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Betriebsschließungsversicherung: Hilfe in Zeiten der Corona-Pandemie?

Betriebsschließungen wegen des Coronavirus – Leistungspflichten der Versicherungen

Durch die Corona-Pandemie ist die deutsche Wirtschaft zum Erliegen gekommen. Restaurants, Bars, Cafés und Hotels mussten ihr Angebot stark einschränken oder ihre Pforten ganz schließen, um eine weitere Verbreitung des Virus zu verhindern. Zahlreiche Gastronomen und Hoteliers sind für den Fall einer Betriebsschließung wegen Seuchengefahr versichert – eigentlich, denn etliche Assekuranzunternehmen verweigern plötzlich die Zahlung. Korrekt oder ein Skandal?

Entschädigungen aus der Betriebsschließungsversicherung
Symbolfoto: Von weedezign /Shutterstock.com

Kurzer Exkurs: Was ist eine Betriebsschließungsversicherung?

Als Betriebsschließungsversicherung (BSV) wird eine Form der Betriebsunterbrechungsversicherung verstanden, die im Falle einer behördlich angeordneten Betriebsschließung zur Verhinderung der Seuchenverbreitung meldepflichtiger Infektionskrankheiten gemäß Infektionsschutzgesetz (IfSG) greifen soll. Eine Betriebsschließungsversicherung kann unterschiedliche Klauseln enthalten und etwa „unbenannte Gefahren“ mitversichern oder ausdrücklich ausschließen. Betriebsschließungsversicherungen richten sich an Betriebe der Lebensmittelherstellung und -verarbeitung und können von Handels- und Herstellungsbetrieben von Lebens- und Genussmitteln sowie von Betrieben des Gesundheitswesens wie Apotheken, Arztpraxen, Kliniken und Pflegeheimen abgeschlossen werden. Die Prämien für die Police gegen Betriebsschließung richten sich nach der Höhe des Schadens durch Schließung. Die Höhe der Versicherungsleistung entspricht dem ermittelten täglichen Schließungsschaden und wird für die Dauer der Schließung, maximal aber für 60 Arbeitstage gezahlt (der Normalfall sind 30 Arbeitstage, gegen eine zusätzliche Prämie kann auf 60 Tage verlängert werden, im Klinik- und Heimbereich sind bis zu 60 Tage üblich).

Versicherer verweigern die Entschädigungsleistungen, bieten Kulanz an

Gastronomen und Hoteliers wissen um das Restrisiko: Trotz größter Sauberkeit könnten über Kunden, Lieferanten, Mitarbeiter oder Waren Keime in den Betrieb gelangen und das Geschäft zum Stillstand zwingen. Daher gilt ihnen die Betriebsschließungsversicherung als ein absolutes Muss, um im Fall einer behördlich angeordneten Schließung finanzielle Einbußen abzufedern. Im März ordneten die Behörden aufgrund der Corona-Pandemie tatsächlich diverse Beschränkungen an. Bars und Clubs mussten schließen, Gaststätten, Restaurants und Hotels ihr Angebot zumindest stark einschränken oder komplett dichtmachen. „Sollte da nicht die BSV greifen“, dachten sich etliche Versicherungsnehmer und riefen ihre Versicherer an. Doch viele der Assekuranzunternehmen wollten die Entschädigungsleistungen nicht zahlen und boten aus Kulanz nur 10 bis 15 Prozent der vereinbarten Summe an. Die Ergo beispielsweise auch nur unter der Bedingung, dass der Versicherungsnehmer eine „Abfindungserklärung“ unterschreibt und auf jegliche Ansprüche aus der Betriebsschließungsversicherung verzichtet. Dieses Vorgehen dürfte viele Versicherungsnehmer stutzig machen: Bietet ein Assekuranzunternehmen freiwillig eine Kulanzzahlung an, obwohl ein Fall angeblich nicht versichert ist?

Gründe der Versicherer für die Kulanzzahlung

Die 15-Prozent-Kulanzzahlung war auf Initiative der bayerischen Landesregierung von der Versicherungskammer Bayern, der Haftpflichtkasse Darmstadt und der Allianz entwickelt worden. Inzwischen haben etliche andere Versicherer das Modell übernommen, darunter die Ergo, die Gothaer, die Haftpflichtkasse VVAG, die Nürnberger, die Signal-Iduna sowie die Zurich Gruppe Deutschland. Als Gründe, warum es ausgerechnet 15 Prozent sind, führen die Versicherer an, dass der wirtschaftliche Schaden während der Corona-Pandemie aus mehreren Gründen um bis zu 70 Prozent geringer ausfalle, und führen die ungeklärte Rechtslage, die Soforthilfen von Bund und Ländern sowie das Kurzarbeitergeld an. Aber: In aktuellen Bescheiden der Bundesagentur für Arbeit steht, dass die Gewährung von Kurzarbeitergeld nicht möglich sei, wenn eine Betriebsschließungsversicherung vorliegt. Von den übrigen 30 Prozent übernähmen die Versicherer aus Kulanz die Hälfte, also 15 Prozent.

