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Einbruchdiebstahl – Nachweis des äußeren Bildes eines Einbruchs

LG Münster – Az.: 115 O 109/17 – Urteil vom 17.12.2018

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt mit der vorliegenden Klage Leistungen aus einer bei dem Beklagten unterhaltenen Firmen-Sachversicherung nach einem behaupteten Einbruchdiebstahl.

Die Klägerin war Betreiberin eines Vodafone-Shops unter der Anschrift C-Straße .. in … P. Der Shop wurde von der Klägerin zum 01.02.2016 eröffnet und zum 01.12.2016 aufgegeben bzw. übernommen. Die von der Klägerin hierfür angemieteten Räumlichkeiten befanden sich in einem Einkaufscenter der Firma L1.

Für den Zeitraum vom 08.07.2016 bis zum 01.12.2016 bestand für die Klägerin bei dem Beklagten unter der Versicherungsschein-Nr. 92.456……. eine Geschäftsinhaltsversicherung für den vorgenannten Vodafone-Shop. Die Versicherungssumme zum Neuwert betrug 25.000,00 EUR. Dem Vertrag lagen die Allgemeinen Bedingungen für die Verbundene Sach-Gewerbeversicherung (VSG 2008) zugrunde (vgl. Anl. B 1, Bl. 33 ff. d.A.). Wegen weiterer Einzelheiten zum Inhalt des Vertrags wird auf den als Anl. K 1 zur Gerichtsakte gereichten Antrag vom 17.07.2017 (Anl. K 1, Anlagenband) Bezug genommen. Wegen Risikofortfalls wurde die Versicherung zum 01.12.2016 aufgehoben.

Am 01.08.2016 meldeten die damaligen Mitarbeiter der Klägerin, die als Zeugen benannten T und X1, bei der Polizeidienststelle Recklinghausen einen Einbruchdiebstahl in die Räumlichkeiten des o.g. Vodafone-Shops. Die vor Ort erschienenen Polizei- und Kriminalpolizeibeamten stellten fest, dass der rechte Flügel eines Fensters in dem nach hinten zur T-Straße gelegenen Mitarbeiterraum offen stand. Der Fenstergriff befand sich in waagerechter, d.h. geöffneter Stellung. Die äußere Scheibe des über eine Doppelverglasung verfügenden Fensters war gesprungen, die innere Scheibe war hingegen intakt. Im Inneren des Raumes lag ein faustgroßer Stein auf dem Fußboden; auf der Fensterbank unterhalb des Fensters und dem Fußboden lagen Glasscherben. Die Türen der im Raum befindlichen Mitarbeiter-Spinde waren geöffnet, ein in der Ecke auf einem Tisch stehender Karton war offensichtlich durchwühlt worden. Unter dem Tisch lagen diverse Gegenstände verstreut. In einem weiteren Büroraum im hinteren Bereich des Ladenlokals waren Schubladen und Türen der Büromöbel geöffnet. Im Lagerraum fanden die Beamten die doppelflügeligen Türen der dort befindlichen drei Stahlschränke ebenfalls geöffnet vor.

Hebelspuren vermochten die Beamten trotz entsprechender Suche weder an dem offenstehenden Fenster noch an anderen Fenstern des betroffenen Mitarbeiterraums festzustellen.

In der Strafanzeige vom 01.08.2016 heißt es auf S. 6 unter „Vermutlicher Tathergang“ wie folgt:

Einbruchdiebstahl - Nachweis des äußeren Bildes eines Einbruchs
(Symbolfoto: Von Brian A Jackson/Shutterstock.com)

„Im Tatzeitraum begaben sich unbekannte Täter über die T-Straße zu einem an der Nebenseite des Einkaufscenters befindlichen Fensters, welches zu den Mitarbeiterräumen des Vodafone-Shops gehört. Vermutlich versuchten sie hier mit einem Stein die Scheibe einzuwerfen, was jedoch misslang, da nur eine der beiden Schreiben der Doppelverglasung zerbrach.

Unklar bleibt weshalb sich dennoch der vermutliche Wurfstein im Inneren des Raumes befindet und der Fenstergriff in waagerechter, geöffneter Stellung vorgefunden wurde.

