug zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort abgestellt und dort zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr vorgefunden hat (Senat, Beschluss vom 08.03.2017 – 20 U 15/17, VuR 2017, 479, juris Rn. 8). Wird das äußere Bild bewiesen, kann der Versicherer seinerseits auf der zweiten Stufe Tatsachen beweisen, aus denen die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer Vortäuschung der Entwendung folgt. Nur wenn dem Versicherer dies gelingt, hat der Versicherungsnehmer auf dritter Stufe den Vollbeweis einer bedingungsgemäßen Entwendung zu erbringen (vgl. statt vieler m. w. N. Senat, Urteil vom 03.07.2013 – 20 U 226/12, r+s 2013, 373, juris, Rn. 19).

b)

Dem Kläger ist vorliegend schon auf der ersten Stufe der Nachweis des äußeren Bildes eines Fahrzeugdiebstahls nicht gelungen.

aa)

Grundlage der Feststellungen im Sinne des § 286 ZPO bei einem Fahrzeugdiebstahl sind die allgemeinen Beweismittel, insbesondere Zeugen. Da der Kläger nach eigenem Vorbringen das Fahrzeug weder vor der behaupteten Entwendung abgestellt noch danach nicht wieder aufgefunden hat, kommt es für die Frage, ob der Kläger den von ihm behaupteten Diebstahl nachweisen kann, auf die Aussage des Zeugen T an.

bb)

Fahrzeugdiebstahl – Nichtbeantwortung der Fragen der Versicherung - Leistungsfreiheit
(Symbolfoto: Sergey Mironov/Shutterstock.com)

Entgegen dem Berufungsvorbringen hat das Landgericht dem Kläger keineswegs unterstellt, er habe einen Versicherungsfall vortäuschen wollen. Das Landgericht vermochte sich vielmehr lediglich nicht mit einer Sicherheit, die vernünftigen Zweifeln Schweigen geboten hätte, davon zu überzeugen, dass der Diebstahl wie behauptet stattgefunden hat. Dies hat das Landgericht mit Widersprüchen und Unstimmigkeiten in der Aussage des Zeugen begründet, die entgegen der Darstellung in der Berufungsbegründung durchaus bestehen. So fehlt insbesondere eine nachvollziehbare Erklärung dafür, warum der Zeuge mit dem Flugzeug nach Deutschland gereist sein will, um dann mit einem vom Kläger geliehenen PKW zurück nach C zu fahren, um dort wiederum einen „Kollegen“ zu besuchen, den er – da er nach eigenem Bekunden in C in der Nähe von T2 lebte – durchaus von dort aus mit erheblich geringerem Aufwand hätte besuchen können. Es kommt hinzu, dass der Kläger bei seiner Anhörung vor der Kammer erklärte, der Zeuge habe in C „Urlaub“ machen wollen (GA 117R), während der Zeuge selbst erklärte, in C gewohnt zu haben und nur für „etwa 1 bis 2 Wochen“ in Deutschland gewesen zu sein (GA 120). Schließlich ist auffällig, dass weder der Kläger noch der Zeuge anzugeben vermochten, für wie lange der Zeuge das Auto überhaupt sollte nutzen können. Beide antworteten auf entsprechende Fragen des Landgerichts mit ungenauen „geschätzten“ Angabe, obwohl zu erwarten gewesen wäre, dass hierüber genaue Absprachen getroffen wurden, zumal der Kläger selbst es sogar für möglich hielt, dass er während der Dauer der Leihe teilweise seinerseits auf ein angemietetes Fahrzeug angewiesen war. Dass das Landgericht angesichts dessen Zweifel an der Richtigkeit der Aussage des Zeugen hinsichtlich des behaupteten Fahrzeugdiebstahls hatte, ist aus Sicht des Senats nachvollziehbar.

Soweit der Kläger in der Berufungsbegründung darauf verweist, das Landgericht habe in seiner Beweiswürdigung nicht berücksichtigt, dass der Kläger seit 15 Jahren bei der Beklagten versichert war und immer unfallfrei gefahren sei, führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Denn für die Frage, ob das Fahrzeug wie behauptet entwendet wurde, kommt es vorliegend gerade nicht auf die Redlichkeit des Klägers an, sondern auf die Bekundungen des Zeugen.

