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Einbruchdiebstahl – äußeres Bild muss nicht stimmig sein

Der Bundesgerichtshof entschied, dass ein widerspruchsfreies Spurenbild für den Beweis eines Einbruchdiebstahls nicht erforderlich ist, sondern lediglich das äußere Bild eines solchen Diebstahls glaubhaft gemacht werden muss. Der BGH kritisierte das Berufungsgericht für zu hohe Anforderungen an die Beweisführung und stärkte die Position von Versicherungsnehmern. Dies hat weitreichende Bedeutung für die Beweislastverteilung in Versicherungsfällen.

→ Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: IV ZR 91/23

✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Der Versicherungsnehmer muss nicht den genauen Tatablauf eines Einbruchdiebstahls beweisen, sondern lediglich das äußere Bild darlegen.
  • Unstimmigkeiten und fehlende Details im Spurenbild sind keine Hindernisse für den Nachweis des äußeren Bildes.
  • Für das äußere Bild genügt es, wenn die Umstände mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf einen Einbruchdiebstahl schließen lassen.
  • Die Forderung nach einem stimmigen, widerspruchsfreien Spurenbild für den Nachweis ist zu hoch gegriffen.
  • Auch ein Einsteigen der Täter in das Gebäude kann einen versicherten Einbruchdiebstahl darstellen.
  • Die Beweiserleichterungen für den Versicherungsnehmer berücksichtigen die typischerweise eingeschränkten Beweismöglichkeiten.
  • Im Revisionsfall waren die Anforderungen an die Darlegungslast überspannt.
  • Unklarheiten können dem Versicherer Indizien für eine mögliche Vortäuschung liefern.

BGH-Urteil: Einbruchdiebstahl – Weniger Spuren genügen für Versicherungsleistung

Einbruch in Haus
(Symbolfoto: Brian A Jackson /Shutterstock.com)

Einbruchdiebstahl gehört zu den häufigsten Straftaten, mit denen sich Gerichte und Versicherungen beschäftigen müssen. Für Betroffene kann ein Einbruch eine belastende Erfahrung sein, die oft mit materiellem Schaden und dem Gefühl der Verletzung der persönlichen Sphäre einhergeht. Aus rechtlicher Sicht ist es eine Herausforderung, den Tatbestand des Einbruchdiebstahls klar zu definieren und gegenüber Versicherungsansprüchen abzugrenzen.

Das zentrale Kriterium ist dabei das „äußere Bild“ der Tat. Wie viele Spuren müssen Täter hinterlassen haben, damit ein Versicherungsfall als bewiesen gilt? Reicht bereits der Nachweis, dass etwas abhanden gekommen ist, oder müssen die Umstände des Diebstahls bis ins Detail belegt werden?

Diese Fragen sind Gegenstand kontroverser juristischer Diskussionen. Ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs stellt klar, dass hohe Anforderungen an das äußere Erscheinungsbild eines Einbruchdiebstahls nicht gerechtfertigt sind. Im Folgenden werden die Hintergründe und die wesentlichen Aspekte dieser Entscheidung dargelegt.

Der Fall vor dem Bundesgerichtshof (BGH) im Detail

Details und Hintergrund des Falls zum Einbruchdiebstahl

In dem hier vorliegenden Rechtsfall handelt es sich um einen Streit über den Versicherungsschutz nach einem behaupteten Einbruchdiebstahl, der zwischen dem Kläger und seiner Versicherung ausgefochten wurde. Der Kläger, der die Ansprüche seines verstorbenen Vaters als Erbe weiterführt, macht geltend, dass während der Abwesenheit seiner Eltern Einbrecher in das Familienheim eingedrungen seien. Diese hätten, so der Kläger, ein Fenster aufgehebelt und aus dem Haus einen Tresor mit Wertgegenständen entwendet. Die Versicherung weigerte sich jedoch, den Schaden zu regulieren, was zu einer rechtlichen Auseinandersetzung führte. Der Fall erreichte schließlich den Bundesgerichtshof (BGH), nachdem die vorherigen Instanzen zu Ungunsten des Klägers entschieden hatten.

