Sieben Jahre zahlte die Berufsunfähigkeitsversicherung der ehemaligen Soldatin die Rente wegen psychischer Erkrankung. Plötzlich stellte der Versicherer die Zahlungen ein und forderte eine Rückzahlung. Der Streit drehte sich vor Gericht nicht um die Genesung selbst, sondern darum, wer den Nachweis über den Wegfall der Berufsunfähigkeit erbringen muss.
Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Wann darf eine Versicherung eine anerkannte Berufsunfähigkeitsrente wieder streichen?
- Was war der Auslöser für den Stopp der Zahlungen?
- Wer muss beweisen, dass sich der Gesundheitszustand verändert hat?
- Warum scheiterte der Beweisversuch der Versicherung vor Gericht?
- Wieso wurde ein Teil der Klage trotzdem abgewiesen?
- Die Urteilslogik
- Benötigen Sie Hilfe?
- Experten Kommentar
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Kann meine Berufsunfähigkeitsversicherung eine anerkannte Rente wieder streichen?
- Welche Rechte habe ich, wenn die BU-Versicherung meine Berufsunfähigkeit anerkannt hat?
- Wer muss beweisen, dass sich mein Gesundheitszustand nach dem Anerkenntnis gebessert hat?
- Was soll ich tun, wenn meine BU-Versicherung die Rentenzahlung plötzlich stoppt?
- Genügt ein neues Gutachten der Versicherung, um die Berufsunfähigkeitsrente zu beenden?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Das vorliegende Urteil
Zum vorliegenden Urteil Az.: 11 O 35/21 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Landgericht Magdeburg
- Datum: 07.12.2023
- Aktenzeichen: 11 O 35/21
- Verfahren: Klage gegen Berufsunfähigkeitsversicherung
- Rechtsbereiche: Berufsunfähigkeitsversicherung, Versicherungsvertragsrecht, Zivilprozessrecht
- Das Problem: Ein Versicherer hatte die Berufsunfähigkeit einer Versicherten anerkannt und sieben Jahre Rente gezahlt. Der Versicherer stellte die Zahlungen ein, weil sich der Gesundheitszustand angeblich gebessert hatte. Die Versicherte forderte die Weiterzahlung der Rente und die Beitragsfreistellung.
- Die Rechtsfrage: Darf der Versicherer eine einmal anerkannte Rentenzahlung stoppen, wenn er nicht eindeutig belegen kann, dass sich die gesundheitliche Lage verbessert hat?
- Die Antwort: Nein, der Versicherer muss die Leistung fortsetzen. Das Gericht stellte fest, dass der Versicherer eine relevante Besserung des Gesundheitszustandes nicht beweisen konnte. Die Klägerin hat Anspruch auf Rentennachzahlung und zukünftige Befreiung von den Beitragszahlungen.
- Die Bedeutung: Hat ein Versicherer die Berufsunfähigkeit einmal anerkannt, trägt er im Nachprüfungsverfahren die volle Beweislast. Eine reine Neubewertung der ursprünglichen Befunde reicht nicht aus, um die Leistung rechtmäßig einzustellen.
Der Fall vor Gericht
Wann darf eine Versicherung eine anerkannte Berufsunfähigkeitsrente wieder streichen?
Ein Anerkenntnis einer Versicherung ist mehr als nur ein Stück Papier. Für eine ehemalige Soldatin, die wegen psychischer Erkrankungen berufsunfähig wurde, war es die Zusage, bis 2045 finanziell abgesichert zu sein. Die monatliche Rente floss zuverlässig. Bis die Versicherung ihre eigene, alte Entscheidung in Frage stellte. Sie schickte die Frau zu einem neuen Gutachter und erklärte die Zahlungen für beendet. Vor dem Landgericht Magdeburg ging es um das Gewicht eines einmal gegebenen Versprechens – und die hohe Hürde, dieses wieder zu kassieren.
Was war der Auslöser für den Stopp der Zahlungen?

Eine junge Offiziersanwärterin musste 2012 ihre Karriere bei der Bundeswehr aufgeben. Die Diagnose umfasste ein komplexes psychisches Krankheitsbild, darunter ein Borderline-Syndrom und Dysthymia. Ihre Berufsunfähigkeitsversicherung erkannte die Situation an. Mit Schreiben vom 4. Juli 2013 bewilligte sie rückwirkend zum Juni 2011 eine monatliche Rente. Sieben Jahre lang war das die finanzielle Grundlage der Frau.
