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Dialysebehandlung – Transportkosten – Erstattungsfähig private Krankenversicherung

OLG Nürnberg – Az.: 8 224/21 – Urteil vom 28.02.2022

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 17. Dezember 2020, Az. 8 O 2040/20, aufgehoben und die Klage abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 5.033,58 € festgesetzt.

Gründe

A.

Der Rechtsstreit betrifft seitens der Klägerin geltend gemachte Kostenerstattungsansprüche im Zusammenhang mit einer mit der Beklagten vereinbarten Krankenversicherung.

Die schwer erkrankte Klägerin ist seit dem 1. Juni 1999 unter der Versicherungsnummer … privat bei der Beklagten krankenversichert.

Ziffer 1.1 e) der zwischen den Parteien vereinbarten Tarifbedingungen … lautet: „Erstattungsfähig sind bei ambulanter Heilbehandlung … Aufwendungen für medizinisch notwendigen Transport im unmittelbaren Zusammenhang mit einer ambulanten Operation …“.

Ziffer 1.2. f) dieser Tarifbedingungen lautet: „Erstattungsfähig sind bei stationärer Heilbehandlung … Aufwendungen für medizinisch notwendigen Transport zum und vom Krankenhaus …“.

Im vertraglich vereinbarten Teil II § 5 zu § 4 (3) RB/KK 2008 ist Folgendes geregelt: „Als Heilmittel gelten die im Gebührenverzeichnis der geltenden Gebührenordnung für Ärzte unter Abschnitt E Physikalisch-medizinische Leistungen aufgeführten Leistungen …“ (wegen des Inhalts der vereinbarten Tarifbedingungen und der in den Vertrag einbezogenen Versicherungsbedingungen wird im Übrigen auf die Anlagen K 1 bis K 3 Bezug genommen).

Wegen ihrer Niereninsuffizienz wird die Klägerin dreimal wöchentlich in einer etwa 3,5 km von ihrem Wohnort entfernten Dialysepraxis behandelt (auf die Bescheinigung der nephrologischen Gemeinschaftspraxis vom 20. Mai 2019, Anlage K 5, wird insoweit Bezug genommen). Aufgrund ihres Gesundheitszustands musste die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum (1. Februar 2019 bis 29. November 2019) zur Dialysebehandlung transportiert werden; die nephrologische Behandlungspraxis stellte ihr für die Tage, an denen sie dort dialysiert wurde, Dauertransportscheine aus (Anlagen K 7.1, K 9, K 11, K 13, K 15, K 17, K 20, K 22). Die Klägerin wurde zu den Dialyseterminen durch die Personenbeförderung … gefahren; für den streitgegenständlichen Zeitraum wurde der Klägerin für die jeweiligen Fahrten ein Betrag in Höhe von 4.278,08 € in Rechnung gestellt (Anlagen K 8, K 10, K 12, K 14, K 16, K 19, K 21, K 23).

Die Klägerin erhielt zudem im Zeitraum vom 4. Februar 2019 bis zum 11. November 2019 zu Hause physiotherapeutische Behandlungen; hierauf bezogen stellte die Therapiepraxis … der Klägerin neben den nicht entscheidungserheblichen Kosten für die jeweilige Krankengymnastik auch weitere Kosten für den jeweiligen Hausbesuch und ein jeweiliges Wegegeld in Höhe von insgesamt 755,50 € in Rechnung (Anlagen K 28 ff.).

Die Klägerin hat in der ersten Instanz insbesondere die Auffassung vertreten, die Transportkosten zur Dialyse seien gem. § 83 VVG als sogenannte Rettungskosten zu erstatten. Eine Erstattungspflicht ergebe sich aus den Nrn. 1.1 e) und 1.2 f) der vereinbarten Tarifbedingungen … Ein anderes Vertragsverständnis würde das vertragliche Leistungsversprechen aushöhlen. Bei den Kosten für die Hausbesuche des Physiotherapeuten handle es sich um erstattungsfähige Kosten des Heilmittels.

Die Klägerin hat in der ersten Instanz beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.033,58 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz aus 3.026,68 € seit 1.09.2019 und aus weiteren 2.007,30 € seit Zustellung der Klageschrift zu bezahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 431,64 € nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Klagezustellung zu bezahlen.

