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Elementarschadensversicherung – Regulierungszusage als deklaratorisches Schuldanerkenntnis?

OLG Hamm – Az.: 20 U 86/18 – Beschluss vom 09.11.2018

Die Berufung der Beklagten gegen das am 15.05.2018 verkündete Grundurteil der 115. Zivilkammer des Landgerichts Münster wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Der Vollstreckungsschuldner darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 407.362,32 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin macht aus einer Elementarschadensversicherung Ansprüche nach einer bestrittenen Überschwemmung im Zuge des Jahrhunderthochwassers in N vom 28.07.2014 geltend. Sie beruft sich dabei auch auf eine von der Beklagten durch den Zeugen H abgegebene Erklärung, die sie für ein bindendes Schuldanerkenntnis hält.

Die Klägerin verlangt mit ihrer Klage Zahlung von 407.362,32 EUR nebst Rechtsanwaltskosten und Zinsen.

Das Landgericht hat der Klage dem Grunde nach stattgeben. Die Erklärung der Beklagten sei als bindendes deklaratorisches Anerkenntnis anzusehen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes in erster Instanz sowie wegen der erstinstanzlich gestellten Anträge und der genauen Argumentation des Landgerichts wird auf das angefochtene Urteil (GA 385-401) verwiesen.

Hiergegen wendete sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie macht insbesondere geltend, es liege bereits kein formgerechtes deklaratorisches Anerkenntnis vor. Zudem sei sie hieran aufgrund nachträglich bekannt gewordener Umstände nicht gebunden.

Im Einzelnen wird auf die Berufungsbegründung vom 03.09.2018 (GA 463-472) Bezug genommen.

Die Beklagte beantragt unter Abänderung des angefochten Urteils, die Klage abzuweisen.

Die Klägerin und die Streithelferin zu 1 beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat die Beklagte durch Beschluss vom 26.09.2018 (GA 482-487) darauf hingewiesen, dass er beabsichtige, die Berufung durch Beschluss zurückzuweisen, insbesondere da von einem bindenden deklaratorischen Anerkenntnis auszugehen sein, und Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt.

Die Beklagte hat sich gegen diesen Hinweis gewandt. Sie verweist u. a. darauf, dass der Erklärende H bei Abgabe seiner Erklärung mangels Kenntnis der tatsächlichen Umstände von falschen Tatsachen ausgegangen und einem Irrtum unterlegen gewesen sei, so dass das deklaratorische Anerkenntnis nicht bindend sei. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 26.10.2018 (GA 510-517) verwiesen.

II.

Elementarschadensversicherung - Regulierungszusage
(Symbolfoto: Von wichayada suwanachun/Shutterstock.com)

Der Senat ist einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung auf Grund mündlicher Verhandlung erfordern und eine mündliche Verhandlung auch sonst nicht geboten ist.

Das Landgericht hat mit zutreffender Begründung ein Grundurteil erlassen. Die Berufung ist unbegründet. Die Berufungsangriffe, wegen deren Einzelheiten auf die Berufungsbegründung (GA 463-472) sowie die Stellungnahme auf den Senatshinweis (GA 510-517) verwiesen wird, greifen nicht durch.

Der von der Klägerin geltend gemachte Deckungsschutz ergibt sich aus der Email des Regulierungsbeauftragten der Beklagten H vom 22.09.2014 (Anl. K17), die ein deklaratorisches, nicht formgebundenes und nicht kondizierbares Schuldanerkenntnis im Sinne des § 241 Abs. 1, § 311 Abs. 1 BGB in Verbindung mit dem Versicherungsvertrag sowie § 1 Satz 1 VVG darstellt. Denn dort heißt es, dass die „Ersatzpflicht […] als versichert bestätigt“ wird. Zudem werden Trocknungsarbeiten freigegeben und die Übernahme der Kosten durch die Beklagte angekündigt.

1.  Es ist allgemein anerkannt, dass in einer Regulierungszusage eines Versicherers, die der Versicherte gegenüber einer vergleichsweisen Einigung im Sinne des § 779 BGB ohne eigenes Nachgeben annimmt und die gegenüber einem konstitutiven Schuldversprechen / -anerkenntnis im Sinne des §§ 780, 781 BGB nicht von den wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhängen der vertragsgemäßen Haftung losgelöst ist, sondern einen einseitigen Verzicht auf bekannte Einwendungen und Einreden gegenüber dem begehrten Anspruch beinhaltet, ein formfrei gültiges deklaratorisches Anerkenntnis liegen kann (vgl. BGH Urt. v. 19.11.2008 – IV ZR 293/05, VersR 2009, 106 Rn. 7-9, 11 m. w. N.; BGH Urt. v. 16.7.2014 – IV ZR 88/13, BGHZ 202, 122 = r+s 2014, 454 Rn. 21; OLG Hamm Urt. v. 9.4.2013 – 24 U 112/12, juris Rn. 31; Senat Urt. v. 14.7.1989 – 20 U 26/89, VersR 1990, 519 = juris Rn. 31; siehe auch BGH Urt. v. 10.7.1996 – IV ZR 287/95, VersR 1996, 1229 = juris Rn. 24; OLG Saarbrücken Urt. v. 4.2.2015 – 1 U 27/13, ZMGR 2015, 321 = juris Rn. 93; OLG Düsseldorf Urt. v. 7.11.2014 – 24 U 155/14, ZMR 2015, 850 = juris Rn. 36; OLG Düsseldorf Urt. v. 18.12.2015 – 4 U 94/14, VersR 2016, 1051 = juris Rn. 26; Senat Urt. v. 25.2.2005 – 20 U 176/04, NJW-RR 2005, 1056 = juris Rn. 22 ff., 46).

