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Eintrittspflicht einer Betriebshaftpflichtversicherung für Umweltschäden

OLG Jena – Az.: 4 U 787/10 – Beschluss vom 03.02.2011

Der Senat weist darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgericht Gera vom 17.08.2010 – Aktenzeichen 3 O 1192/09 – einstimmig durch Beschluss zurückzuweisen.

Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 24. Februar 2011.

Gründe

Die Berufung der Klägerin hat nach einstimmiger Auffassung des Senats keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung und erfordert keine Entscheidung des Senats im Urteilsverfahren zur  Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, § 522 Abs. 2 Nr. 1 – 3 ZPO.

Die Klägerin macht Ansprüche aus einer bei der Beklagten abgeschlossenen Haftpflichtversicherung aus folgendem Schadensereignis geltend.

Am 09.01.2009 befüllte ein Mitarbeiter der Klägerin auf deren Betriebsgelände ein Reinigungsgerät mit Heizöl, das sich auf dem Grundstück der Klägerin in einem 1000 Liter fassenden Vorratstank befand. Dabei löste sich der dazu benutzte Schlauch, was dazu führte, dass durch einen Bodeneinlauf des Fußbodens Öl in die Kanalisation gelangte, weil die zum Transport des Heizöls benutzte Pumpe zunächst weiter lief. Der Klägerin sind durch die Beseitigung und Entsorgung des Öls sowie die Reinigung der Kanalisation Aufwendungen in Höhe von insgesamt 13.729,51 EUR entstanden, die sie mit der Klage ersetzt verlangt.

Das Landgericht hat die Klageabweisung im Wesentlichen damit begründet, dass die Beklagte sich auf den Haftungsausschluss gemäß Ziffer 7.10 AHB H 2006 berufen könne. Auch aus den weiteren Vereinbarungen der Parteien, insbesondere aus Buchstabe D der Anlage HAN 2006 ergebe sich keine Leistungspflicht der Beklagten.

Mit der Berufung macht die Klägerin vor allem geltend, dass sich eine Haftung aus Ziffer 12.2 der HAN 2006 ergebe. Der zu entscheidende Versicherungsfall unterfalle genau dieser Klausel. Hier sei eine Schädigung an der Kanalisation durch eintretendes Öl erfolgt.

Des Weiteren gelte Ziffer 14 HAN 2006. Diese ordne eine Geltung der Ziffer 4 AHB an, der in diesem Zusammenhang ohne die Einschränkungen der Ziffer 7.10 AHB H 2006 gelte.

Auch der Haftungsausschluss nach Nummer 7.10 AHB H 2006 bestehe nicht. Denn es handele sich gerade nicht um Schäden, die nach Abschluss der Arbeiten entstanden seien. Vielmehr sei der Austritt des Heizöls während der Reinigung von Arbeitsgeräten erfolgt und stehe damit mit der Herstellung ihrer Produkte in Zusammenhang.

Die Haftung sei auch nicht nach Ziffer 4 AHB H 2006 ausgeschlossen. Die Versehensklausel gelte. Der Einbau des Heiztanks sei erst nach Abschluss des Versicherungsvertrages erfolgt. Eine Aufforderung zur Meldung der Gefahrerhöhung sei bis zum Schadenseintritt nicht erfolgt.

Schließlich ist die Klägerin der Auffassung, dass eine Eintrittspflicht gemäß Nummer 1.9 sowie 1.1 der HAN 2006 bestünde.

Diese Berufungsangriffe rechtfertigen eine andere rechtliche Beurteilung des Sachverhalts, als erstinstanzlich vorgenommen, nicht.

Der Klägerin steht kein Anspruch auf die begehrte Leistung aus Ziffern 5,6 AHB H 2006 der bei der Beklagten abgeschlossenen Haftpflichtversicherung zu.

Die Umweltklausel Ziffer 7.10 AHB H 2006 schließt in der hier vereinbarten Fassung alle Schäden durch Umwelteinwirkung und ihre Folgeschäden im gewerblich / industriellen Bereich von der Versicherung aus. Man spricht in diesem Zusammenhang von der „Nullstellung des Umwelthaftpflichtrisikos“ in der allgemeinen Haftpflichtversicherung; das gilt mit Ausnahme der privaten Haftpflichtversicherung für alle Verträge, die auf den AHB basieren (Rüffer, Halbach, Schimikowski, VVG, AHB Ziffer 7 Rn. 54).

Hier ist der Schaden durch eine Umwelteinwirkung eingetreten.