Wie der oder die Täter das Fenster öffneten um in die Räume zu gelangen kann nicht schlüssig nachvollzogen werden.

In die Räumlichkeiten gelangt, durchsuchten sie diese und die darin befindlichen Behältnisse nach Wertsachen. Aus den Räumlichkeiten wurden ein Laptop diverse Handys/Tablets und Bargeld in Höhe von ca. 1071,67 Euro entwendet.

Im Anschluss an die Tat entfernten sich die Täter vermutlich auf dem Einstiegswege in unbekannte Richtung. Täterhinweise liegen nicht vor.“

Wegen weiterer Einzelheiten zum Zustand des Raumes und des Fensters bei der Tatortaufnahme durch die Kriminalpolizei wird auf die Strafanzeige vom 01.08.2016 sowie die gefertigten Lichtbilder verwiesen (Anl. K 2, Anlagenband).

Nach erfolgter Schadensmeldung durch die Klägerin nahm der von dem Beklagten beauftragte Sachverständige X2 am 09.08.2017 eine Besichtigung des Versicherungsortes vor und ermittelte den Versicherungswert der Betriebseinrichtung (Anl. 2, Bl. 67 ff. d.A.).

Befragt zu den Umständen des Einbruchs äußerte sich der Geschäftsführer der Klägerin, Herr L2, im Rahmen seiner Zeugenvernehmung am 17.08.2016 gegenüber dem Polizeibeamten wie folgt (vgl. S. 16 der beigezogenen Ermittlungsakte):

„Ich habe von dem Einbruch am Montagmorgen gegen kurz vor 9:00 Uhr erfahren. Herr T entdeckte den Einbruch und rief mich dann an.

Ich beschäftige neben dem Herrn T noch den Herrn X1. Er war derjenige, der das Geschäft am Samstagabend verschlossen hat. Herr X1 hat eine Woche nach der Tat gekündigt. Diese Kündigung kam für mich überraschend. Er war eigentlich von Anfang an dabei.

Daneben habe ich einen dritten Mitarbeiter. Das ist der H. Er wohnt in Recklinghausen. Er war am Samstag bis 17:30 Uhr im Geschäft. Danach war Herr X1 allein.

Die Gesamtumstände sind sehr dubios. So ist z.B. die innere Scheibe am vermutlichen Einstiegsweg nicht beschädigt. Das Glas der äußeren Scheibe ist kaputt. Dabei wurde dann auch ein Stein im Innern gefunden.

Daneben war zur fraglichen Zeit die Alarmanlage ausgeschaltet. Das hat mit dem Umbau der Firma L1 zu tun. Ich wusste davon nichts. Möglicherweise wussten die Täter davon. Wäre die Alarmanlage scharf gewesen, hätte sie ausgelöst.

Alle drei Mitarbeiter haben einen Schlüssel.

Die Geräte befanden sich größtenteils in verschlossenen Stahlschränken. Die Schlüssel lagen oben auf den jeweiligen Schränken. Diese Schlüssel waren dann bei Tatentdeckung in den Schränken abgelegt.

Ich gehe davon aus, dass die Täter „Insiderwissen“ hatten. Einen konkreten Tatverdacht kann ich jedoch nicht äußern.“

Unstreitig ist, dass alle drei Mitarbeiter der Klägerin über einen Schlüssel zu den angemieteten Räumlichkeiten verfügten, sich der vierte Schlüssel im Büro der Klägerin befand, zu dem lediglich ihre Geschäftsführer Zugang hatten, und alle Schlüssel am 01.08.2016 noch vorhanden waren. Ebenfalls ist keine Schlüsselnachfertigung erfolgt, da sich die hierfür benötigte Sicherheitsschlüsselkarte im Büro der Klägerin befand und Dritten nicht zugänglich war.

Die Polizei leitete in der Folge u.a. eine Sachfahndung nach den von der Klägerin als gestohlen gemeldeten Smartphones ein. Bei Polizeieinsätzen wurden am 13.11.2016 sowie am 25.11.2016 zwei Geräte, ein Samsung A5 2016 – Black und ein Samsung Galaxy S6 Black Sapphire, im Raum Bremen aufgefunden. Nachdem die Smartphones zunächst sichergestellt worden waren, wurden die Geräte schließlich am 07.11.2017 vom Polizeipräsidium Recklinghausen mit Einverständnis der Staatsanwaltschaft Bochum an die Klägerin herausgegeben.

