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Betriebsschließungsversicherung – Restaurantschließung wegen Corona-Pandemie

LG Hannover – Az.: 19 O 146/20 – Urteil vom 03.05.2021

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte aus einer Betriebsschließungsversicherung im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie in Anspruch.

Die Klägerin betreibt in Hannover in der … nach ihren Angaben ein Restaurant (…). Ausweislich des Versicherungsscheins (Anlage K 1) besteht zwischen den Parteien zur Versicherungsschein-Nr.: … eine Geschäftsinhaltsversicherung mit einer Betriebsschließungs-Pauschalversicherung. Versicherungsort ist die oben angegebene Anschrift. Versichert ist der Betrieb „…“; die Versicherungssumme beträgt 140.000,00 €. Versicherte Schäden sind solche infolge Schließung, Desinfektion und Tätigkeitsverboten; Schäden an Vorräten und Waren sowie Ermittlungs- und Beobachtungsmaßnahmen. In den Vertrag einbezogen sind u. a. die Bedingungen für die Betriebsschließungs-Pauschalversicherung Gewerbe (BBSG 12, Anlage K 2). Dort heißt es auszugsweise:

3. Versicherte Gefahren und Schäden

3.1 Behördliche Anordnungen zu Schließung, Desinfektion und Tätigkeitsverboten

Der Versicherer leistet bis zu den in Ziffer 9 genannten Entschädigungsgrenzen Entschädigung, wenn die zuständige Behörde aufgrund des Infektionsschutzgesetzes beim Auftreten meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserreger (siehe Ziffer 3.4)

3.1.1 den Versichertenbetrieb oder eine versicherte Betriebsstätte zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern beim Menschen nach Ziffer 3.4 ganz oder teilweise schließt; Tätigkeitsverbote gegen sämtliche Betriebsangehörige eines Betriebes oder einer Betriebsstätte werden einer Betriebsschließung gleichgestellt (Schließung); ein behördlich angeordnetes Verkaufsverbot von Speiseeis gilt für Eisdielen und Eiscafés auch als Betriebsschließung;

3.1.2 die Desinfektion der Betriebsräume und -einrichtung des versicherten Betriebes ganz oder in Teilen anordnet oder schriftlich empfiehlt, weil anzunehmen ist, dass der Betrieb mit meldepflichtigen Krankheitserreger nach Ziffer 3.4 behaftet ist (Desinfektion);

3.1.3 in dem versicherten Betrieb beschäftigten Person ihre berufliche Tätigkeit

(1) wegen Infektion mit meldepflichtigen Krankheitserregern,

(2) wegen Erkrankung an meldepflichtigen Krankheiten,

(3) wegen entsprechenden Ansteckung- oder Krankheitsverdacht oder (4) als Ausscheidung von meldepflichtigen Erregern untersagt (Tätigkeitsverbote).

3.4 Meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger

meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen sind die im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger, ausgenommen sind jedoch humane spongioforme Enzephalopathine nach § 6 (1) 1. d) IfSG.

8 Entschädigungsberechnung

8.1 Entschädigungsberechnung Schließung

Der Versicherer ersetzt im Falle einer Schließung nach Ziffer 3.1.1 den entgehenden Gewinn aus dem Umsatz der hergestellten Erzeugnisse, der gehandelten Waren und der Dienstleistungen sowie die fortlaufenden Kosten bis zu dem Zeitpunkt, an denen die Schließung wieder aufgehoben wird, höchstens bis zum Ablauf der vereinbarten Haftzeit.

Kosten werden nur ersetzt, sofern ihr Weiteraufwand rechtlich notwendig oder wirtschaftlich begründet ist und soweit sie ohne die Störung des Betriebsablaufs erwirtschaftet worden wären.

Soweit nicht etwas anderes vereinbart ist, beginnt die Haftzeit zum Zeitpunkt der erstmaligen Schließung und endet 30 Tage später.

Die Entschädigung ist auf den in Ziffer 9.2.1 vereinbarten Betrag begrenzt (Entschädigungsgrenze).

9 Entschädigungsgrenze, Selbstbeteiligung

9.1 Allgemein

Der Versicherer leistet Entschädigung je Versicherungsfall höchstens bis zu den Entschädigungsgrenze, die in diesen Bedingungen vorgesehen und zusätzlich vereinbart sind.

