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Eintritt Pflegebedürftigkeit bei der Pflegetagegeldversicherung

Ein bahnbrechendes Urteil des Landgerichts Krefeld sorgt für Aufsehen: Ein Vater erhält Pflegetagegeld für seinen ADHS-erkrankten Sohn, da das Gericht die ADHS-Diagnose als ausreichend für den Pflegebedarf anerkennt. Die private Versicherung muss zahlen, da der medizinische Dienst die Pflegebedürftigkeit des Kindes festgestellt hatte. Dieses Urteil könnte wegweisend für viele Familien mit ADHS-Kindern sein und ihnen neue Ansprüche auf finanzielle Unterstützung eröffnen.

Das Wichtigste: Kurz & knapp

  • Der Fall behandelt die Klage eines Vaters gegen eine private Kranken- und Pflegetagegeldversicherung hinsichtlich der Anerkennung der Pflegebedürftigkeit seines Sohnes aufgrund von ADHS.
  • Der Sohn des Klägers wurde mit Pflegegrad III eingestuft, was ihn nach den Richtlinien als pflegebedürftig gelten lässt und zu entsprechenden Leistungsansprüchen führt.
  • Die Versicherungsträgerin verweigerte die Zahlung des Pflegetagegeldes mit der Begründung, dass nicht alle erforderlichen Informationen vorgelegt wurden und eine ADHS-Diagnose in der Regel keine Pflegebedürftigkeit auslöse.
  • Das Gericht entschied zugunsten des Klägers und verurteilte die Beklagte zur Zahlung von rückständigen Pflegegeldern sowie zur zukünftigen monatlichen Auszahlung.
  • Die Entscheidung des Gerichts basiert auf der Feststellung, dass die Pflegebedürftigkeit des Sohnes durch ein Gutachten des medizinischen Dienstes nachgewiesen wurde und somit die Versicherungsbedingungen erfüllt sind.
  • Das Urteil hat zur Folge, dass die Versicherung nun verpflichtet ist, die Pflegegelder zu zahlen, was finanzielle Unterstützung für die Familie bedeutet.
  • Der Fall verdeutlicht die rechtlichen Herausforderungen, die bei der Anerkennung von Pflegebedürftigkeit aufgrund von psychischen Erkrankungen auftreten können.
  • Die Entscheidung könnte auch Auswirkungen auf ähnliche Fälle haben, in denen ADHS als Grund für Pflegebedürftigkeit geltend gemacht wird.
  • Eltern von Betroffenen sollten sich bewusst sein, dass trotz ähnlicher Diagnosen individuelle Nachweise erforderlich sind, um Ansprüche auf Pflegeleistungen geltend zu machen.
  • Das Urteil hebt die Bedeutung von medizinischen Gutachten hervor, die als entscheidend für die Einstufung der Pflegebedürftigkeit angesehen werden.

Gerichtsurteil zur Pflegetagegeldversicherung: Bedeutung und Auswirkungen der Pflegebedürftigkeit

Die Pflegebedürftigkeit stellt für viele Menschen eine große Herausforderung dar, sowohl emotional als auch finanziell. Mit dem demografischen Wandel und der steigenden Langlebigkeit der Bevölkerung gewinnt das Thema zunehmend an Bedeutung. Eine Pflegetagegeldversicherung kann hier eine wichtige Rolle spielen, indem sie finanzielle Absicherung bietet, sobald die Pflegebedürftigkeit eintritt. Diese Versicherung unterstützt nicht nur bei den hohen Pflegekosten, die in der Regel mit der Inanspruchnahme von Pflegeleistungen verbunden sind, sondern auch bei der selbstständigen Pflege durch Angehörige, was vielen Betroffenen ein familiäres und vertrautes Umfeld ermöglicht.

Die Einstufung in Pflegestufen basiert auf den individuellen Voraussetzungen der Pflegebedürftigkeit und bezieht sich auf die körperlichen, geistigen und seelischen Einschränkungen der Betroffenen. Der Leistungsumfang der Pflegeversicherung enthält neben der finanziellen Unterstützung auch Beratungsangebote, die es Betroffenen und ihren Angehörigen erleichtern, im komplexen System der Pflegeleistungen den Überblick zu behalten und geeignete Hilfsmittel zu finden. Angesichts der Relevanz dieser Themen ist es unerlässlich zu verstehen, welche Aspekte bei einer Pflegetagegeldversicherung zu beachten sind und welche gesetzlichen Regelungen hierfür maßgeblich sind.