Nach Einsichtnahme in die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Bochum lehnte der Beklagte mit Schreiben vom 05.04.2017 seine Einstandspflicht unter Hinweis darauf ab, dass ein bedingungsgemäßer Einbruchdiebstahl nicht vorliege (Anl. K 4, Anlagenband).

Ein gegen den ehemaligen Mitarbeiter X1 wegen eines besonders schweren Falls des Diebstahls eingeleitetes Ermittlungsverfahren ist mangels zur Überführung geeigneter Beweismittel am 24.11.2016 nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Die polizeilichen Ermittlungen sind indes noch nicht abgeschlossen, da die DNA-Spuren, die an dem im Vodafone-Shop gefundenen Stein festgestellt worden waren, sowie die hiervon genommenen Abriebe zur molekulargenetischen Untersuchung beim LKA eingeschickt wurden und ein Ergebnis – soweit ersichtlich – bislang noch nicht vorliegt.

Mit der vorliegenden Klage verlangt die Klägerin nunmehr Entschädigung aus der bei dem Beklagten unterhaltenen Versicherung für die Entwendung von Gegenständen und Bargeld im Rahmen des behaupteten Einbruchdiebstahls.

Die Klägerin behauptet, dass in der Zeit zwischen dem 30.07.2016, 20.00 Uhr (Filialschluss), und dem 01.08.2016, 08.50 Uhr, über das geöffnete Fenster im Umkleideraum der Mitarbeiter in die Räumlichkeiten des Vodafone-Shops eingebrochen worden sei. Die unbekannten Täten hätten das Fenster nach Zerstörung der äußeren Scheibe in einer Art und Weise geöffnet, die keine Spuren hinterlassen habe; jedenfalls sei auszuschließen, dass sie sich mittels eines richtigen Schlüssels in die versicherten Räumlichkeiten begeben hätten. Die Täter hätten sodann die in der Anlage K 8 (Bl. 111 d.A.) im Einzelnen aufgeführten Gegenstände (Smartphones, Tablets, Laptop) einschließlich eines Bargeldbetrages von insgesamt 1.170,07 EUR entwendet. Die Summe des entwendeten Waren- und Bargeldbestands belaufe sich auf 21.613,78 EUR. Sämtliche Gegenstände seien vor dem Diebstahl vorhanden und anschließend nicht mehr auffindbar gewesen. Das Geld habe sich in Geldkassetten in den Stahlschränken befunden, die zum Zeitpunkt des Filialschlusses abgeschlossen gewesen seien.

Sie ist der Ansicht, dass die vorhandenen Einbruchsspuren als geeignete Spuren eines gewaltsamen Eindringens von außen zu qualifizieren seien.

Die Klägerin, die die begehrte Entschädigungssumme zunächst falsch berechnet und die ursprünglich geltend gemachte Klageforderung in Höhe von 1.322,44 EUR zurückgenommen hat, beantragt nunmehr, den Beklagten zu verurteilen, an sie 21.613,78 EUR sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.202,00 EUR, jeweils nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.02.2017 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte bestreitet das Vorliegen eines bedingungsgemäßen Einbruchdiebstahls und behauptet, dass sich der Täter mittels eines richtigen Schlüssels Zugang zu den versicherten Räumlichkeiten verschafft und den später vorgefundenen Stein von innen gegen den bereits geöffneten Fensterflügel geworfen habe, wobei nur die äußere Scheibe zerbarst sei. Es liege daher allenfalls ein einfacher Diebstahl vor, der – so der Beklagte – aber nicht versichert sei.

