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Coronabedingte Betriebsschließung – Betriebsschließungsversicherung

LG Fulda – Az.: 4 O 430/20 – Urteil vom 26.05.2021

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagte aus einer Betriebsschließungsversicherung auf Zahlung in Anspruch.

Der Kläger betreibt ein Eiscafe in Fulda. Er unterhält bei der Beklagten eine XY Firmen-Police, die eine Betriebsschließungsversicherung einschließt (Anlage K 1, Bl. 16 ff. d.A.). Die Besonderen Vereinbarungen für die Betriebsschließungsversicherung zur XY Firmen-Police (BC Betriebsschließung SVFP 2013) bestimmen unter anderem Folgendes:

„1. Sofern sich nicht aus den folgenden Bestimmungen etwas anderes ergibt, leistet der Versicherer in Ergänzung von Teil C und Teil D der Allgemeinen Bedingungen (SVFP) Entschädigung bis zu den vereinbarten Entschädigungsbegrenzungen und soweit die Schäden nicht durch die Gefahrengruppen oder Gefahren nach Teil B, 5 5 bzw. Tell C, § 2 SVFP, versichert sind, für den Fall, dass die zuständige Behörde aufgrund von Gesetzen zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen

1.1 den versicherten Betrieb ganz oder teilweise zur Verhinderung und Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern bei Menschen schließt oder deshalb Tätigkeitsverbote gegen sämtliche Betriebsangehörige ausgesprochen werden;

2. Meldepflichtige Krankheiten oder meldepflichtige Krankheitserreger im Sinne dieses Vertrages sind nur die im Folgenden aufgeführten:

2.1 meldepflichtige Krankheiten

….

2.2 meldepflichtige Krankheitserreger

….

3. Der Versicherer haftet nicht für Schäden,

3..5 bei humaner spongiformer Enzephalopathie oder sonstiger Prionenerkrankungen oder dem Verdacht hierauf.“

Nicht in Ziff. 2.1. und 2.2. genannt sind die Coronavirus-Krankheit Covid-19 bzw. der Krankheitserreger Sars-CoV-2.

Hinsichtlich des weiteren Inhalts der Besonderen Vereinbarungen für die Betriebsschließungsversicherung zur XY Firmen-Police (BC Betriebsschließung SVFP2013), im Folgenden: BVB wird auf die Anlage K 5.1. bis 5.2. (Bl. 43 f. d.A.) verwiesen.

Der Betrieb des Klägers war von der am 17.03.2020 erlassenen Allgemeinverfügung aufgrund des § 32 Abs.1 IFSG des Landes Hessen zur Bekämpfung des Corona-Virus erfasst, die eine Einstellung des Betriebes von Eisdielen und Eiscafes anordnete.

Mit Schreiben vom 18.05.2020 nahm der Kläger die Beklagte auf Zahlung einer Versicherungsleistung aus der Betriebsschließungsversicherung in Höhe von 31.214,28 € in Anspruch. Die Beklagte hat eine Regulierung mit außergerichtlichem Schreiben vom 29.05.2020 abgelehnt und die Auffassung vertreten, dass nur die in der abschließenden Aufzählung benannten Krankheiten und Krankheitserreger unter den Versicherungsschutz fallen und sich ein versicherter Tatbestand nicht ereignet habe. Zudem erfasse die Betriebsschließungsversicherung nur Einzelfallregelungen und nicht das Szenario einer Pandemie mit Betriebsschließungen aufgrund einer Allgemeinverfügung.