Gerichtliche Entscheidung zur Sachlage

Der Bundesgerichtshof hob in seiner Entscheidung den Beschluss des Oberlandesgerichts München auf und verwies die Angelegenheit zur erneuten Verhandlung zurück an das Berufungsgericht. Der Kern der gerichtlichen Auseinandersetzung lag in der Frage, ob der Kläger das äußere Bild eines Einbruchdiebstahls ausreichend dargelegt hatte. Das OLG München hatte die Berufung des Klägers zuvor abgewiesen, da es die von ihm präsentierten Beweise und die Spurenlage als nicht ausreichend erachtete, um das äußere Bild eines Einbruchdiebstahls nachzuweisen. Die vom Landgericht und OLG herangezogenen Beweise und ihre Interpretation, besonders die Untersuchung der Einbruchspuren und deren Zuordnung zu den behaupteten Tathergängen, wurden vom BGH kritisch bewertet.

Bewertung durch den Bundesgerichtshof

Der Bundesgerichtshof stellte klar, dass für den Beweis eines Einbruchdiebstahls nicht zwingend ein widerspruchsfreies Spurenbild erforderlich ist, sondern lediglich das äußere Bild eines solchen Diebstahls glaubhaft gemacht werden muss. Es sei nicht nötig, dass alle typischerweise erwartbaren Spuren vorhanden sind. Der BGH kritisierte das Berufungsgericht dafür, dass es zu hohe Anforderungen an die Beweisführung gestellt und nicht berücksichtigt hatte, dass dem Versicherungsnehmer Beweiserleichterungen zustehen. Diese Beweiserleichterungen dienen dazu, dem Versicherungsnehmer die Leistung auch dann zuzugestehen, wenn der klassische Ablauf eines Einbruchs nicht lückenlos nachgewiesen werden kann.

Zurückverweisung und rechtliche Einordnung

Durch die Aufhebung des Beschlusses und die Zurückverweisung der Sache wurde das Berufungsgericht angewiesen, den Fall erneut zu verhandeln und dabei die vom BGH vorgegebenen Maßstäbe anzulegen. Es soll geprüft werden, ob die vorhandenen Spuren und die geschilderten Umstände ausreichen, um das äußere Bild eines Einbruchdiebstahls zu belegen. Der BGH betonte, dass es Sache der Versicherung sei, zu beweisen, dass der Diebstahl nur vorgetäuscht war, falls der Versicherungsnehmer das äußere Bild eines Einbruchs nachweisen kann. Diese Grundsatzentscheidung hat weitreichende Bedeutung für die Beweislastverteilung in Versicherungsfällen und stärkt die Position von Versicherungsnehmern, die oft keine anderen Beweismittel als die Spurenlage vorlegen können.

✔ FAQ zum Thema: Einbruchdiebstahl in Versicherungsverträgen


Was versteht man unter dem „äußeren Bild“ eines Einbruchdiebstahls?

Zum äußeren Bild eines Einbruchdiebstahls gehört laut Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) ein Mindestmaß an Tatsachen, die nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf eine bedingungsgemäße Entwendung zulassen. Dazu zählt neben der Unauffindbarkeit der als gestohlen gemeldeten Sachen, die zuvor am Tatort vorhanden waren, insbesondere das Vorhandensein von Einbruchspuren.

Allerdings müssen die vorgefundenen Spuren laut BGH nicht völlig „stimmig“ sein in dem Sinne, dass sie zweifelsfrei auf einen Einbruch schließen lassen. Es müssen auch nicht sämtliche typischerweise auftretenden Spuren vorhanden sein. Der Sinn der Beweiserleichterung für den Versicherungsnehmer liegt gerade darin, ihm Versicherungsleistungen auch dann zuzuerkennen, wenn sich nur das äußere Bild eines Einbruchs darbietet, selbst wenn von einem typischen Geschehensablauf nicht gesprochen werden kann.

Erst wenn ein Einbruch nach äußerem Spurenbild vorzuliegen scheint, dieser aber aus anderen Gründen völlig auszuschließen ist, kann es an den Mindesttatsachen fehlen. Es sind dann also ganz gravierende Zweifel gefordert, um das Vorliegen des äußeren Bildes eines Einbruchdiebstahls zu verneinen.


