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Fälligkeit von Geldleistungen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung

Oberlandesgericht Brandenburg – Az.: 11 U 137/17 – Urteil vom 17.04.2019

I. Auf die klägerische Berufung wird das am 09.10.2017 verkündete Urteil des Einzelrichters der 12. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam – 12 O 382/15 – teilweise abgeändert und – unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels –

A. die Beklagte verurteilt, dem Kläger zu zahlen

1. € 30.132,76 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 22.03.2017 und

2. ab dem 01.01.2016 bis längstens zum Ablauf der Berufsunfähigkeitsversicherung mit der Vers.-Nr. … am 01.02.2039 monatlich im Voraus eine Rente in Höhe von € 1.250,00 unter Befreiung von seiner Beitragspflicht;

B. festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die jährlichen Überschussanteile zum Ende eines jeden Versicherungsjahres zuzuteilen und monatlich mit der gemäß Abschn. I A 2 dieses Tenors zu zahlenden Rente dem Kläger auszuzahlen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen fallen der Beklagten zur Last.

III. Das Berufungsurteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung im Umfange von 120 % des aufgrund des Urteils gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Als Sicherheit genügt die schriftliche unbedingte, unbefristete, unwiderrufliche und selbstschuldnerische Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstitutes oder Kreditversicherers.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der am … geborene Kläger, der in gesunden Tagen zuletzt als angestellter Projektleiter im Hochspannungs- und Freileitungsbau gearbeitet hat, anfangs vollzeitbeschäftigt war und seine wöchentliche Arbeitszeit ab dem 01.07.2013 von 40 h auf 30 h reduzierte (GA I 9 und 85 ff.), nimmt die Beklagte, einen Lebensversicherer, im Kern aus einer am 30.06.2006 beantragten (GA I 129) und laut Police Nr. … vom 01.02.2007 (Kopie GA IV 818 ff.), zuletzt geändert durch Nachtrag vom 14.03.2011 (Kopie Anl. K1/GA I 21 f.), ab 01.02.2007 zu den Allgemeinen Bedingungen für die Berufsunfähigkeitsversicherung (später zitiert als AB BUV) (Kopie Anl. K2/GA I 23 ff.) und den Tarifbestimmungen zum Tarif BV10 (künftig zitiert als TB BV10) (Kopie Anl. K3/GA I 26 ff.) zwischen den Prozessparteien geschlossenen (selbstständigen) Berufsunfähigkeitsversicherung auf – rückständige und künftige – Rentenzahlung sowie auf Beitragsbefreiung in Anspruch. Erstmals im Jahre 2009 traten beim Berufungsführer in beide Oberschenkel ausstrahlende Sensibilitätsstörungen auf; inzwischen leidet er vor allem an einer schwer ausgeprägten sensiblen ataktischen Gangstörung mit Fallneigung bei Lähmungen im Bereich der Arme und der Beine nebst Beuge-Fehlstellung der Finger- und Handgelenke beiderseits. In Gebäuden kann er sich lediglich fortbewegen, indem er sich – bei drohender Sturzgefahr – an Einrichtungsgegenständen festhält; außerhalb davon ist er auf einen Rollstuhl angewiesen. Mittlerweile bekommt er von der Deutschen Rentenversicherung eine Rente wegen voller Erwerbsminderung; er ist pflegebedürftig (Pflegestufe 2) und anerkannt schwerbehindert (GdB 70). Seine Berufsunfähigkeit an sich stand schon von Prozessbeginn an außer Streit (GA I 129, 137, 146; III 383, 463 f., 476; 481). Uneins sind sich die Prozessparteien indes darüber, ob und gegebenenfalls wann die Fälligkeit der Versicherungsleistungen eingetreten ist und ob der Anspruchsteller im Rahmen der Leistungsprüfung seine Mitwirkungsobliegenheiten verletzt hat. Zur näherer Darstellung des Sachverhalts und der erstinstanzlichen Prozessgeschichte wird nach § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen (LGU 2 f.).

Vom Landgericht Potsdam, das in der Vorinstanz erkannt hat, ist die Klage abgewiesen worden. Begründend hat die Zivilkammer im Wesentlichen ausgeführt: Die beanspruchten Versicherungsleistungen seien jedenfalls mangels Abschlusses der Leistungsprüfung noch nicht fällig. Die Beklagte begehre berechtigterweise Einsicht in die vollständigen Krankenunterlagen, um feststellen zu können, ob bei Beantragung des Versicherungsschutzes Vorerkrankungen verschwiegen worden seien, und wie sich der Krankheitsverlauf insgesamt darstelle. Welche Unterlagen im Einzelnen für eine abschließende Prüfung noch fehlen würden, brauche die Anspruchsgegnerin nicht vorzutragen. Ihr müssten sämtliche Krankenunterlagen zur Verfügung gestellt werden, um von sich aus Einschätzungen hinsichtlich der Erforderlichkeit zusätzlicher Informationen treffen zu können. Dem widerspreche es, wenn sich der Kläger – wie hier unstreitig geschehen – gegenüber den aktenführenden Stellen stets die Prüfung vorbehalte, welche Unterlagen übersandt werden dürften; ihm stehe nicht die damit für sich in Anspruch genommenen Befugnis zu, darüber mitzubestimmen, welche Dokumente für eine abschließende Leistungsprüfung erforderlich seien. Wegen der Details wird auf die Ausführungen in den Gründen des angefochtenen Urteils Bezug genommen (LGU 3 f.).

Letzteres ist dem Kläger zu Händen seiner erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten laut deren Empfangsbekenntnis am 16.10.2017 (GA III 407) zugestellt worden. Er hat am 26.10.2017 (GA III 409) mit anwaltlichem Schriftsatz Berufung eingelegt und sein Rechtsmittel mit einem 06.12.2017 beim Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangenen Anwaltsschriftsatz begründet (GA III 419 ff.).