Die Beklagte hat in der ersten Instanz beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat in der ersten Instanz die Auffassung vertreten, bei den gegenständlichen Transportkosten handle es sich nicht um Kosten der Heilbehandlung. Die Fahrten hätten zudem ambulante Behandlungen betroffen und seien daher nach den vertraglichen Tarifbedingungen nicht erstattungsfähig. Soweit die Kosten der Hausbesuche betroffen seien, sei in den vereinbarten Tarifbedingungen lediglich auf den Abschnitt der GOÄ Bezug genommen worden, der sich mit physikalisch-medizinischen Behandlungen befasse; die Kosten der Hausbesuche seien von dieser Bezugnahme nicht erfasst.

Im Übrigen wird wegen des unstreitigen Sachverhalts und des erstinstanzlichen Parteivorbringens auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Hinsichtlich der geltend gemachten Transportkosten zu den Dialysebehandlungen hat das Landgericht die Auffassung vertreten, die auf eine „stationäre Heilbehandlung“ bezogenen Versicherungsbedingungen seien, zumal die streitgegenständlichen Dialysebehandlungen einen teilstationären Charakter aufwiesen, unklar gewesen; Unklarheiten gingen indes zu Lasten des Verwenders der Bedingungen. Soweit die Kosten der Hausbesuche betroffen sind, hat das Landgericht darauf abgestellt, dass der Verweis auf den Abschnitt E der GOÄ in den Versicherungsbedingungen nicht bedeute, dass hiermit die in §§ 8, 9 GOÄ geregelten Erstattungen (Wegegeld; Reiseentschädigung) ausgeschlossen werden sollten. Auch insoweit gingen Unklarheiten zu Lasten der Beklagten.

Das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 17. Dezember 2020 ist der Beklagten am 23. Dezember 2020 zugestellt worden. Hiergegen hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 21. Januar 2021, eingegangen beim Oberlandesgericht Nürnberg am selben Tag, Berufung eingelegt und diese mit am 6. April 2021 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz begründet.

Die Beklagte wendet sich mit ihrer Berufung im vollen Umfang gegen das angegriffene Endurteil und stützt sich hierbei im Wesentlichen auf die Ausführungen, die sie in der ersten Instanz vorgetragen hat und vertieft insoweit ihre Argumentation. Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Endurteil und vertieft insoweit ihre erstinstanzlichen Ausführungen.

Die Beklagte beantragt in der zweiten Instanz:

Das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 17. Dezember 2020, zugestellt am 23. Dezember 2020, Az. 8 O 2040/20, wird aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin beantragt in der zweiten Instanz:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Im Übrigen wird auf die schriftsätzlichen Ausführungen der Parteien im Berufungsrechtszug Bezug genommen.

Der Senat hat in der öffentlichen Sitzung vom 7. Februar 2022 die Klägerin informatorisch angehört (wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll vom 7. Februar 2022 Bezug genommen).

B.

Die zulässige Berufung (vgl. I.) ist begründet (vgl. II.). Das angegriffene Endurteil ist daher aufzuheben und die Klage abzuweisen. Im Rahmen der kurzen Begründung ist für die Abänderung der angefochtenen Entscheidung (vgl. § 540 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) Folgendes von Bedeutung:

I.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 517, § 519 ZPO); die Beklagte hat die Berufung innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründet (§ 520 ZPO).

II.

Die Berufung ist im vollen Umfang begründet. Die angegriffene Entscheidung beruht auf einer Rechtsverletzung (§ 513 ZPO). Der Klägerin steht ein Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten Transportkosten (vgl. II. 1.) und der Kosten der Hausbesuche (vgl. II. 2.) nicht zu.

1. Die Klägerin kann den von ihr geltend gemachten Anspruch auf Erstattung ihrer die Dialysebehandlungen betreffenden Transportkosten nicht auf Ziffer 1.1. e) oder auf Ziffer 1.2 f) der vereinbarten Tarifbedingungen … stützen. Bei den durch den jeweiligen Transport veranlassten Kosten handelt es sich auch nicht um Rettungskosten im Sinne der §§ 82, 83 VVG.