Im Jahr 2019 leitete die Versicherung ein sogenanntes Nachprüfungsverfahren ein. Das ist ihr gutes Recht, geregelt in den Versicherungsbedingungen (§ 24 AVB E23). Sie beauftragte einen neuen Gutachter, den Gesundheitszustand der Versicherten zu bewerten. Dessen Ergebnis fiel anders aus als die ursprüngliche Einschätzung. Die Versicherung kam zum Schluss, der Gesundheitszustand habe sich gebessert. Die Berufsunfähigkeit liege nun unter der vertraglich vereinbarten Schwelle von 50 Prozent. Konsequent stoppte sie die Zahlungen zum 31. Juli 2020. Die ehemalige Soldatin sah das anders und zog vor Gericht.
Wer muss beweisen, dass sich der Gesundheitszustand verändert hat?
Das war der Kern des gesamten Verfahrens. Die Versicherung argumentierte: Unser neues Gutachten zeigt, die Frau ist nicht mehr berufsunfähig. Die Soldatin hielt dagegen: Meine gesundheitlichen Probleme bestehen fort. Das Landgericht Magdeburg stellte die Rechtslage klar und schob dem Vorgehen der Versicherung einen Riegel vor.
Die Logik des Gerichts ist bestechend einfach. Mit dem Anerkenntnis der Berufsunfähigkeit im Jahr 2013 hat die Versicherung eine Tatsache geschaffen. Sie hat die Leistungspflicht akzeptiert. Ab diesem Moment kehrt sich die Beweislast um. Will die Versicherung die Zahlungen einstellen, muss sie – und nur sie – lückenlos nachweisen, dass sich der Gesundheitszustand der Versicherten seit dem Zeitpunkt des Anerkenntnisses tatsächlich und relevant gebessert hat. Es reicht nicht, die alten Befunde einfach neu zu bewerten oder in Zweifel zu ziehen. Die Versicherung kann nicht Jahre später sagen: „Wir glauben, unsere ursprüngliche Entscheidung war falsch.“ Sie muss eine konkrete, positive Entwicklung belegen. Diese Regel schützt Versicherte vor willkürlichen Neubewertungen und basiert auf gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 121, 284).
Warum scheiterte der Beweisversuch der Versicherung vor Gericht?
Die Versicherung legte das von ihr beauftragte Gutachten vor. Dieses kam zum Schluss, dass aktuell keine Berufsunfähigkeit mehr vorliege. Das Gericht überzeugte das nicht. Es bestellte einen eigenen, unabhängigen Sachverständigen. Dessen Analyse pulverisierte die Argumentation der Versicherung.
Der Gerichtsgutachter stellte zwei Dinge fest. Erstens: Die medizinische Aktenlage aus dem Jahr 2011, die zum ursprünglichen Anerkenntnis führte, war tatsächlich recht dünn. Eine sichere Prognose sei damals schwierig gewesen. Zweitens – und das war der entscheidende Punkt: Er konnte anhand der Unterlagen und seiner eigenen Untersuchung keine nachweisbare Besserung des Gesundheitszustandes zwischen 2013 und heute feststellen.
Das Gericht folgte dieser Einschätzung. Die Versicherung konnte den ihr obliegenden Beweis einer relevanten gesundheitlichen Besserung nicht erbringen. Der bloße Umstand, dass ein neuer Gutachter den Zustand heute anders bewertet als ein anderer Gutachter damals, genügt nicht. Da der Beweis der Besserung scheiterte, blieb das ursprüngliche Anerkenntnis wirksam. Die Leistungseinstellung war unrechtmäßig. Das Gericht verurteilte die Versicherung zur Nachzahlung der ausstehenden Renten, zur Fortsetzung der monatlichen Zahlungen und zur Befreiung von den Versicherungsbeiträgen, so wie es die Police vorsieht (§ 1 Abs. 1 Satz 1 VVG in Verbindung mit den AVB).
Wieso wurde ein Teil der Klage trotzdem abgewiesen?
