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Betriebshaftpflichtversicherung – Wirksamkeit einer Umweltklausel

OLG Karlsruhe – Az.: 12 W 10/19 – Beschluss vom 11.10.2019

1. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Landgerichts Mannheim – 11. Zivilkammer – vom 13.05.2019, Az. 11 O 273/18, aufgehoben und das Verfahren an das Landgericht zur erneuten Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag des Antragstellers nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Senats zurückverwiesen.

2. Die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin zu 2 vom 12.06.2019 gegen den in Ziff. 1 genannten Beschluss wird als unzulässig verworfen.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt Prozesskostenhilfe für eine Deckungsklage. Er unterhält für seinen selbständigen Hausmeisterservice-, Montage- und Fliesenlegerbetrieb bei der Antragsgegnerin eine „Gewerbe-Haftpflichtversicherung“, die neben einer allgemeinen Betriebs- eine Umwelt-Haftpflichtversicherung mitumfasst. Dem Vertrag liegen außer Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Antragsgegnerin für die Haftpflichtversicherung (im Folgenden: AHB H 2012) „Besondere Bedingungen für Ladengeschäfte, Einzel- und Großhandelsbetriebe, Fabrikationsbetriebe, Bauhandwerks- und Handwerksbetriebe, Reinigungsbetriebe“ zum Stand 01.01.2015 (im Folgenden: HHF 2015) zugrunde. Die AHB H 2012 enthalten folgende Regelung:

„7. Ausschlüsse

Falls im Versicherungsschein oder seinen Nachträgen nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, sind von der Versicherung ausgeschlossen:

[…]

7.10b Haftpflichtansprüche wegen Schäden durch Umwelteinwirkungen. Schäden durch Brand oder Explosion gelten als durch Umwelteinwirkung eingetreten. […]“

In den HHF 2015 finden sich in Teil D unter der Überschrift „Risikobeschreibungen und Besondere Bedingungen zur Umwelt-Haftpflichtversicherung“ nachstehende Bestimmungen:

„1. Gegenstand der Versicherung

Versichert ist – abweichend von Ziff. 7.10b AHB – im Rahmen und Umfang des Vertrages die gesetzliche Haftpflicht privatrechtlichen Inhalts des Versicherungsnehmers wegen Personen- und Sachschäden durch Umwelteinwirkung, aus den unter Ziffer 2 in Versicherung gegebenen Risiken. Schäden durch Brand oder Explosion gelten als durch Umwelteinwirkung eingetreten.

[…]

7. Nicht versicherte Tatbestände

Nicht versichert sind

[…]

7.7 Ansprüche gegen die Personen (Versicherungsnehmer oder jeden Mitversicherten), die den Schaden dadurch verursachen, dass sie bewusst von Gesetzen, Verordnungen oder an den Versicherungsnehmer gerichteten behördlichen Anordnungen oder Verfügungen, die dem Umweltschutz dienen, abweichen.“

Der Antragsteller, der nach Hauptschulabschluss und Dachdeckerlehre laut seinem von der Antragsgegnerin bestrittenen Vortrag bis 2006 wechselnden Berufstätigkeiten nachging, machte sich 2007 mit einem Hausmeisterservice selbständig. Zu Beginn dieser Tätigkeit absolvierte er eine elektrotechnische Fortbildung der Handwerkskammer. Im Rahmen seiner Tätigkeit bietet er u.a. an, Heizungsanlagen zu kontrollieren und Brandmeldezentralen zu überwachen.

Seit 2013 hatte er in einem Hallenkomplex, in dem auch eine Autowerkstatt, eine Schreinerei und eine Lackiererei untergebracht waren, einen Teilbereich von 140 qm angemietet, um dort Geräte und Material zu lagern. Am 19.07.2017 gegen 17:45 Uhr betankte er in diesem Bereich Motorsägen mithilfe eines Kanisters. Dabei verschüttete er Benzin, das sich am Hallenboden in einer Lache von ca. 35 cm Durchmesser sammelte. Um diese zu entfernen, entschloss er sich, den ausgetretenen Kraftstoff „kontrolliert“ abzubrennen. Zu diesem Zweck entfernte er zunächst Gegenstände aus dem Umfeld, ohne aber den Kanister zu schließen. Bei der anschließenden Entzündung mit einem Feuerzeug kam es zu einer großen Stichflamme, die zu einem Hallenbrand führte. Der Hallenkomplex und dessen Inhalt wurden schwer beschädigt. Der Antragsteller erlitt ernsthafte Brandverletzungen. Im Krankenhaus äußerte er gegenüber einer behandelnden Ärztin nach Schilderung des Brandgeschehens, er wisse, dass man so etwas eigentlich nicht mache.