Im folgenden Abschnitt wird ein aktueller Gerichtsurteil vorgestellt, der wichtige Einblicke in die Thematik bietet und zeigt, wie der Eintritt der Pflegebedürftigkeit in der Praxis behandelt wird.

Der Fall vor Gericht


ADHS-Diagnose führt zu Pflegetagegeld: Versicherer zur Leistung verpflichtet

Pflegetagegeldversicherung im Falle von ADHS
Das Urteil des Landgerichts Krefeld bestätigt, dass eine ADHS-Diagnose bei Kindern zu einer Einstufung in einen Pflegegrad und damit zu Leistungsansprüchen bei privaten Pflegetagegeldversicherungen führen kann. (Symbolfoto: Ideogram gen.)

Das Landgericht Krefeld hat in einem wegweisenden Urteil entschieden, dass ein Versicherungsunternehmen einem Vater Pflegetagegeld für seinen Sohn zahlen muss, der aufgrund einer ADHS-Erkrankung als pflegebedürftig eingestuft wurde. Der Kläger, dessen Sohn im Jahr 2016 geboren wurde, hatte eine private Kranken- und Pflegetagegeldversicherung abgeschlossen, die auch seinen Sohn einschloss.

Feststellung der Pflegebedürftigkeit und Leistungsanspruch

Im Juni 2021 stellte der medizinische Dienst Nordrhein für den Sohn des Klägers den Pflegegrad III fest. Daraufhin sagte die B-Pflegekasse mit Bescheid vom 28.07.2021 Pflegeleistungen zu, darunter ein monatliches Pflegegeld von 545,00 € sowie einen Entlastungsbetrag von bis zu 125,00 € monatlich. Der Kläger beantragte daraufhin im August 2021 bei seiner privaten Versicherung ein tägliches Pflegetagegeld von 32,50 €.

Versicherungsbedingungen und Nachweispflicht

Die Versicherungsbedingungen sahen vor, dass für den Nachweis der Pflegebedürftigkeit ein für die soziale Pflegeversicherung erstelltes Gutachten sowie die Leistungszusage der Pflegeversicherung ausreichen. Diese Voraussetzungen waren durch das Gutachten des medizinischen Dienstes und die Leistungszusage der Pflegekasse erfüllt.

Gerichtliche Entscheidung und Begründung

Das Gericht gab der Klage weitgehend statt und verurteilte die Versicherung zur Zahlung des Pflegetagegeldes von 32,50 € täglich ab dem 01. August 2021 bis zum 31. März 2026. Die Richter begründeten ihre Entscheidung damit, dass die in den Versicherungsbedingungen festgelegte Regelung zum Nachweis der Pflegebedürftigkeit eine „im Ansatz unwiderlegliche Vermutung“ zulasten der Beklagten darstelle.

Bedeutung für Versicherte mit ADHS-Diagnose

Das Urteil verdeutlicht, dass eine ADHS-Diagnose unter bestimmten Umständen zu einer Einstufung als pflegebedürftig führen kann. Für betroffene Familien eröffnet dies möglicherweise Ansprüche auf finanzielle Unterstützung durch private Pflegeversicherungen. Allerdings ist zu beachten, dass das Gericht die Leistungspflicht auf den Zeitraum bis März 2026 begrenzte, da das Gutachten des medizinischen Dienstes die Pflegebedürftigkeit nur bis zu diesem Zeitpunkt festgestellt hatte.


Die Schlüsselerkenntnisse


Das Urteil stärkt die Position von Versicherten mit ADHS-Diagnose im Bereich der privaten Pflegeversicherung. Es etabliert, dass eine ADHS-Erkrankung unter bestimmten Umständen als Pflegebedürftigkeit anerkannt werden kann. Entscheidend ist, dass die Versicherung an die Feststellung der gesetzlichen Pflegeversicherung gebunden ist, wenn die Versicherungsbedingungen dies vorsehen. Dies schafft Rechtssicherheit für Betroffene und begrenzt den Spielraum der Versicherer bei der Leistungsverweigerung.


Was bedeutet das Urteil für Sie?

