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Elementarschadenversicherung –  Voraussetzungen einer Überschwemmung

LG Münster – Az.: 115 O 212/15 – Urteil vom 22.08.2017

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Die Klägerin macht Ansprüche gegen die Beklagte aus einer Elementarschadensversicherung geltend.

Die Klägerin ist Eigentümerin eines Hauses … Außerhalb des Hauses ist eine Drainageleitung verlegt, die unmittelbar in die Kanalisation entwässert und nicht mit dem Haussystem verbunden ist. Für das Haus schloss sie bei der Beklagten eine Wohngebäudeversicherung in dem Tarif „Wohngebäude-Komfort“ ab, die entsprechend eines Erweiterungsantrags vom 19.05.2010 (Anl. K1, Bl. 5 d. A.) auch Elementarschäden inklusive Überschwemmung abdeckte. Dabei wurde für Elementarschäden ein Selbstbehalt von EUR 3.000,- vereinbart.

Gem. § 2 a) der besonderen Bedingungen für die Elementarschadenversicherung (BEW VGB 2008, Anlage K2) leistet der Versicherer

„Entschädigung für versicherte Sachen, die durch Überschwemmung, Rückstau nur soweit besonders vereinbart. (…) zerstört oder beschädigt werden oder abhandenkommen“.

Eine besondere Vereinbarung in Bezug auf Rückstauschäden wurde in den Antrag auf Verbundene Wohngebäudeversicherung vom 19.05.2010 nicht aufgenommen.

Nach § 3 a) der BEW VGB 2008 ist Überschwemmung

„die Überflutung des Grund und Bodens des Versicherungsgrundstückes mit erheblichen Mengen von Oberflächenwasser durch

(aa) Ausuferung von oderirdischen (stehenden oder fließenden) Gewässern

(bb) Witterungsniederschläge (Regen, Schnee, Schneeschmelze, Eiskörner, Graupel oder Hagel)

(cc) bzw. den Austritt von Grundwasser an die Erdoberfläche infolge von aa) oder bb)“.

Ein Rückstau liegt gem. § 3 b) BEW VGB vor,

„wenn Wasser durch Ausuferung von oderirdischen (stehenden oder fließenden) Gewässern oder durch Witterungsniederschläge bestimmungswidrig aus den gebäudeeigenen Ableitungsrohren oder damit verbundenen Einrichtungen in das Gebäude eindringt“.

Bezüglich der übrigen Versicherungsbedingungen wird auf die Anlage K2 (Bl. 9 d. A.) verwiesen.

Nicht von der durch die Klägerin abgeschlossenen Wohngebäude-Komfort-Versicherung umfasst sind dagegen ausweislich der Versicherungsbedingungen (BB VGB 2008) Folgeschäden durch Verstopfung und Wurzeleinwachsungen in außerhalb des Gebäudes verlegten Ableitungsrohren. Solche Schäden sind nur von der Wohngebäude-Plus-Versicherung umfasst, welche die Klägerin nicht abgeschlossen hat (Anlage BLD 1, Bl. 61 d. A.).

Am 03.04.2015 stellte der Sohn der Klägerin fest, dass die Wände im Keller ihres Hauses durchfeuchtet und auf dem Boden Wasserränder zu sehen waren. Nachdem der Wasserschaden dem Versicherungsagenten der Beklagten, Herrn …, am 07.04.2015 mitgeteilt worden war, suchte Herr … das Objekt der Klägerin am 08.04.2015 auf und wies auf die bei der Beklagten bestehende Elementarschadenversicherung hin. Herr … teilte der Klägerin vor Ort mit, dass ein Rohrspezialist hinzugezogen werden solle. Daraufhin beauftragte die Klägerin die Firma … mit der Schadensfeststellung und -beseitigung.

Elementarschadenversicherung -  Voraussetzungen einer Überschwemmung
(Symbolfoto: Von SpeedKingz/Shutterstock.com)

Mit Schadensanzeigen vom 17.04.2015, Bl. 31 ff. d. A. zeigte die Klägerin der Beklagten zwei Schäden an, zum Einen einen Leitungswasserschaden im Hinblick auf einen Badewannenanschluss im Erdgeschoss, zum Anderen einen Feuchtigkeitsschaden im Keller. Hinsichtlich des Schadenshergangs zu letzterem Schaden schrieb die Klägerin unter Ziffer 6., Bl. 32 d. A., dass die Fa. … einen hohen Grundwasserspiegel festgestellt habe. Den Leitungswasserschaden regulierte die Beklagte. Hinsichtlich der Feuchtigkeit im Keller beauftragte die Beklagte den Sachverständigen mit der Begutachtung des Schadens. Dieser erstattete am 22.07.205 sein Gutachten. Dort gelangte er zu dem Ergebnis, dass kein versicherter Schaden vorliege, vgl. Anlage BLD 3, Bl. 34 ff. d. A. Das Gutachten wurde der Klägerin am 27.07.2015 übersandt.