9.2 Entschädigungsgrenzen

Soweit nichts Anderes vereinbart ist, ist die Entschädigung auf folgende Beträge begrenzt:

9.2.1 für Schäden infolge Schließung nach Ziffer 3.1.1 und Ziffer 8.1 1/12 der vereinbarten Versicherungssumme

Am Ende der Bedingungen ist als Anhang ein Auszug aus dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) abgedruckt. Dieser Auszug enthält insbesondere die §§ 6 und 7 des IfSG, in denen die meldepflichtigen Krankheiten und die meldepflichtigen Nachweise von Krankheitserregern namentlich im Einzelnen aufgeführt sind. Die Krankheit COVID-19 und das Coronavirus (SARS-CoV-2) werden dort nicht genannt.

Auf Grundlage einer fachaufsichtlichen Weisung des Niedersächsischen Ministeriums gemäß Runderlass dieses Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung vom 20.03.2020 erließen die Landkreise, kreisfreien Städte und die Region Hannover in Niedersachsen Regelungen, welche dieser Weisung entsprachen. Infolgedessen musste die Klägerin ihr Geschäft ab dem 21.03.2020 schließen. Bereits zum 17.03.2020 galt eine Verkürzung der Öffnungszeiten von Restaurants, wonach diese bereits ab 18:00 Uhr schließen mussten.

Mit Schreiben vom 20.03.2020 wandte sich die Klägerin an die Beklagte und bat um Entschädigung. Mit Schreiben vom 14.04.2020 (Anlage K3) lehnte die Beklagte eine Entschädigung ab. Daraufhin ließ die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 06.05.2020 (Anlage K4) die Beklagte auffordern, eine Deckungszusage zu erteilen. Mit Schreiben vom 18.05.2020 (Anlage K5) verteidigte die Beklagte erneut ihren Standpunkt und wies darauf hin, dass ihrer Auffassung nach nur intrinsische Gefahren versichert seien.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass ein Versicherungsfall vorliege. Die Klägerin habe den versicherten Betrieb auf der Grundlage des Infektionsschutzgesetzes schließen müssen. Dass nur intrinsische Gefahren, also solche, die aus dem Betrieb von innen heraus entstanden sind, versichert seien, sei vom Wortlaut der Versicherungsbedingungen nicht gedeckt. Vielmehr reiche allein das Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger aus, wenn diese zur Betriebsschließung führten. Es läge eine meldepflichtige Krankheit bzw. Krankheitserreger nach dem Infektionsschutzgesetz vor. Das neuartige Corona-Virus sei durch Verordnung vom 30.01.2020 (Anlage K6) in die Regelungen der Meldepflicht nach den §§ 6 und 7 des IfSG einbezogen worden. Somit handele es sich bei dem Corona-Virus um einen Krankheitserreger, welcher in den §§ 6 und 7 IfSG namentlich genannt sei. Jedenfalls sei das Corona-Virus durch die Auffangtatbestände in den 6 und 7 IfSG vom Versicherungsschutz umfasst. Gemäß Ziffer 3.1.1 BBSG 12 seien auch Teilschließungen versichert. Die Klägerin beruft sich zur Schadenshöhe auf eine Aufstellung ihres Steuerberaters zum entgangenen Gewinn aus dem Vergleichszeitraum des Jahres 2019 (21.03.2019 bis zum 20.04.2019) und auf eine Berechnung der Kosten für die vertraglich vereinbarte Haftzeit vom 21.03.2020 bis 20.04.2020 (Anlage K7). Die Umsätze aus dem Vorjahreszeitraum wären ohne weiteres auch in der Haftzeit zu erwarten gewesen. Die … sei erst im September 2018 geöffnet worden Im Zeitraum 21.03.2020 bis 20.04.2020 habe die Klägerin 4.467,29 € Kurzarbeitergeld, Leistungen nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz von 59,79 € sowie eine Soforthilfe von der … Niedersachsen in Höhe von 5.000,00 € erhalten. Die erlangte Soforthilfe der … Niedersachsen sei indes nicht schadensmindernd anzusetzen, es handele sich um freiwillige Leistungen des Staates. Insgesamt seien 15.000,00 € gezahlt worden, in der Haftzeit allerdings nur ein Betrag von 5.000,00 €. Selbst wenn man diese 5.000 € von den tatsächlich entstandenen Kosten von über 41.700,78 € in Abzug bringe, übersteige der verbliebene Betrag den nach den Versicherungsbedingungen von der Beklagten auszukehrenden Höchstbetrag von 11.666,67 €. Ferner begehrt die Klägerin Erstattung vorgerichtlich angefallener Rechtsanwaltskosten in Höhe von 805,20 €. Die Beklagte befinde sich seit Ablehnung der Ansprüche mit Schreiben vom 14.04.2020 in Verzug. Die Klägerin habe davon ausgehen können, dass die Beklagte nach Einschaltung eines Rechtsanwalts durch die Klägerin den Anspruch dem Grunde nach anerkennen würde.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 11.666,67 € nebst 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14.04.2020 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 805,20 € zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Betriebsschließungsversicherung - Restaurantschließung wegen Corona-Pandemie
(Symbolfoto: Halfpoint /Shutterstock.com)