Der Kläger ficht das erstinstanzliche Urteil – betreffend die Zinsen klageerweiternd – unter Wiederholung, Vertiefung und Ergänzung seines bisherigen Vorbringens in vollem Umfang seiner Beschwer an. Dazu trägt er insbesondere Folgendes vor:

Entgegen der Ansicht der Zivilkammer seien die geltend gemachten Versicherungsleistungen unter allen denkbaren Gesichtspunkten fällig. Gemäß § 14 Abs. 1 VVG und entsprechend § 10 Abs. 1 Satz 1 AB BUV komme es insoweit auf die Beendigung der notwendigen Erhebungen an. Die hierfür nach § 9 Abs. 1 und 2 AB BUV erforderlichen Unterlagen lägen der Beklagten längst vor. Außerdem habe sie sich mithilfe der jeweiligen Einwilligungserklärungen offenbar sämtliche Patientenakten beschafft. Warum dennoch keine Entscheidung über den Leistungsantrag möglich sein solle, werde nicht ersichtlich. Unabhängig davon trete die Fälligkeit mit Ablehnung der begehrten Leistungen ein, wofür in einem Rechtsstreit wie hier ein uneingeschränkter Klageabweisungsantrag genüge. Schließlich wirke eine unangemessen verzögerte Leistungsprüfung fälligkeitsbegründend, wenn der Versicherer unnütze oder nicht sachdienliche Erhebungen anstelle, was im Streitfall zutreffe. Unterlagen zur Beurteilung des Krankheitsverlaufes habe die Rechtsmittelgegnerin weder verlangt noch seien solche hier erforderlich, zumal seine – des Rechtsmittelführers – bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit außer Streit stehe. Dass der Versicherer konkrete Informationen erfragen müsse, ergebe sich aus § 31 Abs. 1 VVG und § 9 Abs. 2 AB BUV; Auskunftsobliegenheiten seien nur auf Verlangen zu erfüllen. Dem Auskunftsinteresse des Versicherers stehe das ebenfalls verfassungsrechtlich geschützte Recht des Versicherungsnehmers auf informationelle Selbstbestimmung gegenüber. Letzterer müsse lediglich insoweit bei der Erhebung von Daten mitwirken, als dies für die Leistungsprüfung erforderlich sei. Das beinhalte die Möglichkeit, die Sachdienlichkeit der Informationsbeschaffung zu prüfen und die Preisgabe der Daten selbst zu steuern. Der Versicherungsfall sei auf der Basis eines strukturierten – von Treu und Glauben beherrschten – Informations- und Kommunikationsprozesses kooperativ zu regulieren. Auf (hier ohnedies nicht vorliegende) vorvertragliche Anzeigepflichtverletzungen könne sich die Beklagte im Streitfall schon wegen des Ablaufs der entsprechenden Fristen nicht mehr berufen. Im Übrigen seien nach Leistungsablehnung keine Mitwirkungsobliegenheiten mehr zu erfüllen; verletzt habe er, der Anspruchsteller, derartige Obliegenheiten auch nicht und Rechtsfolgevereinbarungen, die mit der im Jahre 2008 novellierten Fassung des Versicherungsvertragsgesetzes in Einklang stünden, existierten ebenfalls nicht. Eine Mitteilung betreffend die Änderung der Vertragsbedingungen sei ihm nicht zugegangen. Keineswegs hätte die Eingangsinstanz schließlich die Klage als vollumfänglich unbegründet abweisen dürfen, weil sie selbst lediglich von einem – behebbaren – Fälligkeitsmangel ausgegangen sei.

Der Kläger beantragt,

I. unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung

1. die Beklagte zu verurteilen, ihm – dem Kläger – € 30.132,76 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus € 27.512,52 ab dem 16.10. 2015 und aus weiteren € 1.310,12 ab dem jeweils Monatsersten – beginnend mit dem 01.11.2015 – zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, ihm – dem Kläger – ab dem 01.01.2016 monatlich im Voraus bis längstens zum Ablauf der Berufsunfähigkeitsversicherung mit der Vers.-Nr. … am 01.02.2039 eine Rente in Höhe von € 1.250,00 unter Befreiung von seiner Beitragspflicht zu zahlen,

3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die jährlichen Überschussanteile zum Ende eines jeden Versicherungsjahres zuzuteilen und monatlich mit der nach Nr. 2 zu zahlenden Rente ihm – dem Kläger – auszuzahlen sowie

4. die Beklagte zu verurteilen, ihm – dem Kläger – Anwaltskosten in Höhe von € 2.301,82 zu zahlen;

II. hilfsweise das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit an die seit 01.01.2018 gesetzlich vorgeschriebene Versicherungskammer des Landgerichts Potsdam zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

I. die Berufung zurückzuweisen,

II. hilfsweise die Klage als derzeit unbegründet abzuweisen.

Sie verteidigt – im Wesentlichen ihre bisherigen Darlegungen ebenfalls wiederholend, vertiefend und ergänzend – das ihr günstige Urteil des Landgerichts. Dazu trägt sie insbesondere Folgendes vor:

Die eingeklagten Forderungen seien derzeit nicht fällig; der Kläger habe seine Mitwirkungspflichten nicht erfüllt. Wäre er ihnen nachgekommen, hätte die Leistungsprüfung zeitnah abgeschlossen werden können. Es fehlten weitere Unterlagen zur Vertragswirksamkeit. Geprüft werden müsse, ob vorvertragliche Anzeigepflichtverletzungen vorlägen. Allein auf die Anzahl der erteilten Schweigepflichtentbindungserklärungen komme es dabei nicht an. Der Kläger habe indes rechtsirrtümlich allein Dokumente zur Prüfung des Leistungsfalles als solchen zur Verfügung stellen wollen. Angesichts dessen sei es rechtsmissbräuchlich, wenn er sich nunmehr darauf berufe, dass die Ausübung von Gestaltungsrechten wegen Anzeigepflichtverletzungen verjährt respektive das Recht an sich erloschen sei. Welche Unterlagen im Rahmen der Leistungsprüfung noch gefehlt hätten, sei von ihr – der Beklagten – stets offengelegt worden. Indes habe der Berufungsführer das Landesversorgungsamt Brandenburg angewiesen, nur Teile der dortigen Akten zur Einsicht zur Verfügung zu stellen, wodurch es zu weiteren Verzögerungen gekommen sei. Dass dieses Dossier jetzt vollständig zur Verfügung stehe, werde mit Nichtwissen bestritten. Es müsse ein Grund bestehen, wenn der Anspruchsteller einzelne Aktenbestandteile nicht freigebe. Für die Vergangenheit existiere indes unabhängig von der mangelnden Fälligkeit wegen vorsätzlicher Verletzung von Mitwirkungsobliegenheiten kein Leistungsanspruch; mit Schreiben vom 06.10.2008 (Kopie GA IV 824 ff.) seien die ursprünglichen Versicherungsbedingungen per 01.01.2009 an die Regelungen der VVG-Novelle angepasst worden. Ob das Gericht eine Klage nur als derzeit unbegründet abgewiesen habe, weil es an der Fälligkeit fehle, könne sich nicht allein aus dem Tenor, sondern auch aus den Entscheidungsgründen ergeben. Im Übrigen mangele es weiterhin an schlüssigem Vorbringen zur beruflichen Tätigkeit des Rechtsmittelführers.

Im Termin der mündlichen Verhandlung am 05.12.2018 (GA IV 808 ff.) ist die Sach- und Rechtslage mit den Erschienen eingehend erörtert worden. Nachdem die Beklagte im Rahmen des ihr gewährten Schriftsatznachlasses ergänzend vorgetragen hatte (GA IV 815 ff.), erklärten sich beide Seiten – auf Anregung des Senats (GA IV 828 f.) – mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren nach § 128 Abs. 2 ZPO einverstanden (GA IV 856, 857, 860 und 861 f.). Der Senat hat durch Verfügung vom 06.02.2019 (GA IV 858) einen gerichtlichen Hinweis betreffend die Anwendbarkeit von Präklusionsvorschriften erteilt und mit Beschluss vom 27.02.2019 (GA IV 863 f.) angeordnet, dass ohne mündliche Verhandlung entschieden werden soll; der Zeitpunkt, der dem Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht, ist auf den 27.03.2019 bestimmt worden. Wegen der weiteren Details des Sach- und Streitstandes sowie der Prozessgeschichte wird ergänzend auf die Anwaltsschriftsätze der Parteien nebst Anlagen, auf sämtliche Terminsprotokolle und auf den übrigen Akteninhalt verwiesen.

II.

A. Die klägerische Berufung ist an sich statthaft und auch im Übrigen zulässig; insbesondere wurde sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet (§§ 517 ff. ZPO). In der Sache selbst hat sie Erfolg, führt zur Abänderung des angefochtenen Judikats und betreffend die geltend gemachten Hauptforderungen zur antragsgemäßen Verurteilung der Beklagten; nur hinsichtlich eines Teiles der Nebenansprüche erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet. Das angegriffene Urteil beruht partiell auf einem Rechtsirrtum und die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen eine andere – dem Berufungsführer günstige(re) – Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO). Die Anspruchsgegnerin schuldet ihm gemäß Abschn. I 1 1.1 lit. a) und b) TB BV10 i.V.m. § 1 AB BUV aus der laut Police Nr. … vom 01. 02.2007 zwischen den Parteien bestehenden (selbstständigen) Berufsunfähigkeitsversicherung ab Februar 2014 volle Beitragsbefreiung und Zahlung einer monatlichen Rente im Umfang von € 1.250,00, wobei sie den jährlichen Überschussanteil nach Abschn. II 3 TB BV10 i.V.m. § 20 AB BUV zur Erhöhung der Berufsunfähigkeitsleistungen (für einen Rentenzuwachs) zu verwenden hat. Dass der Kläger bedingungsgemäß berufsunfähig geworden und damit der Versicherungsfall als solcher eingetreten ist, steht zwischen den Parteien seit Prozessbeginn außer Streit. Die Fälligkeit der Leistungen gemäß § 14 Abs. 1 VVG 2008, der auf den vorliegenden Streitfall Anwendung findet (arg. e c. Art. 1 Abs. 1 und 2 sowie Art. 4 Abs. 3 EGVVG 2008), ist hinsichtlich der jeweiligen Rückstände ab 22.03.2017 eingetreten, als sich die Beklagte (ergänzend) auf ein Leistungsverweigerungsrecht wegen Verletzung von Mitwirkungsobliegenheiten des Anspruchstellers bei der Sachaufklärung berufen hat, und seit 01.01.2018 kann die Klageabweisung auch im Übrigen (also betreffend künftige Forderungen) nicht mehr auf die genannte Vorschrift gestützt werden, da spätestens zu diesem Zeitpunkt sämtliche einseitigen Lösungsrechte des Versicherers wegen eventueller vorvertraglicher Anzeigepflichtverletzungen erloschen sind. Die auf den § 13 Satz 1 i.V.m. § 9 AB BUV gestützte Einrede der Leistungsfreiheit wegen klägerischer Obliegenheitsverstöße nach dem Eintritt der Berufsunfähigkeit bleibt schon deshalb erfolglos, weil sich für die Zeit ab 01. 01.2009 keine gültigen Parteivereinbarungen über die Rechtsfolgen feststellen lassen. Seit dem 22.03. 2017 stehen dem Berufungsführer aus § 291 Satz 1 BGB Prozesszinsen zu; vorgerichtliche Anwaltskosten sind ihm mangels Leistungsverzuges der Berufungsgegnerin jedoch nicht zu erstatten. Im Einzelnen gilt Folgendes:

