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D&O-Versicherung – Umfang des vorläufigen Deckungsschutzes

LG Frankfurt – Az.: 2-08 O 320/20 – Urteil vom 18.01.2021

Der Verfügungsbeklagten wird geboten, den Verfügungskläger bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache in den gegen den Verfügungskläger bereits anhängigen gerichtlichen Zivilverfahren, soweit sie mit angeblichen Pflichtverletzungen des Verfügungsklägers als Mitglied des Vorstands der … im Zusammenhang stehen, vertragsgemäßen Versicherungsschutz zu gewähren, d.h. insbesondere, den Verfügungskläger von den durch Beauftragung einer Rechtsanwaltssozietät ab dem 01.11.2020 entstandenen Verteidigungskosten von € … und noch entstehenden Verteidigungskosten freizustellen, wobei ein Stundensatz für Partner in Höhe von 350,00 Euro und für angestellte Anwälte in Höhe von 250,00 Euro, jeweils netto, und mindestens die nach RVG angefallenen und anfallenden Anwaltsgebühren als angemessen gelten.

Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.

Von den Kosten des Verfahrens, einschließlich des Rechtsmittelverfahrens haben die Verfügungsbeklagte 80 % und der Verfügungskläger 20 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, der Verfügungskläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Verfügungsbeklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Verfügungskläger macht im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes als versicherte Person bedingungsgemäße Leistungen in Form der Freistellung u. a. von Rechtsanwaltskosten aufgrund einer bei der Verfügungsbeklagten bestehenden D&O-Versicherung geltend. Der Verfügungskläger war seit 2002 erst als Mitglied des Vorstandes der … und später als deren Vorstandsvorsitzender tätig. Die … unterhielt als Versicherungsnehmerin bei der Verfügungsbeklagten ebenfalls seit 2002 eine D&O-Versicherung für Organmitglieder und leitende Angestellte. Als Versicherungssumme waren pro Versicherungsfall 15 Mio. Euro vereinbart. Der Versicherung lagen die Bedingungen … zugrunde. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Versicherungsvertrag sowie die Bedingungen Bezug genommen.

Der Verfügungskläger trat am 19.06.2020 von seiner Position als Vorstandsvorsitzender und Mitglied des Vorstandes zurück. Am 22.06.2020 veröffentlichte der Vorstand der … eine ad-hoc-Mitteilung, nach der die bisher zugunsten des Unternehmens ausgewiesenen Bankguthaben auf Treuhandkonten in Höhe von 1,9 Mrd.Euro mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht bestehen würden. Am 25.06.2020 stellte die … einen Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

[…]

Eine ursprünglich von der … gegen die … vor dem Landgericht München erhobene Klage mit Musterverfahrensantrag (Az. …) wurde auf den Verfügungskläger erweitert. Der gegnerische Schriftsatz vom 30.06.2020, mit dem die Klageerweiterung erfolgte, wurde dem Verfügungskläger am 27.08.2020 zugestellt. Die Klägerin begehrt Schadensersatz in Höhe von über 1 Mio. Euro unter anderem wegen angeblicher Veröffentlichung unrichtiger Insiderinformationen und Bilanzbetrugs. Den Angaben des Verfügungsklägers zufolge wurde ihm eine Frist zur Klageerwiderung bis zum 04.02.2021 gesetzt.

Außerdem sind ca. … Arrest- und Pfändungsbeschlüsse gegen ihn ausgebracht, von denen er behauptet, sie stünden in Zusammenhang mit den gegen ihn erhobenen Vorwürfen in Bezug auf die …; die Verfügungsbeklagte bestreitet dies mit Nichtwissen.

Der Verfügungskläger schloss am 07.07.2020 mit seinen jetzigen Prozessbevollmächtigten eine Honorarvereinbarung, nach der unter anderem für die Abwehr von zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen anstelle der gesetzlichen Gebührensätze ein Zeithonorar je nach tätig werdender Person von € … bis € … vorgesehen war.

Die … zeigte der Verfügungsbeklagten mit Schreiben vom 24.06.2020 den Versicherungsfall an und nahm Bezug auf das Ermittlungsverfahren und die Musterfeststellungsklage vor dem Landgericht München. Die Verfahrensbevollmächtigten des Verfügungsklägers teilten der Verfügungsbeklagten mit Schreiben vom 03.07.2020 den Versicherungsfall unter Hinweis auf das Schreiben der … vom 24.06.2020 sowie das gegen den Verfügungskläger gerichtete Ermittlungsverfahren und die Musterfeststellungsklage mit. Sie baten um Deckungszusage im Umfang des Versicherungsvertrages. Die Verfügungsbeklagte bestätigte die Anzeige des Verfügungsklägers mit Schreiben vom 09.07.2020 und bat um die Übersendung zahlreicher Unterlagen‘ und Informationen. Der Verfügungskläger kam dem Ersuchen mit Schreiben vom 15.07.2020 und vom 21.08.2020 nach. Die Verfügungsbeklagte stellte weitere Nachfragen mit Schreiben vom 03.08.2020 und wies darauf hin, bislang noch keine Aussage zum Versicherungsschutz getätigt zu haben und sich alle Einwände ausdrücklich vorzubehalten. Der Verfügungskläger erteilte mit Schreiben vom 02.09.2020 weitere Auskünfte und gab an, die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zu bestreiten. Unter Hinweis auf die zwischenzeitlich ergangenen Arrestbeschlüsse gegen ihn bat er dringend um vorläufige Deckungszusage.

D&O-Versicherung - Umfang des vorläufigen Deckungsschutzes
(Symbolfoto: kwarkot/Shutterstock.com)

Mit E-Mail vom 09.09.2020 forderte er die Verfügungsbeklagte nochmals zur vorläufigen Deckungszusage bis zum 14.09.2020 auf und kündigte an, ansonsten Deckungsklage zu erheben. Nachdem eine Deckungszusage nicht erfolgte, erhob der Verfügungskläger mit seiner Klageschrift vom 25.09.2020 vor der angerufenen Kammer Deckungsklage gegenüber der Verfügungsbeklagten und begehrt festzustellen, dass diese verpflichtet sei, ihm aufgrund der D&O-Versicherung Deckungsschutz für seine Rechtsverteidigung zu gewähren (Aktenzeichen 2-08 O 308/20). Im Hauptsacheverfahren läuft zurzeit eine Replikfrist.

Die Verfügungsbeklagte lehnte mit Schreiben vom 30.09.2020 Deckungsschutz ab und führte aus, der Versicherungsschutz sei vorliegend ausgeschlossen, weil der Verfügungskläger jedenfalls ab 2016 gefahrerhöhende Umstände verschwiegen und die Verfügungsbeklagte arglistig getäuscht habe. Die Finanzberichte der … seien seit 2015 wegen der Einbeziehung angeblicher Umsatzerlöse aus sogenannten … unzutreffend und stellten die wirtschaftlichen Verhältnisse der … falsch dar, was dem Verfügungskläger bekannt gewesen sei, so dass die Ausschlüsse in Ziffern 7.3.1, 7.3.2 OLA eingriffen. Hilfsweise sei sie leistungsfrei, weil der Verfügungskläger seine Anzeigeobliegenheit gemäß Ziffern 9.1.2, 9.3 OLA verletzt habe, indem er gefahrerhöhende Umstände nicht angezeigt und die Verfügungsbeklagte dadurch veranlasst habe, den Versicherungsvertrag zu verlängern. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 30.09.2020 Bezug genommen.

Der Verfügungskläger ist der Auffassung, im Wege der Leistungsverfügung Versicherungsleistungen beanspruchen zu können, da ihm sonst sein Recht auf Verteidigung und rechtliches Gehör genommen werde; ihm würden dadurch unwiederbringliche existentielle Nachteile entstehen.

Der Verfügungskläger behauptet, an der angeblich unrichtigen Darstellung der wirtschaftlichen Verhältnisse der … nicht beteiligt gewesen zu sein und auch keine Kenntnis davon gehabt zu haben. Er sei weder an dem Abschluss noch an der Verlängerung der bei der Verfügungsbeklagten bestehenden D&O-Versicherung, sondern lediglich an einer internen Beschlussfassung des Vorstandes im Januar 2019 hinsichtlich der Verlängerung der Versicherung beteiligt gewesen. […]. Er sei deshalb nicht mehr in der Lage, die gegen ihn gerichteten Ansprüche unter Zuhilfenahme anwaltlichen Rechtsbeistandes abzuwehren. Zur Glaubhaftmachung bezieht sich der Verfügungskläger auf seine eigene eidesstattliche Versicherung (BI. 143 d. A.).