Die Beklagte ist der Auffassung, dass das Corona-Virus vom Versicherungsschutz nicht mitumfasst sei. Maßgeblich für die Auslegung von Versicherungsbedingungen sei der Zeitpunkt des Abschlusses des Versicherungsvertrages. Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses könne ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer den Hinweis auf die in den §§ 6 und 7 IfSG namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger nicht so verstehen, dass damit auch irgendwelche künftigen und im IfSG nicht genannten und noch gar nicht existenten künftigen Krankheitserreger versichert seien. Selbst wenn man Ziffer 3.4 BBSG 12 als dynamische Verweisung auf die jeweils aktuellste Fassung des IfSG ansehen würde, führe dies zu keiner anderen Bewertung, da nur die in den §§ 6 und 7 IfSG zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls namentlich genannten Krankheiten bzw. Krankheitserreger versichert seien. Am 17.03.2020 habe die Gesetzesfassung vom 20.02.2020, welche zum 01.03.2020 in Kraft getreten sei, gegolten. Das hier streitgegenständliche Corona-Virus sei erstmals mit dem zum 23.05.2020 in Kraft getretenen Gesetz vom 18.03.2020 in das IfSG eingefügt worden. Hätte ein Versicherungsnehmer tatsächlich am 18.03.2020 in das IfSG geschaut, so hätte er dort die streitgegenständliche SARS-Variante nicht finden können. Zudem bestreitet die Beklagte die Wirksamkeit der Rechtsverordnung bzw. Allgemeinverfügung, auf die die Klägerin abstelle. Es liege auch keine konkrete Verfügung bezüglich der Klägerin vor, sondern nur eine Allgemeinverfügung bzw. eine Rechtsverordnung, die überhaupt nicht auf etwaige spezifischen Gefahren der Klägerin eingehe, sondern lediglich aus generalspräventiven Gesichtspunkten Kontakte in der Bevölkerung durch eine Art „Shutdown“ drastisch reduzieren wolle. Solche abstrakt-generellen präventiven Gesundheitsmaßnahmen seien nicht Gegenstand einer Betriebsschließungsversicherung, bei der es nur um betriebsinterne Gefahren gehen könne. Der Betrieb der Klägerin sei nicht geschlossen geworden. Es habe keine Betriebsschließung, sondern lediglich eine Betriebseinschränkung vorgelegen. Ein Tätigkeits- oder Vertretungsverbot habe es nicht gegeben. Insbesondere sei eine betriebliche Tätigkeit in Form sowohl eines Liefer- als auch eines Abholangebotes zulässig gewesen. Es fehle mithin an einer öffentlich-rechtlichen Schließungsverfügung, die indes Voraussetzung einer Betriebsschließung sei. Die Beklagte bestreitet den Eintritt eines kausalen Schadens. Bereits in der ersten Märzhälfte, also vor den streitgegenständlichen Allgemeinverfügungen, sei es in vielen Gaststättenbetrieben zu Umsatzeinbrüchen aufgrund der general-präventiven Kontaktbeschränkungen gekommen. Bei der vorliegenden Versicherung handele es sich um eine Schadenversicherung. Maßgebend sei daher der entgangene Gewinn unter Abzug eingesparter Kosten. Es sei darauf abzustellen, wie sich der Gewinn entwickelt hätte, wenn es die behördliche Anordnung nicht gegeben hätte. Die Beklagte bestreitet deshalb den behaupteten Schaden auch der Höhe nach. Sie verweist auf Ziffer 12 BBSG 12, wonach ein Anspruch auf Entschädigung nicht bestehe, wenn der Versicherungsnehmer Schadensersatz aufgrund öffentlich-rechtlich Entschädigungsrechts beanspruchen könne. So bestehe ein Anspruch aus § 56 oder § 65 IfSG und gegebenenfalls nach den Grundsätzen des enteignenden Eingriffs oder aus Amtshaftung. Die Klägerin treffe insoweit eine gesetzliche Schadensminderungsobliegenheit (§ 82 VVG). Ausführungen zu etwaigen Anträgen auf Soforthilfe oder auf Kurzarbeitergeld seien dem klägerischen Vorbringen nicht zu entnehmen. Eine versicherungsvertragsrechtliche Anspruchsgrundlage für die Übernahme von Anwaltskosten bestehe nicht. Zum Zeitpunkt der Beauftragung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin habe sich die Beklagte nicht in Verzug befunden.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von 11.666,67 € gemäß § 1 Satz 1 VVG in Verbindung mit Ziffer 3 der BBSG 12.