1. Der Versicherungsfall bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit im Sinne des Abschn. I 2 TB BV 10, für den die Beklagte dem Kläger Leistungen versprochen hat, ist eingetreten. Dies steht, wie Erstere während des Prozessverlaufes wiederholt hervorgehoben hat, nicht in Streit. Ansprüche daraus werden von Letzterem zwar schon für die Zeit ab Februar 2014 geltend gemacht; das Vorbringen der Rechtsmittelgegnerin lässt aber nicht erkennen, dass sie die Berufsunfähigkeit erst ab einem späteren Zeitpunkt unstreitig stellen will. Soweit sie rügt, der klägerische Vortrag zur beruflichen Tätigkeit in gesunden Tagen sei unzulänglich, und ihn im ersten Rechtszug sogar explizit bestritten hat (GA II 236 ff.; III 384 und 477), ändert dies am Ergebnis nichts. Denn entgegen ihrer Auffassung genügen die Darlegungen des Rechtsmittelführers, speziell die im erstinstanzlichen Anwaltsschriftsatz vom 25.01.2016 (GA I 85 ff.), den strengen Anforderungen, die – zu Recht – an das anspruchsbegründende Vorbringen betreffend die konkrete Ausgestaltung des zuletzt von der versicherten Person ausgeübten Berufs zu stellen sind; hierbei bleibt stets zu berücksichtigen, dass damit im Kern (nur) bezweckt wird, den außermedizinischen Sachverhalt zu konstatieren, den das Gericht – im Falle streitiger Berufsunfähigkeit – dem ärztlichen Gutachter unverrückbar vorzugeben hat, weshalb die Anforderungen an die Erfüllung der Darlegungslast seitens der klagenden Partei keineswegs überspannt werden dürfen, um die gerichtliche Rechtsverfolgung nicht unzumutbar zu erschweren und um ein faires Verfahren zu gewährleisten (vgl. hierzu OLG Brandenburg a.d. H., Urt. v. 19.12.2018 – 11 U 52/18, Rdn. 19 ff., m.w.N., juris = BeckRS 2018, 35289). Wird – wie hier – sogar die Berufsunfähigkeit als solche ausdrücklich unstreitig gestellt, die sich – in aller Regel (arg. § 172 Abs. 2 VVG) und so auch im Streitfall (Abschn. I 2 2.1 UAbs. 1 Satz 1 TB BV10) – kumulativ aus drei tatsächlichen Komponenten zusammensetzt, einer beruflichen, einer medizinischen und einer zeitlichen (so BeckOK-VVG/Mangen, 4. Ed., § 172 Rdn. 7; HK-VVG/Mertens, 3. Aufl., § 172 Rdn. 21; ferner Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung, 3. Aufl., Teil A Rdn. 76 und 79, m.w.N.), und die zumindest als eine sogenannte Rechtstatsache entsprechend § 138 Abs. 3 ZPO behandelt werden kann (vgl. dazu Zöller/Greger, ZPO, 32. Aufl., § 138 Rdn. 11a und § 288 Rdn. 1a), so ist das Bestreiten des genauen Berufsbildes als der Basiskomponente jedenfalls dann unerheblich, wenn ein Begriffsirrtum – wie in der vorliegenden Konstellation – definitiv ausgeschlossen werden kann, da die Partei, die die Berufsunfähigkeit explizit außer Streit stellt, der in Anspruch genommene Versicherer ist und beide Seiten von Fachanwälten für Versicherungsrecht vertreten werden. Unstreitiges bedarf in einem Zivilprozess keines Beweises. Wie die Ausführungen der Beklagten in ihrem Anwaltsschriftsatz vom 10.02.2017 (GA II 278, 280 ff.) zeigen, möchte sie in diesem Zusammenhang (lediglich) erreichen, dass durch die Aufklärung der beruflichen Details die Grundlagen für ein eventuelles Nachprüfungsverfahren gemäß § 12 AB BUV geschaffen werden. Der vorliegende Rechtsstreit, in dem es um die Erstfeststellung geht, hat jedoch keineswegs die Aufgabe, quasi auf Vorrat Tatsachen zu klären, die sich erst in einem späteren Zivilprozess als beweisbedürftig darstellen könnten. Zudem ist die Tätigkeitsbeschreibung im klägerischen Anwaltsschriftsatz vom 25.01.2016 (GA I 85 ff.) hinreichend detailliert, um eine künftige Nachprüfung zu ermöglichen. Unabhängig davon leidet der Rechtsmittelführer – völlig unstreitig – an schwersten neurologischen Erkrankungen, die zu ganz erheblichen körperlichen Ausfallerscheinungen geführt haben, durch die er auf die Nutzung eines Rollstuhles angewiesen ist und die offenkundig nicht nur seinen Einsatz unmittelbar in der Leitungsmontage ausschließen, in der er früher einmal gearbeitet hat (GA II 241 ff.), sondern auch eine – mit Außendienst verbundene – Tätigkeit als Projektleiter im Hochspannungs- und Freileitungsbau, unabhängig davon, wie sie letztlich in allen Einzelheiten ausgestaltet gewesen ist (vgl. hierzu OLG Düsseldorf, Urt. v. 10.06.2003 – 4 U 200/02, Rdn. 12, juris = BeckRS 2003, 30320370; ferner Lücke in Prölss/ Martin, VVG, 30. Aufl., § 172 Rdn. 56; Neuhaus, BUV, 3. Aufl., Teil F Rdn. 299).

