Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- OLG Stuttgart: Private Krankenversicherung muss Kosten für Chefarztbehandlung nur bei wirksamer Wahlleistungsvereinbarung und nachgewiesener medizinischer Notwendigkeit erstatten – Details zur GOÄ-Abrechnung und § 17 KHEntG
- Streitpunkt Wahlleistungsvereinbarung: Formale Anforderungen nach Krankenhausentgeltgesetz (KHEntG) und Information der Patientin
- Die Entscheidung des OLG Stuttgart: Deutliche Kürzung der Erstattungsansprüche der Patientin
- Begründung des Gerichts: Keine Erstattung für den ersten Behandlungszeitraum wegen unwirksamer Wahlleistungsvereinbarung
- Begründung des Gerichts: Teilweise Erstattung im zweiten Behandlungszeitraum – Anforderungen an persönliche Leistungserbringung und GOÄ
- Nicht erstattungsfähige Leistungen im zweiten Zeitraum: Formale Mängel bei der GOÄ-Abrechnung
- Medizinische Notwendigkeit im Detail: Was die Versicherung zahlen muss und was nicht
- Keine Kostenerstattung für Leistungen nichtärztlicher Therapeuten (GOÄ 887, 847)
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Was genau sind Wahlleistungen im Krankenhaus und warum sind sie relevant für meine private Krankenversicherung?
- Welche formalen Anforderungen muss eine Wahlleistungsvereinbarung erfüllen, damit meine private Krankenversicherung die Kosten übernimmt?
- Was bedeutet „medizinische Notwendigkeit“ im Zusammenhang mit Wahlleistungen und wie wird diese von meiner privaten Krankenversicherung geprüft?
- Was ist die GOÄ und wie beeinflusst sie die Abrechnung von Wahlleistungen durch den Arzt?
- Was kann ich tun, wenn meine private Krankenversicherung die Kosten für Wahlleistungen ablehnt?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Urteil Az.: 7 U 62/16 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Zum vorliegendenDas Wichtigste in Kürze
- Gericht: OLG Stuttgart
- Datum: 22.03.2018
- Aktenzeichen: 7 U 62/16
- Rechtsbereiche: Private Krankenversicherung, Krankenhausentgeltgesetz, Versicherungsvertragsgesetz, Gebührenordnung für Ärzte
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Eine Patientin, die Erstattung von Kosten für wahlärztliche Leistungen während eines Krankenhausaufenthalts von ihrer privaten Krankenversicherung verlangte.
- Beklagte: Die private Krankenversicherung der Patientin, die die Erstattung der Kosten verweigerte oder nur teilweise anerkannte.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Eine Patientin verlangte von ihrer privaten Krankenversicherung die Erstattung von Kosten für wahlärztliche Leistungen während eines Krankenhausaufenthalts. Die Versicherung lehnte dies ab, da sie die Vereinbarung und die Abrechnung der Leistungen anzweifelte. Nachdem das Landgericht der Patientin teilweise Recht gab, ging die Versicherung in Berufung.
- Kern des Rechtsstreits: Der zentrale Streitpunkt war, unter welchen Voraussetzungen eine private Krankenversicherung die Kosten für wahlärztliche Behandlungen im Krankenhaus übernehmen muss. Dabei ging es um die Gültigkeit der schriftlichen Vereinbarung, die Medizinische Notwendigkeit der abgerechneten Leistungen und deren korrekte Abrechnung nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ).
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Gericht gab der Berufung der privaten Krankenversicherung weitgehend statt und sprach der Patientin nur einen kleinen Teil der geforderten Summe zu. Die Versicherung musste lediglich 1.433,29 Euro zuzüglich Zinsen zahlen; die Klage wurde im Übrigen abgewiesen.
- Begründung: Das Gericht lehnte die Erstattung für den ersten Zeitraum ab, da keine gültige Vereinbarung über wahlärztliche Leistungen vorlag, weil die Patientin nicht wie vorgeschrieben vorab schriftlich informiert wurde. Für den zweiten Zeitraum war die Vereinbarung gültig, jedoch waren viele der abgerechneten Leistungen nach Ansicht des Gerichts nicht medizinisch notwendig, nicht ordnungsgemäß erbracht oder fielen nicht unter die getroffene Vereinbarung.
- Folgen: Für die Patientin bedeutet das Urteil, dass sie nur einen geringen Teil der Kosten für die wahlärztlichen Leistungen erstattet bekommt und den Großteil der Prozesskosten tragen muss. Da das Gericht die Revision nicht zuließ, ist diese Entscheidung rechtskräftig.
Der Fall vor Gericht
OLG Stuttgart: Private Krankenversicherung muss Kosten für Chefarztbehandlung nur bei wirksamer Wahlleistungsvereinbarung und nachgewiesener medizinischer Notwendigkeit erstatten – Details zur GOÄ-Abrechnung und § 17 KHEntG
Eine Patientin befand sich wegen einer mittelgradig depressiven Störung in stationärer Behandlung in einem psychiatrischen Krankenhaus. Dieser Aufenthalt gliederte sich in zwei Zeiträume: Zunächst vom 17. Oktober 2012 bis zum 28. Dezember 2012 und anschließend vom 9. Januar 2013 bis zum 20. März 2013.

Für beide Abschnitte hatte die Patientin Wahlleistungsvereinbarungen mit dem Krankenhaus abgeschlossen. Diese sahen insbesondere die Behandlung durch den Chefarzt Prof. Dr. E. beziehungsweise seinen ständigen Vertreter Dr. M. sowie von diesen veranlasste Behandlungen durch weitere Klinikärzte und nichtärztliche Therapeuten vor. Die Patientin forderte von ihrer privaten Krankenversicherung die Erstattung der hierfür in Rechnung gestellten Kosten. Die Versicherung zahlte jedoch nur die allgemeinen Krankenhausleistungen für den ersten Behandlungszeitraum und lehnte die Übernahme der wahlärztlichen Kosten weitgehend ab. Dies führte zu einem Rechtsstreit, der schließlich vor dem Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart (Az.: 7 U 62/16) verhandelt und am 22. März 2018 entschieden wurde.