Für Eltern von Kindern mit ADHS eröffnet dieses Urteil neue Möglichkeiten der finanziellen Unterstützung. Wenn Ihr Kind aufgrund seiner ADHS-Diagnose als pflegebedürftig eingestuft wird, haben Sie nun bessere Chancen, Leistungen aus Ihrer privaten Pflegetagegeldversicherung zu erhalten. Entscheidend ist dabei das Gutachten des Medizinischen Dienstes und die Leistungszusage der gesetzlichen Pflegekasse. Legen Sie diese Dokumente Ihrer privaten Versicherung vor, muss sie in der Regel zahlen – auch wenn ADHS als Grund für die Pflegebedürftigkeit zunächst ungewöhnlich erscheint. Beachten Sie jedoch, dass die Leistungen zeitlich begrenzt sein können und regelmäßige Überprüfungen der Pflegebedürftigkeit stattfinden. Es lohnt sich also, den Pflegestatus Ihres Kindes im Auge zu behalten und bei Bedarf neu bewerten zu lassen.


FAQ – Häufige Fragen

Sie haben die Diagnose ADHS erhalten und fragen sich, ob eine Pflegetagegeldversicherung im Falle einer späteren Pflegebedürftigkeit sinnvoll ist? Unsere FAQ-Rubrik liefert Ihnen detaillierte Informationen und beantwortet wichtige Fragen rund um das Thema Pflegetagegeldversicherung bei ADHS.

Kann eine ADHS-Diagnose bei Kindern zu einer Einstufung als pflegebedürftig führen?

Eine ADHS-Diagnose bei Kindern kann in bestimmten Fällen zu einer Einstufung als pflegebedürftig führen. Die Pflegebedürftigkeit wird jedoch nicht allein aufgrund der Diagnose festgestellt, sondern hängt vom individuellen Unterstützungsbedarf des Kindes ab.

Voraussetzungen für eine Pflegebedürftigkeit bei ADHS

Für eine Einstufung als pflegebedürftig muss das Kind mit ADHS einen deutlich höheren Betreuungs- und Unterstützungsbedarf aufweisen als gleichaltrige gesunde Kinder. Entscheidend sind dabei folgende Faktoren:

  • Schweregrad der ADHS-Symptome: Je ausgeprägter die Symptome wie Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität sind, desto wahrscheinlicher ist eine Pflegebedürftigkeit.
  • Einschränkungen im Alltag: Wenn das Kind aufgrund der ADHS erhebliche Schwierigkeiten bei alltäglichen Aktivitäten wie Anziehen, Körperpflege oder Mahlzeiten hat, kann dies für eine Pflegebedürftigkeit sprechen.
  • Begleiterkrankungen: Liegen neben ADHS weitere psychische oder körperliche Beeinträchtigungen vor, erhöht dies die Chance auf eine Anerkennung der Pflegebedürftigkeit.

Beantragung und Begutachtung

Wenn Sie eine Pflegebedürftigkeit vermuten, können Sie einen Antrag bei der zuständigen Pflegekasse stellen. Ein Gutachter des Medizinischen Dienstes wird dann den Pflegebedarf Ihres Kindes beurteilen. Dabei werden verschiedene Lebensbereiche wie Mobilität, kognitive Fähigkeiten und Selbstversorgung berücksichtigt.

Mögliche Pflegegrade

Bei Kindern mit ADHS kommt in der Regel maximal Pflegegrad 1 oder 2 in Frage. Höhere Pflegegrade werden nur bei zusätzlichen schweren Beeinträchtigungen vergeben. Die Einstufung erfolgt durch einen Vergleich mit gleichaltrigen gesunden Kindern.

Bedeutung für Eltern

Wird eine Pflegebedürftigkeit festgestellt, haben Sie Anspruch auf verschiedene Leistungen der Pflegeversicherung. Dazu gehören beispielsweise Pflegegeld, Pflegesachleistungen oder Entlastungsbeträge. Diese können Ihnen im Alltag mit Ihrem Kind helfen und für finanzielle Entlastung sorgen.

Beachten Sie, dass die Anerkennung einer Pflegebedürftigkeit bei ADHS nicht selbstverständlich ist. Es lohnt sich jedoch, einen Antrag zu stellen, wenn Sie einen erhöhten Unterstützungsbedarf bei Ihrem Kind feststellen. Dokumentieren Sie den Pflegeaufwand sorgfältig, um Ihre Chancen auf eine positive Entscheidung zu erhöhen.