Der Klägerin sind von der Firma … für Trocknungsarbeiten Kosten in Höhe von EUR 2.510,76 brutto in Rechnung gestellt worden. Zudem hat die Firma … für eine Renovierung des Kellers einen Betrag von EUR 6.991,79 netto veranschlagt. Die Renovierungsarbeiten sind bislang noch nicht durchgeführt worden. Der Stromverbrauch für die eingesetzten Trocknungsgeräte belief sich auf 2.768 kWh, was bei Zugrundelegung eines Arbeitspreises in Höhe von 21,71 ct/kWh zusätzlichen Stromkosten von EUR 715,11 brutto entspricht. Des Weiteren sind der Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von EUR 490,99 entstanden.

Die Klägerin behauptet, es habe sich infolge von starken Witterungsniederschlägen ab Mitte Januar 2015 regelmäßig Wasser auf dem Rasen gesammelt. Dies gelte insbesondere für den 01.04.2015 und die letzten Wochen vor dem 01.04.2015. Anfang April sei eine nicht mit einer Hausleitung verbundene Drainageleitung verstopft gewesen. Dadurch habe das anstauende Schichtenwasser nicht mehr abgeführt werden können und sei so an die Kellerwände herangelangt und habe diese durchfeuchtet. Sie habe die Trocknungsarbeiten von der Firma H. bereits durchführen lassen und die Rechnung beglichen.

Sie vertritt die Auffassung, der Versicherungsfall der Überschwemmung und derjenige des Rückstaus lägen bedingungsgemäß vor. Zudem habe die Beklagte durch ihren Versicherungsagenten … die Leistungspflicht dem Grunde nach anerkannt. Sie behauptet hierzu, der Versicherungsagent der Beklagten, Herr W., habe ihr telefonisch und auch nach Eingang des Gutachtens mitgeteilt, die Schäden würden vollumfänglich übernommen. Er habe sein Unverständnis darüber zum Ausdruck gebracht, dass der Gutachter der Beklagten zu einem anderen Ergebnis gekommen ist und der Klägerin gegenüber geäußert, sie könne froh sein, dass sie die Elementarschadensversicherung bei der Klägerin abgeschlossen habe.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 10.217,66 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen sowie die Beklagte zu verurteilen, vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 490,99 € zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, Herr … s habe allein bzgl. des zur gleichen Zeit gemeldeten Leitungswasserschadens in Aussicht gestellt, dass die Versicherung den Schaden übernehmen werde. Sie ist der Ansicht, es läge kein Versicherungsfall vor.

Die begehrten Versicherungsleistungen stünden der Klägerin auch der Höhe nach nicht zu. Zudem seien die Arbeiten, die den erhöhten Stromverbrauch verursacht haben, nicht zur Beseitigung des Schadens notwendig gewesen.

Die Klage ist am 27.10.2016 zugestellt worden.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Aus den Versicherungsbedingungen folgt keine Einstandspflicht der Beklagten.

1.

Der Versicherungsfall „Überschwemmung“ gemäß § 3 a BEW VGB 2008 liegt nicht vor. Die Überlastung des Drainagesystems infolge Starkregens stellt keinen bedingungsgemäßen Überschwemmungsschaden dar (OLG Bamberg, Urt. v. 30.04.2015 ‒ 1 U 87/14). Überschwemmung ist laut der Versicherungsbedingungen die Überflutung des Grund und Bodens des Versicherungsgrundstücks mit erheblichen Mengen von Oberflächenwasser. Es müssen sich erhebliche Wassermengen auf der Oberfläche des Geländes, auf welchem das versicherte Gebäude liegt, ansammeln (BGH NJW-RR 2005, 1052; OLG Köln NJW-RR 2013, 1120). Kennzeichnend ist nach der Rechtsprechung ein Hinaustreten des Wassers über die Erdoberfläche, sodass das Wasser nicht mehr „erdgebunden“ ist (OLG Karlsruhe, Urt. v. 05.07.2001 ‒ 19 U 19/01 ‒ juris; OLG Bamberg, Urt. v. 30.04.2015 ‒ 1 U 87/14, BeckRS 2015, 113383 jew. m. w. N.). Eine Anreicherung des Erdbodens mit Niederschlags- und Grundwasser bis zur Sättigungsgrenze genügt demgegenüber nicht (LG Kiel, Beschl. v. 24.04.2008 ‒ 10 S 40/07, juris; OLG Hamm, Beschl. v. 03.08.2005 ‒ 20 U 103/05, juris; OLG Bamberg, Urt. v. 30.04.2015 ‒ 1 U 87/14, BeckRS 2015, 113383).