Streitpunkt Wahlleistungsvereinbarung: Formale Anforderungen nach Krankenhausentgeltgesetz (KHEntG) und Information der Patientin
Ein zentraler Streitpunkt war die Wirksamkeit der Wahlleistungsvereinbarungen. Die private Krankenversicherung bezweifelte, dass die Patientin insbesondere für den ersten Behandlungszeitraum korrekt und vor allem vorab schriftlich über den Inhalt und die Kosten der Wahlleistungen informiert worden war, wie es § 17 Absatz 2 des Krankenhausentgeltgesetzes (KHEntG) vorschreibt. Diese Vorschrift dient dem Schutz der Patienten vor unerwartet hohen Kosten. Für den zweiten Behandlungszeitraum lag zwar eine schriftliche Information vor, hier bestritt die Versicherung jedoch teilweise die medizinische Notwendigkeit einzelner abgerechneter ärztlicher Leistungen gemäß dem Versicherungsvertragsgesetz (VVG) und den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (MB/KK). Zudem rügte sie die korrekte Abrechnung bestimmter Posten nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ), beispielsweise hinsichtlich der persönlichen Leistungserbringung durch den Wahlarzt, der Einhaltung von Mindestdauern bei Therapiesitzungen oder der Erstattungsfähigkeit von Leistungen nichtärztlicher Therapeuten. Das Landgericht Stuttgart hatte der Patientin noch teilweise Recht gegeben, wogegen die Versicherung Berufung einlegte.
Die Entscheidung des OLG Stuttgart: Deutliche Kürzung der Erstattungsansprüche der Patientin
Das Oberlandesgericht Stuttgart gab der Berufung der privaten Krankenversicherung in weiten Teilen statt und änderte das Urteil der Vorinstanz erheblich. Die Versicherung wurde letztlich nur noch zur Zahlung von 1.433,29 € zuzüglich Zinsen an die Patientin verurteilt. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits über beide Instanzen musste die Patientin zu vier Fünfteln tragen, die Versicherung nur zu einem Fünftel. Eine Revision gegen dieses Urteil, also eine Überprüfung durch den Bundesgerichtshof, wurde nicht zugelassen.
Begründung des Gerichts: Keine Erstattung für den ersten Behandlungszeitraum wegen unwirksamer Wahlleistungsvereinbarung
Für den ersten Behandlungszeitraum vom 17. Oktober 2012 bis zum 28. Dezember 2012 sah das OLG Stuttgart keinen Anspruch auf Kostenerstattung für die wahlärztlichen Leistungen. Der Grund hierfür war eine unwirksame Wahlleistungsvereinbarung.
Nach § 17 Abs. 2 KHEntG ist es zwingend erforderlich, dass der Patient vor dem Abschluss einer solchen Vereinbarung schriftlich und im Einzelnen über die Entgelte und den Inhalt der Wahlleistungen aufgeklärt wird. Die Versicherung hatte bestritten, dass eine solche vorherige schriftliche Information für die am 17. Oktober 2012 geschlossene Vereinbarung erfolgt war. Dem Gericht lag lediglich eine von der Patientin unterschriebene Information für den zweiten Behandlungszeitraum (datiert auf den 9. Januar 2013) vor.
Die persönliche Anhörung der Patientin konnte den Senat nicht davon überzeugen, dass sie auch am 17. Oktober 2012 die notwendige schriftliche Information erhalten hatte. Sie gab an, zu denken, eine solche unterschrieben zu haben und davon auszugehen, dass diese mit der späteren Information identisch gewesen sei. Dies wertete das Gericht als bloße Mutmaßung und nicht als tatsächliche Erinnerung, die den strengen Beweisanforderungen der Zivilprozessordnung (§ 286 ZPO) genügt hätte. Die Patientin hätte diesen Umstand jedoch voll beweisen müssen.
Zudem war die erforderliche Aufklärung auch nicht in der Wahlleistungsvereinbarung selbst enthalten. Die Vereinbarung vom 17. Oktober 2012 erfüllte nach Ansicht des Gerichts nicht die Anforderungen, die der Bundesgerichtshof (BGH) in ständiger Rechtsprechung aufgestellt hat (Urteile vom 27.11.2003 – III ZR 37/03, und 04.11.2004 – III ZR 201/04). Es fehlten unter anderem eine klare Beschreibung der wahlärztlichen Leistungen (wie die Sicherstellung der persönlichen Behandlung durch den Chefarzt und der Hinweis, dass auch ohne Wahlleistung eine qualifizierte ärztliche Versorgung gewährleistet ist), eine verständliche Erläuterung der Preisermittlung nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) (insbesondere der Hinweis, dass sich der Gebührensatz je nach Schwierigkeit und Zeitaufwand erhöhen kann) und ein deutlicher Hinweis auf die mögliche erhebliche finanzielle Mehrbelastung.
Der Einwand der Patientin, sie habe unabhängig von der Information eine Wahlleistungsvereinbarung gewollt, was sich ja an der späteren, korrekt zustande gekommenen Vereinbarung für den zweiten Zeitraum zeige, ließ das Gericht nicht gelten. Der Schutzcharakter des § 17 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 KHEntG verbiete eine rückwirkende Heilung einer unwirksamen Vereinbarung. Eine Ausnahme, bei der die Berufung auf die Nichtigkeit „schlechthin untragbar“ wäre, lag nach Ansicht des Gerichts nicht vor.
Die Unwirksamkeit der Wahlleistungsvereinbarung hatte zur Folge, dass die erbrachten ärztlichen Leistungen nur als allgemeine Krankenhausleistungen hätten abgerechnet werden dürfen. Dem Chefarzt stand somit kein eigener Vergütungsanspruch für Wahlleistungen zu (unter Verweis auf § 139 BGB, der die Nichtigkeit des gesamten Rechtsgeschäfts bei Nichtigkeit eines Teils vorsieht, wenn nicht anzunehmen ist, dass es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen worden wäre). Folglich bestand auch kein Erstattungsanspruch der Patientin gegen ihre private Krankenversicherung für die geltend gemachten wahlärztlichen Kosten des ersten Zeitraums in Höhe von insgesamt 4.543,00 €.
Begründung des Gerichts: Teilweise Erstattung im zweiten Behandlungszeitraum – Anforderungen an persönliche Leistungserbringung und GOÄ
Für den zweiten Behandlungszeitraum vom 9. Januar 2013 bis zum 20. März 2013 bejahte das Gericht dem Grunde nach einen Kostenerstattungsanspruch, da hier eine gültige Wahlleistungsvereinbarung vorlag. Die am 9. Januar 2013 unterzeichnete gesonderte Patienteninformation entsprach den Anforderungen des § 17 Abs. 2 KHEntG.