Die vorhandenen Spuren würden – so der Beklagte – ein Eindringen technisch nicht zulassen, sodass bereits das äußere Bild eines Einbruchdiebstahls nicht bewiesen oder zumindest eine erhebliche Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen eines vorgetäuschten Einbruchs anzunehmen sei. Zwar müssten die Einbruchsspuren nach ständiger Rechtsprechung nicht stimmig sein. Jedoch fehle es am Nachweis der erforderlichen Mindesttatsachen, wenn ein Einbruch auf dem Wege, wie er nach dem äußeren Erscheinungsbild vorzuliegen scheint, ausscheide. Dies sei hier der Fall. Denn es sei ausgeschlossen, dass der Täter durch die beschädigte Außenscheibe in das Gebäudeinnere habe gelangen können, weil die weitere (Innen-) Scheibe des Doppelglasfensters intakt gewesen sei. Es sei unmöglich, durch ein geschlossenes Fenster zu greifen, um den Fensterhebel in eine waagerechte Position zu bringen, wenn nur eine der vorhanden zwei Scheiben ein Loch aufweise.

Auch eine vom Sachverständigen X2 erst im Januar 2017 festgestellte Hebelspur am Fensterblatt sei, sofern diese überhaupt am 01.08.2016 bereits vorhanden gewesen sei – was der Beklagte angesichts des Umstands, dass die Kriminalpolizei bei Tatortaufnahme keine Hebelspuren festzustellen vermochte, bestreitet – nicht als geeignete Einbruchsspur zu qualifizieren. Denn hierdurch hätte lediglich die äußere Scheibe entfernt werden können. Die Entfernung lediglich der äußeren Scheibe hätte indes nicht ausgereicht, um in das Innere der Räumlichkeiten zu gelangen, da auch die zweite Scheibe hätte überwunden werden müssen. Darüber hinaus hätte der Täter die äußere Scheibe nach der zunächst erfolgten Aufhebelung wieder einsetzen und anschließend zertrümmern müssen, um das Fenster in den am 01.08.2016 vorgefunden Zustand zu versetzen, was indes völlig lebensfremd sei.

Ferner bestreitet der Beklagte, dass die von der Klägerin genannten Gegenstände vor dem angeblichen Einbruchdiebstahl vorhanden und danach nicht mehr auffindbar gewesen seien. Er beruft sich außerdem auf eine bestehende Unterversicherung und behauptet hierzu, dass der Wert der technischen und kaufmännischen Betriebseinrichtung einschließlich des fremden Eigentums 49.000,00 EUR betrage und damit weit über der Versicherungssumme von lediglich 25.000,00 EUR liege. Der Beklagte beruft sich zudem auf Leistungsfreiheit, hilfsweise auf ein Leistungskürzungsrecht wegen Obliegenheitsverletzung und behauptet hierzu, die Klägerin habe die bei Antragstellung vereinbarten Sicherungen nicht aufrechterhalten und vorsätzlich, jedenfalls aber grob fahrlässig gehandelt.

Die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Bochum zum Az.: 971 Js 277/16 war – wenngleich dies nicht ausdrücklich protokolliert worden ist – beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Wegen weiterer Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist in ihrem nur noch rechtshängigen Umfang unbegründet.

I.

Der Klägerin steht gegen den Beklagten kein Anspruch auf Zahlung von 21.613,78 EUR gem. Teil B § 4 Ziff. 1 b) aa) VSG 2008 i.V.m. § 6 Ziff. 1a) VSG 2008 i.V.m. dem Versicherungsvertrag zu.

Danach leistet der Beklagte Entschädigung für versicherte Sachen, die durch Einbruchdiebstahl abhandenkommen. Ein bedingungsgemäßer Versicherungsfall in Form eines Einbruchdiebstahls liegt dabei vor, wenn der Dieb in einen Raum eines Gebäudes einbricht, einsteigt oder mittels eines Schlüssels, dessen Anfertigung für das Schloss nicht von einer dazu berechtigten Person veranlasst oder gebilligt worden ist (falscher Schlüssel), oder mittels anderer Werkzeuge eindringt.

Da sich das Leistungsversprechen des Versicherers auf einen typischerweise unbeobachteten Vorgang bezieht, werden dem Versicherungsnehmer einer Sachversicherung grundsätzlich Erleichterungen für den Beweis des Vorliegens eines bedingungsgemäßen Versicherungsfalls zugebilligt. Der Versicherungsnehmer genügt daher seiner ihm obliegenden Beweislast, wenn er das „äußere Bild“ eines Einbruchdiebstahls beweist, also ein Mindestmaß an Tatsachen, die nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf einen Versicherungsfall schließen lassen. Hierzu muss der Versicherungsnehmer regelmäßig Einbruchsspuren nachweisen (vgl. BGH, Urt. vom 08.04.2015, Az.: IV ZR 171/13, NJW-RR 2015, 1247).