Mit der Klage begehrt der Kläger Versicherungsleistungen in Folge einer Betriebsschließung für die Dauer von 23 Tagen in Höhe von insgesamt 31.214,28 €. Er ist der Auffassung, die Betriebsschließung stelle ein versichertes Ereignis dar. Die behördliche Schließung sei aufgrund § 32 IfSG zur Verhinderung der meldepflichtigen Krankheit Covid-19 erfolgt. Ein Ausschluss greife nicht. Auch wenn die Corona-Virus-Krankheit im Infektionsschutzgesetz vor Mai 2020 nicht namentlich erwähnt sei, sei gemäß §§ 6 Abs. 1 Nr. 5, 7 Abs. 2 IfSG bereits der Verdacht einer bedrohlichen übertragbaren Krankheit, von der schwerwiegende Gefahr für die Allgemeinheit ausgehen, meldepflichtig gewesen. Ein Ausschluss infolge der in den Besonderen Vereinbarungen für die Betriebsschließungsversicherung enthaltenen Aufzählung meldepflichtiger Krankheitserreger greife nicht, weil mit einer solchen Lücke nicht zu rechnen sei. Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer verstehe dies nicht aus als Ausschluss. Jedenfalls habe die Beklagte die Lücken im Versicherungsschutz nicht hinreichend deutlich gemacht., so dass die Einschränkung des Versicherungsschutzes wegen Verstoßes gegen die Unklarheitenregelung in Verbindung mit dem Transparenzgebot unwirksam sei. Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer gehe von einem Gleichlauf meldepflichtiger Krankheiten nach dem Infektionsschutzgesetz und der im Vertrag genannten meldepflichtigen Krankheiten aus. Die Versicherungsbedingungen seien auch falsch und irreführend, weil die Beklagte nicht inhaltlich regeln könne, welche Krankheiten und Krankheitserreger meldepflichtig seien.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 31.214,28 € nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 30.05.2020 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Kosten in Höhe von 1.427 € nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 30.05.2020 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die Leistungsablehnung im Prozess. Eine generelle Untersagung stelle keine bedingungsgemäße Stilllegung des Betriebs dar. Der klägerische Anspruch bestehe bereits deshalb nicht, weil auf Basis der streitgegenständlichen Versicherungsbedingungen ein versichertes Ereignis nicht vorliegen würde. Die von der Beklagten verwendete Klausel sei eindeutig, unmissverständlich und transparent so gestaltet, dass lediglich die in den Bedingungen enumerativ aufgezählten Krankheiten und Krankheitserreger in den Versicherungsschutz einbezogen seien. Die für andere Bedingungswerke bei nur beispielhafter Aufzählung und/oder einer statischen Verweisung auf das Infektionsschutzgesetz diskutierten Fragen würden sich nicht stellen, da das vorliegende Bedingungswerk eine Bezugnahme auf das Infektionsschutzgesetz nicht enthalte.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf sämtliche Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und sonstige Aktenteile Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Versicherungsleistungen aus der Betriebsschließungsversicherung infolge der Einstellung seines Eiscafebetriebes ab dem 17.03.2020 nicht zu.

Es kann dahinstehen, ob eine allgemeine Betriebsschließung aufgrund einer Pandemie unter die in Ziffer 1.1. bis 1.5. BVB genannten Maßnahmen fällt, oder hierunter nur punktuelle Maßnahmen aufgrund einer Gefahr aus dem Betrieb heraus zu zählen sind.

Die Coronavirus-Krankheit Covid-19 bzw. der Krankheitserreger Sars-CoV-2 sind nicht von dem vereinbarten Versicherungsschutz in der Betriebsschließungsversicherung umfasst.

Die Versicherungsbestimmungen enthalten in Ziffer 1 und 2 BVB einen fest umrissenen und geschlossenen Katalog von Krankheiten und Krankheitserregern. Sie verdeutlichen ausreichend, dass sich der Versicherungsschutz in seinem Hauptleistungsversprechen ausschließlich auf die genannten Krankheiten und Krankheitserreger bezieht, zu denen die Coronavirus-Krankheit Covid-19, bzw. der Krankheitserreger Sars-CoV-2, nicht zählt. Das Hauptleistungsversprechen verdeutlicht in Ziff. 1 BVB, dass die Beklagte eine Entschädigung zahlt, wenn eine Behörde aufgrund bestimmter, genau genannter Krankheiten und Krankheitserreger eine Maßnahme nach Ziff. 1.1. bis 1.5 BVB trifft. Die Klausel in Ziff.1 BVB „für den Fall, dass die zuständige Behörde aufgrund von Gesetzen zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen“ die weiter genannten Maßnahmen ergreift, verdeutlicht, dass keine allgemeine Bezugnahme auf das Infektionsschutzgesetz vorliegt, sondern nur die nachfolgend aufgezählten Maßnahmen vom Leistungsversprechen der Beklagten erfasst sind.

Die streitgegenständlichen Vertragsbestimmungen sind weder intransparent noch benachteiligen sie den Versicherungsnehmer unangemessen. Ein Verstoß gegen die Unklarheitenregelung in Verbindung mit dem Transparenzgebot gem. § 307 Abs.1 BGB liegt entgegen der Auffassung des Klägers nicht darin, dass die Beklagte Lücken im Versicherungsschutz nicht hinreichend deutlich gemacht habe.

Die Kammer schließt sich nach eigener Prüfung den Ausführungen des Oberlandesgerichts Stuttgart in dem Urteil vom 15.02.2021- Az. 7 U 335/20 an, welche zu gleichlautenden Klauseln der Beklagten ergangen ist.