Die ehemalige Soldatin hatte auch die Erstattung ihrer vorgerichtlichen Anwaltskosten gefordert. Diesen Teil der Klage wies das Gericht ab. Der Grund lag in einem juristischen Detail, dem Anspruchsübergang nach § 86 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG). Die Versicherung argumentierte, die Frau besitze eine Rechtsschutzversicherung. Besteht eine solche, geht der Anspruch auf Erstattung von Anwaltskosten oft automatisch auf diese Versicherung über. Die Soldatin selbst hat dann nicht mehr das Recht, dieses Geld im eigenen Namen einzuklagen. Da die Klägerin diesem Einwand nichts Substanzielles entgegensetzte, folgte das Gericht der Argumentation der Versicherung und wies die Forderung nach den Anwaltskosten ab.
Die Urteilslogik
Der Beweisstandard für die Einstellung einer einmal anerkannten Berufsunfähigkeitsrente liegt außergewöhnlich hoch und schützt Versicherte vor willkürlichen Neubewertungen.
- [Umkehr der Beweislast]: Das Anerkenntnis der Berufsunfähigkeit kehrt die Beweislast um und verpflichtet den Versicherer, den Wegfall der Leistungspflicht lückenlos nachzuweisen.
- [Anforderungen an den Besserungsnachweis]: Der Versicherer muss für die Einstellung der Rente eine konkrete, relevante und positive gesundheitliche Besserung beweisen; eine bloße Neubewertung oder Infragestellung alter Befunde genügt dem hohen Nachweisstandard nicht.
- [Aktivlegitimation bei Anwaltskosten]: Ansprüche auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten können bei Vorliegen einer Rechtsschutzversicherung automatisch auf diese übergehen, wodurch die Klägerpartei das Recht zur eigenen Geltendmachung verliert.
Das Recht stärkt die Verbindlichkeit einmal gegebener Leistungszusagen, indem es dem Vertrauensschutz des Versicherten über Jahre hinweg Priorität einräumt.
Benötigen Sie Hilfe?
Wurde Ihre BU-Rente nach anfänglichem Anerkenntnis ebenfalls eingestellt? Kontaktieren Sie uns für eine unverbindliche rechtliche Ersteinschätzung Ihrer Situation.
Experten Kommentar
Viele Versicherte fragen sich: Ist mein Anspruch auf die BU-Rente wirklich sicher, wenn die Versicherung ihn einmal anerkannt hat? Dieses Urteil macht klar: Ja, diese Zusage ist ein extrem starkes Fundament. Die Versicherung kann nicht Jahre später die ursprüngliche Aktenlage neu bewerten oder nur in Zweifel ziehen. Um die Zahlungen zu stoppen, muss der Versicherer einen lupenreinen, positiven Wandel im Gesundheitszustand beweisen. Das ist in der Praxis oft eine unüberwindbare Hürde und schützt Versicherte massiv vor willkürlichen Nachprüfungsverfahren.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Kann meine Berufsunfähigkeitsversicherung eine anerkannte Rente wieder streichen?
Die kurze Antwort lautet: Ja, Ihre Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) darf die Rentenzahlung stoppen, wenn sie ein sogenanntes Nachprüfungsverfahren einleitet. Dieses Recht ist in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) der meisten Policen verankert. Allerdings schützt Sie das ursprüngliche Anerkenntnis: Die Versicherung muss eine extrem hohe juristische Hürde nehmen, um die Zahlungen dauerhaft einzustellen.
Sobald die BU-Versicherung Ihre Berufsunfähigkeit anerkannt hat, entsteht eine gefestigte Vertrauensposition. Damit kehrt sich die Beweislast vollständig um. Es reicht für das Unternehmen nicht aus, die ursprüngliche Entscheidung in Zweifel zu ziehen oder zu behaupten, die Aktenlage sei damals zu dünn gewesen. Die Versicherung muss stattdessen lückenlos und positiv beweisen, dass sich Ihr Gesundheitszustand seit dem ursprünglichen Anerkenntnis relevant gebessert hat und die 50-Prozent-Schwelle unterschritten wurde.
Der Stopp der Zahlungen erfolgt oft aufgrund eines neuen, intern beauftragten Gutachtens, welches den heutigen Zustand anders bewertet. Diese Gutachten scheitern jedoch regelmäßig vor Gericht, weil sie die geforderte Kausalkette der Besserung nicht nachweisen können. Das Landgericht Magdeburg stellte in einem Fall klar: Die Versicherung darf nicht die bloße aktuelle Situation beurteilen. Sie muss eine konkrete, positive Entwicklung seit dem Anerkenntnis belegen, um die Rentenzahlung legal einzustellen.