Im Einzelnen:

Dialysebehandlung - Transportkosten – Erstattungsfähig private Krankenversicherung
(Symbolfoto: Salivanchuk Semen/Shutterstock.com)

a) Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit – auch – auf seine Interessen an. In erster Linie ist vom Wortlaut der jeweiligen Klausel auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (vgl. BGH, Urteil vom 31. März 2021 – IV ZR 221/19, juris Rn. 26; BGH, Urteil vom 29. März 2017 – IV ZR 533/15, juris Rn. 12). Es ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung auch geklärt, dass der Versicherte gerade in Anbetracht eines mit dem Hauptleistungsversprechen weit gesteckten Leistungsrahmens, alle mit der Heilbehandlung zusammenhängenden Aufwendungen zu übernehmen, davon ausgehen wird, dass dieses Leistungsversprechen näherer Ausgestaltung bedarf, die auch Einschränkungen nicht ausschließt (vgl. BGH, Beschluss vom 06. März 2019 – IV ZR 108/18, juris Rn. 19).

b) Auf der Grundlage einer hieran gemessenen Auslegung der relevanten Tarifbedingungen kann die Klägerin als verständige Versicherungsnehmerin die im streitgegenständlichen Zeitraum vorgenommenen Dialysebehandlungen nicht als „ambulante Operationen“ im Sinne der Ziffer 1.1. e) der Tarifbedingungen … und auch nicht als „stationäre Heilbehandlung“ im Sinne der Ziffer 1.2 f) der genannten Tarifbedingungen verstehen.

aa) Gemäß Ziffer 1.1 e) der zwischen den Parteien vereinbarten Tarifbedingungen … sind bei ambulanter Heilbehandlung Aufwendungen für einen „medizinisch notwendigen Transport im unmittelbaren Zusammenhang mit einer ambulanten Operation“ erstattungsfähig. Die vorliegenden Dialysebehandlungen werden hiervon aber nicht erfasst, da diese nicht operativ durchgeführt werden. Der jeweilige Transport der Klägerin zur Gemeinschaftspraxis steht daher auch nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit einer ambulanten Operation.

(1) Soweit im Vorfeld der streitgegenständlichen Dialysebehandlungen bei der Klägerin zu deren Durchführung einmalig ein Zugang gelegt werden musste, handelte es sich um einen operativen Eingriff. Diese Operation wurde jedoch ausweislich der hierauf bezogenen Angaben der Klägerin bei ihrer informatorischen Anhörung im Termin vom 7. Februar 2022 bereits im Jahr 2017 oder 2018 durchgeführt. Die Transporte, für welche die Klägerin im vorliegenden Verfahren eine Kostenerstattung beansprucht, betrafen daher nicht diese ärztliche Maßnahme.

(2) Die Dialysebehandlungen der Klägerin sind keine Operationen im Sinne der vertraglichen Regelung.

Die Klägerin hat bei ihrer informatorischen Anhörung in Übereinstimmung mit dem Verständnis des Senats vom Ablauf einer Blutwäsche mittels eines Dialysegeräts nachvollziehbar geschildert, dass hierfür lediglich die aus dem bereits gelegten Dialysezugang ragenden Schläuche mit denen des Dialysegeräts verbunden würden und dass die Schläuche nach der Beendigung der Blutwäsche wieder voneinander getrennt würden. Den Angaben der Klägerin kann ohne Weiteres entnommen werden, dass die technische Betreuung des Dialysevorgangs von einer anwesenden Krankenschwester durchgeführt wird und dass bezogen auf die Blutwäsche kein ärztlicher, die körperliche Integrität der Klägerin betreffender Eingriff vorgenommen wird. Ein Arzt ist nach den Ausführungen der Klägerin im Rahmen der Dialyse nur insoweit tätig, als er den Zustand der Patientin und des Dialysegeräts „ein Mal am Abend“ kontrolliere.

Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird sich unter Berücksichtigung der konkreten (hier: Dialyse-) Behandlung bei der Klärung des maßgeblichen Verständnisses der Tarifregelung an deren Wortlaut und an dem hierauf bezogenen allgemeinen Sprachgebrauch orientieren. Eine Operation ist nach allgemeinem Sprachgebrauch ein chirurgischer Eingriff in den Organismus (vgl. Duden, abgerufen am 7.02.2022 unter https://www.duden.de/rechtschreibung/Operation; ähnlich Pschyrembel Online, abgerufen am 7.02.2022 unter https://www.pschyrembel.de/Operation/ K0FQK/doc/: „Zu diagnostischen oder therapeutischen Zwecken durchgeführter chirurgischer Eingriff in den lebenden menschlichen Organismus und damit in die körperliche Integrität“; vgl. BGH, Urteil vom 20. November 2019 – IV ZR 159/18, juris Rn. 10 sowie BGH, Urteil vom 04. April 2018 – IV ZR 104/17, juris Rn. 10, jeweils zur Relevanz des Dudens bei der Ermittlung des allgemeinen Sprachgebrauchs). Für einen durchschnittlichen und verständigen Versicherungsnehmer erschließt es sich daher ohne Weiteres, dass eine Operation als chirurgischer Eingriff nur durch einen Arzt vorgenommen werden kann. Der insoweit tätige Operateur ist nach dem für das Verständnis der Regelung maßgeblichen allgemeinen Sprachgebrauch ein „Arzt, der eine Operation durchführt“ (vgl. Duden, abgerufen am 7.02.2022 unter https://www.duden.de/rechtschreibung/Operateur). Der behandelnde Arzt ist aber – entsprechend den Angaben der Klägerin zum Ablauf der jeweiligen Blutwäsche – bei der Dialyse nicht chirurgisch als in den Körper eingreifender Operateur tätig, sondern er übernimmt lediglich – und dies auch nur punktuell – die Überprüfung des Dialysegeräts und der Befindlichkeit der Patientin.

(3) Die vertragliche Regelung in Ziffer 1.1 e) der Tarifbedingungen … enthält hiernach keine Unklarheit, die gemäß § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten der Beklagten als Verwenderin ginge. Eine der Auffassung der Klägerin entsprechende und ihr günstige Auslegung der vorliegenden Vertragsklausel ist mangels deren Mehrdeutigkeit nicht veranlasst.

bb) Gemäß Ziffer 1.2 f) der Tarifbedingungen … sind „bei stationärer Heilbehandlung“ zu 100 % die Aufwendungen für einen „medizinisch notwendigen Transport zum und vom Krankenhaus jeweils bis zu einer Entfernung von 100 km“ erstattungsfähig.

Die Klägerin kann auch hiernach keine Kostenerstattung der jeweiligen Transporte von der Beklagten verlangen. Die Transporte betrafen keine Fahrten zum oder von einem Krankenhaus. Die jeweilige Dialyse stellt nach einem zutreffenden Vertragsverständnis auch keine stationäre Heilbehandlung dar.

(1) Die jeweilige Dialysebehandlung wurde ausweislich des erstinstanzlichen und gemäß § 314 ZPO beweiskräftigen Tatbestands unstreitig in der Dialysepraxis in Schwabach durchgeführt. Dieser Umstand wird bereits durch die von der Klägerin vorgelegte Bescheinigung der nephrologischen Gemeinschaftspraxis bestätigt, dergemäß sie in der Dialysepraxis drei Mal in der Woche („Mo-Mi-Fr“) hämodialysiert werde. Hiermit übereinstimmend erläuterte die Klägerin im Rahmen ihrer informatorischen Anhörung im Termin am 7. Februar 2021 nicht nur den Ablauf der jeweiligen Dialyse, sondern auch, dass sie als Patientin der Gemeinschaftspraxis in deren Räumen dialysiert werde. Unbehelflich ist daher der Hinweis des Klägervertreters in der öffentlichen Sitzung am 7. Februar 2022 auf den Vortrag der Beklagten in der Berufungsbegründung (dort Seite 6, Bl. 103 d. A.). Der hinsichtlich der Örtlichkeit offensichtlich versehentliche schriftsätzliche Vortrag der Beklagten, nach dem sich die Klägerin für „ein paar Stunden zur Dialyse im Krankenhaus (Hervorhebung durch den Senat)“ befunden habe, bezog sich im Zusammenhang mit der Frage einer teilstationären Behandlung und einer Eingliederung der Klägerin in eine medizinisch-organisatorische Infrastruktur ersichtlich vor allem auf die Dauer der jeweiligen Behandlung.