Versicherungsschutz bestehe für die Vergütung von Rechtsanwälten auf der Grundlage von angemessenen und erforderlichen Honorarvereinbarungen (Ziffer 6.2.2 OLA). Umfasst seien ebenfalls vorbeugende Rechtskosten zur Vorbereitung der Verteidigung gegen Schadensersatzansprüche (Ziffer 4.2 OLA) sowie zur Abwehr eines dinglichen Arrestes (Ziffer 4.7.1 OLA). Die in der Honorarvereinbarung festgelegten Stundensätze seien angesichts der Komplexität des Falles angemessen und erforderlich (Glaubhaftmachung: anwaltliche Versicherung, Bi. 6 d. A.). Er habe Anfang Juli 2026 einen Vorschuss an seine Anwälte in Höhe von € … gezahlt, der zum Stichtag 14.10.2020 bis auf € … aufgebraucht worden sei.

Aufgrund der anhängigen Zivilverfahren seien bislang vorzuschießende Anwaltsgebühren in Höhe von € … angefallen. Eine Klage gegen die … wegen der Kündigung seines Dienstvertrages könne er mangels ausreichender finanzieller Mittel nicht erheben; ebenso werde er sich nicht gegen sich bereits konkret abzeichnende Organhaftungsansprüche wehren können.

Die Klageerwiderung in dem Musterverfahren vor dem Landgericht München zum dortigen Az.: … könne nicht gefertigt werden; ebenso könne er lediglich gegen drei der zahlreichen Arreste und Pfändungen, die allesamt in unmittelbarem Zusammenhang mit seiner Tätigkeit bei der … stehen würden, Widerspruch einlegen.

Der Verfügungskläger hat beantragt, der Antragsgegnerin zu gebieten, ihn bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache in den gegen ihn anhängigen gerichtlichen Zivilverfahren, die in Anlage 1 bezeichnet sind, sowie in den gegen den Antragsteller noch anhängig werdenden gerichtlichen Zivilverfahren, soweit sie mit angeblichen Pflichtverletzungen des Antragstellers als Mitglied des Vorstandes der … im Zusammenhang stehen, vertragsgemäßen Versicherungsschutz zu gewähren, d. h. insbesondere, den Antragsteller von den durch Beauftragung einer Rechtsanwaltssozietät ab dem 01.11.2020 entstehenden Verteidigungskosten freizustellen, wobei ein Stundensatz für Partner in Höhe von 350,- Euro und für angestellte Anwälte in Höhe von 250,- Euro, jeweils netto, und mindestens die nach RVG angefallenen und anfallenden Anwaltsgebühren als angemessen gelten.

Mit Beschluss vom 06.11.2020 hat die angerufene Kammer diesen Verfügungsantrag zurückgewiesen. Auf die sofortige Beschwerde des Verfügungsklägers hin hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main mit Beschluss vom 11.12.2020 den Kammerbeschluss aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an die Kammer zurückgewiesen.

Der Verfügungskläger beantragt nunmehr,

1. der Antragsgegnerin wird geboten, den Antragsteller bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache in den gegen den Antragsteller anhängigen gerichtlichen Zivilverfahren sowie in den gegen den Antragsteller noch anhängig werdenden gerichtlichen Zivilverfahren, soweit sie mit angeblichen Pflichtverletzungen des Antragstellers als Mitglied des Vorstands der … im Zusammenhang stehen, vertragsgemäßen Versicherungsschutz zu gewähren, d.h. insbesondere, den Antragsteller von den durch Beauftragung einer Rechtsanwaltssozietät ab dem 01.11.2020 entstehenden Verteidigungskosten freizustellen, wobei ein Stundensatz für Partner i. H. v. 350,00 € und für angestellte Anwälte i.H.v. 250,00 €, jeweils netto, und mindestens die nach RVG angefallenen und anfallenden Anwaltsgebühren als angemessen gelten.“

2. Hilfsweise: Der Antragsgegnerin wird geboten, dem Antragsteller die im Monat November angefallenen Rechtsverteidigungskosten in Höhe von … € und Gerichtskosten in Höhe von … € sowie die weiteren unmittelbar notwendigen Rechtsverteidigungskosten in Höhe von … € zu erstatten.

3. Hilfsweise: Der Antragsgegnerin wird geboten, dem Antragsteller bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache monatlich bis jeweils zum 3. Werktag Rechtsverteidigungskosten in Höhe von … € zu zahlen, über die der Antragsteller bis zum 10. Werktag des jeweiligen Monats die konkret angefallenen Stunden sowie die Höhe des sich hieraus ergebenden Anwaltshonorars – auf Grundlage eines Stundensatzes für Partner i. H. v. 350,00€ und für angestellte Anwälte i. H. v. 250,00 €, jeweils netto – mit einer Leistungsbeschreibung abzurechnen hat.

Die Verfügungsbeklagte erhebt die Einrede fehlender örtlicher Zuständigkeit und beantragt im Übrigen den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Die Verfügungsbeklagte ist der Auffassung, das Landgericht Frankfurt sei aufgrund des vereinbarten ausschließlichen Gerichtsstandes bereits örtlich unzuständig. Die Antragstellung sei hinsichtlich der Zivilverfahren wegen der bloßen Verweisung auf eine Anlage und der Vorwegnahme des Wahlrechts des Versicherers zwischen Abwehrdeckung und Freistellung bereits unzulässig. Die hohen Voraussetzungen einer Leistungsverfügung seien vorliegend nicht erfüllt.

Der Verfügungskläger befinde sich nicht in einer existentiellen Notlage, da von dem behaupteten Vorschuss noch circa € … zur Verfügung stehen würden; dieser Betrag reiche aus, um die Anwaltshonorare für die Fertigung der Klageerwiderung in dem Verfahren vor dem Landgericht München zum Az. …, zu begleichen. Zudem habe er die Möglichkeit, Prozesskostenhilfe zu beantragen oder sich einen Pflichtverteidiger beiordnen zu lassen, weshalb er nicht rechtsschutzlos sei. Es fehle an der erforderlichen Dringlichkeit, nachdem der Verfügungskläger seine Anwälte bereits am 07.07.2020 mandatiert habe und erst am 19.10.2020 einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gestellt habe. Schließlich sei eine Leistungsverfügung der Höhe nach allenfalls in dem Umfang gerechtfertigt, der nötig sei, um eine momentane existentielle Notlage abzuwenden. Der Verfügungskläger verfüge aktuell noch über ein Vermögen von … Euro.

Zudem stehe dem Verfügungskläger auch der begehrte Versicherungsschutz nicht zu. In den Finanzberichten der … seien seit 2015 Bilanzpositionen unzutreffend positiv dargestellt worden, obwohl das Unternehmen aus dem operativen Geschäft nur in geringem Umfang Einnahmen erwirtschaftet habe.

Dies gelte insbesondere für tatsächlich nicht existierende Umsatzerlöse in Höhe von angeblichen 1,9 Mrd. Euro aus den …. Der Verfügungskläger sei zumindest seit 2015 an der Verlängerung der D&O-Versicherung beteiligt gewesen und habe ihr diese gefahrerhöhenden Umstände verschwiegen und sie arglistig getäuscht.

Zur Glaubhaftmachung bezieht sich die Verfügungsbeklagte auf die ad-hoc-Mitteilung … vom 22.06.2020, […] und Finanzberichte …. Sie habe sich bei der Entscheidung über die Verlängerung der D&O-Versicherung auf die von der … vorgelegten Finanzkennzahlen und Geschäftsberichte verlassen.

Der Verfügungskläger habe auch gewusst, dass sie ihre Verlängerungsentscheidung auf der Basis der unzutreffenden Finanzberichte der … getroffen habe. Er habe zudem gewusst, dass sie in Kenntnis der tatsächlichen Umstände den Verlängerungsvertrag nicht oder nicht zu diesen Bedingungen abgeschlossen hätte. Dies sei ausreichend für die Annahme einer arglistigen Täuschung. Sie ist der Auffassung, dass der Versicherungsschutz deshalb wegen arglistiger Täuschung ausgeschlossen sei; sie sei zudem wegen der Verletzung von Obliegenheiten leistungsfrei.