Welche Beweiserleichterungen gelten für Versicherungsnehmer im Falle eines Einbruchs?

Dem Versicherungsnehmer werden von der Rechtsprechung Beweiserleichterungen für den Nachweis eines bedingungsgemäßen Diebstahls zugebilligt. Er muss lediglich ein Mindestmaß an Tatsachen darlegen und beweisen, die nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf eine Entwendung zulassen.

Dazu gehört neben der Unauffindbarkeit der als gestohlen gemeldeten Sachen insbesondere das Vorhandensein von Einbruchspuren. Allerdings müssen die vorgefundenen Spuren nicht völlig „stimmig“ sein in dem Sinne, dass sie zweifelsfrei auf einen Einbruch schließen lassen. Es müssen auch nicht sämtliche typischerweise auftretenden Spuren vorhanden sein.

Der Sinn dieser Beweiserleichterung liegt gerade darin, dem Versicherungsnehmer Versicherungsleistungen auch dann zuzuerkennen, wenn sich nur das äußere Bild eines Einbruchs darbietet, selbst wenn von einem typischen Geschehensablauf nicht gesprochen werden kann.

Gelingt dem Versicherungsnehmer der Nachweis des äußeren Bildes eines Einbruchdiebstahls, muss anschließend der Versicherer beweisen, dass der Versicherungsfall nur vorgetäuscht wurde. Dabei genügt es, wenn der Versicherer konkrete Tatsachen vorträgt, die mit erheblicher Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass der Diebstahl vorgetäuscht wurde.


Was sind typische Spuren eines Einbruchs, die bei einem Versicherungsfall relevant sein könnten?

Zu den typischen Spuren eines Einbruchs, die bei einem Versicherungsfall relevant sein können, gehören:

Aufbruchspuren an Türen oder Fenstern wie Beschädigungen an Schlössern, Schließzylindern, Fensterscheiben oder Fensterrahmen. Dabei müssen die Spuren laut Rechtsprechung des BGH nicht völlig „stimmig“ sein in dem Sinne, dass sie zweifelsfrei auf einen Einbruch schließen lassen. Es müssen auch nicht sämtliche typischerweise auftretenden Spuren vorhanden sein.

Unauffindbarkeit der als gestohlen gemeldeten Gegenstände, die zuvor am Tatort vorhanden waren. Das Fehlen von Wertgegenständen in Kombination mit Einbruchspuren ist ein wichtiges Indiz.

Verwüstete und durchwühlte Räume, aufgerissene Schubladen, umgestoßene Regale oder herumliegender Hausrat. Solche Spuren der Verwüstung finden sich häufig in der Wohnung oder dem Haus und deuten auf die Suche der Einbrecher nach Wertsachen hin.

Das Vorhandensein dieser Spuren bildet in der Gesamtschau das sogenannte „äußere Bild“ eines Einbruchdiebstahls. Dieses muss laut BGH mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf einen Einbruch zulassen, auch wenn nicht alle Details übereinstimmen.

Gelingt dem Versicherungsnehmer der Nachweis dieses äußeren Bildes, liegt es am Versicherer zu beweisen, dass der Einbruch nur vorgetäuscht war. Die Hürden für den Versicherungsnehmer sind also nicht zu hoch, um im Versicherungsfall Leistungen zu erhalten, auch wenn die Spuren nicht zu 100% eindeutig sind.


Wie gehen Gerichte vor, wenn die Spurenlage bei einem Einbruchdiebstahl unklar ist?

Wenn die Spurenlage bei einem behaupteten Einbruchdiebstahl unklar ist, gehen Gerichte nach der Rechtsprechung des BGH wie folgt vor:

Zum äußeren Bild eines Einbruchdiebstahls gehört neben der Unauffindbarkeit der als gestohlen gemeldeten Sachen insbesondere das Vorhandensein von Einbruchspuren. Allerdings müssen die vorgefundenen Spuren laut BGH nicht völlig „stimmig“ sein in dem Sinne, dass sie zweifelsfrei auf einen Einbruch schließen lassen. Es müssen auch nicht sämtliche typischerweise auftretenden Spuren vorhanden sein.