Suchen Sie umgehend Ihr Original-Anerkenntnisschreiben der Versicherung, um den exakten Startpunkt der Beweislastumkehr zu definieren, und lassen Sie sich anwaltlich beraten.
Welche Rechte habe ich, wenn die BU-Versicherung meine Berufsunfähigkeit anerkannt hat?
Das Anerkenntnis Ihrer Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) ist juristisch gesehen extrem wertvoll. Es schafft eine gefestigte Vertrauensposition, die Sie effektiv vor willkürlichen Neubewertungen schützt. Dieses Versprechen bindet die Versicherung an die Leistungspflicht für die gesamte vereinbarte Dauer. Sie müssen nicht befürchten, sich ständig neu verteidigen oder Ihre aktuelle Krankheit beweisen zu müssen.
Der wichtigste strategische Hebel ist die Beweislastumkehr. Sobald die BU-Versicherung die Leistungspflicht einmal akzeptiert hat, liegt die gesamte Beweispflicht bei ihr. Die Versicherung kann die Rentenzahlungen nur stoppen, wenn sie lückenlos beweist, dass seit dem Anerkenntnis eine relevante Besserung Ihres Gesundheitszustandes eingetreten ist. Das bloße Infragestellen alter Befunde oder die Behauptung, die ursprüngliche Entscheidung sei fehlerhaft gewesen, genügt nicht. Diese starke Rechtsposition schützt Versicherte und basiert auf gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH).
Neben dem Anspruch auf die monatliche Rente bleibt auch das Recht auf Beitragsbefreiung bestehen (§ 1 Abs. 1 VVG). Solange der Beweis der Besserung scheitert, dürfen Sie sich zurücklehnen. Sie sind nicht verpflichtet, der Versicherung neue aktuelle medizinische Unterlagen zu liefern, um Ihren Zustand zu beweisen. Konkret: Unterschreiben Sie keine Vereinbarungen oder Korrespondenzen, in denen Sie die Möglichkeit einer fehlerhaften ursprünglichen Entscheidung einräumen. Halten Sie an dem Datum des Anerkenntnisses als unumstößlichem Ausgangspunkt fest.
Prüfen Sie sofort, ob die Versicherung nach einem Stopp der Rentenzahlung auch die Beitragsbefreiung eingestellt hat; dies wäre ein Verstoß gegen die Police.
Wer muss beweisen, dass sich mein Gesundheitszustand nach dem Anerkenntnis gebessert hat?
Die entscheidende strategische Information lautet: Die Beweislast liegt nach einem formalen Anerkenntnis zu 100 Prozent bei Ihrer Versicherung. Durch die Leistungspflichtzusage kehrt sich das Beweisrisiko vollständig um. Nicht Sie müssen Ihre aktuelle Krankheit belegen, sondern die Berufsunfähigkeitsversicherung muss nachweisen, dass sich Ihr Gesundheitszustand seit dem Tag des Anerkenntnisses tatsächlich und relevant gebessert hat.
Dieses Umkehrungsprinzip ist im Versicherungsrecht gefestigt und schützt Sie als Versicherten. Das Anerkenntnis schafft eine unumstößliche Tatsache: Ihre Berufsunfähigkeit ist zu diesem Zeitpunkt juristisch festgestellt worden. Gerichte, wie das Landgericht Magdeburg, betonen, dass es der Versicherung nicht erlaubt ist, alte Befunde nachträglich neu zu bewerten oder die damalige Aktenlage in Zweifel zu ziehen. Die Versicherung muss eine konkrete positive Entwicklung im Zeitraum zwischen der Anerkennung und heute belegen.
Praktisch bedeutet dies, dass der Fokus strikt auf dem zeitlichen Verlauf liegt. Der bloße heutige Zustand ist irrelevant für die Widerlegung der ursprünglichen Entscheidung. Reicht die Versicherung lediglich ein neues Gutachten ein, das Ihren aktuellen Zustand anders einschätzt, reicht dies nicht aus, um die Rente erfolgreich einzustellen. Vermeiden Sie es, Dokumente vorzulegen, die nur Ihren aktuellen Zustand dokumentieren, da Sie der Gegenseite damit unnötige Angriffspunkte liefern.