Ergänzend wird auf das gesamte Sachvorbringen der Parteien, insbesondere auf den Inhalt der wechselseitig eingereichten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist überwiegend begründet.

In Bezug auf die erhobene Rüge fehlender örtlicher Zuständigkeit verweist die Kammer zunächst auf ihre Ausführungen in dem aufgehobenen Beschluss vom 06.11.2020, wonach die von der Verfügungsbeklagte geltend gemachte Gerichtsstandsvereinbarung nicht zwischen den Parteien des hier anhängigen Verfahrens getroffen und der Antrag wurde am Gericht des allgemeinen Gerichtsstands der Verfügungsbeklagten gestellt wurde, die insoweit vom Senat nicht beanstandet wurden.

Ein Verfügungsanspruch ist gegeben.

Es ist ebenso unstreitig, dass zwischen dem Unternehmen, dessen Vorstand der Verfügungskläger früher war, seit 2002 ein Versicherungsvertrag über einen Manager-Haftpflichtschutz abgeschlossen war, der Verfügungskläger insoweit versicherte Person nach Ziffer 1.3 a) i OLA ist, die hier gegenständlichen Haftungsvorgänge Versicherungsfälle zu begründen geeignet sind und diese Versicherungsfälle auch grundsätzlich in die Vertragslaufzeit nach Ziffer 2.2 OLA fallen. Unstreitig wurde der Versicherungsvertrag jedes Jahr für eine Versicherungsperiode von einem weiteren Jahr, zuletzt in 2019 für 2020, verlängert. Soweit die gegenüber dem Verfügungskläger von der Anspruchstellerseite erhobenen Vorwürfe eine Vorsätzlichkeit seines Handelns mit umfassen und insofern der Ausschluss gemäß Ziffer 7.1.2. OLA relevant sein könnte, spielt dies im jetzigen Verfahrensstadium noch keine Rolle.

Denn der Verfügungskläger macht mit seiner vorweggenommenen Deckungsklage Abwehransprüche im Rahmen des vereinbarten vorläufigen Deckungsschutzes nach Ziffer 7.1.3 OLA geltend. Diesbezüglich sieht aber Ziffer 7.1.3 OLA vor, dass bei Zweifeln über das Vorliegen einer wissentlichen oder vorsätzlichen Pflichtverletzung die Verfügungsbeklagte Verteidigungskosten gewähren muss. Der Versicherungsschutz entfällt danach erst, wenn eine wissentliche oder vorsätzliche Pflichtverletzung aufgrund eines Geständnisses oder einer gerichtlichen Entscheidung feststeht, was hier noch nicht der Fall ist. Bis zur Vorlage der Feststellung geleistete Verteidigungskosten können von der Verfügungsbeklagten auch nicht zurückgefordert werden, da dies betreffend Ziffer 7.1.3 OLA einen ausdrücklichen Verzicht beinhaltet.

Kommt insoweit einzig ein Ausschluss wegen arglistiger Täuschung nach Ziffer 7.3 OLA in Betracht, so hat die Verfügungsbeklagte nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass dieser Ausschluss durchgreift.

Allerdings hat die Kammer an der Wirksamkeit einer derartigen Regelung, mit der gewährleistet werden soll, dass der Versicherungsschutz gutgläubiger, versicherter Personen bestehen bleibt, auch wenn es arglistiges Handeln anderer versicherter Personen, das an sich zu einer Anfechtung des Versicherungsvertrages berechtigen würde, jedenfalls in der hier gegebenen Situation, keine Bedenken. Vorliegend geht es um einen Ausschluss des Versicherungsschutzes für eine versicherte Person, gegenüber der selbst der Arglistvorwurf erhoben wird. Die Kammer schließt sich hier auch den Ausführungen des Senats im Zurückweisungsbeschluss betreffend die Wirksamkeit dieser Klausel in Anbetracht des in Ziffer 7.1.3 OLA vereinbarten vorläufigen Deckungsschutzes an.

Der Senat hat hierzu ausgeführt:

„Betrachtet man die systematische Anordnung der Regelungen, dürfte davon auszugehen sein, dass die Regelungen selbständig und unabhängig voneinander zu sehen sind. Sie sind unter der gemeinsamen Abschnittsüberschrift „Ausschlüsse“ unter verschiedenen Ziffern geregelt: Ziffer 7.1 OLA beschäftigt sich mit Wissentlichkeit und Vorsatz, Ziffer 7.3 OLA mit der Arglist. Entsprechend wird die Verpflichtung zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes auch auf die Tatbestände der Wissentlichkeit und des Vorsatzes beschränkt. Diese Trennung der beiden Ausschlussgründe dürfte auch inhaltlich nachvollziehbar sein. Während Wissentlichkeit und Vorsatz sich auf die Art der Pflichtverletzung beziehen und damit auf das Haftungsverhältnis der versicherten Person zum geschädigten Dritten, betrifft die Frage der arglistigen Täuschung ausschließlich das versicherungsrechtliche Deckungsverhältnis zur Antragsgegnerin und deren Leistungspflicht.“

Soweit in dem Verhandlungstermin der Verfügungsklägervertreter argumentierte, es sei widersprüchlich und nach § 307 Abs 2 Ziffern 1 und 2 BGB im Hinblick auf § 101 Abs 1 Satz 3 VVG bedenklich, wenn die Verfügungsbeklagte auf der einen Seite im Versicherungsvertrag vorläufigen Versicherungsschutz bei dem Vorwurf vorsätzlicher Handlungen verspreche, und zugleich aus exakt dem von der Anspruchstellerseite vorgeworfenen und vom Verfügungskläger bestrittenen Verhalten ein Leistungsausschluss abgeleitet werde, greift dies in der konkreten Konstellation nicht durch. Zum einen ist bereits der von der Verfügungsbeklagten im Tatsächlichen geltend gemachte Sachkomplex nicht deckungsgleich mit dem von der Anspruchstellerseite erhobenen Vorwurf. Die Verfügungsbeklagte beruft sich im Kern darauf, dem Verfügungskläger sei die finanzielle Situation der Versicherungsnehmerin und die unzutreffende Außendarstellung der Finanzlage bekannt gewesen, was seinerseits zwar auch von der Anspruchstellerseite behauptet wird. Die Vorwürfe der Anspruchstellerseite erschöpfen sich aber nicht in diesem Umstand, sondern reichen darüber hinaus. Insoweit gibt es zwar eine inhaltliche Überschneidung zwischen dem Haftungssachverhalt einerseits und dem Ausschlusssachverhalt andererseits. Jedoch kann eine Identität der beiden Sachverhalte nicht angenommen werden. Vor allem enthält der von der Verfügungsbeklagten zur Begründung des Ausschlusses angeführte Sachverhalt ein Element, dass für die Frage der Haftung irrelevant ist. Die Verfügungsbeklagte beruft sich nämlich nicht nur auf die Kenntnis des Verfügungsklägers von der Finanzlage bzw. deren unzutreffende Außendarstellung, sondern primär darauf, der Verfügungskläger habe ihr gegenüber bei den jeweils vorgenommenen Vertragsverlängerungen dieses Wissen nicht kommuniziert. Dieser Kern des seitens der Verfügungsbeklagten erhobenen Vorwurfs spielt für die Haftung des Verfügungsklägers gegenüber der Anspruchstellerseite keine Rolle. Weil damit bereits der zugrunde zu legende Sachverhalt nicht zu dem vom Verfügungskläger erhobenen rechtlichen Einwand passt, bedarf es an dieser Stelle keiner Erörterung, ob der Einwand für sich gesehen überzeugt.

Auf der Grundlage der vorgelegten Unterlagen, namentlich der ad-hoc-Erklärung der … (Anlage AG 1) hat die Verfügungsbeklagte zunächst hinreichend glaubhaft gemacht, dass ein wesentlicher Vermögenswert, der von der Gesellschaft in der Vergangenheit nach außen kommuniziert wurde, in Wirklichkeit nicht vorhanden war und insoweit durch die Gesellschaft eine unzutreffende Darstellung ihrer Vermögenssituation erfolgte.

Weiter hat die Verfügungsbeklagte durch Vorlage der internal risk reports aus den Jahren 2016 bis 2019 (Anlagenkonvolut AG 13) glaubhaft gemacht, dass die kommunizierte Vermögenslage der … Prüfungsgegenstand bei der Entscheidung über die jeweilige Fortsetzung des Versicherungsverhältnisses gewesen ist.