Der Antragsteller wurde wegen des Vorfalls vom Amtsgericht Weinheim wegen fahrlässiger Brandstiftung zu einer Geldstrafe verurteilt und von mehreren Personen auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Die Antragsgegnerin lehnt die Deckung der durch den Brand verursachten Schäden unter Verweis auf den Risikoausschluss in D.7.7 HHF 2015 ab, weil der Antragsteller mit dem Anzünden der Benzinlache bewusst gegen Vorschriften der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) verstoßen habe.

Der Antragsteller ist der Auffassung, die Beklagte sei zur Deckung verpflichtet. Er hat geltend gemacht, den Schaden zwar grob fahrlässig herbeigeführt, dabei aber nicht bewusst gegen Vorschriften der GefStoffV verstoßen zu haben. Der 19.07.2017 sei ein anstrengender Arbeitstag gewesen, der für ihn um 07:30 Uhr begonnen habe und an dem durchweg Temperaturen von über 30 Grad Celsius geherrscht hätten. Im Zustand physischer sowie geistiger Erschöpfung und dehydriert sei er nach dem Verschütten des Benzins in der unklimatisierten Halle auf den nahezu kindischen Gedanken gekommen, die Benzinlache mittels Feuer zu beseitigen, ohne etwaige Konsequenzen zu bedenken. Die Gefährlichkeit seines Handelns habe er nicht erkannt. Theoretisches Wissen habe ihm zur Tatzeit nicht zur Verfügung gestanden. Die Vorschriften der GefStoffV, die ihm nicht geläufig seien, enthielten keine berufstypischen Kardinalpflichten eines Hausmeisters. Zwar sei ihm grundsätzlich bekannt, dass freiwerdende Gefahrstoffe an ihrer Austrittsstelle gefahrlos zu beseitigen seien. Dabei handle es sich aber um eine Generalklausel, die er aufgrund seiner damaligen Verfassung nicht korrekt habe anwenden können.

Die Antragsgegnerin ist dem Prozesskostenhilfegesuch entgegengetreten und hat eingewandt, der Antragsteller habe mit dem Anzünden der Lache eklatant gegen die für ihn maßgeblichen Vorgaben aus § 11 i.V.m. Anhang I Nr. 1.2 Abs. 4 GefStoffV verstoßen, nach denen das ausgetretene Benzin gefahrlos zu beseitigen gewesen wäre. Dabei sei er planvoll vorgegangen. Er habe auch gewusst, dass er den ausgetretenen Kraftstoff habe gefahrlos beseitigen müssen und keinesfalls anzünden dürfen. Hierfür spreche schon seine berufliche Erfahrung. Die vom Antragsteller behauptete geistige Verfassung werde bestritten. Seine Äußerung gegenüber der behandelnden Ärztin sei entlarvend. Die Wissentlichkeit sei nachgewiesen, weil es sich um einen Verstoß gegen Primitiv- oder Elementarwissen handle. Mit seinem Verhalten habe der Antragsteller zudem gegen eine berufstypische Kardinalpflicht eines Hausmeisters verstoßen, der mit brand- und explosionsgefährdenden Stoffe umgehe. Irrelevant sei, ob er das Gefahrenpotential der Situation falsch eingeschätzt habe.

Die Beschwerdeführerin zu 2, der Gebäudeversicherer der durch den Brand geschädigten Halleneigentümerin, hat erklärt, dem Prozesskostenhilfeverfahren auf Seiten des Antragstellers beizutreten, und das Vorbringen des Antragstellers unterstützt.