Ein Schaden tritt dann durch eine Umwelteinwirkung ein, wenn sich Stoffe, Erschütterungen, Geräusche, Druck, Strahlen, Gase, Dämpfe, Wärme oder sonstige Erscheinungen in Boden, Luft oder Wasser ausgebreitet haben. Diese Auslegung ist am Wortlaut des § 3 Abs. 1 Umwelthaftpflichtgesetz orientiert. Danach werden die Voraussetzungen des Ausschlusstatbestandes als erfüllt anzusehen sein, wenn entweder die Umwelt geschädigt ist oder ein Umweltmedium – Boden, Luft oder Wasser- an der Schadensentstehung mitgewirkt hat (Rüffer, Hallbach, Schimikowski, a. a. O., Rn. 55 m. w. N.). Aufgrund der gebotenen engen Auslegung gehört dazu nicht jeder Schaden, der durch die Umwelt vermittelt wird. Erfasst sind vom Ausschlusstatbestand aber Schäden, die sich in der Umwelt ausgebreitet haben ( Prölss/Martin, VVG 28. Aufl., AHB 2008 Nr. 7 Rn 104). Hier hat sich das Öl dadurch, dass es in die Kanalisation gelangt ist, in der Umwelt ausgebreitet. Gleichzeitig hat das Umweltmedium Wasser an der Schadensentstehung mitgewirkt.

Es liegt auch kein Ausnahmefall nach Ziffer 7.10 Abs. 2 AHB H 2006 vor, nach der der Ausschluss der Haftung für das sogenannte Umweltprodukt-Haftpflichtrisiko nicht gilt.

Diese Regelung bewirkt, dass die vom Versicherungsnehmer hergestellten oder gelieferten Erzeugnisse der Betriebshaftpflichtversicherung zugeordnet werden, und zwar unabhängig davon, ob es sich um Haftpflichtansprüche wegen Umwelteinwirkung handelt oder nicht ( Vogel/Stockmeier, Umwelthaftpflichtversicherung, Umweltschadensversicherung, 2. Aufl., UHV, 2. Teil B, Rn 128 ) . Hier ist der Schaden aber durch auf dem Betriebsgelände ausgelaufenes Öl und nicht durch ein vom Versicherungsnehmer, der Klägerin, hergestelltes oder geliefertes Produkt eingetreten. Soweit Ziffer 7.10 Abs. 2 AHB H 2006 den Zusatz enthält, dass der Haftungsausschluss auch entfällt, wenn der Schaden durch Arbeiten oder sonstige Leistungen nach Ausführung der Leistung oder nach Abschluss der Arbeiten entsteht, bedeutet diese Erweiterung nur eine Klarstellung, die Streitigkeiten darüber vorbeugen soll, ob ein Schaden nur auf einen Produktmangel oder produktbezogene Leistungen zurückzuführen ist. ( Vogel/Stockmeier, aaO, Rn 136 ). Sie erweitert den Haftungsausschluss nicht generell auf alle zum Betrieb des Versicherungsnehmers gehörenden Tätigkeiten.

Der Klägerin steht auch kein Anspruch aus Teil D Ziffer 1 HAN 2006 zu.

Wie bereits das Landgericht in seiner Urteilsbegründung zutreffend ausgeführt hat, sind zwar durch Buchstabe D Ziffer 1 der Anlage HAN 2006 Schäden durch Umwelteinwirkungen versichert, womit diese Versicherung auf dem Deckungsausschluss der Betriebshaftpflicht aufbaut ( van Bühren, Handbuch Versicherungsrecht, 4. Aufl., § 24 Rn 2 ). Allerdings deckt die Umwelthaftpflichtbasisversicherung nur Schäden durch Umwelteinwirkungen, wenn diese nicht von Anlagen oder Tätigkeiten ausgehen, die unter Teil D Ziffer 2 HAN 2006 fallen. Dass dies der Fall ist, hat das Landgericht im erstinstanzlichen Urteil zutreffend festgestellt. Es hat ausgeführt, dass es sich bei dem Öltank um eine Anlage im Sinne von Teil D Ziffer 2.1 HAN 2006 handelt, da dieser zur Lagerung gewässerschädlicher Stoffe dient, und dass das Risiko gemäß Ziffer 3.1 auch nicht abweichend von Ziffer 2.1 mitversichert ist, weil vom Versicherungsschutz lediglich Schäden durch Umwelteinwirkung aus der Lagerung in sogenannten Kleingebinden mit einem maximalen Einzelfassungsvermögen von 240 l erfasst sind. Der streitgegenständliche Tank hat ein Fassungsvermögen von 1.000 l.