Die ungeklärte Rechtslage bestünde, meinen die Versicherer, da es sich um einen neuen Krankheitserreger handle, die Betriebsschließungen nicht auf Grundlage des IfSG erfolgten, sondern auf Allgemeinverfügungen der einzelnen Bundesländer basierten, und es sich meist nicht um vollständige Schließungen der Betriebe handle, da die Abgabe und Lieferung von Speisen – zumindest in eingeschränkter Weise – weiterhin gestattet sei. Auch der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) findet, dass bei Epidemien kaum Versicherungsschutz bestehe.

Anwälte argumentieren dagegen

Anwälte des Versicherungsrechts halten dagegen und sehen die angeführten Gründe der Versicherer als nicht stichhaltig. Elementar seinen die Versicherungsbedingungen der einzelnen Versicherungsnehmer und ihre juristische Auslegung. Grundsätzlich liege aber häufig eine „faktische Schließung“ vor, etwa bei Ferienhotels und bei Restaurants, die ihr Angebot aufgrund der Anordnungen in großem Umfang nicht mehr anbieten dürften. Auch die Begründung der Versicherer, dass die Einbußen der Gastronomen und Hoteliers um bis zu 70 Prozent geringer ausfielen, halten viele Anwälte für nicht tragfähig. Ferner sei das unwichtig, da der Versicherungsvertrag zwischen Assekuranzunternehmen und Versicherungsnehmer vorab ganz konkret regelt, welche Entschädigungsleistungen im Schadensfall zu zahlen sind – ganz egal, ob die tatsächlichen Einbußen durch Hilfen von Bund und Ländern beziehungsweise das Kurzarbeitergeld gemildert werden.

Anwälte, die so argumentieren, raten ihren Mandanten strikt davon ab, Vergleichsangebote der Versicherer anzunehmen und vermuten, dass die Assekuranzunternehmen aus purer Angst handeln. Walter Seitz, früherer Vorsitzender Richter am Münchener Oberlandesgericht und Honorarprofessor der Universität München, kommt in einem Gutachten auf Basis einiger Allgemeiner Versicherungsbedingungen zu dem Schluss, dass für Versicherungsnehmer der Anspruch auf Zahlung der Entschädigungsleistungen bei Betriebsschließungsversicherungen wegen der zeitweisen Untersagung des Betriebs von Gaststätten „grundsätzlich uneingeschränkt besteht“. Und auch wenn mehrere Versicherungen aktuell Entschädigungszahlungen verweigern und Vergleichsangebote unterbreiten, nicht alle Versicherer handeln so. Einige Versicherungen zahlen die vereinbarten Leistungen aus der Betriebsschließungsversicherung problemlos aus.

Bochumer Gastwirt zieht vor Gericht

Der Besitzer des „Three Sixty“ in Bochum hat es erlebt: Laut seinem BSV-Vertrag stünden dem Gastwirt bei einer Betriebsschließung 210.000 Euro zu. Seine Police hat der Mann bei der Allianz SE abgeschlossen. Nun verweigerte die Allianz ihm die Zahlung der vereinbarten Summe und bot ihm aus Kulanz eine Auszahlung von rund 31.500 Euro an, was 15 Prozent der Originalsumme entspricht. Allerdings gibt es die 31.500 Euro nur dann, wenn der Gastwirt unterschreibt, dass er auf künftige Forderungen, etwa aufgrund einer zweiten Virus-Welle oder Mutation des Virus, verzichtet und für ihn die Sache damit „abschließend erledigt“ sei. Der Bochumer Gastwirt schlug das Angebot aus und zieht vor Gericht. Hat sein Fall Erfolg, könnte die Versicherungsbranche eine Klagewelle mit Forderungen in Millionenhöhe erwarten. Mehr als ein Dutzend weiterer Klagen, gegen die Allianz und gegen die Ergo, wurden ebenfalls bei Gericht eingereicht.

Fazit

In den Anwaltskanzleien gehen dieser Tage ständig Anfragen von Versicherungsnehmern einer BSV ein. Die Versicherten sind mindestens verwirrt und häufig geradezu verärgert. Schließlich kann die Betriebsschließungsversicherung eine florierende Gaststätte Tausende Euro pro Jahr kosten – viel Geld, um eben für den Ernstfall abgesichert zu sein. Ob die aktuelle Corona-Pandemie dazu zählt und von der Police abgedeckt ist, muss im Einzelfall geklärt werden. In den Versicherungsbedingungen der einzelnen Verträge können durchaus Formulierungen enthalten sein, die so ausgelegt werden können, dass eine Betriebsschließung aufgrund des meldepflichtigen Coronavirus versichert ist. Ist dies der Fall, könnten Versicherungsnehmer vor Gericht Erfolg gegenüber dem Versicherer haben.

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