Der Nachweis des äußeren Bildes setzt dabei zwar nicht voraus, dass die nachgewiesenen Spuren völlig plausibel und „stimmig“ in dem Sinne sind, dass sie zweifelfrei auf einen Einbruch schließen lassen. Wenn eindeutige Einbruchsspuren nachgewiesen sind, entfällt das äußere Bild daher nicht deshalb, weil nicht sämtliche typischerweise auftretenden Spuren vorliegen. Der Versicherungsnehmer schuldet bei einem behaupteten Einbruchdiebstahl in Form des gewaltsamen Eindringens in einen Raum eines Gebäudes aber jedenfalls den Beweis von Spuren, die mit einem gewaltsamen Eindringen in Einklang gebracht werden können und sich daher als „geeignete“ Einbruchsspuren darstellen (vgl. z.B. OLG Hamm, Urt. vom 21.10.2011, Az.: I – 20 U 62/11, r+s 2012, 182). Die vom Versicherungsnehmer zu beweisenden Spuren müssen daher ein solches Maß an Geeignetheit aufweisen, dass der Einbruch auf dem Weg, wie er nach dem äußeren Spurenbild vorzuliegen scheint, nicht völlig ausgeschlossen sein darf. Die Spuren dürfen hingegen nicht so unbedeutend sein, dass sie von vornherein nicht auf einen Einbruch hindeuten; in diesem Fall kann es trotz Vorhandenseins an sich genügender Spuren eines Diebstahls am Nachweis der erforderlichen Mindesttatsachen fehlen (vgl. BGH, Urt. vom 08.04.2015, Az.: IV ZR 171/13, VersR 2015, 710). Der Nachweis bloß unerheblicher „Trugspuren“ genügt nicht (vgl. LG Dortmund, Urt. vom 17.03.2016, Az.: 2 O 403/13, r+s 2016, 348).

Ist dem Versicherungsnehmer dieser Beweis gelungen, so ist es Sache des Versicherers, seinerseits zu beweisen, dass der Versicherungsfall nur vorgetäuscht war. Dabei kommen allerdings auch dem Versicherer Beweiserleichterungen zu. Für diesen Gegenbeweis erforderlich ist lediglich der Nachweis konkreter Tatsachen, die allerdings nicht nur mit hinreichender, sondern mit höherer, nämlich erheblicher Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass der Diebstahl nur vorgetäuscht ist (BGH, Urt. vom 08.04.2015, Az.: IV ZR 171/13, NJW-RR 2015, 1247 m.w.N.).

1.

Den Beweis geeigneter Einbruchspuren und Mindesttatsachen hat die Klägerin im vorliegenden Fall aber nicht erbracht.

Die vorhandenen Spuren, die mit Ausnahme ihrer Qualität zwischen den Parteien im Wesentlichen unstreitig sind, erweisen sich nach Auffassung der Kammer in ihrer Gesamtheit nicht als geeignet, ein gewaltsames Eindringen in das versicherte Objekt zu stützen und stellen vielmehr „Trugspuren“ dar. Denn ein Einbruch ist auf dem Weg, wie er nach der durch die Polizei am 01.08.2016 festgestellten äußeren Spurenlage vorzuliegen scheint, ausgeschlossen.

Die vor Ort erschienenen Polizei- und Kriminalpolizeibeamten stellten am 01.08.2016 fest, dass der rechte Flügel eines Fensters in dem betroffenen (Mitarbeiter-) Raum offen stand. Der Fenstergriff befand sich in waagerechter, d.h. in geöffneter Stellung. Nach dem nicht bestrittenen Klägervortrag soll der Mitarbeiter das Fenster jedoch bei Verlassen der Filiale nach Geschäftsschluss am 30.07.2016 in sicher verschlossenem Zustand zurückgelassen haben.