Antworten Sie auf die Aufforderung der Versicherung mit dem Hinweis auf die gefestigte BGH-Rechtsprechung und fordern Sie sie formell auf, den lückenlosen Beweis der relevanten Besserung zu erbringen.
Was soll ich tun, wenn meine BU-Versicherung die Rentenzahlung plötzlich stoppt?
Der einseitige Stopp Ihrer Berufsunfähigkeitsrente ist existenzbedrohend und oft unrechtmäßig. Sie müssen umgehend handeln und einen spezialisierten Fachanwalt für Versicherungsrecht einschalten. Ziel ist es, schnell Klage auf Fortsetzung der Zahlung und Nachzahlung der ausstehenden Renten zu erheben, da die Versicherung die Leistungspflicht nicht einfach widerrufen darf.
Die Versicherung darf die Rentenzahlung nicht ohne einen gerichtsfesten Grund einstellen. Häufig basiert der Stopp lediglich auf einem neuen internen Gutachten, das die hohe Anforderung der Beweislastumkehr nicht erfüllt. Nachdem die Berufsunfähigkeit (BU) einmal anerkannt wurde, muss die Versicherung lückenlos beweisen, dass sich Ihr Gesundheitszustand seitdem relevant gebessert hat. Scheitert dieser Beweis, bleibt das ursprüngliche Anerkenntnis verbindlich und die Leistungseinstellung durch die Versicherung ist unrechtmäßig.
Ihr Anwalt wird in der Klage primär die Fortsetzung der monatlichen Rentenzahlungen sowie die Nachzahlung der ausstehenden Beträge fordern. Wichtig ist auch die Wiederherstellung der Beitragsbefreiung, welche eng mit dem Leistungsanspruch verbunden ist. Beachten Sie juristische Details: Wenn Sie eine Rechtsschutzversicherung besitzen, geht der Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Anwaltskosten oft automatisch gemäß § 86 VVG auf diese über. Das hat zur Folge, dass Sie diesen Kostenpunkt nicht selbst im Gerichtsprozess einklagen dürfen.
Vermeiden Sie finanzielle Lücken und kontaktieren Sie vor der Beauftragung des Anwalts sofort Ihre Rechtsschutzversicherung, um eine Deckungszusage zu erhalten.
Genügt ein neues Gutachten der Versicherung, um die Berufsunfähigkeitsrente zu beenden?
Nein, das neue Gutachten der Versicherung reicht in der Regel nicht aus, um eine einmal anerkannte Berufsunfähigkeitsrente rechtssicher zu beenden. Dieses Dokument dient der Versicherung lediglich als Beweisversuch in einem Nachprüfungsverfahren. Es kann zwar Ihren aktuellen Zustand anders bewerten, hat aber nur geringes Gewicht, da es als parteiisch gilt. Die ursprüngliche Zusage schafft eine Vertrauensposition, die einseitig nur schwer widerrufen werden kann.
Nachdem die Versicherung die Leistungspflicht anerkannt hat, liegt die Beweislast vollständig bei ihr. Sie muss lückenlos belegen, dass sich Ihr Gesundheitszustand seit dem Anerkenntnis tatsächlich und relevant gebessert hat. Hier liegt oft der Mangel der fremd beauftragten Gutachten: Sie konzentrieren sich nur auf die heutige Situation und versäumen es, eine lückenlose Kausalkette der Besserung darzustellen. Das Gericht ist an diese einseitige Expertise nicht gebunden und bestellt in fast allen Fällen einen eigenen, unabhängigen Sachverständigen.
Nehmen wir an, Sie erheben Klage gegen den Zahlungsstopp. Die Gerichte, wie das Landgericht Magdeburg, ignorieren das Gutachten der Versicherung, wenn es nicht überzeugt. Entscheidend ist die Analyse des gerichtlich bestellten Experten. Wenn dieser keine nachweisbare Besserung feststellen kann, bleibt das ursprüngliche Anerkenntnis wirksam. Es ist unerheblich, ob ein neuer Gutachter den Befund heute anders sieht als der Gutachter von damals; es muss eine positive Entwicklung nachgewiesen werden.