(2) Die Tarifbedingungen … beschränken die Kostenerstattung auf Transporte „zum und vom Krankenhaus“, in welchem in der Regel auch die im gegenständlichen Tarif für die Erstattung vorgesehenen Kosten einer „stationären Heilbehandlung“ entstehen. Eine dem Wortlaut widersprechende Auslegung der Tarifbedingungen, dass Kosten eines medizinisch notwendigen Transports auch „zu und von einer Gemeinschaftspraxis“ erstattet werden, ist nach dem maßgeblichen Verständnis eines verständigen und durchschnittlichen Versicherungsnehmers nicht veranlasst.

(3) Eine Kostenerstattung kann die Klägerin nach der Ziffer 1.2 f) der Tarifbedingungen … aber auch deswegen von der Beklagten nicht verlangen, weil ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer die vorliegenden Dialysebehandlungen nicht als stationäre Heilbehandlung verstehen wird. Hierfür ist es nach Auffassung des Senats ohne rechtliche Bedeutung, ob von dem Tarif neben der vollstationären Heilbehandlung jedenfalls im Rahmen einer verbraucherfreundlichen Auslegung auch in naheliegender Weise die teilstationäre Heilbehandlung erfasst ist (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 09. August 1989 – 20 U 292/88, juris Rn. 36).

Die vorliegenden Dialysebehandlungen stellen nach dem hier maßgeblichen Verständnis eines verständigen Versicherungsnehmers keine stationäre oder teilstationäre Heilbehandlung dar.

Die vereinbarten Tarifbedingungen und die sonstigen Vertragsbedingungen enthalten keine vertragliche Konkretisierung, welche konkreten Behandlungen als stationäre oder teilstationäre Heilbehandlungen von der Versicherung erfasst sein sollen. Bei der Begriffsklärung kann sich ein verständiger Versicherungsnehmer hier auch nicht auf eine gesetzliche Legaldefinition stützen. Die maßgeblichen Merkmale für eine voll- oder teilstationäre Heilbehandlung hat das Gesetz selbst im sozialrechtlichen Zusammenhang (vgl. insoweit §§ 39, 115a, 115b SGB V) nicht vorgegeben. Auch die Bundesregierung hat von der gesetzlichen Ermächtigung keinen Gebrauch gemacht, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Vorschriften zu erlassen insbesondere über die Abgrenzung der allgemeinen stationären und teilstationären Leistungen des Krankenhauses von den ambulanten Leistungen (vgl. § 16 Nr. 2 KHG).

Ausgehend von dem auf eine lateinische Begrifflichkeit zurückgehenden Wortlaut der gegenständlichen Tarifbedingungen wird der verständige Versicherungsnehmer die auch teilstationäre Heilbehandlung von der ambulanten Heilbehandlung jedenfalls unter anderem in der Weise abgrenzen, dass von einer (teil-) stationären Behandlung nur dann auszugehen ist, wenn diese von einer gewissen Dauer ist, die einen nicht nur vorübergehenden Aufenthalt auf einer „Station“ voraussetzt. Dieses Verständnis entspricht im Übrigen auch der sozialrechtlichen Abgrenzung anhand der geplanten Aufenthaltsdauer (vgl. BSG, Urteil vom 28. Februar 2007 – B 3 KR 17/06 R, juris Rn. 16; Göbel in: Bach/Moser, PKV, 5. Aufl., Anhang zu § 1 MB/KK Rn. 203).

Während sich der Lebensmittelpunkt für die Dauer der (teil-) stationären Behandlung in die „Station“ verlagert, bleibt bei einer ambulanten Heilbehandlung der gewohnte Lebensrhythmus weitgehend unberührt. Der ambulant (lat. ambulare = (umher)gehen, auf- u. abgehen, spazieren gehen, vgl. https://de.pons.com/%C3%BCbersetzung/latein-deutsch/ambulare, abgerufen am 7. Februar 2022) behandelte Patient „geht“ – wie hier die Klägerin nach ihren informatorischen Angaben in den Abendstunden („Abendschicht“) – zur Behandlung und verlässt den Ort der Behandlung anschließend wieder (vgl. hierzu auch OLG Hamm, Urteil vom 09. August 1989 – 20 U 292/88, juris Rn. 21 f.).