Ein aktiver Beitrag des Verfügungsklägers bei der Kommunikation mit der Verfügungsbeklagten betreffend die jeweiligen Vertragsverlängerungen ist aber weiter nicht dargetan. Weder ist erkennbar, dass der Verfügungskläger unmittelbar an den auf eine Vertragsverlängerung zielenden Erklärungen beteiligt war, noch ergibt sich ein konkreter Anhalt dafür, dass der Verfügungskläger persönlich in die von der Verfügungsbeklagten vorgenommenen Risikoprüfungen einbezogen war.

Das einzige auf die Vertragsverlängerung direkt bezogene Vorbringen der Verfügungsbeklagten erschöpft sich in der Anmerkung, der Verfügungskläger räume selbst ein, mit Vorstandsbeschluss vom 09.01.2019 (Anlage K 4) die Verlängerung des Versicherungsvertrages beschlossen zu haben, und dies sei jedenfalls in 2017 (Vorstandsbeschluss vom 27.11.) und 2018 (Vorstandsbeschluss vom 11.04.) ebenso der Fall gewesen. Weiter sei davon auszugehen, dass das entsprechende Vorgehen auch in den Vorjahren bereits stattgefunden habe.

Die jeweilige Beschlussfassung des Verfügungsklägers betreffend die Verlängerung des Versicherungsvertrages besagt indes noch nicht, dass er nach dieser Beschlussfassung diesbezüglich weitere Tätigkeiten gegenüber der Verfügungsbeklagten betreffend die Umsetzung dieser Beschlüsse entfaltete. Wenn der Verfügungskläger aber gar nicht in die Verhandlungen mit der Verfügungsbeklagten über die jeweilige Vertragsverlängerung direkt einbezogen war, erschließt sich auch nicht, woher er die Kenntnis gehabt haben soll, welche Umstände für die Verfügungsbeklagte für ihre Entscheidung von Relevanz waren und wieso er sich veranlasst gesehen haben soll, sich in die Verhandlungen einzuschalten, um Nachfragen zu stellen oder aufklärende Erklärungen abzugeben. Soweit die Verfügungsbeklagte sich auf eine sekundäre Darlegungslast beruft, kommt die Anwendung dieses Instituts betreffend diesen Komplex bereits vom Ansatz her nicht in Betracht. Denn sofern der Verfügungskläger an den Verhandlungen mit der Verfügungsbeklagten beteiligt gewesen wäre oder die Verfügungsbeklagte an den Verfügungskläger direkt konkrete Fragen betreffend die Vertragsverlängerung gerichtet hätte, so wären dies Vorgänge, die Gegenstand der direkten Wahrnehmung der Verfügungsbeklagten bzw. der für sie handelnden Personen gewesen wären. Wenn der Verfügungskläger vorträgt, er sei überhaupt nicht mit den zwischen den Vertragsparteien geführten Gesprächen über die Verlängerung des Versicherungsvertrages befasst gewesen, so wäre es an der Verfügungsbeklagten, darzutun, wann und gegenüber wem der Verfügungskläger bei den Verhandlungen aufgetreten ist. Dieses Vorbringen müsste der Verfügungsbeklagten qua eigener Wahrnehmung möglich sein, ist aber vorliegend nicht erfolgt.

Als weitere potentiell relevante Handlung des Verfügungsklägers führt die Verfügungsbeklagte an, er habe in seiner Rolle als Vorstandsvorsitzender der … jährlich die Richtigkeit der Konzernbilanzen per Bilanzeid bestätigt hat, was auch durch die Vorlage der Finanzberichte der … (Anlagenkonvolut AG 12) von der Verfügungsbeklagten glaubhaft gemacht wurde.

Letztlich kann dahinstehen, ob man die beschriebenen Handlungen als ausreichende Grundlage für die Annahme einer generellen Offenbarungspflicht des Verfügungsklägers nach § 19 VVG auch ohne konkrete persönliche Mitwirkung an der Vertragsverlängerung bzw. der in diesem Zusammenhang durchgeführten erneuten Risikoprüfung genügen lassen könnte.

Denn selbst wenn man dies im Ansatz annähme, setzt dies immer noch die Glaubhaftmachung einer Kenntnis des Verfügungsklägers von der tatsächlichen Vermögenslage der Gesellschaft bzw. der Unrichtigkeit der diesbezüglichen Außendarstellung der Gesellschaft – entweder in Form eines positiven Wissens oder zumindest des Rechnens mit der Unrichtigkeit – voraus, die weiterhin durch die Verfügungsbeklagte nicht erfolgt ist.

Die Verfügungsbeklagte bezieht sich zur Glaubhaftmachung auf den Inhalt verschiedener Unterlagen, die aber weder jede für sich noch in der Gesamtschau mit überwiegender Wahrscheinlichkeit den Rückschluss erlauben, dass der Verfügungskläger positive Kenntnis davon hatte, dass die Darstellung der Vermögenslage der … unzutreffend war.

Der Senat hatte im Zurückverweisungsbeschluss bereits ausgeführt, dass sich der Rückschluss auf eine positive Kenntnis des Verfügungsklägers von der Finanzlage nicht bereits automatisch aus seiner Stellung als Vorstandsvorsitzender der Gesellschaft ziehen lassen. Bei einem aus mehreren Personen bestehenden Vorstand ist es gestattet, Aufgaben auf andere Mitglieder zu delegieren. Diesbezüglich führte der Verfügungskläger aus, den einzelnen Vorstandsmitgliedern seien bestimmte Aufgabenbereiche zugeordnet gewesen, weshalb er nicht in alle Bereiche Einblicke gehabt habe. Eine abweichende Handhabung hat die Verfügungsbeklagte nicht greifbar dargetan. Soweit sich die Verfügungsbeklagte in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 21.12.2020 auf weitere Unterlagen bezieht, sind diese zur Glaubhaftmachung nicht geeignet. Die Verfügungsbeklagte stellt eingehend und umfassend dar, dass der Verfügungskläger diejenige Person war, die bei der … alle Fäden in der Hand hatte und er auch großen Wert darauf legte, alles unter Kontrolle zu haben und über jedes Detail der Gesellschaft informiert gewesen zu sein.

In erster Linie bezieht die Verfügungsbeklagte sich dabei aber auf Erkenntnisse aus der Berichterstattung in diversen Medien. Die von der Verfügungsbeklagten zitierten Zeitungsartikel sind aber weder Urkunden, noch Mittel zur Glaubhaftmachung.

Die einzige Urkunde, welche die Verfügungsbeklagte in diesem Zusammenhang vorlegt, ist das Schreiben der … (Anlage AG 23). Der Beweiswert dieser Urkunde erschöpft sich allerdings darin, dass die … diese Sacherklärung abgegeben hat. Inwieweit die in der Erklärung enthaltene Sachverhaltsschilderung auch den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht, kann anhand des Schreibens nicht festgestellt werden. Bereits der Senat hatte in dem Zurückverweisungsbeschluss auf Seite 18 angemerkt, dass es letztlich der Vorlage eidesstattlicher Versicherungen der jeweiligen Beweispersonen bedürfte. Trotz dieses Hinweises hat die Verfügungsbeklagte weder betreffend den hier erörterten Komplex, noch in Bezug auf die anderen Unterlagen, betreffend die der Senat eine Geeignetheit zur Glaubhaftmachung anzweifelte, derartige Erklärungen vorgelegt.

Soweit die Verfügungsbeklagte hier geltend macht, den Verfügungskläger treffe eine sekundäre Darlegungslast, verfängt dies aus Sicht der Kammer nicht. Grundsätzlich sind durch einen Versicherer alle Tatsachen zu behaupten, aus denen sich der von ihm geltend gemachte Ausschluss herleitet. Eine Ausnahme ist hierbei zu machen, wenn die an sich primär darlegungsbelastete Partei außerhalb des von ihr vorzutragenden Geschehensablaufs steht und ihr eine nähere Substantiierung weder möglich noch zumutbar ist, während der Prozessgegner alle wesentlichen Tatsachen kennt oder unschwer in Erfahrung bringen kann und es ihm auch zumutbar ist, nähere Angaben zu machen (vgl. BGH, Urteil vom 16.08.2016, Az.: IV ZR 634/15, zitiert nach juris). Daran fehlt es hier.