Verlangen Sie schriftlich die vollständigen medizinischen Unterlagen und die Begründung des Gutachtens, um den Vergleich zum ursprünglichen Anerkenntnis zu prüfen.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Anerkenntnis (BU)
Ein Anerkenntnis der Berufsunfähigkeit ist die formelle Zusage des Versicherers, dass der Versicherte die vertraglich vereinbarten Voraussetzungen für den Leistungsbezug erfüllt. Dieses verbindliche Versprechen schafft für den Versicherten eine gefestigte Vertrauensposition und bindet die Versicherung an die einmal akzeptierte Leistungspflicht.
Beispiel: Das Anerkenntnis vom 4. Juli 2013 warf für die Versicherung eine hohe juristische Hürde auf, als sie versuchte, die Rentenzahlungen später wieder einzustellen.
Anspruchsübergang (§ 86 VVG)
Der Anspruchsübergang regelt in § 86 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG), dass bestimmte Schadenersatzansprüche des Versicherten automatisch auf dessen Rechtsschutzversicherung übergehen, sobald diese die Kosten übernimmt. Diese gesetzliche Vorschrift verhindert, dass der Versicherte denselben Schaden – hier die vorgerichtlichen Anwaltskosten – doppelt ersetzt bekommt.
Beispiel: Aufgrund des Anspruchsübergangs nach § 86 VVG wies das Landgericht den Teil der Klage ab, der die Erstattung der Anwaltskosten durch die Klägerin selbst forderte.
Beitragsbefreiung
Die Beitragsbefreiung ist eine essenzielle Leistung in der Berufsunfähigkeitsversicherung, bei der der Versicherte nach Eintritt der BU keine monatlichen Prämien mehr zahlen muss, während der Versicherungsschutz bestehen bleibt. Diese Regelung entlastet den Versicherten finanziell in einer ohnehin schwierigen Lebenslage, da die Versicherung die Beiträge für die gesamte Dauer der Berufsunfähigkeit übernimmt.
Beispiel: Neben dem Anspruch auf die monatliche Rente verurteilte das Gericht die Versicherung auch dazu, die Beitragsbefreiung für die ehemalige Soldatin wiederherzustellen.
Beweislastumkehr
Die Beweislastumkehr beschreibt die juristische Situation, in der die Pflicht, eine Tatsache nachzuweisen, vom Kläger auf den Beklagten oder umgekehrt verschoben wird. Im Versicherungsrecht schützt dieses Prinzip den Versicherten nach einem Anerkenntnis: Die Versicherung muss nun lückenlos beweisen, dass eine Besserung eingetreten ist, statt dass der Versicherte seine anhaltende Krankheit belegen muss.
Beispiel: Durch die Beweislastumkehr musste die Versicherung lückenlos nachweisen, dass sich der Gesundheitszustand der Versicherten seit 2013 relevant gebessert hatte.
Leistungspflicht
Die Leistungspflicht ist die vertragliche Verpflichtung der Versicherung, die im Vertrag zugesicherten Leistungen, etwa die monatliche BU-Rente, an den Versicherten auszuzahlen. Diese Pflicht entsteht, sobald die vertraglich vereinbarten Voraussetzungen für die Berufsunfähigkeit nachgewiesen sind, und bildet die finanzielle Absicherung des Versicherten.
Beispiel: Da der Beweis der Besserung scheiterte, blieb die Leistungspflicht der Versicherung aus dem Jahr 2013 weiterhin bestehen und das Unternehmen musste die Zahlungen fortsetzen.
Nachprüfungsverfahren
Juristen nennen das Nachprüfungsverfahren den in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) geregelten Prozess, durch den die Versicherung die fortlaufende Notwendigkeit der Rentenzahlung periodisch überprüfen darf. Der Gesetzgeber erlaubt diese Überprüfung, um Missbrauch zu verhindern und festzustellen, ob die Voraussetzungen für die Berufsunfähigkeit weiterhin erfüllt sind.
Beispiel: Im Jahr 2019 leitete die Versicherung ein Nachprüfungsverfahren ein und stützte ihren Stopp der Rentenzahlungen auf das Ergebnis eines neu beauftragten Gutachters.
Das vorliegende Urteil
LG Magdeburg – Az.: 11 O 35/21 – Urteil vom 07.12.2023
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