Der Sinn der Beweiserleichterung für den Versicherungsnehmer liegt gerade darin, ihm Versicherungsleistungen auch dann zuzuerkennen, wenn sich nur das äußere Bild eines Einbruchs darbietet, selbst wenn von einem typischen Geschehensablauf nicht gesprochen werden kann.

Erst wenn ein Einbruch nach äußerem Spurenbild vorzuliegen scheint, dieser aber aus anderen Gründen völlig auszuschließen ist, kann es an den Mindesttatsachen fehlen. Es sind dann also ganz gravierende Zweifel gefordert, um das Vorliegen des äußeren Bildes eines Einbruchdiebstahls zu verneinen.

Gelingt dem Versicherungsnehmer der Nachweis des äußeren Bildes, muss anschließend der Versicherer beweisen, dass der Einbruch nur vorgetäuscht wurde. Dabei genügt es, wenn der Versicherer konkrete Tatsachen vorträgt, die mit erheblicher Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass der Diebstahl vorgetäuscht wurde.

Die Gerichte wägen also anhand der Gesamtumstände ab, ob trotz Unklarheiten in der Spurenlage noch von einem Einbruch auszugehen ist. Nur bei ganz erheblichen Zweifeln wird das äußere Bild eines Einbruchs verneint.


Welche Rolle spielt der Grad der Wahrscheinlichkeit bei der Beurteilung eines Einbruchs durch Versicherungen?

Der Grad der Wahrscheinlichkeit spielt eine zentrale Rolle bei der Beurteilung eines Einbruchdiebstahls durch Versicherungen und Gerichte. Dabei geht es nicht darum, mit absoluter Sicherheit jeden anderen möglichen Geschehensablauf auszuschließen. Vielmehr muss anhand der vorgelegten Beweise und Spuren mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf einen Einbruch geschlossen werden können.

Dem Versicherungsnehmer werden Beweiserleichterungen zugebilligt, da er lediglich das „äußere Bild“ eines Einbruchdiebstahls nachweisen muss. Dazu gehört neben der Unauffindbarkeit der als gestohlen gemeldeten Sachen insbesondere das Vorhandensein von Einbruchspuren.

Allerdings müssen die Spuren laut Rechtsprechung des BGH nicht völlig „stimmig“ sein in dem Sinne, dass sie zweifelsfrei auf einen Einbruch schließen lassen. Es müssen auch nicht sämtliche typischerweise auftretenden Spuren vorhanden sein. Der Sinn dieser Beweiserleichterung liegt gerade darin, dem Versicherungsnehmer Leistungen auch dann zuzuerkennen, wenn sich nur das äußere Bild eines Einbruchs darbietet, selbst wenn von einem typischen Geschehensablauf nicht gesprochen werden kann.

Die Beurteilung, ob die vorgelegten Spuren und Beweise mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf einen bedingungsgemäßen Einbruchdiebstahl zulassen, erfolgt anhand der allgemeinen Lebenserfahrung und des typischen Verhaltens bei Diebstählen. Es geht also um eine Gesamtabwägung der Umstände des Einzelfalls.

Erst wenn ein Einbruch nach äußerem Spurenbild vorzuliegen scheint, dieser aber aus anderen Gründen völlig auszuschließen ist, kann es an den Mindesttatsachen für die Annahme eines Einbruchdiebstahls fehlen. Die Hürden für den Versicherungsnehmer sind also nicht zu hoch, um Versicherungsleistungen zu erhalten, auch wenn die Spuren nicht zu 100% eindeutig sind.