Es ist bereits zweifelhaft, ob man von dem erforderlichen Ungleichgewicht bei der Kenntnis ausgehen kann. Zum einen ist zu sehen, dass die Verfügungsbeklagte nicht in der Situation ist, keinerlei Informationen zu haben. Denn sie tätigt im vorliegenden Verfahren umfassende Darlegungen und bezieht sich auf vielerlei Informationsquellen, ohne hierbei jedoch geeignete Mittel zur Glaubhaftmachung anzuführen. Zum anderen ist umgekehrt der im Verhandlungstermin erfolgte Hinweis des Klägervertreters auf die durch die Inhaftierung des Verfügungsklägers bestehende Einschränkung seiner Recherche- und Nachprüfungsmöglichkeiten und der Möglichkeit zur Vorlage von Belegen nicht von der Hand zu weisen.

Jedenfalls ist es aber dem Verfügungskläger nicht zumutbar, nähere Angaben zu machen, was aus dem Prinzip der Einheit der Rechtsordnung abzuleiten ist. Zwar soll nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Frage der sekundären Darlegungslast auch anwendbar sein, wenn es sich bei dem als verletzt in Rede stehenden Schutzgesetz um eine strafrechtliche Norm handelt (vgl. BGH, Urteil vom 10.02.2015, Az.: VI ZR 343/13, zitiert nach juris). Soweit ersichtlich, betrifft diese Rechtsprechung jedoch Fälle, in denen Verfügungsbefugte verklagt wurden und die Klägerseite einen ungeklärten Mittelabfluss konkret vorgetragen hat (vgl. BGH a.a.O. und Urteil vom 24.11.1998, Az.: VI ZR 388/97, jeweils zitiert nach juris).

In diesen Fällen wurde dem Verfügungsberechtigten auferlegt, Rechenschaft abzulegen über die Verwendung der konkret bezifferten Summe. Ähnlich liegen sogenannten Filesharing-Fälle, in denen zumindest konkret vorgetragen wird, dass der Beklagte Inhaber des Betroffenen Telefon- bzw. Internetanschlusses ist und welche Handlungen über den Anschluss erfolgt sein sollen.

Dem Verfügungskläger ungeachtet dessen die sekundäre Darlegungslast aufzuerlegen, wäre ausufernd. Zu dieser Annahme führt sowohl die abstrakte als auch die konkrete Betrachtung. Wenn der Verfügungskläger schweigt und ein Nachweis im Strafprozess nicht gelingt, erfolgt keine Verurteilung. Das Aufbürden einer sekundären Darlegungslast auf denselben Sachverhalt im Zivilprozess würde aber dazu führen, dass eine ihm negative Entscheidung ergeht mit der Begründung, er sei seiner Darlegungslast nicht nachgekommen. Dies wäre wertungswidersprüchlich.

Der Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung bedeutet zwar nicht, dass am Ende zweier Prozesse zwingend dasselbe Ergebnis stehen muss. Insbesondere gilt der im Strafprozess gültige Grundsatz, dass sich niemand selbst belasten muss, nicht unmittelbar im Zivilverfahren. Seine Existenz gebietet es aber, in Fällen von möglicher strafrechtlicher Relevanz sehr zurückhalten mit der Frage der sekundären Darlegungslast umzugehen und umgekehrt die Hürden für den primären Klägervortrag nicht zu niedrig zu setzen, weswegen die Kammer hier die Verfügungsbeklagte als primär darlegungsbelastet ansieht.

In Bezug auf die Unterlagen, auf deren Inhalt sich die Verfügungsbeklagte zwecks Glaubhaftmachung bezog, hatte der Senat bereits in dem Zurückverweisungsbeschluss zu Recht darauf hingewiesen, dass sowohl die ad-hoc-Mitteilung der …, als auch der Insolvenzantrag Erklärungen sind, die erst nach dem Ausscheiden des Verfügungsklägers und ohne dessen Zutun abgegeben wurden. Auch die beiden Gutachten zur wirtschaftlichen Situation der … beinhalten keinen zwingenden Anhaltspunkt für den Kenntnisstand des Verfügungsklägers.

Selbiges hat für die als Anlage AG 11 vorgelegten Payment & Risk Monthly Reportings zu gelten. Soweit die Verfügungsbeklagte anmerkt, hieraus ergebe sich, dass die Umsätze nur halb so hoch seien, wie kommuniziert, wäre es schon erforderlich gewesen, mitzuteilen, aus welchen Inhalten sich dieser Umstand ergeben soll. Eine bloße Bezugnahme auf die – ohnehin nicht in der Gerichtssprache, sondern in englischer Sprache abgefassten – Dokumente, die sich inhaltlich nicht ohne weiteres erschließen, genügt hierzu nicht. Vielmehr hätte hier eine konkrete Darlegung erfolgen müssen, aus welchen Inhalten der Reporte heraus die behauptete Schlussfolgerung, zum einen generell und zum anderen konkret durch den Verfügungskläger, gezogen werden konnte.

Soweit die Verfügungsbeklagte gegen das Argument des Senats, den im Rahmen des Ermittlungsverfahrens ergangenen Beschlüssen (Durchsuchungsbeschluss und Haftbefehle) ließen sich für das Zivilverfahren ausreichend belastbare Rückschlüsse noch nicht entnehmen, ausführt, es könne nicht alleine das Vorliegen einer zugelassenen Anklageschrift als Mittel zur Glaubhaftmachung ausreichend angesehen werden, überzeugt dies nicht.

Zutreffend ist sicherlich der Hinweis der Verfügungsbeklagten, dass der für den Erlass eines Haftbefehls erforderliche Verdachtsgrad grundsätzlich strenger ist, als der Maßstab für die Zulassung einer Anklage. Abgesehen davon, dass sich der Senat mit der Frage, auf welcher Grundlage der den Haftbefehlen des Landgerichts München zugrundeliegende dringende Tatverdacht fußt, durchaus in seiner Entscheidung befasst hat, ist ohnehin zu sehen, dass das Abstellen auf das Vorliegen einer zugelassenen Anklageschrift in Ansehung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes – namentlich des zu dem Aktenzeichen: IX ZB 216/07 ergangenen Beschlusses vom 06.05.2010 – überzeugt. Bei der Bewertung der genannten Entscheidung des Bundesgerichtshofes ist zu sehen, dass dieser Beschluss eine Lockerung der vorher vom Bundesgerichtshof definierten strengeren Vorgabe darstellt. Denn nach dem zum Aktenzeichen: IX ZR 37/03 ergangenen Beschluss des Bundesgerichtshofes vom 11.09.2003 zum Az.: IX ZR 37/03 genügt in der Regel eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung zur Glaubhaftmachung des ihr zugrundeliegenden Sachverhaltes.

Liegt eine rechtskräftige Entscheidung vor, so existiert eine gerichtliche Feststellung einer tatsächlichen Gegebenheit, die zwar in aller Regel nicht zur Beweisführung qua Urkundenbeweis ausreichend ist (vgl. BGH, Beschluss vom 16.03.2005, Az.: IV ZR 140/04, zitiert nach juris), die man jedoch als Basis einer Glaubhaftmachung für ausreichend ansehen kann. Zwar ist es durchaus denkbar, dass ein anderes Gericht auf gleicher Beurteilungsgrundlage einen Sachverhalt abweichend feststellt. Solange aber keine greifbaren Anhaltspunkte für eine abweichende Bewertungsgrundlage ersichtlich sind, kann die richterliche Überzeugungsbildung eines anderen Gerichts zunächst einmal als Grundlage für das für die Glaubhaftmachung ausreichende Wahrscheinlichkeitsurteil dienen. Betrachtet man nun die anderen hier diskutierten gerichtlichen Entscheidungen des Zulassungsbeschlusses über eine Anklageschrift und des Haftbefehls, so beinhalten beide Entscheidungsformen keine gerichtliche Feststellung in dem beschriebenen Sinne. Letztlich handelt es sich bei beiden Entscheidungsformen um Prognoseentscheidungen betreffend eine mögliche gerichtliche Feststellung. Erscheint es an sich fraglich, ob man auf solche Entscheidungen überhaupt ein Wahrscheinlichkeitsurteil stützen kann, so sieht die Kammer als Grund für die von dem Bundesgerichtshof vorgenommene Aufweichung der an sich klaren Vorgabe aus dem oben zitierten Beschluss aus 2003 darin begründet, dass bei der Zulassung der Anklageschrift – anders als bei dem Erlass eines Haftbefehls – zumindest eine Prognose über die Möglichkeit der eigenen Feststellung des Gerichts gestellt wird.