Der Anspruch scheitert bereits daran, dass im Zeitraum 21.03.2020 bis 20.04.2020 ein Versicherungsfall nicht vorlag, weil das neuartige Corona-Virus in dem genannten Zeitraum nicht zu den meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserregern im Sinne der vereinbarten Versicherungsbedingungen zählte. Das Gericht schließt sich insoweit der Rechtsprechung des Landgerichts Lüneburg (Urteil vom 30.11.2020 – 5 O 171/20) an. Danach kann es dahinstehen, ob die Klausel in Ziffer 3.4 der BBSG 12 als statische oder dynamische Verweisung anzusehen ist, weil die Coronavirus-Erkrankung 2019 bzw. die dafür verantwortlichen Krankheitserreger erst mit Gesetz vom 19.05.2020 am 23.05.2020 – und damit nach der Haftzeit – in die §§ 6 und 7 des IfSG aufgenommen wurden, nach dem eindeutigen Wortlaut der vereinbarten Versicherungsbedingungen aber nur die in den §§ 6 und 7 des IfSG namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger versichert sind.

Die bis zum Ende der Haftzeit unterbliebene Benennung der Coronavirus-Erkrankung 2019 bzw. der dafür verantwortlichen Krankheitserreger führt dazu, dass ein Versicherungsschutz im vorliegenden Fall nicht besteht.

Im Einzelnen:

Maßgeblich ist der Inhalt des Versicherungsvertrages und damit dessen Auslegung nach allgemeinen Grundsätzen. Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhanges versteht. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an. Auszugehen ist in erster Linie vom Wortlaut der Bedingungen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind. Bei der hier in Rede stehenden Betriebsschließungsversicherung ist überdies zu berücksichtigen, dass der typische Adressaten- und Versichertenkreis nicht in Verbraucherkreisen zu suchen ist, sondern vielmehr geschäftserfahren und mit allgemeinen Geschäftsbedingungen vertraut ist, nachdem die Versicherung ihren Zweck und Inhalt nach auf Gewerbebetriebe abzielt (vgl. BGH, Urteil vom 18.11.2020 – IV ZR 217/19, Rn. 11, zitiert nach beck-online).

Hiervon ausgehend wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer nicht annehmen können, dass auch die Coronavirus-Erkrankung 2019 und die hierfür verantwortlichen Krankheitserreger dem von der Beklagten versprochenen Versicherungsschutz im Falle einer Betriebsschließung unterfallen. Der Eintritt eines bedingungsgemäßen Versicherungsfalls richtet sich im vorliegenden Fall nach Ziffer 3.4 der Versicherungsbedingungen, die auf die in den §§ 6 und 7 IfSG namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger verweisen. Das Landgericht Lüneburg hat in der genannten Entscheidung hierzu wie folgt ausgeführt: „Der Hinweis auf „namentlich“ bedeutet im allgemeinen Sprachgebrauch unter Verwendung eines Namens. Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer wird die Versicherungsbedingungen so verstehen, dass die versicherten Krankheiten bei ihrem Namen genannt sein müssen. … Die vorstehenden Normen des Infektionsschutzgesetzes benennen in ihrer jeweiligen abschließenden Aufzählung jedenfalls in der Fassung vom 01.03.2020 bis 22.05.2020 das SARS-CoV-2-Virus nicht. Dabei beinhaltet Wortwahl „namentlich genannt“ gleichzeitig eine Beschränkung des Versicherungsfalles auf die dort genannten Krankheiten und Krankheitserreger. Denn andernfalls hätte es des Zusatzes „namentlich genannt“ nicht bedurft.“ Dem ist zuzustimmen. Zwar wird ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer die Regelung des Infektionsschutzgesetzes nicht von vornherein kennen. Von einem um Verständnis bemühten, nicht geschäftsunerfahrenen Versicherungsnehmer kann indes erwartet werden, dass er sich beim Abschluss einer Betriebsschließungsversicherung Kenntnis von den maßgeblichen Regelungen verschafft. Dies umso mehr, da in den Bestimmungen der Betriebsschließungsversicherung mehrfach auf das Infektionsschutzgesetz und auf einzelne dortige Bestimmungen verwiesen wird (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 15.02.2021 – 7 U 351/20). Im vorliegenden Fall sind in die §§ 6 und 7 IfSG als Anhang in den BBSG 12 ausdrücklich aufgeführt. Selbst wenn die Verweisung auf diese Vorschriften des Infektionsschutzgesetzes dahin ausgelegt wird, dass es auf den Inhalt des Infektionsschutzgesetzes zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles ankommt, war die hier streitgegenständliche Corona Virus-Erkrankung, die Anlass der Schließungsverfügung war, dort zu diesem Zeitpunkt nicht namentlich aufgeführt. Der insoweit eindeutige Wortlaut der vereinbarten Versicherungsbedingungen, wonach nur namentlich aufgeführte Krankheiten und Krankheitserreger vom Versicherungsschutz erfasst sind, lässt keinen Rückgriff auf die in § 6 Abs. 1 Nummer 5 IfSG enthaltenen Generalklausel zu. Danach sind meldepflichtig auch das Auftreten einer bedrohlichen Krankheit oder von zwei oder mehr gleichartigen Erkrankungen, bei denen ein epidemischer Zusammenhang wahrscheinlich ist oder vermutet wird, wenn dies auf eine schwerwiegende Gefahr für die Allgemeinheit hinweist und Krankheitserreger als Ursache in Betracht kommen, die nicht in § 7 genannt sind. Bereits nach ihrem Gesetzeswortlaut umfasst die Klausel nur eine allgemeine, nicht näher bezeichnete Erkrankung, nennt sie aber gerade nicht beim Namen, wie von der Klausel 3.4 der BBSG12 gefordert (vgl. LG Lüneburg a.a.O.).