Mit Beschluss vom 02.10.2018 hat das Landgericht den Prozesskostenhilfeantrag abgelehnt, weil die beabsichtigte Klage keine hinreichenden Erfolgsaussichten habe. Dem Deckungsanspruch stehe der Risikoausschluss gemäß D.7.7 HHF 2015 entgegen. Der Antragsteller habe gegen die sich aus § 11 i.V.m. Anhang I Nr. 1.2 Abs. 4 GefStoffV ergebenden Pflichten wissentlich verstoßen. Dies ergebe sich schon aus seinem Vortrag. Dass er sich der Pflicht zur gefahrlosen Beseitigung bewusst gewesen sei, folge schon daraus, dass er vor dem Anzünden Gegenstände, die in der Nähe gestanden hätten, weggeräumt habe. Selbst wenn man den von ihm geschilderten körperlichen und mentalen Zustand unterstelle, sei er doch in der Lage gewesen, seine noch anstehenden Aufgaben zu erfüllen. Es sei davon auszugehen, dass der Antragsteller den Beweis eines die Kenntnis ausschließenden Geisteszustands nicht werde erbringen können. Es erscheine ausgeschlossen, dass seine Anhörung die Kammer davon werde überzeugen können.

Gegen diese Entscheidung richten sich die sofortigen Beschwerden des Antragstellers und der Beschwerdeführerin zu 2. Der Antragsteller rügt, das Landgericht habe die Beweislast fehlerhaft bei ihm gesehen, obgleich der Versicherer den wissentlichen Pflichtverstoß zu beweisen habe. Ausweislich des gegen ihn ergangenen Strafbefehls habe er die Gefährlichkeit seines Tuns nicht erkannt. Überdies lasse das Wegräumen von Gegenständen nicht darauf schließen, wie er die Gefährdungslage im Anschluss eingeschätzt habe.

Das Landgericht hat den Beschwerden, denen die Antragsgegnerin entgegengetreten ist, mit Beschluss vom 26.06.2018 nicht abgeholfen und ausgeführt, dass sich hinsichtlich der wissentlichen Pflichtverletzung, die sich bereits aus dem Vortrag des Antragstellers ergebe, die Frage der Beweislast nicht stelle. Unmaßgeblich sei, ob der Antragsteller (bedingten) Vorsatz hinsichtlich des eingetretenen Schadens gehabt habe.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird ergänzend auf die Feststellungen des Landgerichts, soweit sie zu den hier getroffenen Feststellungen nicht in Widerspruch stehen, sowie auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Das Rechtsmittel der Beschwerdeführerin zu 2 ist unzulässig und daher nach Maßgabe von § 572 Abs. 2 Satz 2 ZPO zu verwerfen (hierzu 1). Dagegen ist die sofortige Beschwerde des Antragstellers zulässig und begründet. Anders als das Landgericht angenommen hat, kann der beabsichtigen Rechtsverfolgung des Antragstellers hinreichende Aussicht auf Erfolg i.S. des § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht abgesprochen werden (hierzu 2). Der Senat macht von der Möglichkeit Gebrauch, die weitere Entscheidung über die beantragte Prozesskostenhilfe nach Maßgabe der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers dem Landgericht zu übertragen (vgl. hierzu: OLG Karlsruhe, WM 2013, 166 [juris Rn. 35]).

1. Der Beschwerdeführerin zu 2 fehlt es hinsichtlich der von ihr angefochtenen Entscheidung an der erforderlichen Beschwerdeberechtigung.

Im Verfahren über die Prozesskostenhilfe kann nur Beschwerde einlegen, wer an diesem Verfahren beteiligt ist (Zöller/Geimer, ZPO 32. Aufl. § 127 Rn. 12). Zu diesen Beteiligten zählt die Beschwerdeführerin zu 2 nicht. Das Prozesskostenhilfeverfahren ist – außerhalb und innerhalb des Zivilprozesses – ein nicht streitiges, seinem Charakter nach der staatlichen Daseinsfürsorge zuzurechnendes Antragsverfahren, in dem sich als Beteiligte nur der Antragsteller, der Prozesskostenhilfe begehrt, und das Gericht als Bewilligungsstelle gegenüberstehen (BGH, Urteil vom 15.11.1983 – VI ZR 100/83, BGHZ 89, 65 [juris Rn. 3]). Für eine Nebenintervention i.S. der für den Rechtsstreit maßgeblichen §§ 66 ff. ZPO – wie sie die Beschwerdeführerin zu 2 in erster Instanz erklärt hat – ist in diesem Verfahren kein Raum.