Entsprechendes gilt, soweit der Kläger darauf verweist, ein „Versicherungsbetrüger“ hätte kein ADAC-Formular ausgefüllt und versucht, „schnellstmöglich die Versicherungsleistung zu erhalten“. Im Übrigen hat das Landgericht wie bereits dargelegt keineswegs festgestellt, dass der Kläger einen Betrug zum Nachteil der Beklagten begangen hat, sondern es vermochte sich lediglich nicht mit der gemäß § 286 ZPO erforderlichen Sicherheit von dem behaupteten Diebstahl zu überzeugen.

2.

Die Beklagte wäre aber auch dann gemäß E.5.1 und E.5.2 der dem Versicherungsvertrag zugrunde liegenden AKB leistungsfrei, wenn der Kläger den Nachweis eines bedingungsgemäßen Fahrzeugdiebstahls erbracht hätte.

a)

Der Kläger hat vorsätzlich eine Obliegenheit gemäß E.1.3 AKB verletzt.

aa)

Gemäß E.1.3 AKB ist der Versicherungsnehmer unter anderem verpflichtet, alles zu tun, was der Aufklärung des Schadensereignisses dienen kann, und die Fragen des Versicherers zu den Umständen des Schadenereignisses und zum Schadenumfang wahrheitsgemäß und vollständig zu beantworten.

In der mündlichen Verhandlung vom 05.09.2018 hat der Kläger nach anfänglichem Bestreiten im weiteren Verlauf unstreitig gestellt (GA 118R), dass die Beklagte ihn mit Schreiben vom 20.03.2015 (GA 88) aufgefordert hat, diverse Unterlagen (u.a. den Kaufvertrag, Reparaturrechnungen, Wartungs-/Inspektionshefte usw.) bei der Beklagten einzureichen.

Ebenfalls unstreitig ist der Kläger dem zunächst nicht nachgekommen, sondern hat erst im August 2017 einen Teil der angeforderten Unterlagen übersandt. Damit liegt in objektiver Hinsicht eine Verletzung der Obliegenheit aus E.1.3 AKB vor.

bb)

Diese Obliegenheitsverletzung geschah – mindestens – vorsätzlich.

Vorsatz erfordert das Wollen der Obliegenheitsverletzung im Bewusstsein des Vorhandenseins einer entsprechenden Verhaltensnorm, wobei auch bedingter Vorsatz ausreicht (OLG Saarbrücken, Urteil vom 12.07.2006 – 5 U 6/06, VersR 2007, 532, juris Rn. 15). Eine Absicht, dem Versicherer einen Nachteil zuzufügen, ist hingegen nicht erforderlich.

Schriftsätzlich hat der Kläger erstinstanzlich vorgetragen, er sei deshalb „erst nach ca. 2 ½ Jahren tätig geworden“, weil er als Freiberufler ständig unterwegs gewesen sei und deshalb wenig Zeit gehabt habe, sich um private Angelegenheiten zu kümmern (GA 95). Bei seiner Anhörung vor dem Landgericht hat der Kläger dies bestätigt und angegeben, er habe das Ausfüllen des von der Beklagten übersandten Fragebogens „immer wieder nach hinten geschoben“ (GA 117R). Irgendwann habe er gedacht, er „muss es jetzt machen“, weil er „dachte, nach so langer Zeit“ werde er „als Privatperson Schwierigkeiten mit der Versicherung bekommen“ (a.a.O.).

Daraus ergibt sich, dass der Kläger die schriftliche Aufforderung der Beklagten vom 20.03.2015 zur Kenntnis genommen hatte und sich bewusst war, dagegen durch seine Untätigkeit zu verstoßen.

b)

Die Leistungsfreiheit der Beklagten entfällt nicht gemäß E.5.2 AKB.