§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils

  • § 5 Nr. 1 Buchst. a Abs. 1 VHB 84: Definiert die Voraussetzungen eines Einbruchdiebstahls in der Hausratversicherung, einschließlich des Einbruchs oder Einstiegs in einen Raum. Im vorliegenden Fall ist dieser Paragraph zentral, da die Versicherung die Deckungszusage basierend auf der Definition und den darin beschriebenen Bedingungen gewährt oder verweigert.
  • § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO: Ermöglicht es Gerichten, eine Berufung ohne mündliche Verhandlung zurückzuweisen, wenn sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat. Dieser Paragraph wurde angewandt, um die Berufung des Klägers im beschriebenen Fall zurückzuweisen, was zu seiner Revision beim Bundesgerichtshof führte.
  • Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Beweiserleichterungen im Versicherungsrecht: Der Bundesgerichtshof hat eine stetige Rechtsprechung entwickelt, die dem Versicherungsnehmer Erleichterungen beim Beweis eines Einbruchdiebstahls bietet. Diese Rechtsprechung betont, dass nicht alle typischen Spuren eines Einbruchs vorhanden sein müssen, um das äußere Bild eines Einbruchdiebstahls zu erfüllen. Dies ist besonders relevant für den vorliegenden Fall, in dem das Gericht die Spuren und deren Stimmigkeit bewertet.
  • § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO: Regelt die Zurückverweisung einer Sache an das vorherige Gericht, wenn die Sache noch nicht zur Endentscheidung reif ist. Dieser Paragraph wurde genutzt, um den Fall zur weiteren Verhandlung und Entscheidung zurück an das Berufungsgericht zu verweisen, nachdem der BGH die vorherige Entscheidung aufgehoben hatte.
  • Prinzip der bedingungsgemäßen Entwendung im Versicherungsrecht: Nach diesem Prinzip muss der Versicherungsnehmer das äußere Bild einer bedingungsgemäßen Entwendung darlegen, das heißt, er muss ein Mindestmaß an Tatsachen präsentieren, das nach allgemeiner Lebenserfahrung einen Diebstahl als wahrscheinlich erscheinen lässt. Dieses Prinzip spielt eine entscheidende Rolle im vorliegenden Fall, indem es den Umfang der erforderlichen Beweise für den Kläger bestimmt.


➜ Das vorliegende Urteil vom Bundesgerichtshof (BGH)

BGH – Az.: IV ZR 91/23 – Urteil vom 17.04.2024

Der Senat hält daran fest, dass für das äußere Bild eines Einbruchdiebstahls die festgestellten Spuren nicht in dem Sinne stimmig sein müssen, dass sie zweifelsfrei auf einen Einbruch schließen lassen (vgl. Senatsurteil vom 08.04.2015 – IV ZR 171/13, IBRRS 2015, 0908 = IMRRS 2015, 0541).

Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im schriftlichen Verfahren mit Schriftsatzfrist bis zum 27. März 2024 für Recht erkannt:

Auf die Revision des Klägers wird der Beschluss des Oberlandesgerichts München – 14. Zivilsenat – vom 20. März 2023 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 30.000 € festgesetzt.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger begehrt als Erbe seines während des Rechtsstreits verstorbenen Vaters Deckung aus einer Hausratversicherung wegen eines behaupteten Einbruchdiebstahls. In den vom Vater des Klägers mit der Beklagten abgeschlossenen Versicherungsvertrag sind deren Allgemeine Hausratversicherungsbedingungen (VHB 84) einbezogen. Gemäß § 5 Nr. 1 Buchst. a Abs. 1 VHB 84 liegt ein Einbruchdiebstahl unter anderem dann vor, wenn der Dieb in einen Raum eines Gebäudes einbricht oder einsteigt.

Der Kläger hat behauptet, in der Nacht vom 17. auf den 18. Dezember 2016 seien während der Abwesenheit seiner Eltern unbekannte Täter in das versicherte Wohngebäude eingedrungen. Die Täter hätten sich durch Aufhebeln des linken, geschlossenen Fensters im Erdgeschoss Zutritt verschafft, nachdem sie zunächst vergeblich versucht hätten, das mittlere Erdgeschossfenster aufzuhebeln. Sie hätten das Gebäude nach Wertsachen durchsucht und aus einem Kleiderschrank im Obergeschoss einen verschlossenen Tresor mit Schriftstücken, Bargeld und Wertgegenständen entwendet.