Das Gericht stellte fest, dass Leistungen nach den GOÄ-Ziffern 45 (Visite), 801 (eingehende psychiatrische Untersuchung), 804 (psychiatrische Behandlung durch Gespräch), 861 (tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie, Einzelsitzung, 50 Minuten) und 865 (Ärztliche und psychotherapeutische Verhaltensanalyse und -modifikation einschließlich van übenden Verfahren, Behandlungsbesprechung mit nichtärztlichen Psychotherapeuten) vom Chefarzt Prof. Dr. E. oder seinem ständigen Vertreter persönlich erbracht oder zumindest von ihm veranlasst und überwacht wurden. Das Gericht sah sich hier an die Feststellungen des Landgerichts gebunden, da keine konkreten Zweifel an deren Richtigkeit bestanden. Dazu zählten regelmäßige Visiten, wöchentliche 50-Minuten-Gespräche und Besprechungen mit Mitarbeitern.
Diese Leistungen stellten eine über die allgemeine Krankenhausleistung hinausgehende persönliche Behandlung durch den Wahlarzt dar. Ein Patient, so das Gericht, kaufe sich mit dem Wahlleistungsvertrag die besondere ärztliche Qualifikation und Erfahrung des Chefarztes ein. Der Wahlarzt müsse daher die seine Disziplin prägende Kernleistung persönlich erbringen und der gesamten Behandlung sein persönliches Gepräge geben, wie es § 4 Abs. 2 GOÄ und die Rechtsprechung des BGH vorsehen.
Die vom Gericht beauftragten medizinischen Sachverständigen (Prof. Dr. Dr. D. und Prof. Dr. N.) bestätigten überzeugend, dass die einmal wöchentlich durchgeführten 50-minütigen Einzeltherapiesitzungen (abgerechnet nach GOÄ Ziffer 861) die wesentliche Kernleistung bei der Behandlung der Depression der Patientin darstellten. Auch die Frequenz der Visiten, Gespräche und Besprechungen trug dazu bei, dass der Chefarzt der Behandlung sein persönliches Gepräge gab. Dies stehe auch im Einklang mit den S3-Leitlinien zur Behandlung einer Depression, die einen komplexen, multiprofessionellen Behandlungsplan vorsehen.
Auch die vom Stationsarzt Dr. E. durchgeführten psychotherapeutischen Behandlungen (abgerechnet nach GOÄ Ziffer 849) wurden als wahlärztliche Leistungen anerkannt. Sie waren Teil des vom Chefarzt gesteuerten und beaufsichtigten Behandlungsplans und gingen über die allgemeinen Krankenhausleistungen hinaus. Die Sachverständigen bestätigten, dass diese Maßnahmen zum Gesamttherapieprogramm des Chefarztes gehörten und im Rahmen des multimodalen Behandlungsansatzes medizinisch angezeigt waren. Die Abrechnung erfolgte hierbei mit einem zulässigen Steigerungssatz gemäß § 5 Abs. 5 GOÄ (nicht über dem 2,3-fachen Satz für nachgeordnete Ärzte).
Nicht erstattungsfähige Leistungen im zweiten Zeitraum: Formale Mängel bei der GOÄ-Abrechnung
Einige Leistungen im zweiten Behandlungszeitraum erkannte das Gericht jedoch nicht als erstattungsfähig an:
Die vom Stationsarzt Dr. E. durchgeführten Gruppenpsychotherapiesitzungen (GOÄ Ziffer 862) waren nicht abrechenbar. Der Grund: Die GOÄ Ziffer 862 setzt für eine tiefenpsychologisch fundierte Gruppenpsychotherapie eine Mindestdauer von 100 Minuten voraus. Die tatsächlich durchgeführten Sitzungen dauerten laut Dokumentation und Rechnungen jedoch nur 50 Minuten. Eine Unterschreitung der Mindestdauer um die Hälfte führt dazu, dass die Leistung den Anforderungen der Ziffer nicht genügt und nicht danach abgerechnet werden kann. Auch eine Minderung des Gebührensatzes (hier von 2,3 auf 1,2) konnte diesen Mangel nicht heilen. Eine analoge Abrechnung nach § 6 Abs. 2 GOÄ kam nicht in Betracht, da keine vergleichbare Ziffer für kürzere Gruppenbehandlungen existiert. Der Sachverständige Prof. Dr. N. bestätigte die Notwendigkeit der 100 Minuten für den therapeutischen Sinn dieser spezifischen Therapieform.
Hinsichtlich der geltend gemachten GOÄ Ziffer 806 (Psychiatrische Behandlung durch eingehendes therapeutisches Gespräch, auch mit gezielter Exploration, mindestens 20 Minuten Dauer) konnte die Patientin nicht nachweisen, wann und von wem diese Leistungen erbracht wurden. Die vorhandene Dokumentation stützte lediglich die Abrechnung nach der GOÄ Ziffer 804 (Psychiatrische Behandlung durch ein oder mehrere Gespräche ohne Mindestdauer). Daher konnte nur die Ziffer 804, die als ein „Weniger“ gegenüber der Ziffer 806 angesehen wird, bei der Erstattung berücksichtigt werden.
Medizinische Notwendigkeit im Detail: Was die Versicherung zahlen muss und was nicht
Die medizinische Notwendigkeit einer Behandlung, wie in § 192 VVG und § 1 Abs. 2 MB/KK 2009 definiert, ist ein objektiver Maßstab. Es kommt nicht auf die subjektive Einschätzung von Arzt oder Patient an, sondern darauf, ob die Behandlung nach objektiven medizinischen Befunden und wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Zeitpunkt der Behandlung als vertretbar angesehen werden konnte, um ein Krankheitsbild zu heilen, zu lindern oder einer Verschlimmerung vorzubeugen.
Die tiefenpsychologischen Einzeltherapien (GOÄ 861), Visiten (GOÄ 45), psychiatrischen Behandlungen (GOÄ 804) und die psychotherapeutischen Behandlungen durch den Stationsarzt Dr. E. (GOÄ 849) wurden vom Gericht als medizinisch notwendig eingestuft. Sie waren Teil des komplexen, S3-Leitlinien-konformen Behandlungsplans für die Depression der Patientin, was die Sachverständigen bestätigten.