Prozesskostenhilfe wird gewährt, um demjenigen, der die anfallenden Prozesskosten nicht aus eigener Kraft aufbringen kann, die Inanspruchnahme des gerichtlichen Verfahrens zu ermöglichen und so eine gegenüber dem Gegner benachteiligende Zugangssperre zu beseitigen (BGH aaO). Zwar hat die Beschwerdeführerin zu 2 als Prätendentin eines auf sie übergegangenen Schadensersatzanspruchs gegen den Antragsteller in erheblicher Höhe ein Interesse daran, dass diesem die Deckungsklage gegen die Antragsgegnerin wirtschaftlich ermöglicht wird. Dieses Interesse rechtfertigt im Verfahren über die Prozesskostenhilfe aber genauso wenig ein Beschwerderecht wie das Interesse des Prozessgegners, der mittellosen Partei durch Versagung oder Entziehung der Prozesskostenhilfe die Prozessführung praktisch unmöglich zu machen (Bork in Stein/Jonas, ZPO 23. Aufl. § 127 Rn. 11).

2. Im Hinblick auf die vom Antragsteller beabsichtigte Rechtsverfolgung besteht hinreichende Aussicht auf Erfolg i.S. des § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO für eine Klage entsprechend dem Entwurf vom 28.09.2018 bis zu einem Streitwert von 1.322.777,58 €.

a) Hinreichende Erfolgsaussicht besteht, wenn der Rechtstandpunkt des Antragstellers auf Grund seiner Sachdarstellung zumindest vertretbar erscheint und die Möglichkeit der Beweisführung besteht. Es muss auf Grund einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage möglich sein, dass der Antragsteller mit seinem Begehren durchdringen wird (vgl. OLG Karlsruhe, VersR 2015, 1309 [juris Rn. 13]). Dabei dürfen die Anforderungen in Anbetracht des verfassungsrechtlich verbürgten Anspruchs der unbemittelten Partei auf Rechtsschutzgleichheit nach Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3 GG nicht überspannt werden. So hat die beabsichtigte Rechtsverfolgung bereits dann hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn die Entscheidung von der Beantwortung schwieriger Rechts- oder Tatfragen abhängt (BGH, Beschluss vom 07.03.2007 – IV ZB 37/06, VersR 2007, 966 [juris Rn. 7]).

b) So liegt der Fall hier.

Das Landgericht hat die Zurückweisung damit begründet, dass dem Deckungsanspruch der Risikoausschluss gemäß D.7.7 HHF 2015 entgegenstehe, weil der Antragsteller wissentlich gegen Pflichten verstoßen habe, die sich für ihn aus § 11 i.V.m. Anhang I Nr. 1.2 Abs. 4 GefStoffV ergäben. Diese Wertung beruht auf mehreren Annahmen, die Ergebnis der Beantwortung schwieriger Rechts- und Tatfragen sind.

aa) Zunächst ist fraglich, ob die Klausel D.7.7 HHF 2015 im Streitfall herangezogen werden kann.

Die Anwendung von Teil D der HHF 2015 auf den Streitfall setzt voraus, dass das verwirklichte Risiko nicht von der allgemeinen Betriebshaftpflicht-, sondern der miteinbezogenen Umwelthaftpflichtversicherung erfasst wird. Das ist nur dann der Fall, wenn Brandschäden durch Nr. 7.10b AHB H 2012 aus der Betriebshaftpflichtversicherung wirksam ausgeschlossen wurden. Hieran bestehen Zweifel. Die Klausel könnte nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam sein, weil sie nicht hinreichend klar und verständlich ist.