Ein:e Haftrichter:in befindet, wenn auch mit einem strengen Maßstab, nur darüber, ob es generell möglich erscheint, dass ein anderes Gericht später die zu einer Verurteilung ausreichenden Feststellungen wird treffen können. Dies berücksichtigend ist es konsequent, nur eine Zulassungsentscheidung, nicht aber einen Haftbefehl als Mittel zur Glaubhaftmachung anzuerkennen. Es sei nur am Rande bemerkt, dass der Bundesgerichtshof ohnehin nur ausgeführt hat, dass das Vorliegen einer zugelassenen Anklageschrift ausreichen „kann“ (vgl. BGH, Beschluss vom 06.05.2010, Az.. IX ZB 216/07, Leitsatz 2, zitiert nach juris), das heißt ein Zulassungsbeschluss dient keineswegs generell zur Glaubhaftmachung. Vielmehr ist ein Wahrscheinlichkeitsurteil auf dieser Grundlage als Ausnahme zu der an sich erforderlichen rechtskräftigen Entscheidung zu sehen. Dass man daneben weitere Ausnahmen zulässt und insbesondere bereits der Anklageerhebung vorgelagerte Beschlüsse als für eine Glaubhaftmachung ausreichende Grundlage ansieht, überzeugt nicht.

Soweit die Verfügungsbeklagte sich in diesem Kontext auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts München (Urteil vom 18.04.2016, Az.: 21 U 3720/15) bezieht, kann dieser Entscheidung nicht entnommen werden, dass ein Haftbefehl generell als zentrales Mittel zur Glaubhaftmachung geeignet sein kann. Das Gericht nimmt in der zitierten Entscheidung eine lange Würdigung der Glaubhaftmachung vor, an deren Ende es lapidar auch den Haftbefehl erwähnt. Diese Ausführungen des Oberlandesgerichts München bieten aber keinen Anhalt, anzunehmen, zu der oben zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofes aus dem Jahr 2003 seien über den Zulassungsbeschluss, der Gegenstand der Entscheidung aus dem Jahre 2010 war, hinausgehend weitere Aufweichungen oder Ausnahmen zwingend anzunehmen.

Sind demgemäß die Entscheidungen im Ermittlungsverfahren nicht als für eine Glaubhaftmachung geeignete Urkunden anzusehen, so kann auch der Arrestbeschluss des Landgerichts München, der sich in erster Linie auf die Ermittlungsergebnisse der Staatsanwaltschaft stützt, hier nicht als ausreichend angesehen werden.

Nachdem der Senat in dem Zurückverweisungsbeschluss umfassende Ausführungen zur Bewertung der als Mittel zur Glaubhaftmachung benannten Urkunden getätigt hat und die Verfügungsbeklagte insoweit erkennen konnte, dass das bisherige Vorbringen nicht ausreichend ist, hat sie in ihrer nach der Zurückverweisung eingereichten Stellungnahme weiterhin keine hinreichende Basis zur Glaubhaftmachung dargetan. Der neue Vortrag der Verfügungsbeklagten ist zwar durchaus als voluminös und fulminant zu bezeichnen. Wie bereits oben angemerkt, beschränkt sich diese Darlegung, wonach der Verfügungskläger bei der … alles im Griff hatte und über jedes Detail informiert war, im Wesentlichen auf eine zusammenfassende Schilderung von Sachverhalten aus Berichterstattung in verschiedenen Zeitungen. Zeitungsartikel sind aber kein Mittel zur Glaubhaftmachung, und es kann kein Wahrscheinlichkeitsurteil getroffen werden, dass alle Umstände, die in den Berichterstattungen mitgeteilt wurden, als gegeben angenommen werden können.

Aus den bereits oben genannten Gründen ist auch die Vorlage des Schreibens der … nicht ausreichend.

Darüber hinaus gehend bezieht sich die Verfügungsbeklagte noch auf ein Schreiben der Kanzlei … vom 05.04.2019 (Anlage AG 26), dessen Inhalt nach Ansicht der Verfügungsbeklagten belegt, dass eine Aussage des Verfügungsklägers in der Hauptversammlung vom 18.06.2019, […], unzutreffend war. Abgesehen davon, dass selbst wenn man diese Folgerung zöge, es sich nicht erschließt, welchen Rückschluss man daraus auf die Kenntnisse des Verfügungsklägers ziehen können soll, ist auch die gesamte Diktion des zitierten Schreibens als Grundlage für eine Wahrscheinlichkeitsbeurteilung nicht geeignet. Denn in dem Schreiben selbst werden lediglich „Zweifel“ geäußert und seinerseits nur ein Wahrscheinlichkeitsurteil gefällt.

Greift damit der Ausschluss nach Ziffer 7.3 OLA nicht ein, so sieht die Kammer keinen Anlass in Bezug auf die Regelung des 9.1.2. OLA zwischen den Darlegungsanforderungen bei beiden Vertragsregelungen zu differenzieren.

Auch ein Verfügungsgrund ist gegeben. In Ansehung der Ausführungen des Senats in dem schon mehrfach zitierten Zurückverweisungsbeschluss ist die im Beschluss der Kammer vom 06.11.2020 mitgeteilte Rechtsauffassung nicht aufrecht zu erhalten.

Der Senat hat diesbezüglich ausgeführt:

„Nach § 940 ZPO kann ein Begehren, das – wie hier – auf eine vollständige Befriedigung der behaupteten Ansprüche abzielt, ausnahmsweise im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung geltend gemacht werden. Der Gläubiger muss auf die sofortige Erfüllung zur Abwendung einer existentiellen Notlage dringend angewiesen sein und im Hauptsacheverfahren mit hoher bis an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit obsiegen. Des Weiteren darf ihm die Erwirkung eines Titels im ordentlichen Verfahren wegen der unvermeidlichen zeitlichen Verzögerung nicht zumutbar sein und ihm müssen aus der Nichtleistung schwerwiegende Nachteile drohen, die nicht außer Verhältnis stehen dürfen zu dem Schaden, den der Schuldner erleiden kann (OLG Düsseldorf, Urteil vom 15.05.2012, Az: 1-4 U 246/11; LG Mannheim, Urteil vom 29.04.2020, Az. 11 0 66/20; zitiert nach Juris zu Leistungen aus einer Betriebsschließungsversicherung).

Von einer existentiellen Notlage ist nach der Rechtsprechung auszugehen, wenn der Antragsteller so dringend auf die sofortige Erfüllung seines Leistungsanspruchs angewiesen ist und sonst so erhebliche wirtschaftliche Nachteile erleiden würde, dass ihm ein Zuwarten oder eine Verweisung auf die spätere Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen nach Wegfall des ursprünglichen Erfüllungsanspruchs nicht zumutbar ist.

In dem gegen den Antragsteller geführten Verfahren vor dem Landgericht München geht es seinen Angaben zufolge um seine wirtschaftliche Existenzgrundlage, da im Rahmen der angestrebten Musterklage Forderungen in Millionenhöhe auf ihn zukommen werden. Ohne die begehrte Abwehrdeckung dürfte ihm eine adäquate Verteidigung gegen diese Klage nicht möglich sein. Er befindet sich zur Zeit in Untersuchungshaft und verfügt über keinerlei Einkommen. Eigene finanzielle Mittel stehen ihm aufgrund der gegen ihn verhängten Arreste nicht zur Verfügung. Der Antragsteller hat vorgetragen und eidesstattlich versichert, dass […] und die seinen Anwälten überlassenen Vorschüsse mittlerweile aufgebraucht seien. Er ist deshalb nicht mehr in der Lage, das Anwaltshonorar insbesondere für die anstehende Klageerwiderung in dem Verfahren vor dem Landgericht München zu zahlen. Sein Anwalt hat diesen Vortrag aus eigener Sachkunde bestätigt und anwaltlich versichert.

Darüber hinaus muss die Verteidigung gegen die Klage soll sie nicht ihren Sinn verlieren – so kurzfristig erstellt werden, dass die Erwirkung eines Titels im Deckungsprozess nicht mehr rechtzeitig möglich ist.