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Welche Leistungen können Eltern von der Pflegeversicherung erwarten, wenn ihr Kind mit ADHS als pflegebedürftig eingestuft wird?

Wenn Ihr Kind mit ADHS als pflegebedürftig eingestuft wird, haben Sie Anspruch auf verschiedene Leistungen der Pflegeversicherung. Die Höhe und Art der Leistungen hängen vom festgestellten Pflegegrad ab.

Pflegegeld

Bei häuslicher Pflege durch Angehörige können Sie monatliches Pflegegeld erhalten. Die Höhe beträgt je nach Pflegegrad:

  • Pflegegrad 2: 316 Euro
  • Pflegegrad 3: 545 Euro
  • Pflegegrad 4: 728 Euro
  • Pflegegrad 5: 901 Euro

Pflegesachleistungen

Alternativ zum Pflegegeld können Sie Pflegesachleistungen in Anspruch nehmen, wenn ein Pflegedienst die Versorgung übernimmt. Die monatlichen Höchstbeträge betragen:

  • Pflegegrad 2: 724 Euro
  • Pflegegrad 3: 1.363 Euro
  • Pflegegrad 4: 1.693 Euro
  • Pflegegrad 5: 2.095 Euro

Sie können Pflegegeld und Pflegesachleistungen auch kombinieren.

Entlastungsbetrag

Zusätzlich steht Ihnen ein monatlicher Entlastungsbetrag von 125 Euro zur Verfügung. Diesen können Sie für Betreuungsleistungen, hauswirtschaftliche Versorgung oder zur Entlastung pflegender Angehöriger einsetzen.

Verhinderungspflege

Wenn Sie als Hauptpflegeperson ausfallen, können Sie Verhinderungspflege für maximal 6 Wochen pro Jahr in Anspruch nehmen. Der Leistungsbetrag beläuft sich auf bis zu 1.612 Euro jährlich.

Kurzzeitpflege

Für eine vorübergehende stationäre Versorgung Ihres Kindes steht Ihnen Kurzzeitpflege zur Verfügung. Sie können bis zu 1.774 Euro pro Jahr für maximal 8 Wochen nutzen.

Pflegehilfsmittel

Die Pflegeversicherung übernimmt die Kosten für zum Verbrauch bestimmte Pflegehilfsmittel bis zu 40 Euro monatlich. Technische Pflegehilfsmittel werden in der Regel leihweise zur Verfügung gestellt.

Wohnumfeldverbesserende Maßnahmen

Für Umbaumaßnahmen, die die häusliche Pflege erleichtern, können Sie bis zu 4.000 Euro pro Maßnahme beantragen.

Beachten Sie, dass diese Leistungen sowohl von der gesetzlichen als auch von der privaten Pflegeversicherung in gleicher Höhe erbracht werden. Wenn Ihr Kind zusätzlich eine private Pflegetagegeldversicherung hat, können Sie daraus ergänzende finanzielle Leistungen erhalten. Diese werden unabhängig von den Leistungen der Pflegepflichtversicherung ausgezahlt und können frei verwendet werden.


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Wie läuft der Prozess der Pflegegradfeststellung bei Kindern mit ADHS ab?

Der Prozess der Pflegegradfeststellung bei Kindern mit ADHS beginnt mit der Antragstellung bei der zuständigen Pflegekasse. Als Eltern oder Erziehungsberechtigte können Sie diesen Antrag formlos stellen oder die von der Pflegekasse bereitgestellten Formulare nutzen.

Antragstellung und Vorbereitung

Nach Eingang Ihres Antrags beauftragt die Pflegekasse den Medizinischen Dienst (MD) mit der Begutachtung. Bereiten Sie sich auf diesen Termin sorgfältig vor, indem Sie:

  • Ein Pflegetagebuch führen, das den erhöhten Betreuungsaufwand dokumentiert
  • Ärztliche Diagnosen und Berichte zu ADHS und eventuellen Begleiterkrankungen sammeln
  • Medikationspläne und Informationen zu genutzten Hilfsmitteln bereithalten

Begutachtung durch den Medizinischen Dienst

Ein Gutachter des MD wird einen Hausbesuch durchführen, um die Pflegebedürftigkeit einzuschätzen. Bei Kindern mit ADHS ist es besonders wichtig, dass Sie als Eltern den tatsächlichen Unterstützungsbedarf im Alltag verdeutlichen. Der Gutachter beurteilt dabei sechs Lebensbereiche:

  1. Mobilität
  2. Kognitive und kommunikative Fähigkeiten
  3. Verhaltensweisen und psychische Problemlagen
  4. Selbstversorgung
  5. Bewältigung von krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen
  6. Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte

Bei Kindern mit ADHS sind besonders die Bereiche 2, 3, 5 und 6 relevant. Schildern Sie konkret, wie sich die ADHS-Symptome auf diese Bereiche auswirken.