2. Auf mangelnde Fälligkeit der hier geltend gemachten Ansprüche kann die Abweisung der Klage nicht rechtsfehlerfrei gestützt werden.

a) Existieren – wie im Streitfall – keine spezielleren Regelungen, so tritt die Fälligkeit von Geldleistungen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung gemäß § 14 Abs. 1 VVG mit Beendigung der zur Feststellung des Versicherungsfalles und des Umfangs der Leistung des Versicherers notwendigen Erhebungen ein. Die zuvor umstritten gewesene Frage, ob dazu auch solche Nachforschungen gehören, die klären sollen, ob der jeweilige Versicherungsnehmer bei Vertragsschluss seine vorvertraglichen Anzeigeobliegenheiten im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 1 VVG ordnungsgemäß erfüllt hat, ist nach der Entscheidung des BGH, Urt. v. 22.02.2017 – IV ZR 289/14, LS 1 und Rdn. 15 ff. (juris = BeckRS 2017, 103376), die während der Dauer des vorliegenden Rechtsstreits erster Instanz erging, zu bejahen; ebenso erstreckt sich darauf – unabhängig von einer konkreten Verdachtslage – die sogenannte Auskunfts- und Belegobliegenheit des Versicherungsnehmers gemäß § 31 Abs. 1 VVG, wobei zum Ausgleich zwischen den – widerstreitenden – berechtigten Interessen und grundrechtlich geschützten Positionen beider Seiten eine gestufte, mit einem Dialog vergleichbare Datenerhebung erforderlich werden kann (vgl. BVerfG, Beschl. v. 17.07.2013 – 1 BvR 3167/08, Rdn. 20 ff., juris = BeckRS 2013, 54218; BGH aaO LS 2a und 2b sowie Rdn. 37 ff). Fällig wird eine in Geld geschuldete Versicherungsleistung allerdings – trotz eventuell noch ausstehender Mitwirkungshandlungen seitens des Versicherungsnehmers – ferner dann, wenn der Versicherer seine Feststellungen betreffend den Versicherungsfall zumindest konkludent für beendet erklärt, indem er seine Eintrittspflicht endgültig ablehnt (so insb. BGH, Urt. v. 22.03. 2000 – IV ZR 233/99, LS und Rdn. 12, juris = BeckRS 2000, 3979; Rixecker in Langheid/Rixecker, VVG, 6. Aufl., § 14 Rdn. 13, m.w.N.), oder wenn er seine Erhebungen unnötig hinausgezögert; in der zuletzt genannten Konstellation ist der Zeitpunkt für die Fälligkeit maßgeblich, in dem die Erhebungen bei sachgerechter und zügiger Bearbeitung hätten abgeschlossen werden können (so Rixecker aaO Rdn. 12, m.w.N.).

b) Eine endgültige Leistungsablehnung immer dann anzunehmen, wenn der Versicherer in einem Zivilprozess wie hier die Abweisung der Klage beantragt, wovon offenbar der Berufungsführer ausgeht, überzeugt nicht. Speziell findet diese Rechtsmeinung keine Stütze in der Entscheidung des OLG Köln, Urt. v. 27.06.2000 – 9 U 170/99, Rdn. 15 (juris = BeckRS 2000, 8313), auf die der Anspruchsteller in diesem Zusammenhang verweist. Denn dort hatte der Versicherer mit seiner Klageerwiderung seine Einstandspflicht verneint und Leistungen endgültig abgelehnt, wobei er sich nur in erster Linie weiterhin auf mangelnde Fälligkeit berief (vgl. aaO). Im Streitfall betonte die Beklagte indes schon in der Klageerwiderung vom 07.04.2016 (GA I 128 ff.) gleich mehrfach, dass ihre Erhebungen noch nicht abgeschlossen seien und sie den Eintritt der Berufsunfähigkeit ihres Prozessgegners an sich nicht in Abrede stelle. Soweit sie mit anwaltlichem Schriftsatz vom 10.06.2016 (GA II 236 ff.) „die berufliche Tätigkeit des Klägers“ bestritten hat, wozu von Letzterem zwischenzeitlich weiter detailliert vorgetragen worden war, lag dieses Verteidigungsmittel – wie schon oben ausgeführt – unter den hier gegebenen Umständen im Rahmen eines Rechtsstreits betreffend die Erstfeststellung offensichtlich neben der Sache und sollte, wie ihre späteren Ausführungen unzweifelhaft bestätigen (GA II 278, 280 ff.; III 380, 383; 462, 463 f. und 476), nichts an der Unstreitigkeit der Berufsunfähigkeit als solcher und des Eintritts des Versicherungsfalls an sich ändern. Eine klare Leistungsverweigerung, die – zwar ab sofort (ex nunc), aber weder rückwirkend noch hinsichtlich der erst für die Zukunft begehrten Zahlungen – fälligkeitsbegründend wirkte, ist allerdings darin zu sehen, dass durch die Anspruchsgegnerin in ihrem am 22.03.2017 beim Landgericht (vorab per Telekopie) eingegangenen Anwaltsschriftsatz (GA II 301, 302 ff.) für die Dauer der Verletzung der Mitwirkungsobliegenheit seitens des Anspruchstellers unter Berufung auf § 13 Satz 1 i.V.m. § 9 AB BUV Leistungsfreiheit für sich in Anspruch genommen wurde.