Auch die wöchentlichen Behandlungsbesprechungen des Chefarztes mit nichtärztlichen Psychotherapeuten (GOÄ Ziffer 865) waren entgegen der Ansicht der Versicherung medizinisch notwendig. Die Sachverständigen erläuterten, dass die Koordination und Steuerung eines multiprofessionellen Behandlungsplans regelmäßige Rücksprachen mit allen beteiligten Therapeuten erfordere und daher medizinisch indiziert sei.
Die eingehende biographische Anamnese (GOÄ Ziffer 860) war für den zweiten Behandlungszeitraum jedoch nicht medizinisch notwendig. Diese Ziffer ist laut GOÄ nur einmal pro Behandlungsfall abrechenbar und dient der erstmaligen, umfassenden Erhebung der Krankengeschichte. Da dies bereits im ersten Behandlungsabschnitt (wenn auch nicht erstattungsfähig als Wahlleistung) hätte erfolgen müssen bzw. für den zweiten Aufenthalt keine neue, vollständige Anamnese erforderlich war, wurde diese Position abgelehnt.
Die Frequenz der eingehenden psychiatrischen Untersuchung (GOÄ Ziffer 801) war nicht täglich medizinisch notwendig. Die Sachverständigen erklärten, dass diese Untersuchung zur Erfassung des psychopathologischen Befundes zwar im Krankheitsverlauf wiederholt erforderlich sei, bei einem mehrmonatigen stationären Aufenthalt eine tägliche Durchführung ohne besonderen Anlass jedoch nicht indiziert sei. Eine ein- bis zweimal wöchentliche Erhebung sei in der Regel ausreichend und auch erforderlich. Lediglich in einem Zeitraum, in dem eine Therapie- und Medikamentenumstellung erfolgte (Mitte Januar bis 21. Februar 2013), sei eine zwei- bis dreimal wöchentliche Untersuchung medizinisch notwendig gewesen. Unter Berücksichtigung dieser Frequenzen über den gesamten Behandlungszeitraum von zehn Wochen im zweiten Aufenthalt war die Untersuchung nach GOÄ 801 insgesamt 20-mal medizinisch notwendig und somit erstattungsfähig, nicht aber die deutlich höhere abgerechnete Anzahl.
Keine Kostenerstattung für Leistungen nichtärztlicher Therapeuten (GOÄ 887, 847)
Leistungen, die von nichtärztlichen Therapeuten erbracht und nach den GOÄ Ziffern 887 (Behandlung einer Bezugsperson) und 847 (Übende Verfahren, Einzelbehandlung) abgerechnet wurden, waren ebenfalls nicht erstattungsfähig. Die maßgebliche Wahlleistungsvereinbarung vom 9. Januar 2013 erfasste als gesondert berechenbare Leistungen eindeutig nur die ärztlichen Leistungen des Chefarztes sowie von ihm veranlasste ärztliche Leistungen nachgeordneter Ärzte oder ärztlich geleiteter Einrichtungen. Der Wortlaut der Vereinbarung war hier eindeutig und umfasste nicht die Leistungen von nichtärztlichen Therapeuten wie beispielsweise Psychologen, Ergo- oder Kunsttherapeuten, sofern sie nicht unter ärztlicher Leitung im Sinne der GOÄ standen und als ärztliche Leistung abgerechnet werden konnten. Eine Auslegung aus der Sicht eines objektiven Patienten führte laut Gericht nicht zu einer Einbeziehung dieser Leistungen. Eine gesonderte Individualabrede, die dies ermöglicht hätte, wurde nicht getroffen. Daher bestand für diese Kosten kein Erstattungsanspruch gegenüber der privaten Krankenversicherung.
Die vom OLG Stuttgart zugesprochene Summe von 1.433,29 € resultierte somit aus der sorgfältigen Prüfung jeder einzelnen abgerechneten Position des zweiten Behandlungszeitraums auf ihre formale Korrektheit nach der GOÄ und ihre medizinische Notwendigkeit, unter Berücksichtigung der gültigen Wahlleistungsvereinbarung.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil des OLG Stuttgart stellt klar, dass private Krankenversicherungen Kosten für Chefarztbehandlungen nur erstatten müssen, wenn eine wirksame Wahlleistungsvereinbarung mit vorheriger schriftlicher Patienteninformation vorliegt – nachträgliche Heilungen sind nicht möglich. Wahlärztliche Leistungen müssen vom Chefarzt persönlich erbracht oder zumindest nachweislich von ihm gesteuert werden und medizinisch notwendig sein, wobei strenge Anforderungen der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) einzuhalten sind. Für Patienten bedeutet dies, dass sie vor Abschluss von Wahlleistungsvereinbarungen auf eine korrekte, schriftliche Information über Inhalt und Kosten bestehen sollten, um spätere Erstattungsprobleme mit ihrer Versicherung zu vermeiden.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was genau sind Wahlleistungen im Krankenhaus und warum sind sie relevant für meine private Krankenversicherung?
Im Krankenhaus gibt es neben der medizinisch notwendigen Behandlung, die jeder Patient erhält, auch sogenannte Wahlleistungen. Das sind zusätzliche Leistungen, die über das medizinisch Notwendige oder das Standardangebot hinausgehen.
Stellen Sie sich vor, Sie möchten während Ihres Krankenhausaufenthalts in einem Einbettzimmer statt in einem Mehrbettzimmer untergebracht sein, oder Sie wünschen die persönliche Behandlung durch den Chefarzt. Solche Leistungen, die auf Ihren besonderen Wunsch erfolgen und nicht zwingend für die Heilung notwendig sind, fallen typischerweise unter die Wahlleistungen. Es geht dabei oft um erhöhten Komfort oder die freie Arztwahl.
Die Bedeutung der Wahlleistungen zeigt sich besonders im Zusammenhang mit Ihrer privaten Krankenversicherung (PKV). Während die medizinisch notwendige Krankenhausbehandlung von Ihrer PKV grundsätzlich übernommen wird – das ist Teil des Basisschutzes – gehören Wahlleistungen nicht automatisch zu diesem Grundschutz.