Entgegen der Ansicht der Klägerin ergibt sich ein Anspruch auf Versicherungsleistungen auch nicht aus Teil B Ziffer 12.2 HAN 2006.

Zwar handelt es sich insoweit um besondere Bedingungen für die Betriebshaftpflichtversicherung, die einen Versicherungsschutz abweichend von Ziffer Ziffer 7.10 AHB begründen. Auch ist entgegen der Ansicht der Beklagten davon auszugehen, dass diese Bedingungen Vertragsbestandteil geworden sind, da der Versicherungsschein als Vertragsgrundlage die gesamte Anlage HAN 2006 nennt. Eine Einschränkung dahingehend, dass nur gewisse Teile dieser Anlage Vertragsbestandteil geworden sind, lässt sich dem Versicherungsschein nicht entnehmen. Allerdings erfassen diese Versicherungsbedingungen den Schadensfall nicht. Insbesondere liegt entgegen der Ansicht der Klägerin kein Leitungsschaden im Sinne der Ziffer 12.2 vor. Nach dieser Norm erstreckt sich der Versicherungsschutz auf Schäden an Erdleitungen (Kabel, unterirdische Kanäle, Wasserleitungen, Gasrohre und andere Leitungen) und alle sich daraus ergebende Vermögensschäden. Hier hat der Mitarbeiter der Klägerin aber keine Leitung beschädigt. Geschützt ist nämlich nur die unmittelbare Beschädigung der Leitungen. Eine mittelbare Beschädigung durch Einleiten verschmutzten Wassers ist vom Versicherungsschutz nicht umfasst. Ein solch weitgehender Schutz lässt sich dem Wortlaut nicht entnehmen.

Es kommt auch kein Versicherungsschutz nach Teil B Ziffer 12.3 der HAN 2006 in Betracht. Dieser greift nur ein bei Tätigkeiten außerhalb der Betriebsstätte. Da hier die schadensauslösende Tätigkeit innerhalb der Betriebsstätte ausgeführt wurde, kann eine weitere Prüfung der Voraussetzungen unterbleiben.

Ein Anspruch ergibt sich auch nicht aus Teil B Ziffer 14 der HAN 2006. Soweit diese Klausel den Versicherungsschutz in den Grenzen der Ziffer 4 AHB auch auf versehentlich nicht gemeldete, nach Beginn der Versicherung entstehende neue Risiken erstreckt, führt diese Klausel nicht dazu, dass Deckungsschutz auch für Schadensfälle besteht, die nicht von den einschlägigen Versicherungsbedingungen erfasst werden bzw. für die eine Haftung ausgeschlossen ist. Da es lediglich um die Erweiterung des Versicherungsvertrages und nicht um ein neues Risiko geht, gelten die Ausschlusstatbestände des bisherigen Versicherungsvertrages ( Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, § 26 Rn 21). Dies bedeutet, dass der Haftungsausschluss nach Ziffer 7.10 AHB H 2006 ebenso eingreift, wie die Regelungen in Abschnitt D Ziffer 3. 1 Abs. 1 und Abs. 2 HAN 2006, die eine Geltung der Ziffer 4 AHB H 2006 und damit die Versicherung neuer Risiken ausdrücklich ausschließen.

Schließlich besteht eine Ersatzpflicht der Beklagten auch nicht gemäß Teil B Ziffer 1.1  und 1.9 HAN 2006. Abgesehen davon, dass die Klägerin keine Tankstelle betreibt, verdrängen diese Bedingungen die Allgemeinen Bedingungen und damit den Ausschluss der Haftung für Schäden durch Umwelteinwirkung nur dort, wo es ausdrücklich bestimmt ist, wie zum Beispiel in Ziffer 12. Dass die Besonderen Bedingungen Schäden durch Umwelteinwirkungen nicht generell einschließen, ergibt sich zudem aus der Einleitung zu Teil D, die auszugsweise wie folgt lautet: „Sind bereits nach Vertragsteil B Schäden durch Umwelteinwirkung- abweichend von Ziffer 7.10 AHB- eingeschlossen, gilt dieser Vertragsteil nicht.“

Da somit die Berufung im Ergebnis erfolglos bleiben wird, rät der Senat der Klägerin, ihr aussichtsloses Rechtsmittel innerhalb der Erklärungsfrist zurückzunehmen. Auf die mit einer Rücknahme einhergehende Kostenersparnis (KV 1222 Anlage 1 GKG) wird hingewiesen.

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