Das Oberlandesgericht Stuttgart führt aus:

(…)

c) Darüber hinaus führt die so, wie dargelegt, verstandene Vertragsbestimmung nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB.

Das wäre anzunehmen, wenn ein die „Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19)“ bzw. SARS-CoV und SARS-CoV-2 nicht umfassender Versicherungsschutz mit wesentlichen Grundgedanken einer gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren wäre. Das Leistungsversprechen des Versicherers in der Betriebsschließungsversicherung aufgrund von Maßnahmen des Infektionsschutzgesetzes hat keine gesetzlichen Regelungen zur Grundlage. Der Schutzzweck des Infektionsschutzgesetzes liegt nicht darin, einen Unternehmer vor Schäden durch eine Unterbrechung des Betriebs aufgrund von Maßnahmen des Infektionsschutzes zu bewahren; die Zielrichtung ist eine gänzlich andere. Daher läuft ein Verständnis dahin, dass nur die aufgeführten Krankheiten und Krankheitserreger vom Versicherungsschutz erfasst sein sollten, von vornherein nicht dem Schutzzweck des Infektionsschutzgesetzes zuwider.

Insofern lässt sich auch nichts aus dem Rechtsgedanken des § 1a VVG ableiten (a.A. Griese, VersR 2021, 147, 151 f.). Diese Regelung betrifft die Art und Weise des Vertriebs von Versicherungen durch einen Versicherer und deren Bewerbung sowie die Verwaltung und Erfüllung des Versicherungsvertrages durch den Versicherer. Daraus lässt sich indes nicht schließen, dass ein Versicherungsvertrag derart ausgestaltet sein müsste, dass er sich dynamisch an etwaige Änderungen von tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten anpassen müsste. Auch wenn der Versicherer nach § 1a VVG im „bestmöglichen“ Interesse des Versicherungsnehmers zu handeln verpflichtet ist, ergibt sich daraus keine Pflicht zur Anpassung eigener Produkte oder zu deren Neugestaltung, um dem Versicherungsnehmer einen weitergehenden – gegebenenfalls besseren – Schutz gegenüber versicherten Gefahren zu bieten. Allenfalls könnte sich für den Versicherer insofern eine Pflicht ergeben, aus seinem Portfolio ein Produkt auszuwählen, das den individuellen Kundenwünschen und -bedürfnissen am besten entspricht (vgl. dazu nur Rixecker in Langheid/Rixecker, VVG 6. Aufl. § 1a Rn. 6; HK-VVG/Brömmelmeyer, 4. Aufl. § 1a Rn. 10).

d) Auch eine Gefährdung des Vertragszwecks der Betriebsschließungsversicherung ist offenkundig nicht anzunehmen, § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB.

Das hier zugrunde gelegte Verständnis der AVB begrenzt lediglich den Leistungsumfang des Versicherers auf diejenigen Fälle, die dort benannt sind. Der von der Beklagten versprochene Versicherungsschutz wird damit mitnichten ausgehöhlt, denn es werden weiterhin Einwirkungen auf den Geschäftsbetrieb infolge einer großen Anzahl von Krankheiten und Krankheitserregern versichert. Der Versicherungsschutz ist und bleibt z.B. derselbe, wie er Ende des Jahres 2019 gewesen ist, als es noch keine gesetzgeberischen bzw. behördlichen Maßnahmen aufgrund der „Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19)“ bzw. aufgrund von SARS-CoV und SARS-CoV-2 gegeben hat.

e) Die so verstandene Vertragsbestimmung, die einen statischen, fest umrissenen Katalog von Krankheiten und Krankheitserregern beinhaltet, verdeutlicht ausreichend, dass sich der Versicherungsschutz ausschließlich nach diesen Versicherungsbedingungen richtet und dass ein – wie auch immer gearteter – Bezug zu den Bestimmungen des Infektionsschutzgesetzes und den dort genannten Krankheiten und Krankheitserregern nicht besteht. Die Regelung in Ziff. 2 AVB ist daher nicht intransparent und folglich auch nicht nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB als unwirksam anzusehen.

aa) Nach dem Transparenzgebot ist der Verwender Allgemeiner Versicherungsbedingungen entsprechend den Grundsätzen von Treu und Glauben gehalten, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dabei kommt es nicht nur darauf an, dass eine Klausel in ihrer Formulierung für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer verständlich ist. Vielmehr gebieten Treu und Glauben auch, dass sie die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen so weit erkennen lässt, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 04.07.2018 – IV ZR 200/16).