Mit Blick hierauf wird der verständige Versicherungsnehmer bei einer auch nur teilstationären Heilbehandlung davon ausgehen, dass er hierfür in eine Einrichtung („Station“) aufgenommen werden muss. Daher kann der Versicherungsnehmer von einer (teil-) stationären Heilbehandlung nur ausgehen, wenn die eine gewisse Dauer betreffende Heilbehandlung –  auch insoweit entsprechend der sozialrechtlichen Begriffsklärung – im Rahmen seiner physischen und organisatorischen Eingliederung in ein spezifisches Versorgungssystem eines Krankenhauses vorgenommen wird (vgl. BSG, Urteil vom 28. Februar 2007 – B 3 KR 17/06 R, juris Rn. 21; BeckOK-SozR/Bogan, 63. Ed. 1.12.2021, SGB V § 115b Rn. 6; vgl. insoweit auch BT-Drucks. 12/3608, S. 82) oder wenn er zum Zweck der Heilbehandlung in eine entsprechende Einrichtung auf einer „Station“ aufgenommen wird. Umgekehrt wird der verständige Versicherungsnehmer eine Heilbehandlung dann als ambulant verstehen, wenn sich sein Aufenthalt in einem Krankenhaus auf die Vornahme ärztlicher oder nichtärztlicher Maßnahmen beschränkt, die eine weitere Eingliederung in einen Krankenhausbetrieb oder in eine entsprechende Einrichtung gerade nicht erfordert. Der verständige Versicherungsnehmer wird hierbei nicht danach unterscheiden, ob die Behandlung mit Geräten durchgeführt wird, die aus Gründen der Rentabilität überwiegend in Krankenhäusern vorhanden sind. Ambulant sind nach diesem Verständnis auch die in kurzen Intervallen und jeweils für mehrere Stunden durchgeführten Dialysebehandlungen eines Dialysepatienten (vgl. Kalis in: Bach/Moser, aaO., MB/KK § 1 Rn. 29; Weidensteiner in: Boetius/Rogler/Schäfer, Rechtshandbuch Private Krankenversicherung, 2020, § 38 Rn. 46).

Die Klägerin war Patientin der Gemeinschaftspraxis, in der sie auch im streitgegenständlichen Zeitraum dialysiert wurde. Eine physische und organisatorische Eingliederung in ein spezifisches Versorgungssystem einer Einrichtung fand hinsichtlich der Klägerin ungeachtet der Frage, ob und in welchem Umfang die Gemeinschaftspraxis bei Dialysebehandlungen mit dem Krankenhaus Schwabach kooperiert, nicht statt. Es kommt daher in rechtlicher Hinsicht auch nicht darauf an, dass die Gemeinschaftspraxis, in welcher die Klägerin behandelt wird, mit dem Krankenhaus Schwabach mittels eines Zugangs zu diesem räumlich verbunden ist. Eine etwaige Kooperation mit dem räumlich mit der Gemeinschaftspraxis verbundenen Krankenhaus Schwabach mag im Einzelfall einen Zugriff auf dessen Infrastruktur ermöglichen; diese Möglichkeit ersetzt aber nicht das für die Annahme einer (teil-) stationären Behandlung vorausgesetzte Erfordernis einer Eingliederung der Klägerin in eine Einrichtung zum Zweck der Durchführung der jeweiligen Dialyse.

(4) Die vertragliche Regelung in Ziffer 1.2 f) der Tarifbedingungen … enthält hiernach keine Unklarheit, die gemäß § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten der Beklagten als Verwenderin ginge. Eine der Auffassung der Klägerin entsprechende und ihr günstige Auslegung der vorliegenden Vertragsklausel ist mangels deren Mehrdeutigkeit nicht veranlasst.

(5) Die in Ziffer 1.2 f) vereinbarten Tarifbedingungen stellen auf der Grundlage des zutreffenden Vertragsverständnisses, nach dem die vorliegenden Dialysebehandlungen keine (teil-) stationären Heilbehandlungen darstellen, auch keine unangemessene und daher unwirksame Benachteiligung der Klägerin gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB dar.

Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist. Eine Einschränkung wesentlicher Rechte und Pflichten reicht demnach zur Unwirksamkeit der Klausel nicht aus. Hinzukommen muss als weiteres Tatbestandsmerkmal die Gefährdung des Vertragszwecks. In § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB kommt der – hier von der Klägerin geltend gemachte – Aushöhlungsgedanke als eigenständiger Wertungsgesichtspunkt besonders deutlich zum Ausdruck (vgl. Beckmann in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, 3. Aufl., § 10 Rn. 277).

In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, dass der Versicherte gerade in Anbetracht eines mit dem Hauptleistungsversprechen weit gesteckten Leistungsrahmens davon ausgehen wird, dass dieses Leistungsversprechen näherer Ausgestaltung bedarf, die auch Einschränkungen nicht ausschließt (vgl. BGH, Beschluss vom 06. März 2019 – IV ZR 108/18, juris Rn. 19). Die Ermöglichung einer verlässlichen, annehmbaren und moderaten Prämienkalkulation liegt auch im Interesse des einzelnen Versicherungsnehmers (vgl. Kalis in: Bach/Moser, aaO., MB/KK § 4 Rn. 101).

Hieran gemessen liegt eine Vertragszweckgefährdung hier nicht vor. Mit dem Abschluss eines Krankenversicherungsvertrags bezweckt der Versicherungsnehmer hinsichtlich der Krankheitskosten eine Abdeckung seines hierauf bezogenen Kostenrisikos. Dem wird die von der Klägerin bei der Beklagten genommene Krankenversicherung in ihrer tariflichen Ausgestaltung gerecht.

Der Bereich der Heilbehandlung als jegliche ärztliche Tätigkeit, die durch die entsprechende Krankheit verursacht worden ist, sofern die Leistung des Arztes von ihrer Art her in den Rahmen der medizinisch notwendigen Krankenpflege fällt und auf Heilung, Besserung oder auch nur Linderung der Krankheit abzielt, bleibt vollständig abgedeckt. Das primäre Leistungsversprechen der Kostenübernahme für die medizinisch notwendige ärztliche Heilbehandlung bleibt unangetastet. Soweit es die nicht ärztlichen sonstigen Leistungen anlangt, steht die Leistungszusage ohnehin unter dem Vorbehalt des entsprechend Vereinbarten (vgl. BGH, Urteil vom 19. Mai 2004 – IV ZR 29/03, juris Rn. 27).

Aus diesen Gründen ist für eine Vertragszweckgefährdung im Sinne einer Aushöhlung des Krankenversicherungsvertrages bei einer Transportkostenregelung der vorliegenden Art kein Raum. Es ist auch nicht unüblich, dass in Tarifbedingungen Transportkosten, die gerade keine ärztlichen oder sonstigen Behandlungsleistungen darstellen, lediglich bis zum Krankenhaus übernommen werden. Die Transporte der Klägerin zur jeweiligen Dialyse sind auch nicht Bestandteil der Heilbehandlung, da diese nicht während des Transports, sondern erst im Anschluss hieran in der Gemeinschaftspraxis vorgenommen wird (vgl. Voit in: Prölss/Martin, VVG, 31. Aufl., § 192 Rn. 60). Der Klägerin wird hier lediglich zugemutet, hinsichtlich der Transporte, die keine stationären Behandlungen in einem Krankenhaus betreffen, die Kosten selbst zu tragen. Der generelle Versicherungsschutz bei Erkrankungen wird hierdurch – selbst wenn die Kosten wie im vorliegenden Einzelfall nicht unerheblich sind (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 19. Mai 2004 – IV ZR 29/03, juris Rn. 28) – nicht derart verkürzt, dass er in Bezug auf das versicherte Krankheitsrisiko seinen Zweck verlöre.

(6) Es kann hier auch offen bleiben, ob und in welchem Umfang die Beklagte der Klägerin einen Teil ihrer Transportkosten erstattet hat. Da eine Kostenbeteiligung seitens der Beklagten jedenfalls nur „auf freiwilliger Basis“ zugesagt worden ist (vgl. die von der Beklagten vorgelegten Schreiben vom 2. April 2019 und vom 29. Mai 2019), kann in einer etwaigen Übernahme der Kosten wegen des erkennbar entgegenstehenden Willens der Beklagten, die mit einer freiwilligen Leistung gerade keine Verpflichtung begründen wollte, eine stillschweigende Vertragsänderung nicht gesehen werden. Es ist schon wegen des unmissverständlichen Hinweises auf eine freiwillige Zusage auch nicht treuwidrig gem. § 242 BGB, wenn sich die Beklagte auf den Vertragsinhalt beruft und eine Kostenerstattung aus Rechtsgründen ablehnt.