Ob und welche Wahlleistungen Ihre PKV bezahlt, hängt allein von den spezifischen Vereinbarungen in Ihrem individuellen Versicherungsvertrag ab. Ihre PKV deckt nur das ab, was in Ihrem Vertrag ausdrücklich als versichert aufgeführt ist. Viele PKV-Verträge sehen standardmäßig nur die allgemeinen Krankenhausleistungen vor. Die Übernahme von Wahlleistungen wie Chefarztbehandlung oder Ein- bzw. Zweibettzimmer ist oft nur dann enthalten, wenn Sie bei Vertragsabschluss spezielle Tarife oder Zusatzbausteine dafür gewählt und vereinbart haben.
Wenn Sie im Krankenhaus Wahlleistungen in Anspruch nehmen möchten und diese nicht durch Ihren PKV-Vertrag abgedeckt sind, müssen Sie diese Leistungen gesondert mit dem Krankenhaus vereinbaren. Diese zusätzlichen Leistungen verursachen zusätzliche Kosten. Wenn Ihre Versicherung diese speziellen Wahlleistungen nicht umfasst, müssen Sie diese zusätzlichen Kosten selbst tragen.
Für Sie als Patient mit PKV bedeutet das, dass es wichtig ist, vor einem geplanten Krankenhausaufenthalt oder im Falle einer plötzlichen Einweisung zu wissen, welche Wahlleistungen Ihr spezifischer Vertrag tatsächlich abdeckt, um unerwartete Kosten zu vermeiden.
Welche formalen Anforderungen muss eine Wahlleistungsvereinbarung erfüllen, damit meine private Krankenversicherung die Kosten übernimmt?
Damit Ihre private Krankenversicherung die Kosten für sogenannte Wahlleistungen im Krankenhaus übernehmen kann, müssen bestimmte formale Kriterien bei der Vereinbarung dieser Leistungen beachtet werden. Wahlleistungen sind zusätzliche Leistungen, die über die allgemeine Krankenhausleistung hinausgehen, wie zum Beispiel die Behandlung durch den Chefarzt oder die Unterbringung in einem Ein- oder Zweibettzimmer.
Eine ganz wichtige Voraussetzung ist, dass die Vereinbarung über diese Wahlleistungen schriftlich abgeschlossen wird. Eine mündliche Zusage reicht hierfür nicht aus. Die Vereinbarung muss auf einem Dokument festgehalten und von Ihnen oder einer bevollmächtigten Person unterschrieben werden.
Ebenso entscheidend ist, dass das Krankenhaus Sie umfassend über die Wahlleistungen und deren Kosten informiert, bevor Sie die Vereinbarung unterschreiben. Das Gesetz schreibt vor, dass diese Information klar und verständlich erfolgen muss.
Das Krankenhaus muss Sie rechtzeitig vor Abschluss der Vereinbarung über folgende Punkte informieren:
- Welche konkreten Wahlleistungen Ihnen angeboten werden (z. B. welche Ärzte Sie behandeln werden oder in welchem Zimmer Sie untergebracht werden).
- Die voraussichtlichen Kosten für jede dieser Wahlleistungen. Das Krankenhaus ist dabei verpflichtet, Ihnen seine aktuelle Preisliste vorzulegen oder die Kosten auf andere Weise transparent aufzuschlüsseln.
- Der genaue Zeitpunkt, ab dem die vereinbarten Wahlleistungen und die damit verbundenen Kosten gelten sollen.
Diese Aufklärung soll sicherstellen, dass Sie genau wissen, welche zusätzlichen Leistungen Sie erwarten können, was diese kosten und dass Sie sich bewusst dafür entscheiden.
Nur wenn die Wahlleistungsvereinbarung sowohl schriftlich vorliegt als auch die erforderliche vorherige Information über Leistungen und Kosten erfolgt ist, ist sie rechtlich wirksam. Eine solche wirksame Vereinbarung bildet die Grundlage dafür, dass Ihre private Krankenversicherung die Kosten der Wahlleistungen entsprechend den Bedingungen Ihres Versicherungsvertrages prüfen und gegebenenfalls übernehmen kann.
Wurden die formalen Anforderungen, insbesondere die rechtzeitige und klare Information über Leistungen und Kosten, nicht eingehalten, kann die Wahlleistungsvereinbarung unter Umständen unwirksam sein. Dies könnte bedeuten, dass Sie die Kosten für die Wahlleistungen nicht tragen müssen und die Versicherung die Kosten auch nicht übernehmen muss, weil keine gültige vertragliche Grundlage besteht.
Was bedeutet „medizinische Notwendigkeit“ im Zusammenhang mit Wahlleistungen und wie wird diese von meiner privaten Krankenversicherung geprüft?
Im Bereich der privaten Krankenversicherung ist die medizinische Notwendigkeit ein entscheidendes Kriterium dafür, ob die Kosten für eine Behandlung übernommen werden. Vereinfacht gesagt bedeutet medizinische Notwendigkeit, dass eine Maßnahme (wie eine Untersuchung, eine Therapie oder ein operativer Eingriff) nach den wissenschaftlich anerkannten Methoden der medizinischen Heilkunst erforderlich ist, um eine Krankheit zu erkennen oder zu heilen, oder um ihre Verschlimmerung zu verhindern.
Es geht also darum, was aus ärztlicher Sicht unabdingbar ist, um Ihre Gesundheit wiederherzustellen oder zu erhalten, nicht darum, was vielleicht komfortabler oder wünschenswert wäre (das ist der Charakter von „Wahlleistungen“ wie Einzelzimmer oder Chefarztbehandlung, deren Kostenübernahme separat im Tarif geregelt ist; die Behandlung selbst muss aber medizinisch notwendig sein).
Wie prüft die PKV die medizinische Notwendigkeit?
Ihre private Krankenversicherung hat das Recht, die medizinische Notwendigkeit einer geplanten oder durchgeführten Behandlung zu überprüfen. Dies ist in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen, die Grundlage Ihres Vertrags sind, vorgesehen. Die Prüfung dient dazu festzustellen, ob die Leistung gemäß Ihrem Versicherungsvertrag überhaupt erstattungsfähig ist.
Diese Prüfung läuft typischerweise wie folgt ab:
- Einholung von Unterlagen: Die Versicherung fordert vom behandelnden Arzt oder Krankenhaus medizinische Dokumente an. Dazu gehören Befunde, Diagnosen, Behandlungsberichte, Operationsberichte oder detaillierte Begründungen für die gewählte Therapie.