Die auf Gewährung von Versicherungsschutz gerichtete Klage hat vor dem Landgericht keinen Erfolg gehabt. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Dieses hat ausgeführt, der Kläger habe das äußere Bild des von ihm behaupteten Einbruchdiebstahls nicht hinreichend bewiesen. Das Landgericht habe die Spurenlage nicht deshalb offenlassen können, weil ein Versicherungsfall auch bei einem Einsteigen der Täter in das Gebäude vorliege. Wären die Täter durch ein angelehntes und nicht verriegeltes Fenster in das Gebäude gelangt, sei dies ein anderer Sachverhalt als derjenige, den der Kläger zum Gegenstand seiner Klage gemacht habe. Außerdem liege auf der Hand, dass die festgestellten Spuren nicht zu einem Einsteigediebstahl passten. Hätten die Täter ohne weiteres ins Gebäude einsteigen können, lasse sich nicht erklären, warum sie dennoch Aufbruchspuren erzeugt hätten.

Die mit sachverständiger Hilfe aufgeklärte Spurenlage vermittele das äußere Bild eines Einbruchdiebstahls nicht. Die Hebelspuren am mittleren Fenster, das die Polizeibeamten in Kippstellung vorgefunden hätten, könnten nach den Feststellungen des Sachverständigen nur bei einem verriegelten Fenster erzeugt werden. Dafür habe sich der Drehhebel des Fensters – anders als auf einem bei den Ermittlungsakten befindlichen Foto – in waagerechter Stellung befinden müssen. Der Einwand, das Fenster habe sich womöglich zur Tatzeit noch nicht in Kippstellung befunden, beruhe auf einer nur als möglich in den Raum gestellten Theorie des Klägers, der das Landgericht nicht habe nachgehen müssen. Das Einstiegsfenster habe der Sachverständige bei seiner Untersuchung in verschlossenem Zustand nicht von außen öffnen können, obwohl er tiefere Spuren als die von ihm am Fenster vorgefundenen verursacht habe. Gewaltsam habe er das Fenster erst öffnen können, als er wesentlich stärkere Gewalt angewandt und damit zuvor nicht vorhandene Einbruchspuren verursacht habe.

Erfolglos bleibe der Einwand des Klägers, es sei möglich, dass der Griff des Einstiegsfensters nicht bis zur Arretierung geschoben gewesen sei, so dass das Fenster mit geringerem Kraftaufwand habe geöffnet werden können. Zwar sei der Griff auf einem von der Polizei von außen aufgenommenen Foto nicht zu erkennen und müsse sich deshalb in nicht verriegelter, senkrechter Position befunden haben. Wie er in diese Position gelangt sei, habe sich aber nicht feststellen lassen. Zum vom Kläger gezeichneten äußeren Bild gehöre zudem, dass das Gebäude ordnungsgemäß verschlossen gewesen sei. Die bloße Möglichkeit, es sei versäumt worden, das Fenster zu verriegeln, sei keine bestimmte Behauptung des Klägers. Bei einem unverriegelten Fenster leuchte zudem nicht ein, wieso ein Täter noch Einbruchspuren anbringe, anstatt schnell und leise einzusteigen.

II.

Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat die Anforderungen an die Darlegung des äußeren Bildes eines Einbruchdiebstahls überspannt und seiner diesbezüglichen Prüfung einen falschen Maßstab zugrunde gelegt.