Ziffer 3.4 der BBSG 12 hält der Inhaltskontrolle stand. Eine überraschende Klausel im Sinne von § 305 c Abs. 1 BGB liegt schon deshalb nicht vor, weil die Klausel für den Versicherungsnehmer eindeutig auf die namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger Bezug nimmt. Ein verständiger Versicherungsnehmer- dies gilt umso mehr für einen nicht geschäftsunerfahrenen Versicherungsnehmer – kann und muss damit rechnen, dass sein Versicherungsschutz begrenzt ist und dass der Versicherer nicht für unbekannte und damit für ihn unkalkulierbare Infektionskrankheiten einstehen will. Einen unbegrenzten Schutz kann der Versicherungsnehmer nicht verlangen, zumal die Prämienkalkulation des Versicherers nicht darauf ausgerichtet ist. Die Grenzen des Versicherungsschutzes sind für den Versicherungsnehmer verständlich und eindeutig durch Verweisung auf die den §§ 6 und 7 des IfSG namentlich genannten Krankheiten Krankheitserreger gezogen. Dies gilt sowohl im Falle einer statischen als auch im Falle einer dynamischen Verweisung, weil entweder die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltende Gesetzesfassung oder die jeweils zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls gültige Fassung eingreifen würde (vgl. LG Lüneburg a.a.O.).

Die Klausel verstößt auch nicht gegen das Transparenzgebot des § 307 Absatz ein Satz 3 BGB. Eine unangemessene Benachteiligung der Vertragspartner des Verwenders der Klausel entgegen den Geboten von Treu und Glauben lässt sich dieser nicht entnehmen. Umfang und Grenzen des Versicherungsschutzes ergeben sich aus der Verweisung auf das Infektionsschutzgesetz. Damit kann ein verständiger Versicherungsnehmer nicht dem Irrtum unterliegen, dass weitere, als sie dort namentlich genannten Krankheiten versichert seien (vgl. LG Lüneburg a.a.O.). Ebenso wenig wird der Vertragszweck durch Verwendung der Klausel gefährdet. Zweck des Versicherungsvertrages ist die Zahlung einer Geldsumme für den Fall der behördlichen Betriebsschließung aufgrund einer meldepflichtigen Krankheit und Krankheitserreger im Sinne der § § 6 und 7 des IfSG. Der Versicherer ist grundsätzlich frei in der Bestimmung, welche Risiken er den Leistungsumfang aufnehmen möchte. Mit dem Verweis auf die namentlich genannten Krankheiten und Erreger deckt der Versicherer schon dem Grundgedanken nach ein kleineres Spektrum ab, als dasjenige, welches der Gesetzgeber den Behörden als Rechtsgrundlage für Betriebsschließungen über die §§ 28 ff des IfSG zur Verfügung stellt (vgl. LG Lüneburg a.a.O.).

Mangels Hauptforderung besteht weder ein Anspruch auf Verzugszinsen noch auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 709 ZPO.

 

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