- Medizinische Bewertung: Die eingereichten Unterlagen werden in der Regel vom medizinischen Dienst der Versicherung oder einem unabhängigen Gutachter geprüft. Dabei wird beurteilt, ob die vorgeschlagene oder durchgeführte Behandlung für Ihre spezifische Erkrankung fachlich geboten war und den medizinischen Standards entspricht. Es wird hinterfragt, ob es weniger aufwendige oder kostengünstigere Methoden gegeben hätte, die zum gleichen medizinischen Ergebnis geführt hätten, oder ob die gewählte Methode (insbesondere bei teureren oder alternativen Verfahren) tatsächlich notwendig war.
Wie Sie Ihre Position stärken können
Die Grundlage für die Erstattung ist immer eine fundierte medizinische Begründung. Wenn Sie oder Ihr Arzt eine bestimmte Behandlung, insbesondere eine, die als „Wahlleistung“ oder besonderes Verfahren gelten könnte, in Anspruch nehmen möchten oder genommen haben, ist es entscheidend, dass der behandelnde Arzt die medizinische Notwendigkeit präzise und nachvollziehbar dokumentiert.
Ihr Arzt sollte in seinen Berichten und auf den Rechnungen klar darlegen:
- Welche Diagnose vorliegt.
- Warum genau diese spezielle Behandlungsmethode oder dieser Eingriff notwendig ist (z.B. warum ein bestimmtes, vielleicht teureres, Operationsverfahren besser geeignet ist als ein Standardverfahren).
- Welche medizinischen Ziele mit der Behandlung verfolgt werden.
- Gegebenenfalls, warum andere, möglicherweise einfachere, Behandlungen nicht zum Ziel führen würden oder Nachteile hätten.
Eine detaillierte und medizinisch überzeugende Begründung durch den behandelnden Arzt ist der wichtigste Weg, um die medizinische Notwendigkeit gegenüber Ihrer privaten Krankenversicherung zu untermauern.
Was ist die GOÄ und wie beeinflusst sie die Abrechnung von Wahlleistungen durch den Arzt?
Die Gebührenordnung für Ärzte, kurz GOÄ, ist eine wichtige Grundlage für die Abrechnung von ärztlichen Leistungen in Deutschland, insbesondere wenn Sie privat versichert sind oder bestimmte Wahlleistungen im Krankenhaus oder in der Arztpraxis in Anspruch nehmen. Stellen Sie sich die GOÄ wie eine Art offiziellen Katalog oder eine Preisliste für medizinische Behandlungen und Untersuchungen vor.
Was regelt die GOÄ grundsätzlich?
Die GOÄ legt fest, wie Ärzte Leistungen abrechnen dürfen, die nicht über die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) abgewickelt werden. Das betrifft in erster Linie Leistungen für:
- Privatpatienten: Ihre gesamte Behandlung wird oft nach der GOÄ abgerechnet.
- Selbstzahler: Wenn Sie als GKV-Versicherter bestimmte Leistungen privat bezahlen möchten (sogenannte individuelle Gesundheitsleistungen – IGeL), wird auch hierfür oft die GOÄ herangezogen.
- Wahlleistungen im Krankenhaus: Wenn Sie sich im Krankenhaus für bestimmte Zusatzleistungen entscheiden, wie die Behandlung durch den Chefarzt (die sogenannte „wahlärztliche Leistung“) oder die Unterbringung in einem Ein- oder Zweibettzimmer, werden diese wahlärztlichen Leistungen häufig auf Basis der GOÄ berechnet.
Wie beeinflusst die GOÄ die Kosten von Wahlleistungen?
Die GOÄ listet Tausende von ärztlichen Einzelleistungen auf, von der einfachen Untersuchung bis zur komplexen Operation. Für jede Leistung ist eine bestimmte Punktzahl festgelegt. Diese Punktzahl wird dann mit einem Punktwert (einem festen Geldwert) und einem Steigerungsfaktor multipliziert, um den Preis der einzelnen Leistung zu berechnen.
Die grundlegende Berechnung sieht vereinfacht so aus: Rechnungspreis pro Leistung = Punktzahl der Leistung × Punktwert × Steigerungsfaktor
Der Steigerungsfaktor ist hier besonders wichtig. Er liegt üblicherweise zwischen 1,0 und 2,3. Der Arzt kann den Faktor erhöhen, wenn die Behandlung besonders schwierig, zeitaufwendig oder mit einem ungewöhnlich hohen Aufwand verbunden war. Bei besonderen Gegebenheiten ist in der GOÄ auch ein Steigerungsfaktor von bis zu 3,5 zulässig. Ein höherer Steigerungsfaktor bedeutet eine höhere Rechnung für die jeweilige Leistung. Wenn ein Arzt einen höheren Faktor als 2,3 anwendet, muss er dies in der Rechnung ausführlich begründen.
Für Sie bedeutet das: Die GOÄ gibt einen Rahmen vor, wie teuer eine bestimmte ärztliche Leistung maximal sein darf. Die genaue Höhe hängt aber stark vom gewählten Steigerungsfaktor und dessen Begründung ab.
Welche Fehler können bei der Abrechnung nach GOÄ auftreten?
Da die GOÄ sehr detailliert ist und viele verschiedene Leistungen und Regeln umfasst, können bei der Abrechnung Fehler passieren. Häufige Fehlerquellen im Zusammenhang mit Wahlleistungen können sein:
- Falscher Steigerungsfaktor: Es wird ein zu hoher Steigerungsfaktor angesetzt, ohne dass dies ausreichend oder nachvollziehbar begründet wird.
- Nicht erbrachte Leistungen werden berechnet: Leistungen, die tatsächlich nicht durchgeführt wurden, tauchen auf der Rechnung auf.
- Leistungen werden mehrfach abgerechnet: Eine Leistung wird entgegen den GOÄ-Regeln doppelt oder mehrfach berechnet, obwohl sie nur einmal erbracht wurde.
- Abrechnung von Leistungen, die nicht vom Wahlarzt erbracht wurden: Bei wahlärztlichen Leistungen im Krankenhaus dürfen grundsätzlich nur die Leistungen des Wahlarztes selbst oder der in seinem Verantwortungsbereich tätigen, von ihm bestimmten Ärzte abgerechnet werden. Leistungen anderer Ärzte des Krankenhauses (z.B. vom Stationsarzt), die keine wahlärztliche Leistung darstellen, dürfen Ihnen als Wahlleistungspatient in der Regel nicht gesondert nach GOÄ berechnet werden, sondern sind Teil der allgemeinen Krankenhausleistungen.