c) Hinsichtlich der künftigen Forderungen trägt § 14 Abs. 1 VVG eine Klageabweisung seit 01.01. 2018 nicht mehr. Denn mit dem Ablauf des Vortages sind sämtliche einseitigen Lösungsrechte der Beklagten wegen einer eventuellen Verletzung von vorvertraglichen Anzeigeobliegenheiten durch den Kläger erloschen. Die Anfechtungsausschlussfrist des § 124 Abs. 3 BGB, die von den Bestimmungen in § 21 Abs. 3 VVG unberührt bleibt (vgl. dazu BGH, Urt. v. 25.11.2015 – IV ZR 277/14, LS 1 und Rdn. 14 ff., juris = BeckRS 2015, 20118), hatte bereits mit dem 01.02.2017 – zehn Jahre nach der Ausstellung des Versicherungsscheines – ihr Ende gefunden. Wie die Fristenregelungen des § 21 Abs. 3 VVG betreffend die Rechte des Versicherers gemäß § 19 Abs. 2 bis 4 VVG auf sogenannte Altverträge im Sinne des Art. 1 Abs. 1 EGVVG 2008 wie den vorliegenden anzuwenden sind, ist – soweit ersichtlich – bislang allein im Schrifttum diskutiert worden und dort noch ungeklärt. Der Senat schließt sich diesbezüglich der überzeugenden Auffassung von Spuhl (in BeckOK-VVG, 4. Edition, § 21 Rdn. 63 f.) an, die Art. 3 Abs. 4 EGVVG 2008 für einschlägig hält und – in Übereinstimmung mit den intertemporalen Bestimmungen anlässlich der Einführung der zehnjährigen Anfechtungshöchstfrist bei arglistiger Täuschung durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts sowie unter Vermeidung einer weitreichenden Rückwirkung der neuen Ausschlussfristen – die Fristberechnung erst mit dem 01.01.2008 beginnt, dem Tage, an dem das Versicherungsvertragsreformgesetz in Kraft getreten ist. Bei der Zehn-Jahres-Frist gemäß § 21 Abs. 3 Satz 2 VVG handelt es sich nach in der Literatur zwar durchaus umstrittener, aber doch wohl überwiegender Meinung, die nicht zuletzt unter Berücksichtigung des § 124 Abs. 3 BGB überzeugt, um eine absolute Höchstfrist für sämtliche Konstellationen, auf die § 21 Abs. 3 Satz 1 2. Halbs. VVG nicht anwendbar ist (so HK-VVG/Schimikowski, 3. Aufl., § 21 Rdn. 23; Spuhl aaO Rdn. 58, m.w.N.). Allerdings wäre im Streitfall unabhängig davon inzwischen die Fälligkeit nach dem Verständnis des § 14 Abs. 1 VVG eingetreten, weil die Beklagte zur Überzeugung des Senates spätestens seit dem 18.09.2018 (GA IV 778) über einen kompletten Ausdruck der digitalen Schwerbehindertenakte des Brandenburgischen Landesamtes für Soziales und Versorgung (Kopie Anl. K40/GA IV 665 ff.) verfügte, damit alle restlichen Erhebungen durchführen konnte und in der Frist des § 21 Abs. 1 VVG von den im Gesetz vorgesehenen Gestaltungsrechten keinen Gebrauch gemacht hat.

d) Frühere Fälligkeitszeitpunkte als der 22.03.2017 beziehungsweise 01.01.2018 lassen sich nicht feststellen. Denn zu den notwendigen Erhebungen im Sinne des des § 14 Abs. 1 VVG zählen alle Maßnahmen, die ein durchschnittlich sorgfältiger Versicherer der betreffenden Branche anstellen muss, um Bestehen und Umfang seiner Leistungspflicht abschließend zu ermitteln, wobei allerdings weder dessen subjektive Sichtweise noch das objektive Vorhandensein von weiterem Klärungsbedarf maßgebend ist, sondern sich allein die Frage stellt, ob – vom seinerzeitigen Standpunkt aus (ex ante) betrachtet – die Annahme eines solchen durch verständige Vertragspartner vertretbar erscheinen durfte (so Rixecker in Langheid/Rixecker, VVG, 6. Aufl., § 14 Rdn. 7, m.w.N.; vgl. insb. BGH, Urt. v. 01.02.1974 – IV ZR 2/72, BeckRS 2008, 19325 = VersR 1974, 639; OLG Hamm, Urt. v. 08.06.1977 – 20 U 67/76, VersR 1977, 954). Im Anschluss an seine Recherchen steht dem Versicherer außerdem eine Überlegungs- und Entscheidungsfrist zu, deren Länge im Detail zwar umstritten ist, überwiegend aber wohl mit in etwa zwei bis vier Wochen angenommen wird, und die im jeweiligen Einzelfall durch die Komplexität des zu prüfenden Sachverhalts sowie durch den Umfang der Leistungspflicht und der dabei zu verarbeitenden Informationen bestimmt wird (so insb. Rixecker aaO; vgl. ferner dazu BGH aaO; Armbrüster in Prölss/Martin, VVG, 30. Aufl., § 14 Rdn. 9, m.w.N.). Hier war es – ausgehend von diesen Grundsätzen – durchaus vertretbar, dass die Beklagte von den zuletzt in ihrem außergerichtlichen Schreiben vom 01.11.2017 (Kopie Anl. K34/GA III 434) näher bezeichneten Unterlagen jedenfalls noch die kompletten Schwerbehindertenakten des Brandenburgischen Landesamtes für Soziales und Versorgung einsehen wollte, deren vollständige Vorlage der Kläger unter Hinweis auf sein informationelle Selbstbestimmungsrecht und offenbar in der (unzutreffenden) Annahme, seine Mitwirkungsobliegenheiten bezögen sich nicht auf die Feststellung von eventuellen vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzungen, über lange Zeit blockiert hatte. Es gab unterschiedliche Informationen zum Beginn seiner gesundheitlichen Probleme, die sogar bis in seine Jugend zurückreichen sollten, der Anspruchsteller hatte im Jahre 2011 seine Umstufung in eine prämiengünstigere Berufsgruppe durch zumindest objektiv unrichtige Angaben erwirkt und am 10.10. 2013 war über sein Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet worden (GA I 128 ff.). Dass der Versicherer im Rahmen der Leistungsprüfung gezielt nach Gründen für seine einseitige Lösung vom Vertrag forschen darf, ist – wie bereits weiter oben ausgeführt – während des Rechtsstreits erster Instanz explizit höchstrichterlich geklärt worden.