(1) Nach dem Transparenzgebot ist der Verwender Allgemeiner Versicherungsbedingungen gehalten, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dabei kommt es nicht nur darauf an, dass eine Klausel in ihrer Formulierung für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer verständlich ist. Vielmehr gebieten es Treu und Glauben, dass sie die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen so weit erkennen lässt, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann. Wird der Versicherungsschutz durch eine AVB-Klausel eingeschränkt, so muss dem Versicherungsnehmer oder Versicherten deutlich vor Augen geführt werden, in welchem Umfang Versicherungsschutz trotz der Klausel noch besteht (vgl. BGH, Urteil vom 10.12.2014 – IV ZR 289/13, r+s 2015, 88 Rn. 23 m.w.N.). Es ist fraglich, ob Nr. 7.10b AHB H 2012 diesen Erfordernissen im Hinblick auf Brandschäden genügt; der durchschnittliche Versicherungsnehmer kann der Klausel möglicherweise nicht klar entnehmen, ob aus der allgemeinen Betriebshaftpflicht alle Brandschäden ausgeschlossen werden oder nur solche, die mit Umwelteinwirkungen in Zusammenhang stehen.

(2) Die Klausel schließt nach ihrem Satz 1 – in Übereinstimmung mit den Muster-Bedingungen des GDV zur Haftpflichtversicherung (vgl. hierzu: Späte/Schimikowski, Haftpflichtversicherung 2. Aufl. S. 407 zu den AHB Stand Februar 2014) – die Deckung der Betriebshaftpflichtversicherung zunächst für alle Haftpflichtansprüche wegen Schäden durch Umwelteinwirkung aus (sog. Umweltklausel). Nach allgemeiner Meinung soll in Anlehnung an die Legaldefinition in § 3 Abs. 1 UmweltHG ein Schaden als „durch eine Umwelteinwirkung entstanden“ sein, wenn er durch Stoffe, Erschütterungen, Geräusche, Druck, Strahlen, Gase, Dämpfe, Wärme oder sonstige Erscheinungen verursacht wird, die sich in Boden, Luft oder Wasser ausgebreitet haben. Aus der Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers setzt eine Umwelteinwirkung zumindest voraus, dass ein Bestandteil aus der Umwelt – Boden, Luft oder Wasser – an der Schadensentstehung mitgewirkt hat (Harsdorf-Gebhardt in Späte/Schimikowski, aaO Nr. 7.10 AHB Rn. 346 m.w.N.; HK-VVG/Schimikowski, VVG 3. Aufl. § 7 AHB Rn. 61). Feuerschäden sind danach selbst dann nicht erfasst, wenn sie von einem Ort auf einen anderen übergreifen (Schimikowski aaO Rn. 62).

Nr. 7.10b Satz 2 AHB H 2012 ordnet demgegenüber – in Abweichung von den genannten Muster-Bedingungen des GDV – an, dass u.a. Schäden durch Brand als durch Umwelteinwirkung eingetreten gelten sollen. Diese Fiktion ist für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer insofern nicht einfach zu durchschauen, als nach dem bloßen Wortlaut auch Brandschäden erfasst werden, die in keinerlei Zusammenhang mit Umwelteinwirkungen stehen (wie z.B. das versehentliche Inbrandsetzen eines PKW durch Schweißarbeiten an seiner Karosserie oder eines Kleidungsstücks durch Stehenlassen eines heißen Bügeleisens), die Einbeziehung in Nr. 7.10b AHB aber einen Zusammenhang mit Umwelteinwirkungen suggeriert. Dieser Eindruck wird dadurch verstärkt, dass andere generelle Ausschlüsse, die durch eine ähnliche Fiktion wie in Nr. 7.10b Satz 2 AHB 2012 hätten geregelt werden können, wie z.B. für Schäden, die auf Asbest zurückzuführen sind (Nr. 7.11 AHB H 2012) oder in Zusammenhang mit ionisierenden Strahlen stehen (Nr. 7.12 AHB H 2012), unter einer eigenständigen Gliederungsnummer geregelt sind.

(3) Die Frage der Wirksamkeit des Risikoausschlusses ist als schwierige Rechtsfrage nicht im Verfahren über die Prozesskostenhilfe zu klären. Wäre der Ausschluss der Brandschäden durch Nr. 7.10b AHB H 2012 unwirksam, käme die Ausschlussklausel in D.7.7 HHF 2015 nicht zum Zuge. Die AHB H 2012 enthalten eine entsprechende Pflichtwidrigkeitsklausel nicht.

bb) Überdies ist zweifelhaft, ob der Antragssteller den Ausschlusstatbestand nach D.7.7 HHF 2015 im Falle seiner Anwendbarkeit verwirklichte. Das wäre nur dann der Fall, wenn der Antragsteller durch das Anzünden der Benzinlache bewusst von den Vorgaben aus § 11 i.V.m. Anhang I Nr. 1.2 Abs. 4 GefStoffV abwich.