Besonderheiten bei der Begutachtung von Kindern

Bei der Begutachtung von Kindern wird der altersgerechte Entwicklungsstand berücksichtigt. Der Gutachter vergleicht den Unterstützungsbedarf des Kindes mit ADHS mit dem eines gleichaltrigen gesunden Kindes. Kinder bis zum 18. Monat werden pauschal um einen Pflegegrad höher eingestuft.

Entscheidung und Bescheid

Nach der Begutachtung erstellt der MD ein Gutachten mit einer Empfehlung für einen Pflegegrad. Die Pflegekasse entscheidet auf Basis dieses Gutachtens über die Einstufung und teilt Ihnen das Ergebnis schriftlich mit.

Sollten Sie mit der Entscheidung nicht einverstanden sein, haben Sie die Möglichkeit, innerhalb eines Monats Widerspruch einzulegen. In diesem Fall wird eine erneute Begutachtung durchgeführt.

Beachten Sie, dass bei ADHS oft nur niedrige Pflegegrade (1 oder 2) festgestellt werden. Die Anerkennung hängt stark vom individuellen Unterstützungsbedarf ab und davon, wie gut Sie diesen im Begutachtungsprozess verdeutlichen können.


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Was bedeutet eine „unwiderlegliche Vermutung“ in den Versicherungsbedingungen für den Leistungsanspruch?

Eine unwiderlegliche Vermutung in Versicherungsbedingungen bedeutet, dass ein bestimmter Sachverhalt als gegeben angenommen wird, ohne dass Gegenteiliges bewiesen werden kann. Für den Leistungsanspruch hat dies weitreichende Konsequenzen:

Automatischer Leistungsanspruch

Wenn die in der Klausel genannten Voraussetzungen erfüllt sind, entsteht automatisch ein Anspruch auf die Versicherungsleistung. Der Versicherer kann diesen Anspruch nicht durch Vorlage von Gegenbeweisen abwehren.

Beweiserleichterung für Versicherte

Sie als Versicherter profitieren von einer erheblichen Beweiserleichterung. Sie müssen lediglich die in der Klausel genannten Bedingungen nachweisen, nicht aber den tatsächlichen Eintritt des versicherten Ereignisses.

Beispiel aus der Pflegetagegeldversicherung

Stellen Sie sich vor, Ihre Versicherungsbedingungen enthalten folgende Klausel: „Es wird unwiderlegbar vermutet, dass Pflegebedürftigkeit vorliegt, wenn ein Kind mindestens sechs Monate ununterbrochen die Pflegestufe 2 hat.“ In diesem Fall müssen Sie nur nachweisen, dass Ihr Kind seit sechs Monaten in Pflegestufe 2 eingestuft ist. Der Versicherer kann dann nicht argumentieren, dass tatsächlich keine Pflegebedürftigkeit vorliegt.

Rechtliche Grundlage

Die Zulässigkeit unwiderleglicher Vermutungen in Versicherungsbedingungen ergibt sich aus dem Grundsatz der Vertragsfreiheit (§ 311 BGB). Allerdings unterliegen sie der AGB-Kontrolle nach §§ 305 ff. BGB und dürfen den Versicherungsnehmer nicht unangemessen benachteiligen.

Abgrenzung zur widerleglichen Vermutung

Im Gegensatz zur unwiderleglichen Vermutung kann bei einer widerleglichen Vermutung der Versicherer Gegenbeweise vorbringen. Wenn Ihre Versicherungsbedingungen eine widerlegliche Vermutung enthalten, haben Sie zwar zunächst einen Vorteil bei der Beweisführung, der Versicherer kann aber versuchen, die Vermutung zu widerlegen.

Achten Sie bei Abschluss einer Versicherung genau auf solche Klauseln. Sie können Ihren Leistungsanspruch erheblich erleichtern oder erschweren.