bb) Mit ihrem Hauptleistungsversprechen nach Ziff. 1 AVB sagt die Beklagte die Leistung einer Entschädigung zu, wenn die zuständige Behörde aufgrund von Gesetzen zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen Maßnahmen der in den Ziffern 1.1 bis 1.4 oder, soweit zusätzlich vereinbart, auch der in Ziff. 1.5 genannten Art ergriffen hat. Nach 1.1 AVB gilt als Betriebsschließung, wenn die Behörde den versicherten Betrieb ganz oder teilweise zur Verhinderung und Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern bei Menschen schließt oder deshalb Tätigkeitsverbote gegen sämtliche Betriebsangehörige ausspricht. Mit der weiteren Vertragsbestimmung in Ziff. 2 AVB knüpft die Beklagte an das allgemeine Leistungsversprechen an, verbindet dies aber mit einem bestimmten Katalog von Krankheiten oder Krankheitserregern. Durch die Benennung einzelner Krankheiten und Krankheitserreger wird zugleich das Leistungsversprechen auf bestimmte Fälle beschränkt.

Damit wird ein Bezug zu den Bestimmungen des Infektionsschutzgesetzes ausdrücklich nicht hergestellt, die Kataloge der §§ 6 f. IfSG werden nicht genannt, ebenso wenig die Normen als solche. Der Versicherungsnehmer weiß daher, dass der Umfang des von der Beklagten versprochenen Versicherungsschutzes lediglich und ausschließlich („nur“) aus den Vertragsbedingungen zu ermitteln ist und dass andere Rechtsquellen bzw. andere Regelungen insofern nicht von Bedeutung sind.

Die Regelung in Ziff. 2 AVB stellt sich infolgedessen nicht als intransparent dar.

cc) Selbst wenn man dazu gelangen könnte, dass dem Versicherungsnehmer in diesem Zusammenhang ein Vergleich des Katalogs in Ziff. 2 AVB mit demjenigen der §§ 6 f. IfSG auferlegt würde, führte dies nicht zu einer anderen Bewertung.

Die Beklagte hat hier zwar ein Regelungsgefüge geschaffen, das dem Versicherungsnehmer, der den tatsächlichen Umfang des versprochenen Versicherungsschutzes im Vergleich zu einer potentiellen Bedrohungslage, die durch die im Infektionsschutzgesetz beschriebenen Krankheiten und Krankheitserregern gefolgert werden kann, erfassen will, eine Interpretation der vertraglichen Regelung unter gleichzeitigem Vergleich mit den gesetzlichen Regelungen der §§ 6 f. IfSG abverlangt. Nur so wird er erkennen können, dass bereits bei Vertragsschluss nicht alle Fälle einer behördlichen Anordnung im Rahmen von §§ 6 f. IfSG erfasst sein werden.

Indes ist diese Bewertung von einem geschäftserfahrenen Betriebsinhaber als Versicherungsnehmer, der sich tatsächlich mit den Bestimmungen der §§ 6 f. IfSG befasst, unschwer und letztlich mit wenigen Blicken vorzunehmen. Hierauf wird er bereits durch die Verdeutlichung der Beschränkung des versprochenen Versicherungsschutzes „nur“ auf konkret benannte Krankheiten und Krankheitserreger hingewiesen. Auch ansonsten bedarf es keiner aufwändigen Analyse der Bedingungsstruktur, um festzustellen, dass nicht alle Krankheiten und Krankheitserreger nach §§ 6 f. IfSG vom Versicherungsschutz erfasst sind. Es bleibt insbesondere nicht unklar, was der Versicherer tatsächlich versichern will; dies ergibt sich vielmehr aus dem Katalog in Ziff. 2 AVB. Was er nicht versichern will, lässt sich bei einem letztlich nicht sonderlich aufwändigen Blick in das einzig maßgebliche Gesetz feststellen bzw. ergibt sich aus dem Umstand, dass ein Katalog, in dem eine Auffangregelung nicht vorgesehen ist und der mit der Formulierung „nur“ eingeleitet wird, notwendigerweise nicht Genanntes ausschließt. Für eine neuartige, nicht bekannte Krankheit usw., mit deren möglichem Auftreten ein nicht geschäftsunerfahrener Versicherungsnehmer im Grundsatz auch rechnen muss, liegt das ohne weiteres auf der Hand, sogar ohne dass das Infektionsschutzgesetz einer näheren Betrachtung unterzogen wird.