- Keine oder fehlerhafte Begründung bei Steigerungsfaktoren über 2,3: Wenn der Arzt einen höheren Faktor als 2,3 wählt, muss er dies genau erklären. Fehlt diese Erklärung oder ist sie unzureichend, kann dieser Teil der Rechnung fehlerhaft sein.
Für Sie als Patient ist es daher wichtig, die Rechnung genau zu prüfen und zu verstehen, welche Leistungen abgerechnet wurden und wie der Preis zustande kommt, insbesondere bei angewandten Steigerungsfaktoren über 2,3. Die GOÄ bietet den Rahmen dafür, die Berechnung nachzuvollziehen.
Was kann ich tun, wenn meine private Krankenversicherung die Kosten für Wahlleistungen ablehnt?
Wenn Ihre private Krankenversicherung (PKV) die Übernahme von Kosten für sogenannte Wahlleistungen ablehnt, beispielsweise für ein Einzelzimmer im Krankenhaus oder die Behandlung durch den Chefarzt, kann das verschiedene Gründe haben. Oft prüft die Versicherung, ob die Leistung nach den vereinbarten Bedingungen und dem Gesetz als medizinisch notwendig eingestuft wird. Medizinische Notwendigkeit bedeutet in diesem Zusammenhang in der Regel, dass die Behandlung oder Leistung erforderlich ist, um eine Krankheit zu heilen, zu lindern oder ihre Verschlimmerung zu vermeiden.
Eine Ablehnung durch die Versicherung ist nicht zwangsläufig endgültig. Sie haben die Möglichkeit, die Entscheidung überprüfen zu lassen und anzufechten. Ein wichtiger erster Schritt ist in der Regel das Einlegen eines schriftlichen Widerspruchs bei Ihrer privaten Krankenversicherung. Darin können Sie begründen, warum Sie die Ablehnung für unberechtigt halten und warum die Wahlleistung in Ihrem Fall aus Ihrer Sicht oder der Ihres Arztes doch medizinisch notwendig war oder eng mit der notwendigen Behandlung zusammenhing. Es ist dabei hilfreich, unterstützende Unterlagen wie Arztberichte oder Stellungnahmen des behandelnden Arztes beizufügen.
Sollte Ihr Widerspruch bei der Versicherung keinen Erfolg haben, stehen Ihnen weitere Wege offen, um eine Klärung herbeizuführen. Eine oft genutzte Möglichkeit ist die Anrufung einer unabhängigen Schlichtungsstelle, wie zum Beispiel des Ombudsmanns für die private Kranken- und Pflegeversicherung. Diese Stellen versuchen, eine außergerichtliche Einigung zu vermitteln. In manchen Fällen kann eine Klärung der Leistungsfrage auch im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens notwendig werden.
Es ist ratsam, die Ablehnungsbegründung der Versicherung genau zu prüfen und Ihre eigenen Versicherungsbedingungen zur Hand zu haben. Das Sammeln aller relevanten medizinischen Dokumente kann ebenfalls sehr hilfreich sein, um die Sachlage aus Ihrer Sicht darzulegen.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – Fragen Sie unverbindlich unsere Ersteinschätzung an.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Wahlleistungsvereinbarung
Eine Wahlleistungsvereinbarung ist ein Vertrag zwischen Patient und Krankenhaus, der zusätzliche Leistungen regelt, die über die medizinisch notwendige Standardversorgung hinausgehen, wie etwa die persönliche Behandlung durch den Chefarzt oder eine Unterkunft im Einbettzimmer. Nach § 17 Absatz 2 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntG) muss der Patient vor Abschluss schriftlich und umfassend über Art und Kosten dieser Leistungen informiert werden, damit die Vereinbarung wirksam ist. Nur eine wirksame Wahlleistungsvereinbarung bildet die Grundlage dafür, dass die private Krankenversicherung die Kosten übernimmt. Fehlt die korrekte schriftliche Information oder Form, kann die Vereinbarung unwirksam sein, was zur Folge hat, dass der Patient keinen Erstattungsanspruch gegen die Versicherung hat.
Beispiel: Wenn Sie sich im Krankenhaus dafür entscheiden, vom Chefarzt behandelt zu werden, muss Ihnen das Krankenhaus vorab schriftlich mitteilen, welche Kosten dafür anfallen, und Sie müssen dem schriftlich zustimmen.
Medizinische Notwendigkeit
Medizinische Notwendigkeit beschreibt, ob eine Behandlung objektiv erforderlich ist, um eine Krankheit zu heilen, zu lindern oder eine Verschlimmerung zu verhindern. Nach § 192 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) und den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (MB/KK) der privaten Krankenversicherung darf nur eine solche Behandlung erstattet werden. Die Beurteilung basiert auf wissenschaftlich anerkannten medizinischen Standards und nicht auf Wünschen oder subjektiven Einschätzungen. Die Versicherung prüft dazu medizinische Unterlagen und Gutachten, um zu entscheiden, ob die durchgeführte Leistung tatsächlich notwendig war.
Beispiel: Eine aufwendige Psychotherapie nach anerkannten Leitlinien ist medizinisch notwendig, wenn sie zur Behandlung einer Depression dient, während ein Comfort-Einzelzimmer keine medizinische Notwendigkeit darstellt.
Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ)
Die GOÄ ist ein verbindliches Regelwerk, das festlegt, wie Ärzte ihre Leistungen gegenüber Privatpatienten und bei Wahlleistungen im Krankenhaus abrechnen dürfen. Sie enthält verbindliche Ziffern für einzelne ärztliche Leistungen mit Punktzahlen und erlaubt die Berechnung eines Steigerungsfaktors zwischen 1,0 und 2,3 (in Ausnahmefällen bis 3,5), der höhere Schwierigkeitsgrade oder besonderen Aufwand berücksichtigt. Fehler bei der GOÄ-Abrechnung, wie falsche Steigerungsfaktoren, nicht erbrachte Leistungen oder unzureichende Dokumentation, können zur Kürzung oder Ablehnung der Kostenübernahme durch die Versicherung führen.