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Wie können Eltern vorgehen, wenn die private Pflegeversicherung trotz Pflegegrad-Feststellung die Leistung verweigert?

Wenn die private Pflegeversicherung trotz festgestelltem Pflegegrad die Leistung verweigert, haben Eltern mehrere Möglichkeiten, ihre Rechte durchzusetzen:

Widerspruch einlegen

Legen Sie zunächst schriftlich Widerspruch gegen die Entscheidung der Pflegeversicherung ein. Dafür haben Sie in der Regel einen Monat Zeit ab Zugang des ablehnenden Bescheids. Begründen Sie den Widerspruch ausführlich und fügen Sie alle relevanten Unterlagen bei, die den Pflegebedarf Ihres Kindes belegen.

Ombudsmann einschalten

Führt der Widerspruch nicht zum Erfolg, können Sie sich an den Ombudsmann für die private Kranken- und Pflegeversicherung wenden. Dieses kostenlose Schlichtungsverfahren bietet eine außergerichtliche Möglichkeit zur Konfliktlösung. Der Ombudsmann prüft Ihren Fall unabhängig und kann eine Empfehlung aussprechen.

Klage vor dem Sozialgericht

Als letzte Option steht Ihnen der Klageweg vor dem Sozialgericht offen. Hier können Sie die Entscheidung der Pflegeversicherung gerichtlich überprüfen lassen. Beachten Sie, dass für Klagen in Angelegenheiten der privaten Pflegepflichtversicherung das Sozialgericht zuständig ist, nicht das Zivilgericht.

Dokumentation und Beweissicherung

Um Ihre Position zu stärken, sollten Sie:

  • Alle Kommunikation mit der Versicherung schriftlich führen oder protokollieren
  • Ärztliche Atteste und Gutachten sammeln, die den Pflegebedarf Ihres Kindes belegen
  • Ein Pflegetagebuch führen, in dem Sie den täglichen Pflegeaufwand detailliert dokumentieren

Überprüfung des Versicherungsvertrags

Prüfen Sie genau die Bedingungen Ihres Versicherungsvertrags. Manchmal gibt es Wartezeiten oder spezielle Voraussetzungen für den Leistungsbezug, die möglicherweise nicht erfüllt sind. Achten Sie auch auf mögliche Ausschlussklauseln.

Wenn Sie diese Schritte befolgen, erhöhen Sie Ihre Chancen, die zustehenden Leistungen der privaten Pflegeversicherung für Ihr Kind zu erhalten. Bleiben Sie hartnäckig und lassen Sie sich nicht entmutigen, wenn der erste Versuch nicht gleich zum Erfolg führt.


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Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