(1) Der subjektive Risikoausschluss setzt neben einem objektiven Verstoß das Bewusstsein des Versicherungsnehmers voraus, durch sein Verhalten gegen eine von der Klausel erfasste Verhaltensnorm verstoßen zu haben. Bewusstes Abweichen verlangt positive Kenntnis des Gebots, gegen das verstoßen wurde (Schneider in Späte/Schimikowski, Haftpflichtversicherung 2. Aufl. Nr. 6 UHV Rn. 25). Bedingter Vorsatz reicht insofern ebenso wenig aus wie fahrlässige Unkenntnis. Es muss vielmehr feststehen, dass der Versicherte die Pflichten zutreffend gesehen hat (BGH, Urteile vom 17.12.2014 – IV ZR 90/13, r+s 2015, 133 Rn. 15; vom 28.09.2005 – IV ZR 255/04, r+s 2006, 149 [juris Rn. 26]).

(2) Anders als das Landgericht annimmt, ergeben sich die hiernach erforderlichen subjektiven Voraussetzungen aus dem Vortrag des Klägers nicht.

Für die Verwirklichung der Voraussetzungen nach D.7.7 HHF 2015 genügt nicht jegliche wissentliche Pflichtverletzung, insbesondere nicht ein vorsätzlicher Verstoß gegen allgemeine Sorgfaltspflichten, sondern nur die bewusste Abweichung von bestimmten Vorschriften oder Vorgaben, die dem Umweltschutz dienen. Dies setzt voraus, dass der Betroffene erkennt, dass er gerade gegen eine solche Norm verstößt.

Der Kläger hat zwar eingeräumt, ihm sei grundsätzlich bekannt, dass freiwerdende Gefahrstoffe, die zu Brand- und Explosionsgefährdungen führen können, an ihrer Austritts- oder Entstehungsstelle gefahrlos zu beseitigen sind. Er hat jedoch bestritten, dass ihm die Vorschriften der Gefahrstoffverordnung, mit der er in seinem Berufsleben noch nie konfrontiert worden sei, geläufig seien. Bei lebensnaher Auslegung hat er damit lediglich bekannt, von einer allgemeinen Sorgfaltspflicht zu wissen, nach der man ausgetretene Gefahrstoffe nicht sich selbst überlassen darf, sondern so zu entfernen hat, dass von ihnen keine Gefahren (mehr) ausgehen. Damit in Einklang steht die im Rahmen der Schilderung seines Verhaltens gegenüber einer Ärztin getroffene Aussage, er wisse, dass man so etwas eigentlich nicht mache. Dagegen hat er in Abrede gestellt gewusst zu haben, dass sich ein entsprechendes Verhaltensgebot aus einer umweltschützenden Vorschrift ergibt.

Ein solcher Wissensstand ist nach D.7.7 HHF 2015 nicht ausreichend. Beruht eine bestimmte Handlungspflicht auf allgemeinen Verhaltensnormen und solchen, die dem Umweltschutz dienen, muss der Betroffene bei der Pflichtverletzung auch erkennen, dass er sich über letztere hinwegsetzt. Dies ergibt sich aus dem Gebot, Risikoausschlussklauseln eng und nicht weiter auszulegen, als es ihr Sinn unter Beachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise erfordert (BGH, Urteil vom 11.12.2002 – IV ZR 226/01, BGHZ 153, 183 [juris Rn. 24]).