Der Antragsteller hat seinen unwidersprochenen Angaben zufolge eine Frist zur Klageerwiderung bis Zum 04.02.2021. Bis zu diesem Zeitpunkt ist mit einer Entscheidung in dem Hauptsacheverfahren des Deckungsprozesses nicht zu rechnen; der Antragsgegnerin wurde dort erst eine Frist zur Klageerwiderung gesetzt. Ein Zuwarten‘ auf die Entscheidung des Deckungsprozesses dürfte dem Antragsteller nach dem derzeitigen Stand nicht zumutbar sein.

Es fehlt vorliegend entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin auch nicht an der Dringlichkeit, weil der Antragsteller in Kenntnis der maßgeblichen Umstände gerade nicht untätig geblieben ist und den Antrag.auf Erlass der einstweiligen Verfügung auch nicht erst nach längerer Zeit gestellt hat. Die Antragsgegnerin hat – trotz mehrfacher Aufforderung des Antragstellers – eine abschließende Erklärung zu ihrer Deckungsentscheidung erst mit Schreiben vom 30.09.2020 abgegeben. Der Antragsteller hat sodann im vorliegenden Verfahren mit Antrag vom 19.10.2020 den Erlass einer einstweiligen Verfügung begehrt. Die zwischen der Ablehnung der Deckung und der Antragstellung liegenden drei Wochen lassen die Dringlichkeit nicht entfallen.

Die dem Antragsteller aufgrund der Verweigerung der vorläufigen Abwehrdeckung drohenden Nachteile dürften schwer wiegen. Bei der Beurteilung der Frage, ob sie außer Verhältnis zu dem Schaden stehen, den die Antragsgegnerin erleiden könnte, werden sowohl die Prozessaussichten des Hauptsacheverfahrens (Deckungsklage) als auch der Umstand zu berücksichtigen sein, dass die vorliegende Versicherung insbesondere die finanziellen Mittel zur Abwehr unbegründeter Ansprüche Dritter bereitstellen soll.

Die Anordnung der Zahlung der Rechtsanwaltskosten im summarischen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes führt im für die Antragsgegnerin ungünstigsten Fall dazu, dass sie bei einer Klageabweisung im Deckungsprozess mögliche Rückzahlungsansprüche gegenüber dem Antragsteller unter Umständen nicht realisieren könnte. Demgegenüber läuft der Antragsteller ohne die Abwehrdeckung Gefahr, seine gesamte wirtschaftliche Existenzgrundlage zu verlieren. Den Antragsteller auf die theoretische Möglichkeit zu verweisen, nach jahrelanger Prozessführung gegebenenfalls Schadensersatzansprüche geltend machen zu können, könnte angesichts des Umfangs der gegen ihn erhobenen Verfahren und der drohenden Vernichtung seiner Existenzgrundlage unangemessen sein, da er vor solchen Risiken gerade durch die streitgegenständliche Police geschützt werden sollte.

Der Antragsteller kann schließlich aufgrund der bestehenden D&O-Versicherung nach der derzeit bestehenden Sach- und Rechtslage auch nicht auf die Beantragung von Prozesskostenhilfe verwiesen werden. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist nach § 114 Abs. 1 S. 1 ZPO unter anderem davon abhängig, dass die Partei nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage ist, die Kosten der Prozessführung zu tragen. Nach der Rechtsprechung fehlt es an dem erforderlichen Unvermögen der Kostentragung, sofern die Partei – wie vorliegend – über eine Rechtsschutz- oder Haftpflichtversicherung verfügt und diese verpflichtet ist, alles zur Abwehr der Klageforderung Notwendige zu veranlassen (KG Berlin, Urteil vom 29.03.1979, Az. 12 U 35/79; für die Rechtsschutzversicherung BGH, Beschluss vom 04.10.1990, Az. IV ZB 5/90; zitiert nach Juris). Diese vorrangige vertragliche Verpflichtung der Antragsgegnerin, gerade auch vorläufige Abwehrdeckung zu gewähren, sofern nicht ein Ausschlusstatbestand eingreift, ist bei der prozessualen Beurteilung der Notlage im Sinne des § 940 ZPO zu beachten. Sollte die Antragsgegnerin den Deckungsschutz zu Unrecht verweigert haben, darf dies nicht dazu führen, dass der, Anspruch des Antragstellers auf eine schnelle und wirksame Abwehrdeckung durch den Verweis der Antragsgegnerin auf Prozesskostenhilfe verkürzt wird. Hinzu kommt, dass der aufgrund von Prämienzahlungen erworbene Deckungsschutz, der die Erstattung von Rechtsanwaltskosten aufgrund von Honorarvereinbarungen ausdrücklich vorsieht, mit einer Rechtsverteidigung auf der Grundlage von Prozesskostenhilfe nicht zu vergleichen ist.“

Wenn die Verfügungsbeklagte in ihrer Stellungnahme vom 21.12.2020 nunmehr geltend macht, die existentielle Notlage des Verfügungsklägers sei bereits auf der Grundlage des Umstandes, dass er über ausreichende finanzielle Mittel verfüge, um seine Rechtsverteidigung zu finanzieren, zu verneinen, fehlt es wiederum an einer hinreichenden Glaubhaftmachung.

Zum einen wird von der Verfügungsbeklagten ein Zeitungsartikel aus der FAZ vom 13.12.2020 angeführt, der per se kein Mittel zur Glaubhaftmachung darstellt. Das weiter als Anlage AG 32 vorgelegte Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 10.02.2020 kann so verstanden werden, dass der Verfügungskläger sinngemäß äußerte, er habe […] und der Rest „unter einer Treuhandlösung“. Wenn die Verfügungsbeklagte argumentiert, auf einem Treuhandkonto befindliche Gelder seien vor einem Zugriff durch Dritte geschützt, überzeugt dies nicht. Die Verfügungsbeklagte beruft sich hierbei vor allem auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes (Beschluss vom 22.04.2010, Az.: VII ZB 15/09), aus der sie folgert, ein Zugriff auf Gelder auf einem Treuhandkonto sei nur zulässig, wenn der Treuhänder Schuldner sei, während das Treuhand-Vermögen des Treugebers nicht pfändbar sei. Dies kann der zitierten Entscheidung aber nicht entnommen werden.

Diese Entscheidung lautet an der maßgeblichen Stelle (Rn. 10 bei juris):

„Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts steht dem Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nicht entgegen, dass die Gläubigerin keinen Titel gegen die Drittschuldner hat. Zwar ist es richtig, dass es zur Vollstreckung in Rechte, die zu einem Treuhandvermögen gehören, eines Titels bedarf, in dem der Treuhänder als Vollstreckungsschuldner bezeichnet ist. Denn diese Rechte sind bei der treuhänderischen Rechtsbegründung mit voller dinglicher Wirkung auf den Treuhänder übergegangen (BGH, Urteil vom 5. November 1953 – IV ZR 95/53, BGHZ 11,37, 43). Die Notwendigkeit eines Titels gegen den Treuhänder besteht aber nicht, wenn nicht das Treugut selbst, sondern ein Anspruch des Treugebers gegen den Treuhänder aus dem Treuhandverhältnis, etwa auf Rückübertragung des Treuguts (BGH, Urteil vom 5. November 1953 – IV ZR 95/53, aaO und vom 26. Juni 1958 – VII ZR 56/57, WM 1958, 1222, 1223) oder auf Herausgabe des Erlangten (BGH, Urteil vom 9. Dezember 1993 – IX ZR 100/93, BGHZ 124, 298, 300) gepfändet werden soll. Dann genügt ein Titel allein gegen den Treugeber, zu dessen Vermögen diese Ansprüche gehören.“

Das besagt aber, dass auch der Gläubiger des Treugebers Vollstreckungszugriff auf das Treugut hat, und zwar durch Pfändung des gegen den Treuhänder gerichteten Anspruchs des Treugebers. Wieso etwaiges Treuhandvermögen des Verfügungsklägers nicht der Pfändung unterliegen soll, erschließt sich hiernach nicht. Ist ein Vermögensgegenstand pfändbar, kann aber auch diesbezüglich ein Arrest erwirkt werden. Abgesehen davon ist es auch im Tatsächlichen nicht so, dass selbst wenn man unterstellt, dass der Verfügungskläger im Februar 2020 ein Vermögen von etwa 500 Mio. Euro auf einem Treuhandkonto hatte, und dies durch das Protokoll der Aufsichtsratssitzung auch als hinreichend glaubhaft gemacht ansähe, dies noch nicht belegen würde, dass die Situation im Sommer 2020 fortbestand. Es ist nicht auszuschließen, dass in der Zwischenzeit das Treuhandverhältnis aufgelöst wurde und das ehemalige Treuhandvermögen von der Arretierung mit umfasst wurde.