3. Die Beklagte kann sich gegenüber den klägerischen Forderungen für die in der Vergangenheit liegenden Zeitabschnitte nicht mit Erfolg auf Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzungen berufen. Denn die Entscheidung des OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 20.01.2017 – 3 U 129/14 (Kopie GA II 314 ff.), auf die sie sich dabei stützt, hilft ihr im Streitfall nicht weiter. Es mag dahinstehen, ob der hiesige Anspruchsteller gegen Mitwirkungsobliegenheiten im Sinne des § 9 AB BUV verstoßen hat. Die entsprechende Einrede muss – wie er im Berufungsrechtszug mit seinem anwaltlichen Schriftsatz vom 17.04. 2018 (GA III 481, 483 f.) zutreffend ausführen lässt – bereits deshalb erfolglos bleiben, weil es insoweit keine wirksame Rechtsfolgenvereinbarung der Prozessparteien gibt. Auf das in Rede stehende Versicherungsverhältnis, das vor dem Inkrafttreten des Versicherungsvertragsreformgesetzes begründet wurde, ist seit dem 01.01.2009 die novellierte VVG-Fassung von 2008 anzuwenden (arg. e c. Art. 1 EGVVG). Auch danach kann Leistungsfreiheit wegen der Verletzung vertraglicher Obliegenheiten nur dann eintreten, wenn dies von den Partnern rechtsgeschäftlich vereinbart wurde (§ 28 Abs. 2 VVG). Allerdings darf gemäß § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG für grob fahrlässige Obliegenheitsverstöße lediglich noch eine Leistungskürzung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis vorgesehen werden und setzt eine vollständige oder teilweise Leistungsbefreiung bei der Verletzung einer nach Eintritt des Versicherungsfalls bestehenden Auskunfts- oder Aufklärungsobliegenheit voraus, dass der Versicherungsnehmer durch gesonderte Mitteilung in Textform auf diese Rechtsfolge hingewiesen wurde (§ 28 Abs. 4 VVG). Dem wird die entsprechende Klausel in § 13 AB BUV, die vom Januar 2007 stammen, nicht gerecht, was zu ihrer Unwirksamkeit führt (vgl. dazu insb. BGH, Urt. v. 12.10.2011 – IV ZR 199/10, LS 1 und Rdn. 18 ff., juris = BeckRS 2011, 25821; Urt. v. 02.04. 2014 – IV ZR 124/13, Rdn. 21 f., juris = BeckRS 2014, 09021; OLG Brandenburg a.d.H., Urt. v. 09.10. 2012 – 11 U 172/11, Rdn. 20, juris = BeckRS 2012, 21919; ferner BeckOK-VVG/Marlow, 4. Ed., § 28 Rdn. 112 ff., m.w.N.). Dass die Anspruchsgegnerin erfolgreich von der Möglichkeit des Art. 1 Abs. 3 EGVVG 2008 Gebrauch gemacht hat, die Versicherungsbedingungen zum 01.01.2009 einseitig an die geänderte Rechtslage anzupassen, lässt sich nicht feststellen. Denn der Zugang des Schreibens vom 06. 10.2008 mit der „Übersicht zu den wichtigsten Änderungen/Ergänzungen Ihrer Versicherungsbedingungen“ (Kopie GA IV 824 ff.) beim Kläger ist streitig und beweislos geblieben. Deshalb hilft der Beklagten auch die in § 24 AB BUV vorgesehene Änderungsbefugnis nicht weiter, die im Übrigen die Zustimmung eines unabhängigen Treuhänders voraussetzt, und bedarf es keiner Klärung, ob dem Berufungsführer im Rahmen des Art. 1 Abs. 3 EGVVG 2008 eine konsolidierte Fassung der Allgemeinen Versicherungsbedingungen hätte zur Verfügung gestellt werden müssen. Eine Verletzung der in § 31 Abs. 1 VVG geregelten Auskunfts- und Belegobliegenheit wird durch das Gesetz selbst nicht sanktioniert (vgl. hierzu Armbrüster in Prölss/Martin, VVG, 30. Aufl., § 31 Rdn. 47 und § 30 Rdn. 10; MünchKommStVR/Stadler, VVG § 31 Rdn. 21; MünchKommVVG/Wandt, 2. Aufl., § 31 Rdn. 114). Der Versicherungsnehmer muss insoweit allenfalls in Kauf nehmen, dass die zur Feststellung des Versicherungsfalles und des Umfanges der Leistung notwendigen Erhebungen im Sinne des § 14 Abs. 1 VVG erst später abgeschlossen werden können beziehungsweise sich die Leistungsvoraussetzungen entweder gar nicht oder lediglich eingeschränkt konstatieren lassen.

B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Danach hat der Senat der Beklagten die gesamten Prozesskosten beider Instanzen auferlegt, weil die Zuvielforderung des Klägers lediglich einen Teil der Nebenforderungen betrifft und kostenneutral geblieben ist. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Kostentrennung nach § 97 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

C. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Berufungsurteiles ergibt sich aus § 708 Nr. 10 ZPO sowie aus § 711 Satz 1 und 2 i.V.m. § 709 Satz 2 ZPO. Art und Umfang der Sicherheitsleistung hat der Senat gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 ZPO unter Berücksichtigung der in § 108 Abs. 1 Satz 2 ZPO und in § 239 Abs. 2 BGB enthaltenen Rechtsgedanken bestimmt. Zu Sicherungszwecken gegebene Zahlungsversprechen von Kreditversicherern sind – insbesondere nach Auffassung des Gesetzgebers selbst (vgl. etwa Bericht des Rechtsausschusses zum BRegEntw für ein Bauhandwerkersicherungsgesetz, BT-Drucks. 12/4526, S. 9, 11) – denen der Kreditinstitute gleichwertig (arg. § 648a Abs. 2 Satz 1 BGB a.F. = § 650f Abs. 2 Satz 1 BGB n.F.; § 31 Abs. 3 Nr. 1 EEG 2017; § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 ElektroG; § 14 Abs. 1 Satz 3 WBVG; § 17 Abs. 2 VOB/B).