Ferner war die äußere Scheibe des über eine Doppelverglasung verfügenden Fensters gesprungen. Obwohl die innere Scheibe des Fensters hingegen intakt war, lag im Inneren des Raumes ein faustgroßer Stein, auf der Fensterbank und dem Fußboden lagen Glasscherben. Hebelspuren vermochten die Beamten – nach dem insoweit unstreitigen Vortrag beider Parteien – indes trotz entsprechender Suche am 01.08.2016 (vgl. Bl. 4 der EA) weder an diesem Fenster noch an anderen Fenstern festzustellen.

Der Umstand, dass ein faustgroßer Stein und Glassplitter lediglich der äußeren Scheibe im Inneren des Raumes vorgefunden wurden, lässt sich aber nicht plausibel mit einem behaupteten Eindringen von außen in Einklang bringen. Denn dies würde voraussetzen, dass auch die innere Scheibe des doppelverglasten Fensters zerstört worden wäre und der Täter damit die Möglichkeit gehabt hätte, durch das Loch an den Fensterhebel zu gelangen, diesen in die waagerechte Position umzulegen, damit das Fenster zu öffnen und in die Räumlichkeiten einzusteigen. Da die innere Fensterscheibe vorliegend aber in gänzlich intaktem Zustand vorgefunden wurde und es unmöglich ist, durch ein geschlossenes Fenster zu greifen, war der Fenstergriff von der Außenseite für den Täter aber nicht zu erreichen und ein Eindringen auf diesem Weg in technischer Hinsicht ausgeschlossen.

Die vom klägerischen Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vom 17.12.2018 angestellte Vermutung, das Fenster könnte auch durch die Wucht des Steinwurfes von außen aufgedrückt worden sein, lässt sich mit der vorhandenen Spurenlage ebenfalls nicht vereinbaren. Denn in diesem Fall wäre eher zu erwarten gewesen, dass sich der Stein, der nach dem Wurf von der intakten Innenscheibe abgeprallt sein muss, außerhalb des Gebäudes auf der Straße vor dem Fenster, nicht aber im Inneren des Raumes befunden hätte. Auch lässt sich die geöffnete Stellung des Fenstergriffs (waagerechte Position) nicht mit einer Gewalteinwirkung von außen durch ein Aufdrücken des Fensters erklären.

Da die Klägerin auch nicht behauptet oder unter Beweis gestellt hat, dass der Täter mit einem falschen Schlüssel in das Objekt eingedrungen sei und somit ein Fall eines sog. – naturgemäß spurenfreien – Nachschlüsseldiebstahls vorliegt, ist das äußere Bild eines Einbruchs nach alledem nicht ausreichend bewiesen und allenfalls ein nicht versicherter einfacher Diebstahl anzunehmen.

2.

Soweit sich der Prozessbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung – wenngleich dies nicht explizit protokolliert worden ist – darauf berufen hat, dass der von dem Beklagten beauftragte Sachverständige X2 anders als die Polizeibeamten Hebelspuren gefunden habe, und hierin in prozessualer Hinsicht ggf. ein hilfsweises Zu-Eigen-Machen des Beklagtenvorbringens zu sehen ist, rechtfertigt dies i.E. keine andere rechtliche Beurteilung.

Zwar hat der Sachverständige X2 ausweislich seines Berichts vom 12.01.2017 (vgl. Bl. 153 ff. d.A.) bei einer am 04.01.2017, d.h. erst fünf Monate nach dem behaupteten Versicherungsfall durchgeführten erneuten Besichtigung des Schadensorts eine Hebelspur auf dem Rahmen zur eingelassenen Scheibe festgestellt, das Vorliegen von Hebelspuren an der Fensterzarge sowie dem Fensterblatt des zu öffnenden Fensters aber verneint.

Zum einen ist vorliegend aber nicht mehr sicher feststellbar, dass diese Hebelspur tatsächlich vom behaupteten Einbruchdiebstahl herrührt. Angesichts der erst am 04.01.2017 getroffenen Feststellung durch den Sachverständigen X2 sowie der Tatsache, dass die Polizeibeamten am bei der Tatortaufnahme am 01.08.2016 trotz entsprechender Suche keine Hebelspuren feststellen konnten und das Fenster zeitnah nach dem Vorfall auch ausgetauscht wurde, vermag die Kammer nicht auszuschließen, dass die Spur auch von einem späteren (erfolglosen) Einbruchsversuch stammt.