Dabei ist weiter anerkannt, dass ein solches deklaratorisches Schuldanerkenntnis den Versicherer mit Einwendungen ausschließen, die er zum Zeitpunkt der Abgabe erheben konnte und zumindest bei sorgfältiger Prüfung des Sachverhalts hätte kennen müssen, sofern die Deckungszusage nicht mit einem entsprechenden Vorbehalt versehen ist (vgl. BGH Urt. v. 16.7.2014 – IV ZR 88/13, BGHZ 202, 122 = r+s 2014, 454 Rn. 21 m. w. N.; OLG Düsseldorf Urt. v. 18.12.2015 – 4 U 94/14, VersR 2016, 1051 = juris Rn. 26; Armbrüster in Prölss/Martin, VVG, 29. Aufl. 2015, § 17 ARB 2010 Rn. 10 f. m. w. N.; Sprau in Palandt, 77. Aufl. 2018, § 781 Rn. 4).

2.  Gemessen daran hat der Regulierungsbeauftragte durch seine Erklärung aus Sicht des objektiven Empfängers unter Berücksichtigung der Umstände sowie der im Versicherungsvertragsverhältnis im besonderen Maße zu beachtenden Grundsätze von Treu und Glauben (§§ 133, 157, 242 BGB) den für die Klägerin und ihren Ehemann wesentlichen und bis dahin ungewissen Punkt, ob die Beklagte im Hinblick auf einen bedingungsgemäßen Versicherungsfall grundsätzlich regulieren würde, endgültig festgelegt und damit zukünftigem Streit entzogen.

Die Ungewissheit ergab sich schon allein aus der Tatsache, dass seit dem Schadensfall bereits knapp sechs Wochen vergangen waren und die Beklagte die Sachbearbeitung intern von einer Abteilung an die Großschadensabteilung weitergegeben hatte. Die Sache war im Hinblick auf den drohenden wirtschaftlichen Schaden für die Klägerin und ihren Ehemann, insbesondere im Hinblick auf die Vermietungssituation, zudem schnellst möglich klärungsbedürftig.

Deutlich wird dies insbesondere aus der Email der Klägerin vom 21.09.2014 (Anl. K16), in der u. a. davon die Rede ist, dass „keine nachvollziehbare Erklärung für die Ursache des Wasserschadens“ ersichtlich sei. Zudem wies die Klägerin darauf hin, dass der Vorgang „zeitkritisch und komplex“ sei und sie ein kompetentes Architekturbüro mit der Schadensbeseitigung beauftragen wolle. Wenn der Regulierungsbeauftragte in Reaktion auf diese Email der Klägerin in seiner Email vom 22.09.2014 (Anl. K17) die „Ersatzpflicht […] als versichert bestätigt“, Trocknungsarbeiten freigibt und die Übernahme der Kosten durch die Beklagte ankündigt, muss dies aus Sicht eines objektiven Empfängers der Erklärung zwingend als deklaratorisches Anerkenntnis ausgelegt werden.

Die Klägerin und ihr Ehemann haben das deklaratorische Anerkenntnis auch ohne eigenes Nachgeben spätestens konkludent durch die nachfolgende Beauftragung von Arbeiten an Dritte angenommen, wobei gemäß § 151 Satz 1 Hs. 2 Alt. 1 BGB eine Erklärung gegenüber der Beklagten entbehrlich war. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Klägerin die Beklagte später im anwaltlichen Schreiben vom 08.05.2015 (Anl. K27) zur Zahlung von 300.907,68 EUR sowie Anerkennung im Übrigen aufforderte. Denn zum einen war das deklaratorische Schuldanerkenntnis zu diesem Zeitpunkt schon wirksam zustande gekommen. Zum anderen blieb es der Klägerin unbenommen, im Zusammenhang mit konkreten Zahlungsforderungen erneut zum Anerkenntnis aufzufordern. Dass die Klägerin anderes Verständnis hatte, ergibt sich auch daraus, dass in dem Schreiben ausdrücklich auf das bereits erfolgte mündliche und schriftliche Anerkenntnis / die erteilte Deckungszusage verwiesen wird.