Aus D.7.7 HHF 2015 kann ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer entnehmen, dass nur die wissentliche Außerachtlassung von Pflichten, die dem Umweltschutz dienen, nicht aber von allgemeinen Verkehrssicherungspflichten den Risikoausschluss begründet (vgl. Schneider in Späte/Schimikowski, Haftpflichtversicherung 2. Aufl. Nr. 6 UHV Rn. 26). Daraus wird für ihn ersichtlich, dass nur die bewusste Missachtung bestimmter rechtlicher Vorgaben den Versicherungsschutz entfallen lässt. Zwar drängt sich ihm dabei auf, dass es insoweit nicht auf das Wissen ankommen kann, welche Rechtsnorm oder welcher sonstiger Rechtsakt im Einzelnen die maßgeblichen Verhaltensanforderungen begründet (hier: § 11 i.V.m. Anhang I Nr. 1.2 Abs. 4 GefStoffV). Denn dies ließe den erkennbaren wirtschaftlichen Zweck der Klausel weitgehend leerlaufen und widerspräche damit letztlich ihrem Sinn. Angesichts der Beschränkung des Risikoausschlusses auf bestimmte Pflichten wird er aber erkennen, dass dem Betroffenen zumindest bewusst sein muss, dass er von einer Umweltschutzbestimmung abweicht (so auch: Vogel in Vogel/Stockmeier, Umwelthaftpflichtversicherung/Umweltschadensversicherung 2. Aufl. Zweiter Teil C Rn. 1297).

In Fällen, in denen sich das verletzte Verhaltensgebot zugleich aus einer umweltschützenden Vorschrift und einer allgemeinen Verkehrssicherungspflicht ergibt, wird er damit davon ausgehen, dass nicht nur die Kenntnis der allgemeinen Sorgfaltspflicht genügt, sondern die der umweltschützenden Regelung hinzutreten muss, weil ansonsten bereits die vorsätzliche Missachtung einer durch die Ausschlussklausel nicht erfassten Norm den Versicherungsschutz entfallen ließe. Damit muss der Versicherungsnehmer nach dem Klauselwortlaut und -sinn aber nicht rechnen.

(3) Ob im Streitfall eine bewusste Pflichtverletzung i.S. des D.7.7 HHF 2015 ungeachtet dessen anzunehmen sein wird, ist nicht absehbar.

(a) Darlegungs- und beweispflichtig für die subjektiven Tatbestandsmerkmale des Risikoausschlusses ist der Versicherer (BGH, Urteil vom 17.12.2014 – IV ZR 90/13, r+s 2015, 133 Rn. 16 m.w.N.). Dieser hat danach zunächst einen Sachverhalt vorzutragen, der auf eine Wissentlichkeit der Pflichtverletzung hindeutet. Der Vortrag zusätzlicher Indizien ist dann entbehrlich, wenn es sich um die Verletzung elementarer beruflicher Pflichten handelt, deren Kenntnis nach der Lebenserfahrung bei jedem Berufsangehörigen vorausgesetzt werden kann (BGH, Urteil vom 17.12.2014 – IV ZR 90/13, r+s 2015, 133 Rn. 20).

Jenseits dieser Fälle der Verletzung von beruflichen Kardinalpflichten, in denen vom äußeren Geschehensablauf und dem Ausmaß des objektiven Pflichtverstoßes auf innere Vorgänge geschlossen werden kann, bleibt es Aufgabe des beweispflichtigen Versicherers, Anknüpfungstatsachen vorzutragen, die als schlüssige Indizien für eine wissentliche Pflichtverletzung betrachtet werden können. Erst wenn dies geschehen ist, obliegt es dem Versicherungsnehmer im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast, Umstände aufzuzeigen, warum die vorgetragenen Indizien den Schluss auf eine wissentliche Pflichtverletzung nicht zulassen (BGH aaO Rn. 21).

(b) Anders als die Antragsgegnerin meint, steht hier nicht die Verletzung einer beruflichen Kardinalpflicht im Raum. Zu den elementaren beruflichen Pflichten eines Hausmeisters zählt – außer im Ausnahmefall, wie z.B. bei der beruflichen Betreuung von Chemie- oder Raffinerieanwesen – nicht die Kenntnis der Vorschriften der GefStoffV.

Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass der Antragsteller bei seiner täglichen Arbeit Gartenpflegearbeiten durchführt, in deren Rahmen er kraftstoffbetriebene Werkzeuge einsetzt, die er regelmäßig betanken muss. Der Begriff der Kardinalpflicht wird in der Rechtsprechung entweder zur Kennzeichnung einer konkret beschriebenen, die Erreichung des Vertragszwecks gefährdenden, wesentlichen Pflichtverletzung gebraucht oder abstrakt erläutert als Pflicht, deren Erfüllung die ordnungsgemäße Durchführung des Vertrags überhaupt erst ermöglicht und auf deren Einhaltung der Vertragspartner regelmäßig vertrauen darf (BGH, Urteil vom 20.07.2005 – VIII ZR 121/04, BGHZ 164, 11 [juris Rn. 85] m.w.N.). Die bei der Betankung von Gartenwerkzeugen und zur Behebung damit einhergehender Fehler zu beachtenden Vorgaben der GefStoffV stellen nach dieser Maßgabe keine Kardinal-, sondern lediglich eine Nebenpflicht des Hausmeisters dar, die der Erfüllung seiner Hauptpflichten dient.

(c) Damit bleibt es hier Aufgabe der Antragsgegnerin, Anknüpfungstatsachen vorzutragen, die als schlüssige Indizien für eine wissentliche Pflichtverletzung betrachtet werden können. Ob ihr dies gelingen wird, vermag nicht abgesehen zu werden.

Der Vortrag, es handele sich um Primitiv- oder Elementarwissen, dass „man“ Benzin, noch dazu im Gebäudeinnern nicht anzünde, sondern gefahrlos aufzunehmen und zu entsorgen habe, weil es ansonsten zu unkontrollierten Gefährdungen sowie schädlichen Auswirkungen auf die Umwelt komme (GA 47), genügt insoweit nicht. Denn damit bezeichnet die Antragsgegnerin lediglich das Wissen um allgemeine Verkehrssicherungspflichten, nicht aber um die Vorgaben der GefStoffV. Dies zeigen bereits die weiteren Ausführungen der Antragsgegnerin, jeder Laie wisse, dass man sich entsprechend verhalte. Die Vorschriften der GefStoffV gelten nach ihrem § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2, sofern nicht ausdrücklich etwas Anderes bestimmt ist, aber nicht für private Haushalte. Soweit die Antragsgegnerin auf eine allseits bekannte Verhaltensregel für jedermann abstellt, kann es sich hiernach nicht um Vorgaben der GefStoffV handeln.

Inwiefern die Ausbildung, die vorangegangenen Tätigkeiten sowie die Werbung des Antragstellers ein Wissen um die Anforderungen der GefStoffV im Zeitpunkt der Brandverursachung indizieren und inwiefern das weitere Vorbringen des Antragstellers entsprechende Indizien ggfs. entkräftet, ist keine einfache Tatfrage und daher der Klärung im Rechtsstreit vorbehalten.

c) Obgleich die Antragsgegnerin außer der Berufung auf den Risikoausschluss in D.7.7 HHF 2015 keine weiteren Einwendungen erhoben hat, sind hinreichende Erfolgsaussichten nur für eine Klage bis zu einem Streitwert von 1.322.777,58 € gegeben. Soweit der Antragsteller in seinem Klageentwurf von einem Wert von 1.687.301,57 € ausgeht, vermag dies nicht nachvollzogen zu werden.

Der Streitwert einer Feststellungsklage auf Gewährung von Haftpflichtversicherungsschutz richtet sich nach dem Betrag, auf dessen Leistung der Versicherungsnehmer in Anspruch genommen wird, ohne Nebenforderungen und abzüglich eines Feststellungsabschlags von 20% (BGH, Beschluss vom 10.12.2014 – IV ZR 116/14, VersR 2015, 912 Rn. 1).

Aus den angekündigten Klageanträgen ergibt sich ein Begehren des Antragstellers um Deckungsschutz für Hauptforderungen, die durch die beigefügten Anlagen in nachstehender Höhe belegt sind:

Summe   1.653.471,97 €

Abzüglich des 20%igen Feststellungsabschlags ergibt sich damit für eine Klage mit hinreichenden Erfolgsaussichten ein Streitwert von 1.322.777,58 €.

III.

Eine Kostenentscheidung ist – nach § 127 Abs. 4 ZPO auch im Hinblick auf das erfolgslose Rechtsmittel der Beschwerdeführerin zu 2 – nicht veranlasst.

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