Zum anderen stellt die Hebelspur am Fensterblatt – nach dem insoweit unstreitig gebliebenen Vortrag des Beklagten – keine geeignete Einbruchsspur dar, weil hierdurch lediglich die äußere Scheibe hätte entfernt werden können. Die Entfernung der äußeren Scheibe hätte indes nicht ausgereicht, um in das Innere der Räumlichkeiten und an den Fenstergriff zu gelangen, da der Täter hierfür zunächst auch die zweite Scheibe noch hätte überwinden müssen (s.o.). Außerdem hätte der Täter die äußere Scheibe (und ggf. sogar die zweite Scheibe) nach einer zunächst erfolgten Aufhebelung wieder ordnungsgemäß einsetzen bzw. das Fenster wieder instand setzen und die äußere Scheibe anschließend mit dem Stein zertrümmern müssen, um das Fenster überhaupt in den am 01.08.2016 vorgefundenen Zustand zu versetzen.

Da eine solche Vorgehensweise nach der allgemeinen Lebenserfahrung nicht dem Vorgehen eines auf ein schnelles, unkompliziertes und wenig Aufmerksamkeit erregendes Vorgehen bedachten Täters entspricht, würde dem Beklagten zur Überzeugung der Kammer (§ 286 Abs. 1 ZPO) jedenfalls der ihm auf zweiter Stufe obliegende Gegenbeweis dafür gelingen, dass die vorliegenden Spuren mit erheblicher Wahrscheinlichkeit auf einen nur vorgetäuschten Einbruchdiebstahl schließen lassen.

Selbst wenn die vom Sachverständigen X2 festgestellte Hebelspur geeignet gewesen wäre, um von außen in das Gebäudeinnere zu gelangen, und man diese Einbruchsspuren zum Nachweis des von der Klägerin zu beweisenden äußeren Bildes eines Einbruchdiebstahls für ausreichend erachtete und weiterhin unterstellt, dass das Fenster durch einen unbekannten Täter nach einem vorherigen vergeblichen Versuch, das Fenster mittels eines Steinwurfs einzuschlagen, erfolgreich aufgehebelt wurde, lässt sich nicht plausibel erklären, warum der faustgroße Stein dann im Inneren des Raumes vorgefunden wurde. Vielmehr wäre in diesem Fall zu erwarten gewesen, dass sich der Stein dann außerhalb des Gebäudes auf der Straße vor dem Fenster, nicht aber im Inneren des Raumes befunden hätte. Der vorgefundene Zustand des Raumes ist bei Würdigung sämtlicher Einzelfallumstände und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Alarmanlage unstreitig ausgeschaltet war und die Stahlschränke wohl mittels Schlüssel geöffnet wurden, der Täter den Ausführungen des Geschäftsführers zufolge mithin „Insiderwissen“ gehabt haben müsse und ggf. auch habe wissen müssen, dass die Schlüssel der verschlossenen Stahlschränke oberhalb auf den jeweiligen Schränken abgelegt worden seien, verständigerweise nur damit zu erklären, dass sich der Täter mittels eines richtigen Schlüssels Zugang zu den versicherten Räumlichkeiten verschafft und den später vorgefundenen Stein von innen gegen den von Hand geöffneten Fensterflügel geworfen hat, um das Vorliegen eines Einbruchdiebstahls zu suggerieren. Hiermit sind sowohl die Zerstörung lediglich der äußeren Scheibe als auch der Fundort des Steins im Inneren des Raums trotz der intakten weiteren Fensterscheibe sowie die waagerechte Position des Fensterhebels schlüssig in Einklang zu bringen.

Vor diesem Hintergrund bedurfte es nicht der Einholung des von der Klägerin beantragten Sachverständigenbeweises zum Beweis der Tatsache, dass die vorgefundenen Einbruchsspuren geeignet und als Spuren eines gewaltsamen Eindringens von außen zu qualifizieren sind.

II.

Mangels Hauptforderung bestehen auch weder ein Zinsanspruch noch ein Anspruch auf Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 269 Abs. 3 S. 2, 709 ZPO.

Der Streitwert wird wie folgt festgesetzt:

bis zum 20.09.2017: 22.936,22 EUR

ab dem 21.09.2017: 21.613,78 EUR

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