Gegen diese Feststellungen des Senats im Hinweisbeschluss vom 26.09.2018 (GA 482-487) wendet sich die Beklagte in ihrer Stellungnahme vom 26.10.2018 (GA 510-517) auch nicht mehr.

3.  Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte darauf, dass sie die von ihr nunmehr vorgebrachten Hinderungsgründe zum Zeitpunkt der Erklärung des Regulierungsbeauftragten nicht gekannt habe und nicht mit ihnen habe rechnen können oder müssen.

a)   Als späteren ersichtlich gewordenen Hinderungsgrund bezeichnet die Beklagte die Tatsache, dass ausschließlich erdgebundenes Wasser eingedrungen sei und deshalb kein kausaler Überschwemmungsschaden vorliege. Diese Einwendung (kein kausaler Überschwemmungsschaden) hätte die Beklagte unmittelbar erheben können und auch müssen.

aa)  Es stand aber die Frage des kausalen Überschwemmungsschadens/des Versicherungsfalls schon ausweislich der Email der Klägerin vom 21.09.2014 (Anl. K16), in der u. a. davon die Rede ist, dass „keine nachvollziehbare Erklärung für die Ursache des Wasserschadens“ ersichtlich sei, ausdrücklich im Raum.

Die Frage wurde gerade durch das hierauf erteilte deklaratorische Anerkenntnis vom 22.09.2014 (Anl. K17) ausgeräumt.

Die Erkenntnisse des anschließend eingeholten Privatgutachtens Dr. I & S (Anl. 20) der Beklagten, das aufgrund des Regulierungsauftrages vom 01.09.2014 (Seite 3 des Gutachtens) erstellt wurde und in dem „es allein darum [ging], die unklare Ursache für den Wassereintritt in den M-Markt zu ermitteln, um seitens der Versicherung eine Aussage zur Ersatzpflicht treffen zu können“ (Seite 5 des Gutachtens), sind mithin solche, mit denen die Beklagte rechnete und jedenfalls rechnen musste.

bb)   Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte in ihrer Stellungnahme vom 26.10.2018 (GA 510-517) auf den Hinweisbeschluss vom 26.09.2018 (GA 482-487) darauf, der Erklärende H habe keine vollständige Tatsachenkenntnis aufgewiesen und sei einem Irrtum unterlegen gewesen.

Wie bereits im Hinweisbeschluss vom 26.09.2018 (GA 482-487) ausgeführt begründet dies allenfalls einen unbeachtlichen Motivirrtum. So schreibt die Beklagte in ihrer Stellungnahme vom 26.10.2018 (GA 510-517) jetzt sogar selbst, dass der Erklärende H bei Abgabe der Erklärung einem Irrtum unterlag.

Zudem verlangt der Senat entgegen der Stellungnahme vom 26.10.2018 (GA 510-517) nicht, dass die Beklagte erst im Nachhinein gewonnene Kenntnisse bereits unmittelbar hätte einwenden können oder müssen. Vielmehr geht der Senat davon aus, dass die Beklagte die bestehenden Unklarheiten/Ungewissheiten um das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzung „Überschwemmung“ sowie um das Vorliegen des Versicherungsfalls kannte und hätte einwenden können. Stattdessen hat sie diese dem Streit durch die Erklärung des Zeugen H entzogen und dennoch eine Begutachtung zu dieser Frage in Auftrag gegeben. Insoweit ist sie auch nicht etwa schutzwürdig. Sie hätte eine Überschwemmung bis nach Einholung des Privatgutachtens bestreiten können.

b)  Der weitere Einwand der Beklagten, die Überflutung habe nur das Nachbargrundstück betroffen, hätte die Beklagte zudem ohne weiteres sofort erheben können und müssen.

Gegen diese Feststellungen des Senats im Hinweisbeschluss vom 26.09.2018 (GA 482-487) wendet sich die Beklagte in ihrer Stellungnahme vom 26.10.2018 (GA 510-517) auch nicht mehr.

4.  Schließlich ist festzustellen, dass die Beklagte ihre Schuldanerkenntniserklärung nicht (fristgerecht) angefochten hat, zumal allenfalls ein unbeachtlicher Motivirrtum vorläge (siehe schon oben).

5.   Im Übrigen sei hilfsweise auf die Ausführungen zum bedingungsgemäßen Versicherungsfall im Hinweisbeschluss vom 26.09.2018 (GA 482-487) verwiesen.

III.

Die Nebenentscheidungen folgen aus § 97 Abs. 1, § 708 Nr. 10, § 711  ZPO, die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung dieses Beschlusses unmittelbar aus § 794 Abs. 1 Nr. 3 ZPO.

 

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