Der dem Kläger obliegende Kausalitätsgegenbeweis dahingehend, dass die Pflichtverletzung des Klägers weder für die Feststellung des Versicherungsfalls noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht der Beklagten ursächlich war, ist nicht erbracht.

Zwar kann es an der Kausalität fehlen, wenn der Versicherer an eigenen Ermittlungen gehindert war, diese aber auch bei rechtzeitiger Anzeige nicht über das hätten hinausgehen können, was die Ermittlungsbehörden ohnehin durchgeführt haben (BGH, Urteil vom 04.04.2001 – IV ZR 63/00, VersR 2001, 756, juris Rn. 13).

Damit ist der vorliegende Fall aber nicht vergleichbar. Dadurch, dass der Kläger vorliegend über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren der Beklagten weder die Fahrzeugschlüssel noch die übrigen angeforderten Dokumente zur Verfügung gestellt hat, hat er sie gehindert, die Voraussetzungen des von ihm angezeigten Versicherungsfalles zu prüfen (vgl. BGH, Urteil vom 07.07.2004 – IV ZR 265/03, VersR 2004, 1117, juris Rn. 11). Wie dem Senat aus einer Vielzahl ähnlicher Verfahren bekannt ist, lassen sich etwa durch eine Untersuchung der Fahrzeugschlüssel durchaus Rückschlüsse auf die Stimmigkeit der Behauptungen des Versicherungsnehmers zum Abstellen des Fahrzeugs am angeblichen Diebstahlsort und zur Entwendung ziehen (ebenso BGH, a.a.O.). Die der Beklagten durch das Vorenthalten der Fahrzeugschlüssel und der übrigen Dokumente entstandenen Nachteile lassen sich angesichts des erheblichen Zeitablaufs nicht mehr beheben. Feststellungen, ob ihre Einstandspflicht gegeben ist, kann die Beklagte aufgrund der Obliegenheitsverletzung des Klägers zuverlässig nicht mehr treffen (vgl. BGH, Urteil vom 07.07.2004 – IV ZR 265/03, VersR 2004, 1117, juris Rn. 11).

c)

Der Umstand, dass das Landgericht seine Entscheidung nicht auf den Aspekt einer vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung durch den Kläger gestützt hat, macht eine mündliche Verhandlung durch das Berufungsgericht nicht im Sinne von § 522 Abs. 2 Nr. 4 ZPO erforderlich. Wie der Senat bereits entschieden hat, erfordert eine vom erstinstanzlichen Urteil abweichende Begründung nicht in jedem Fall eine mündliche Berufungsverhandlung; nach der Funktion des Verfahrens nach § 522 Abs. 2 ZPO ist eine erneute mündliche Verhandlung vielmehr nur dann geboten, wenn die Entscheidung des Berufungsgerichts auf eine umfassend neue rechtliche Würdigung gestützt wird und diese mit den Parteivertretern im schriftlichen Verfahren nicht sachgerecht erörtert werden kann (Senat, Beschluss vom 02.03.2012 – 20 U 228/11, VersR 2013, 604, juris Rn. 5). Weist das Landgericht die Klage des Versicherungsnehmers wegen eines behaupteten Fahrzeugdiebstahls mit der Begründung ab, dass der Versicherungsnehmer über den Wert des Fahrzeugs arglistig getäuscht habe, so ist eine mündliche Verhandlung im Berufungsverfahren auch dann nicht geboten, wenn die Berufung bereits deswegen unbegründet ist, weil der Versicherungsnehmer den Beweis des äußeren Bildes einer Entwendung seines Fahrzeugs nicht geführt hat (Senat, a.a.O.). Das muss auch im umgekehrten Fall gelten, in dem – wie hier – das Landgericht den Diebstahl nicht als erwiesen angesehen hat und das Berufungsgericht auf eine Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers abstellt. Dies gilt erst recht, weil der Senat die Erwägungen zur Leistungsfreiheit wegen einer vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung hier nur ergänzend angestellt hat.

II.

Auf die Gebührenermäßigung für den Fall der Berufungsrücknahme (KV Nr. 1222 GKG) wird hingewiesen.

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