1. Dem Versicherungsnehmer einer Sachversicherung sind nach ständiger Rechtsprechung des Senats aus dem Leistungsversprechen des Versicherers abgeleitete Erleichterungen für den Beweis eines bedingungsgemäßen Diebstahls versicherter Sachen zuzubilligen. Er genügt seiner Beweislast bereits dann, wenn er das äußere Bild einer bedingungsgemäßen Entwendung beweist, also ein Mindestmaß an Tatsachen, die nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf die Entwendung zulassen (Senatsurteile vom 8. April 2015 – IV ZR 171/13, VersR 2015, 710 Rn. 13; vom 20. Dezember 2006 – IV ZR 233/05, VersR 2007, 241 Rn. 9 f.). Zu dem Minimum an Tatsachen, die das äußere Bild eines Einbruchdiebstahls ausmachen, gehört neben der Unauffindbarkeit der zuvor am Tatort vorhandenen, als gestohlen gemeldeten Sachen, dass – abgesehen von Fällen des Nachschlüsseldiebstahls – Einbruchspuren vorhanden sind (Senatsurteile vom 8. April 2015 aaO; vom 20. Dezember 2006 aaO Rn. 10). Keine Voraussetzung ist dagegen, dass die festgestellten Spuren stimmig in dem Sinne sind, dass sie zweifelsfrei auf einen Einbruch schließen lassen. Insbesondere müssen nicht sämtliche typischerweise auftretenden Spuren vorhanden sein (Senatsurteil vom 8. April 2015 aaO Rn. 22). Zweck der Beweiserleichterung zugunsten des Versicherungsnehmers, der in aller Regel keine Zeugen oder sonstigen Beweismittel für den Diebstahl beibringen kann, ist gerade, ihm die Versicherungsleistung auch dann zuzuerkennen, wenn sich nach den festgestellten Umständen nur das äußere Geschehen eines Diebstahls darbietet, auch wenn von einem typischen Geschehensablauf nicht gesprochen werden kann (Senatsurteile vom 8. April 2015 aaO; vom 18. Oktober 1989 – IVa ZR 341/88, VersR 1990, 45; Senatsbeschluss vom 5. November 1986 – IVa ZR 57/86, VersR 1987, 146).

2. Gemessen daran hat das Berufungsgericht den Nachweis des äußeren Erscheinungsbilds eines Einbruchdiebstahls mit einer nicht tragfähigen Begründung verneint.

a) Zu Unrecht stellt es darauf ab, dass der Sachverständige das Einstiegsfenster erst mit erheblicher Gewaltanwendung und unter Verursachen zuvor nicht vorhandener Einbruchspuren hat öffnen können. Damit verlangt das Berufungsgericht für den Nachweis des äußeren Bildes eines Einbruchdiebstahls das Vorhandensein eines widerspruchsfreien, also stimmigen Spurenbilds und hält dem Kläger darüber hinaus das Fehlen der bei der behaupteten Vorgehensweise der Täter zu erwartenden, stärkeren Hebelspuren entgegen. In der Sache vermisst es den Nachweis eines typischen Tatablaufs, der aber keine Voraussetzung für das Vorliegen des äußeren Bildes eines Einbruchdiebstahls ist.

b) Die Feststellungen des Berufungsgerichts betreffend die Verriegelung der beiden Fenster hindern den Nachweis des äußeren Bildes eines Einbruchdiebstahls ebenfalls nicht. Er scheidet nicht deshalb aus, weil die Hebelspuren am mittleren Fenster nur bei einem verriegelten Fenster erzeugt werden können, die Polizeibeamten das Fenster aber in Kippstellung vorgefunden haben und der Fenstergriff sich auf einem Foto in den Ermittlungsakten nicht in der für eine Verriegelung notwendigen waagerechten Stellung befunden hat. Entsprechendes gilt für die nicht aufklärbare Frage der Verriegelung des Einstiegsfensters. Nur wenn ein Einbruch auf dem Wege, wie er nach dem äußeren Spurenbild vorzuliegen scheint, aus anderen Gründen völlig auszuschließen ist, kann es trotz Vorhandenseins an sich genügender Spuren am Nachweis der erforderlichen Mindesttatsachen fehlen (Senatsurteile vom 8. April 2015 – IV ZR 171/13, VersR 2015, 710 Rn. 22; vom 20. Dezember 2006 – IV ZR 233/05, VersR 2007, 241 Rn. 13).