  • Pflegegrad: Der Pflegegrad ist ein Maß dafür, wie viel Hilfe eine pflegebedürftige Person im Alltag benötigt. Es gibt fünf Pflegegrade, wobei Grad I für geringe Beeinträchtigungen steht und Grad V für schwerste Beeinträchtigungen. Die Höhe des Pflegegeldes und der Umfang der Unterstützung durch die Pflegeversicherung richten sich nach dem festgestellten Pflegegrad. In diesem Fall wurde das Kind des Klägers mit ADHS in Pflegegrad III eingestuft, was eine erhebliche Beeinträchtigung der Selbstständigkeit bedeutet.
  • Pflegetagegeld: Das Pflegetagegeld ist eine Leistung aus einer privaten Pflegeversicherung, die täglich gezahlt wird, sobald eine Pflegebedürftigkeit vorliegt. Es soll dazu dienen, die zusätzlichen Kosten, die durch die Pflege entstehen, zu decken. Die Höhe des Pflegetagegelds ist in den Versicherungsbedingungen festgelegt und variiert je nach Pflegegrad und Vertragsbedingungen. Im vorliegenden Fall erhielt der Kläger für seinen Sohn ein Pflegetagegeld von 32,50 € täglich.
  • Medizinischer Dienst: Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) ist eine Institution, die im Auftrag der gesetzlichen Pflegekassen die Pflegebedürftigkeit von Versicherten begutachtet. Ein Gutachten des MDK dient als Grundlage für die Einstufung in einen Pflegegrad und die Bewilligung von Pflegeleistungen. Im Fall des Klägers wurde durch ein MDK-Gutachten die Pflegebedürftigkeit des ADHS-erkrankten Kindes festgestellt.
  • Pflegebedürftigkeit: Pflegebedürftigkeit bedeutet, dass eine Person aufgrund von Krankheit oder Behinderung dauerhaft auf Hilfe bei alltäglichen Verrichtungen angewiesen ist. Diese Hilfsbedürftigkeit kann körperliche, geistige oder seelische Gründe haben. Im vorliegenden Fall wurde die Pflegebedürftigkeit des Kindes aufgrund der ADHS-Erkrankung anerkannt, was zu Pflegeleistungen durch die private Pflegeversicherung führte.
  • Versicherungsbedingungen: Versicherungsbedingungen sind die vertraglichen Vereinbarungen, die die Rechte und Pflichten des Versicherten und der Versicherungsgesellschaft festlegen. Sie regeln etwa, unter welchen Voraussetzungen Leistungen erbracht werden, welche Nachweise erforderlich sind und wie hoch die Leistungen ausfallen. Im beschriebenen Fall legten die Versicherungsbedingungen fest, dass ein Gutachten des medizinischen Dienstes und eine Leistungszusage der gesetzlichen Pflegeversicherung als Nachweis der Pflegebedürftigkeit ausreichen.
  • Leistungszusage: Die Leistungszusage ist eine Bestätigung der Versicherung, dass sie bestimmte Leistungen erbringen wird, sobald die festgelegten Voraussetzungen erfüllt sind. Das bedeutet im Kontext der Pflegeversicherung, dass die Versicherung bestätigt, ab einem bestimmten Pflegegrad Pflegegeld oder Pflegetagegeld zu zahlen. Im Fall des Klägers erfolgte die Leistungszusage der B-Pflegekasse nach Feststellung des Pflegegrades III für das Kind.

Wichtige Rechtsgrundlagen


  • Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI): Das SGB XI regelt die Leistungen der sozialen Pflegeversicherung. Es umfasst alle Leistungen, die Menschen mit Pflegebedarf erhalten, um auch im Alter oder bei Krankheit ein selbstbestimmtes Leben führen zu können. Der Fall bezieht sich auf die Leistungen der sozialen Pflegeversicherung, da das Kind des Klägers einen Pflegegrad III aufgrund einer ADHS-Erkrankung erhalten hat.
  • § 14 SGB XI: Dieser Paragraf definiert die Voraussetzungen für die Gewährung von Pflegeleistungen. Um Pflegeleistungen zu erhalten, muss eine Person pflegebedürftig im Sinne des § 14 SGB XI sein. Dies bedeutet, dass sie aufgrund einer Krankheit, Behinderung oder altersbedingten Schwäche Hilfe benötigt, um die grundlegenden Bedürfnisse des täglichen Lebens zu bewältigen. In diesem Fall ist die Pflegebedürftigkeit des Kindes durch den medizinischen Dienst festgestellt worden, was die Voraussetzungen für die Gewährung von Pflegeleistungen erfüllt.
  • § 36 SGB XI: Dieser Paragraf regelt die Höhe des Pflegegeldes. Das Pflegegeld wird in Abhängigkeit vom Pflegegrad und der benötigten Pflegezeit gewährt. Der Pflegegrad III, den das Kind des Klägers erhalten hat, hat einen bestimmten Geldbetrag zur Folge.
  • Versicherungsbedingungen der privaten Kranken- und Pflegetagegeldversicherung: Die Versicherungsbedingungen der privaten Versicherung legen die Leistungen und Bedingungen fest, unter denen die Versicherung Leistungen erbringt. In diesem Fall ist die Frage, ob die Leistungen der privaten Versicherung an die Leistungen der sozialen Pflegeversicherung gekoppelt sind, und ob die Höhe des Pflegetagegeldes in der privaten Versicherung vom Pflegegrad abhängt.
  • § 6 (2) der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die ergänzende Pflegekrankenversicherung: Dieser Paragraph regelt die Nachweise, die ein Versicherter im Falle eines Leistungsantrags erbringen muss. Die Beklagte in diesem Fall möchte weitere Informationen und Dokumente vom Kläger, um die Pflegebedürftigkeit des Sohnes zu überprüfen und die Leistungspflicht zu begründen.

Das vorliegende Urteil

LG Krefeld – Az.: 2 O 260/22 – Urteil vom 08.05.2024


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