(7) Die Klägerin kann wegen der von ihr verauslagten Transportkosten auch keinen Aufwendungsersatzanspruch gemäß § 83 Abs. 1 VVG gegen die Beklagte geltend machen. Der Transport der Klägerin zu den Dialysebehandlungen betrifft keine in § 82 Abs. 1 VVG geregelte Obliegenheit der Klägerin, einen Versicherungsfall abzuwenden und/oder für eine Minderung eines Schadens der Versicherung zu sorgen. Die tariflich von der Beklagten nicht geschuldeten Transportkosten wendet die Klägerin vielmehr auf, um in der Gemeinschaftspraxis behandelt zu werden; hierdurch reduzieren sich aber gerade nicht die Kosten der Dialyse oder anderer Behandlungen (vgl. hierzu Voit in: Prölss/Martin, aaO., § 192 Rn. 146), für welche die Beklagte als Versicherung aufkommen muss.

2. Die Klägerin kann die von ihr geltend gemachten Kosten der Hausbesuche des Physiotherapeuten nicht auf die vereinbarten Tarifbedingungen, insbesondere nicht auf die Regelungen in Teil II § 5 zu § 4 RB/KK 2008 stützen.

a) In den Tarifbedingungen … sind keine Erstattungsansprüche bezogen auf die geltend gemachten Kosten der Hausbesuche geregelt. Die in den genannten Tarifbedingungen enthaltenen und auf Transportkosten bezogenen Ansprüche betreffen den Transport des Versicherungsnehmers, nicht aber die Fahrtkosten des Therapeuten.

b) Die Klägerin hat auch keinen Anspruch aus den in Teil II § 5 (1) zu § 4 (1-5) RB/KK 2008 enthaltenen Versicherungsbedingungen. Zwar nimmt diese Regelung auf die „jeweils geltenden Gebührenordnungen“ Bezug. Allerdings betrifft diese Bezugnahme nur erstattungsfähige „Gebühren“. Gebühren sind aber gemäß § 4 Abs. 1 GOÄ lediglich Vergütungen für die im Gebührenverzeichnis (Anlage zur GOÄ) genannten ärztlichen Leistungen. Unabhängig davon betreffen auch die in §§ 8, 9 GOÄ geregelten und auf ein Wegegeld oder eine Reiseentschädigung bezogenen Ansprüche ein ärztliches Tätigwerden. Die Klägerin macht indes Kosten geltend, die Hausbesuche durch den Physiotherapeuten betreffen.

c) Ein Kostenerstattungsanspruch hinsichtlich der Hausbesuche ergibt sich auch nicht aus den in Teil II § 5 (3) zu § 4 (3) RB/KK 2008 enthaltenen Versicherungsbedingungen. In den dort in Bezug genommenen Leistungsbeschreibungen gemäß Abschnitt E der GOÄ („physikalisch-medizinische Leistungen“) sind die hier geltend gemachten Kosten für Hausbesuche nicht erfasst. Auf §§ 8, 9 GOÄ wird in den vertraglichen Regeln zur Erstattung von Heilmittelkosten nicht verwiesen. Die Klägerin als anspruchsberechtigte Versicherungsnehmerin müsste allerdings vortragen und gegebenenfalls nachweisen, dass vertraglich eine Kostenerstattung bezogen auf Hausbesuche eines Physiotherapeuten vereinbart wurde. So liegt der Fall hier aber nicht. Im Übrigen gilt auch hier: Die von der Klägerin für ihren Anspruch herangezogenen §§ 8, 9 GOÄ setzen eine ärztliche Tätigkeit voraus; erfasst werden nicht die von der Klägerin geltend gemachten Kosten des Physiotherapeuten für dessen Hausbesuche.

III.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO; hiernach hat die unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO (Herget in: Zöller, ZPO, 34. Aufl., § 713 Rn. 3).

Eine Revisionszulassung ist nicht veranlasst, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Der Senat wendet im vorliegenden Einzelfall rechtliche Maßstäbe an, die in der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung geklärt sind.

 

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