D. Die Revision wird vom Senat – in Ermangelung der gesetzlichen Voraussetzungen nach § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO i.V.m. § 133 GVG – nicht zugelassen. Denn die vorliegende Rechtssache hat weder grundsätzliche – über den Streitfall hinausgehende – Bedeutung (für eine unbestimmte Vielzahl zu erwartender Streitigkeiten, in denen sich die gleichen Fragen als klärungsbedürftig erweisen) noch erfordert die Fortbildung des Rechtes oder die Sicherung einer einheitlichen Judikatur eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes als Revisionsgericht. Das Berufungsurteil des erkennenden Senats beruht im Kern auf der Rechtsanwendung im konkreten Einzelfall und auf der Würdigung von dessen tatsächlichen Umständen. Einer erfolgreichen Geltendmachung künftiger Forderungen durch den Kläger stünde § 14 Abs. 1 VVG hier – wie oben ausgeführt – selbst dann nicht entgegen, wenn man § 21 Abs. 3 Satz 1 2. Halbs. VVG auch auf die zehnjährige Frist des § 21 Abs. 3 Satz 2 VVG anwenden würde. Die Rechtsauffassung, wonach diese bei Altverträgen erst mit dem Inkrafttreten der VVG-Novelle am 01.01.2008 zu laufen beginnt, ist für die Beklagte günstig und beschwert sie nicht. Divergenzen zu der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes oder zu Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte, die höchstrichterlich bisher noch ungeklärte Fragen mit Relevanz für den Ausgang des hiesigen Streitfalls betreffen, sind nicht ersichtlich. Die durch Greger (in Zöller, ZPO, 32. Aufl., § 138 Rdn. 11a) zur Behandlung von sogenannten Rechtstatsachen im Rahmen des § 138 Abs. 3 ZPO zitierte Entscheidung des BGH, Urt. v. 11.02. 2008 – II ZR 187/06, Rdn. 15 f. (juris = BeckRS 2008, 04403), betrifft eine Konstellation, in der sich – anders als hier – aus zusätzlich vorgetragenen Umständen ergab, dass die dortigen Parteien zwar übereinstimmend einen Rechtsbegriff gebraucht haben, dem aber eine unzutreffende rechtliche Würdigung ihrerseits zugrunde lag.

E. Der Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu € 95.000,00 festgesetzt. Die Wertbestimmung basiert auf § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG, § 3 und § 9 Satz 1 ZPO, jeweils i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, sowie auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und § 39 Abs. 1 GKG. Als maßgeblich erweist sich das – in den Rechtsmittelanträgen vom 05.12.2017 (GA III 419 f.) zum Ausdruck gebrachte – wirtschaftliche Interesse des Berufungsklägers an seiner (weiteren) Rechtsverfolgung in zweiter Instanz (vgl. hierzu BeckOK-KostR/Schindler, 25. Ed., GKG § 47 Rdn. 1; BDZ/Dörndorfer, GKG/FamGKG/JVEG, 4. Aufl., GKG § 47 Rdn. 2 f.). Wegen der Details wird auf die nachfolgende Tabelle Bezug genommen. Bei den vorgerichtlichen Anwaltskosten des Anspruchstellers handelt es sich um eine Nebenforderung, die nach § 43 Abs. 1 GKG stets streitwertneutral bleibt (vgl. insb. BGH, Beschl. v. 25.09.2007 – VI ZB 22/07, Rdn. 4 ff., juris = BeckRS 2007, 17108; ferner BDZ/Dörndorfer aaO, § 43 Rdn. 2; NK-GK/Schneider, 2. Aufl., GKG § 43 Rdn. 16; Zöller/Herget, ZPO, 32. Aufl., § 4 Rdn. 13, m.w.N.).

lfd. Nr. Antrag Wert in € Anmerkungen und Fundstellen Art Inhalt

1.1

Zahlung rückständige BUV-Rente

28.750,00 23 m. (02/2014 bis 12/2015) x € 1.250,00 (GA I 19)

1.2

Zahlung überzahlte BUV-Prämie

1.382,76 23 m. (02/2014 bis 12/2015) x € 60,12 (GA I 19)

Zusammen 30.132,76 GA I 2, 19, III 419

2.1

Zahlung künftige BUV-Rente

52.500,00 3,5 x 12 m x € 1.250,00 (GA I 20) (§ 9 ZPO)

2.2

Freistellung künftige BUV-Prämie

2.525,04 3,5 x 12 m. x € 60,12 (GA I 20) (§ 9 ZPO)

Zusammen 55.025,04 GA I 2, 19 f., III 419

3.

Feststellung Überschussanteile

1.680,00 3,5 x 12 m. x € 50,00 – 20 % (GA I 20) (§ 9 ZPO)

4.

Zahlung

Vorgerichtliche RA-Kosten

0,00

Streitwertneutrale Nebenforderung (§ 43 Abs. 1 GKG)

Insgesamt 86.837,80 GA I 1 (20 % Feststellungsabschlag bei Nr. 3)

80.000,01 Beginn der Streitwertstufe

95.000,00 Ende der Streitwertstufe

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