Soweit dem Verfügungskläger hinsichtlich des Umfangs des Abwehranspruchs Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu gewähren war, hat er diese Darlegungen in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 21.12.2020 getätigt und seinen Antrag zielführend umgestellt. Der Senat hatte als Vorgabe formuliert:

„Nach Ziffer 6.1.1 OLA führt die versicherte Person den Rechtsstreit zur Verteidigung selbst; sie hat freie Wahl des Rechtsanwaltes. Ersatzfähige Verteidigungskosten sind unter anderem nach Ziffer 6.2.1 a) OLA die Vergütung des Rechtsanwaltes nach Maßgabe einer mit Zustimmung des Versicherers getroffenen Honorarvereinbarung, andernfalls nach Maßgabe des RVG. Verteidigungskosten sind nach Ziffer 6.2.2 OLA in dem Umfang versichert, in welchem diese einer versicherten Person durch die Verteidigung gegen einen Schadensersatzanspruch selbst entstehen. Wenn der Versicherer den Rechtsschutz zu Unrecht verweigert hat, wandelt sich der Rechtsschutzanspruch in einen Zahlungsanspruch um, soweit der Versicherte die vertragsgemäß vom Versicherer zu übernehmenden Kosten selbst getragen hat (Prölss/Martin/Lücke, VVG, 29. Auflage 2015, § 101 Rn. 2). Im Rahmen der Leistungsverfügung dürfte der Antragsteller verlangen können, der Antragsgegnerin aufzugeben, ihn von den jeweiligen ersatzfähigen Verteidigungskosten freizustellen. Von daher ist der Verfügungsanspruch auf Freistellung von den Kosten der Anfertigung der Klageerwiderung in dem Verfahren vor dem Landgericht München auf der Grundlage der getroffenen Honorarvereinbarung gerichtet. Der Antragsteller hat ausreichend dargelegt, dass in dem komplexen Klageverfahren vor dem Landgericht München eine adäquate Verteidigung allein durch auf diesem Fachgebiet erfahrene und spezialisierte Rechtsanwälte möglich ist, die regelmäßig ihre Tätigkeit nur auf der Basis von Honorarvereinbarungen anbieten. Auch die begehrten Sätze sind als angemessen zu qualifizieren, zumal der Verfahrensbevollmächtigte des Verfügungsklägers eine anwaltliche Versicherung abgegeben hat.“

Dieser Vorgabe hat der Antrag des Verfügungsklägers von Anfang an insoweit genügt, als er auf die Gewährung bedingungsgemäßen Versicherungsschutzes in Form der Freistellung von bereits angefallenen und demnächst anfallenden Kosten in dem bereits anhängigen Zivilrechtsstreit gerichtet war. Soweit der Senat es in diesem Zusammenhang als noch offen angesehen hat, in welcher Höhe dafür Rechtsanwaltshonorare angefallen sind oder noch anfallen werden und wofür der sich aus der Aufstellung in der Anlage 1 nach dem RVG ergebende Anwaltsvorschuss in dem Verfahren vor dem Landgericht München aufgewandt wurde, hat der Verfügungskläger in seiner Stellungnahme vom 21.12.2020 inzwischen ergänzend vortragen und seine Angaben durch die anwaltliche Versicherung auch glaubhaft gemacht. Den von dem Senat geäußerten Bedenken in Bezug auf die im Ursprungsantrag enthaltene Bezugnahme auf die Anlage … ist der Verfügungskläger in der Weise begegnet, dass er seinen Antrag nunmehr abstrakt formuliert hat.

Soweit der Antrag allerdings auch auf eine Freistellung von Kosten, die in erst noch zukünftig anhängig werdenden Verfahren anfallen werden, gerichtet ist, war er zurückzuweisen. Bereits der Senat hatte in dem Zurückverweisungsbeschluss ausgeführt, dass aufgrund der engen Voraussetzungen der Leistungsverfügung nur die anwaltlichen Tätigkeiten zu vergüten sind, die aktuell unaufschiebbar sind, um einem Rechtsverlust des Verfügungsklägers zu begegnen. Dies bedinge jeweils nur eine Finanzierung der nächsten unabweisbaren anwaltlichen Schritte durch die Verfügungsbeklagte.

Für die erst künftig anhängig werdenden Verfahren und Rechtsstreitigkeiten ist daher zurzeit ein Verfügungsgrund noch nicht gegeben.

Die Hilfsanträge waren nicht positiv zu bescheiden. Soweit der Hauptantrag zu 1) positiv beschieden wurde, ist die innerprozessuale Bedingung für die angekündigten Hilfsanträge ohnehin nicht eingetreten. Da der Hauptantrag, soweit er auf Freistellung von künftig anfallenden Kosten in den bereits anhängigen Verfahren lautet, positiv beschieden wurde, sind die in dem ersten Hilfsantrag aufgeführten Kostenpositionen ganz überwiegend bereits von dem Tenor zur Hauptsache umfasst. Der in dem ersten Hilfsantrag genannte Betrag von € … ist unter der Ziffer 31 des Schriftsatzes vom 21.12.2020 näher aufgeschlüsselt, und es handelt sich hierbei durchgängig um erst noch anfallende Kosten, betreffend die bereits eine positive Antragsbescheidung erfolgte. Soweit in dem ersten Hilfsantrag Gerichtskosten von € … aufgeführt werden, existieren zwar bereits Gerichtskostenrechnungen. Nach der Darstellung des Verfügungsklägers handelt es sich insoweit aber um Kostenpositionen, bei denen nicht der Verfügungskläger eine Zahlung erbringen muss, um sein Recht durchzusetzen, sondern bei denen eine Zwangsvollstreckung droht. Auch hier greift die Freistellungskomponente erst künftig ein. Einzig die Kostenposition € … bezieht sich auf bereits angefallene Rechtsanwaltskosten. Hier hat der Verfügungskläger dargetan und durch anwaltliche Versicherung glaubhaft gemacht, dass in dem Rechtsstreit … im November 2020 € … angefallen sind (Rz. 2 der Stellungnahme vom 21.12.2020), im Arrestverfahren … € … angefallen sind (Rz. 20 der Stellungnahme vom 21.12.2020) und in den übrigen Arrestverfahren € … angefallen sind (Rz. 14 der Stellungnahme vom 21.12.2020). Diese Kostenposition wurde daher zur Klarstellung in den Hauptsachetenor aufgenommen.

In dem ersten Hilfsantrag sind nach der Aufstellung des Verfügungsklägers keine Kostenpositionen aufgeführt, die sich auf erst in der Zukunft anhängig werdende Verfahren und Rechtsstreitigkeiten beziehen, sondern nur Kostenpositionen, die entweder bereits angefallen sind, oder die zwar erst künftig anfallen werden, jedoch in Verfahren, die bereits anhängig sind.

Demzufolge sind im ersten Hilfsantrag keine Kostenpositionen aufgeführt, auf die sich die Teilzurückweisung des Tenors zur Hauptsache bezieht. Diese betrifft nur Kosten, die nicht nur künftig, sondern auch in erst in der Zukunft anhängig werdenden Verfahren oder Rechtsstreitigkeiten anfallen werden und für die zurzeit deswegen kein Verfügungsgrund gegeben ist.

Auf eben diese von der Teilzurückweisung umfassten Kostenpositionen bezieht sich der zweite Hilfsantrag. Da aber für Kostenpositionen, bei denen nicht sicher ist, ob sie jemals tatsächlich anfallen werden, zurzeit ein Verfügungsgrund nicht bejaht werden kann, kann auch die Anordnung einer Vorschusspflicht mit Abrechnungsvorbehalt nicht erfolgen. Das Gericht anerkennt allerdings, dass im Falle einer abschließenden Klärung der Freistellungspflicht die in dem zweiten Hilfsantrag skizzierte Vorgehensweise durchaus die zukünftige Handhabe der Wahl sein könnte.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 91 und 92 ZPO.

Der Vollstreckbarkeitsausspruch findet seine Grundlage in den §§ 708 Nr. 6, 711 ZPO. Soweit dem Antrag des Verfügungsklägers entsprochen wurde, ergibt sich die Vollstreckbarkeit aus der Natur der einstweiligen Verfügung.

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