Angesichts dessen kann man nach Auffassung des Senats – nicht zuletzt mit Blick auf den Umstand, dass sich die hier in Rede stehende Versicherung an Gewerbetreibende richtet – nicht annehmen, dass die Beklagte den Umfang des Versicherungsschutzes bzw. vielmehr seiner möglichen Lücken im Vergleich zu den vom Infektionsschutzgesetz umfassten Krankheiten und Krankheitserregern im Dunkeln gelassen oder in irgendeiner Form verschleiert hätte. Aus dem Vorstehenden ergibt sich vielmehr, dass auch für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer einer Betriebsschließungsversicherung die Reichweite des Versicherungsschutzes und die Beschränkung auf in den Versicherungsbedingungen genannte Krankheiten und Krankheitserreger ohne weiteres erkennbar waren.

(OLG Stuttgart, Urteil vom 15. Februar 2021 – 7 U 335/20 –, Rn. 48- 61, juris)

Auch im vorliegenden Fall beruft der Kläger sich auf einen Verstoß gegen das Transparenzgebot und vertritt die Auffassung, ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer würde von einem Gleichlauf meldepflichtiger Krankheiten und Krankheitserreger nach dem Infektionsschutzgesetz und der im Vertrag genannten Krankheiten ausgehen. Eine Bezugnahme auf das Infektionsschutzgesetz mit der sich stellenden Frage nach einer dynamischen oder statischen Verweisung mit Blick auf die erst im Mai 2020 in das Infektionsschutzgesetz aufgenommene Krankheit COVID 19 fehlt vorliegend. Es wird nicht exemplarisch auf Krankheiten („z.B.“ oder „insbesondere“) verwiesen, so dass ein offener Katalog vorliegen würde. Jedenfalls in dem vorliegenden Fall der geschlossenen enumerativen Aufzählung („nur“) wird ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer die Vertragsbestimmungen jedoch nicht so versteht, dass alle nach dem – hier noch nicht einmal explizit benannten – Infektionsschutzgesetz meldepflichtigen Krankheiten oder Erreger einschließlich nach Vertragsschluss entstehender neuer Krankheiten und Krankheitserreger umfasst sind. Ein solches Verständnis würde einen Versicherer unkalkulierbaren Risiken aussetzen. Bei der hier streitgegenständlichen Betriebsschließungsversicherung ist überdies zu berücksichtigen, dass sie sich typischerweise an Gewerbetreibende richtet, die geschäftserfahren und mit Allgemeinen Geschäftsbedingungen vertraut sind. Ein verständiger Versicherungsnehmer als am Geschäftsleben Teilnehmender einer Betriebsschließungsversicherung wird wissen, dass ein Versicherer bestrebt ist, seine Haftung auf bekannte und daher vorhersehbare Risiken zu begrenzen, um sein Risiko kalkulieren zu können (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 15.02.2021- 7 U 351/20,- juris).

Schließlich kann der Kläger auch nicht damit durchdringen, dass ein Hinweis darauf erforderlich gewesen wäre, dass für nicht aufgeführte Krankheiten kein Versicherungsschutz besteht. Ausgehend von dem dargelegten Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers einer Betriebsschließungsversicherung bedarf es eines Hinweises darauf, dass nicht aufgeführte Krankheiten und Krankheitserreger nicht umfasst sind, nicht (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 15.02.2021- 7 U 351/20,- juris). Insbesondere erschließt sich nicht, weshalb eine Einschränkung zwingend in Ziff. 3 BVB vorzunehmen gewesen wäre, wie der Kläger vorträgt, nachdem aus den Regelungen in Ziff. 2 BVB klar hervorgeht, dass „Meldepflichtige Krankheiten oder meldepflichtige Krankheitserreger im Sinne dieses Vertrages nur die im Folgenden aufgeführten“ sind. Damit bestimmt die Beklagte nicht generell den Umfang meldepflichtiger Krankheiten und Krankheitserreger, sondern nimmt eine Definition und zugleich Beschränkung ihres vertraglichen Hauptleistungsversprechens vor. Dieses Regelwerk ist in seinem Aufbau und seiner optischen Ausgestaltung klar und verständlich.

Ein versichertes Ereignis liegt damit insgesamt nicht vor, weshalb ein Leistungsanspruch nicht besteht.

Da bereits der Eintritt eines Versicherungsfalls in der Betriebsschließungsversicherung abzulehnen ist, kann der Kläger auch eine Erstattung vorgerichtlich angefallener Rechtsanwaltskosten nicht verlangen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat seine Rechtsgrundlage in § 709 S.1 und ZPO.

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