So liegt es hier nicht. Das Berufungsgericht hat das äußere Bild eines Einbruchdiebstahls nicht aufgrund der verbleibenden Unklarheiten verneinen und dem Kläger insoweit einen unzureichenden Vortrag zum Tatgeschehen vorwerfen dürfen. Damit verlangt es zu Unrecht eine ins Detail gehende und widerspruchsfreie Schilderung des Tatgeschehens. Die dem Versicherungsnehmer zukommenden Beweiserleichterungen beruhen auf der Überlegung, dass es wegen des für eine Entwendung typischen Bemühens des Täters, seine Tat unbeobachtet und unter Zurücklassen möglichst weniger Tatspuren zu begehen, oft nicht möglich ist, im Nachhinein den Tatverlauf konkret festzustellen. Da sich der Versicherungsnehmer gerade auch für solche Fälle mangelnder Aufklärung schützen will, kann nicht angenommen werden, der Versicherungsschutz solle schon dann nicht eintreten, wenn der Versicherungsnehmer nicht in der Lage ist, den Ablauf der Entwendung in Einzelheiten darzulegen und zu beweisen (Senatsurteile vom 8. April 2015 aaO Rn. 13; vom 20. Dezember 2006 aaO Rn. 9).

3. Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Die im Revisionsverfahren zugrunde zu legenden Tatsachen lassen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf einen bedingungsgemäßen Einbruchdiebstahl zu.

III.

Gemäß § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil sie noch nicht zur Endentscheidung reif ist.

1. Sollte nach Aufklärung der weiteren vom Kläger vorgetragenen Tatumstände das Vorliegen des äußeren Bildes eines Einbruchdiebstahls zu bejahen sein, können die vom Berufungsgericht angenommenen Unstimmigkeiten im Spurenbild für die Frage einer Vortäuschung des Versicherungsfalls Bedeutung erlangen. Ist dem Versicherungsnehmer der Beweis des äußeren Erscheinungsbilds eines Einbruchdiebstahls gelungen, so ist es Sache des Versicherers, seinerseits zu beweisen, dass der Versicherungsfall nur vorgetäuscht war. Dabei kommen allerdings nach ständiger Rechtsprechung des Senats auch ihm Beweiserleichterungen zu. Erforderlich ist lediglich der Nachweis konkreter Tatsachen, die allerdings nicht nur mit hinreichender, sondern mit höherer, nämlich erheblicher Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass der Diebstahl nur vorgetäuscht ist (Senatsurteile vom 8. April 2015 – IV ZR 171/13, VersR 2015, 710 Rn. 14; vom 14. Februar 1996 – IV ZR 334/94, NJW-RR 1996, 981). So kann etwa das Fehlen weiterer Spuren für sich allein oder im Zusammenhang mit anderen Indizien ausreichend sein, um eine erhebliche Wahrscheinlichkeit der Vortäuschung zu begründen (Senatsurteil vom 8. April 2015 aaO Rn. 26).

2. Ein bedingungsgemäßer Einbruchdiebstahl durch Einsteigen in das Gebäude kann nicht mit der Begründung verneint werden, darin liege prozessual ein anderer Sachverhalt als derjenige, den der Kläger zum Gegenstand seiner Klage gemacht habe. Nach allgemeinem Grundsatz macht sich eine Partei die bei einer Beweisaufnahme zutage tretenden ihr günstigen Umstände regelmäßig zumindest hilfsweise zu eigen (Senatsurteil vom 5. Juli 2017 – IV ZR 508/14, r+s 2017, 490 Rn. 23). Der Kläger kann sich deshalb für den Fall, dass ihm der Nachweis des äußeren Bildes eines Einbrechens nicht gelingt, angesichts der Feststellungen des Sachverständigen hilfsweise auf ein Eindringen der Täter in das Gebäude durch ein unverschlossenes Fenster berufen haben. In diesem Fall wäre zu prüfen, ob darin ein bedingungsgemäßer Einbruchdiebstahl durch Einsteigen liegt (vgl. Senatsurteil vom 8. Dezember 1993 – IV ZR 233/92, r+s 1994, 63). Dessen Vorliegen kann nicht mit der Erwägung des Berufungsgerichts verneint werden, die Spurenlage passe nicht zu einem Einsteigen der Täter in das Gebäude. Der Auffassung, bei Einsteigen der Täter in das Gebäude ließen sich die festgestellten Aufbruchspuren nicht erklären, liegt wiederum die Erwartung eines stimmigen Spurenbildes zugrunde. Stattdessen genügt auch hier, dass die festgestellten Tatsachen nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf ein bedingungsgemäßes Einsteigen der Täter in das Gebäude zulassen (vgl. Senatsurteil vom 8. Dezember 1993 aaO).

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