Beispiel: Wenn ein Arzt eine 50-minütige Psychotherapie-Sitzung abrechnet, muss die Ziffer 861 GOÄ korrekt angewandt und der Steigerungsfaktor nachvollziehbar begründet sein.
Persönliche Leistungserbringung
Persönliche Leistungserbringung bedeutet, dass der Arzt, der eine spezielle Wahlleistung in Rechnung stellt (etwa der Chefarzt), die betreffende Behandlung entweder selbst durchführt oder unmittelbar anweist und überwacht. Dies ist insbesondere bei Wahlleistungsvereinbarungen wichtig, damit die Kosten als über die allgemeine Krankenhausleistung hinausgehend anerkannt werden. Gemäß § 4 Abs. 2 GOÄ und der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) muss der Arzt seine „Kernleistung“ persönlich prägen, damit die Leistung abrechenbar und erstattungsfähig ist.
Beispiel: Ein Chefarzt darf nur für jene Therapiesitzungen abrechnen, die er persönlich durchführt oder die er aktiv kontrolliert und steuert – nicht für Sitzungen, die ein anderer Arzt ohne seine Anleitung durchgeführt hat.
Strenge Beweisanforderungen (§ 286 ZPO)
§ 286 der Zivilprozessordnung (ZPO) regelt die Beweiswürdigung im Zivilprozess und verlangt, dass Tatsachen, die für den Anspruch wesentlich sind, durch überzeugende und konkrete Beweise belegt werden müssen. Eine bloße Erinnerung oder Mutmaßung genügt nicht. Im Fall der Wahlleistungsvereinbarung verlangt das Gericht daher einen klaren Nachweis, dass der Patient vorab schriftlich und inhaltlich ordnungsgemäß über die Wahlleistungen informiert wurde. Ohne solchen Beweis wird die Erklärung für unwirksam gehalten, was die Erstattungsansprüche der Patientin ausschloss.
Beispiel: Wenn Sie sich darauf verlassen, eine Angebots- oder Informationsschrift unterschrieben zu haben, dies aber nicht beweisen können, reicht das Gericht diese Behauptung nicht als Beweis für die Wirksamkeit der Vereinbarung an.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 17 Absatz 2 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntG): Regelt die Pflicht des Krankenhauses, den Patienten vor Abschluss einer Wahlleistungsvereinbarung schriftlich und umfassend über Art, Inhalt und Kosten der Wahlleistungen aufzuklären, um unerwartete finanzielle Belastungen zu vermeiden. Diese Vorschrift soll den Schutz des Patienten gewährleisten und begründet formale Wirksamkeitsvoraussetzungen für solche Vereinbarungen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die fehlende oder unzureichende schriftliche Aufklärung bei der Wahlleistungsvereinbarung des ersten Behandlungszeitraums führte zur Unwirksamkeit der Vereinbarung und somit zum Ausschluss von Erstattungsansprüchen für wahlärztliche Leistungen in diesem Zeitraum.
- Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ), insbesondere §§ 4 Abs. 2, 5 Abs. 5 und die einschlägigen GOÄ-Ziffern (z. B. 45, 801, 804, 849, 861, 865): Regelt die Abrechnung ärztlicher Leistungen außerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung, einschließlich der Anforderungen an persönliche Leistungserbringung, Steigerungsfaktoren und Mindestanforderungen wie Sitzungsdauer. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die korrekte Abrechnung und persönliche Leistungserbringung nach GOÄ sind entscheidend für die Erstattungsfähigkeit der wahlärztlichen Leistungen im zweiten Behandlungszeitraum; formale Mängel oder Nichterfüllung der Mindestdauer führten zu Nichtanerkennung bestimmter Leistungen.
- § 192 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) (medizinische Notwendigkeit): Definiert die medizinische Notwendigkeit als objektiven Maßstab für die Erstattungspflicht der Versicherung, wobei Leistungen nur erstattet werden, wenn sie zur Heilung, Linderung oder Verhinderung der Verschlimmerung einer Krankheit objektiv erforderlich sind. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die private Krankenversicherung konnte die Erstattung bestimmter Leistungen im zweiten Behandlungszeitraum teilweise verweigern, weil sie deren medizinische Notwendigkeit bestritten hatte; das Gericht bestätigte jedoch den objektiven Bedarf insbesondere für Kernleistungen und multiprofessionelle Behandlungsschritte.
- § 286 Zivilprozessordnung (ZPO): Regelt die Beweisaufnahme im Zivilprozess, insbesondere die Anforderungen an die Beweiswürdigung bei Zeugenaussagen und Behauptungen. Der Vortrag muss den strengen Anforderungen genügen, um den Beweis zu erbringen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht wertete die Behauptungen der Patientin, sie habe die schriftliche Information zur Wahlleistungsvereinbarung des ersten Zeitraums erhalten, als bloße Mutmaßung und sah dadurch die Beweislast nicht erfüllt, was zur Unwirksamkeit der Vereinbarung führte.
- § 139 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB): Bestimmt, dass bei der Unwirksamkeit eines Vertragsbestandteils das gesamte Rechtsgeschäft nichtig ist, sofern anzunehmen ist, dass der Vertrag ohne diesen Teil nicht abgeschlossen worden wäre. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Unwirksamkeit der Wahlleistungsvereinbarung führte dazu, dass sämtliche wahlärztlichen Leistungen im ersten Behandlungszeitraum als allgemeine Krankenhausleistungen zu betrachten waren, wodurch kein separater Vergütungsanspruch entstand.
- Allgemeine Versicherungsbedingungen für die private Krankenversicherung (MB/KK) 2009, insbesondere Bestimmungen zur medizinischen Notwendigkeit: Enthalten objektive Kriterien, wann eine Leistung als medizinisch notwendig gilt und von der Versicherung zu erstatten ist. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Versicherung berief sich auf diese Bedingungen, um bestimmte Leistungen im zweiten Behandlungszeitraum nicht oder nur teilweise zu erstatten; das Gericht prüfte und bestätigte die medizinische Notwendigkeit nach diesen Maßstäben für wesentliche Leistungen, aber lehnte nicht medizinisch erforderliche oder formell mangelhafte Leistungen ab.
Das vorliegende Urteil
OLG Stuttgart – Az.: 7 U 62/16 – Urteil vom 22.03.2018
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