An diesen Voraussetzungen fehlt es bereits unter Zugrundelegung des Klägervortrags, sodass die Klage unschlüssig ist. Ursache für den Wassereintritt im Keller sei die Verstopfung einer Drainageleitung gewesen, die kein Wasser mehr aufnehmen konnte, was dazu geführt hat, dass auch das rund um das Haus bestehende Erdreich gesättigt war und kein weiteres Wasser mehr aufnehmen konnte. Dies sei die Ursache dafür gewesen, dass das Wasser an die Kellerwände gelangt sei und diese durchfeuchtet habe. Die Überlastung des Drainagesystems und die damit bedingte Anreicherung des Erdreichs mit Schichtenwasser, das dann durch die Wände in den Keller eindringt, stellt aber gerade keine Überflutung von Grund und Boden über die Sättigungsgrenze hinaus dar (OLG Bamberg, Urt. v. 30.04.2015 ‒ 1 U 87/14).

Eine solche Auslegung des Begriffes „Überschwemmung“ ist auch interessengerecht. Bei der Elementarschadenversicherung geht es um Risiken aufgrund von Naturereignissen, die nahezu unkalkulierbar sind. Die Art der Abdichtung des versicherten Gebäudes, insbesondere auch die Leistungsfähigkeit eines Drainagesystems, ist demgegenüber ein Umstand, auf den der Versicherungsnehmer im Allgemeinen effektiv Einfluss nehmen kann (OLG Bamberg, Urt. v. 30.04.2015 ‒ 1 U 87/14, BeckRS 2015, 113383).

2.

Eine Einstandspflicht ergibt sich auch nicht aus § 3 b) BEW VGB 2008. Die Klägerin konnte bereits nicht darlegen und beweisen, dass eine Einstandspflicht der Beklagten für den Versicherungsfall „Rückstau“ vereinbart wurde. Gem. § 2 a) BEW VGB 2008 leistet der Versicherer nur dann Entschädigung für einen Rückstau, wenn dies zwischen den Parteien besonders vereinbart wurde. In dem Antrag auf eine verbundene Wohngebäudeversicherung, den die Klägerin vorgelegt hat, ist eine solche Vereinbarung jedenfalls nicht enthalten. Auch einen anderweitigen Nachweis für eine solche Zusatzvereinbarung hat die Klägerin nicht erbracht.

Überdies fehlt es auch an den Voraussetzungen eines Rückstaus. Ein Rückstau liegt gem. § 3 b) BEW VGB 2008 vor, wenn Wasser durch Ausuferung von oderirdischen (stehenden oder fließenden) Gewässern oder durch Witterungsniederschläge bestimmungswidrig aus den gebäudeeigenen Ableitungsrohren oder damit verbundenen Einrichtungen in das Gebäude eindringt. Vorliegend ist kein Wasser aus gebäudeeigenen Ableitungsrohren oder damit verbundenen Einrichtungen ausgetreten. Die Drainageleitungen, aus denen das Wasser hier ausgetreten sein soll, sind keine gebäudeeigenen Ableitungsrohre und auch sonst nicht mit diesen verbunden. Vielmehr handelt es sich nach der klägerischen Schilderung bei den von ihr geltend gemachten Schadenspositionen um Folgeschäden durch Verstopfungen in der Drainageleitung als außerhalb des Gebäudes verlegtem Ableitungsrohr. Dieser Versicherungsfall wird gemäß der „Verbraucherinformation zur DEVK Verbundene Wohngebäudeversicherung“ (Anlage BLD 1, Bl. 54 d. A.) jedoch allein von der Wohngebäude-Plus-Versicherung, nicht aber der von der Klägerin abgeschlossenen Wohngebäude-Komfort-Versicherung abgedeckt.

3.

Die Klägerin kann sich auch nicht auf eine vermeintliche Regulierungszusage des Versicherungsagenten … stützen. Eine solche ist nicht schlüssig dargelegt. Grundsätzlich kann zwar die Regulierungszusage eines Agenten auch Anerkenntnis sein (vgl. BGH, NJW-RR 2009, 382). Dazu reicht allerdings die Darlegung, die Regulierung würde in Aussicht gestellt, nicht aus, da damit noch keine Zusage der Regulierung getroffen gewesen wäre. Im Übrigen ist der Vortrag der Klägerin, dass Herr …. zunächst den Schaden besichtigen wollte, gleichzeitig aber schon telefonisch die Zusage einer Regulierung erteilt haben soll, widersprüchlich und damit unbeachtlich. Im Übrigen fehlt es an schlüssigem Vortrag dazu, dass Herr … zur Abgabe eines Anerkenntnisses überhaupt ermächtigt war. Dass die Versicherung nach Übersendung des Gutachtens von einer endgültigen Ablehnung der Versicherungsleistung ausging, war im Übrigen aus Klägersicht ersichtlich.

Mangels Hauptforderung hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 490,99 € gem. §§ 280 I, II 286 BGB sowie Zinsen ab Rechtshängigkeit gem. §§ 291, 288 I BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

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