Ein auf Abrechnungen spezialisiertes Dienstleistungsunternehmen verpasste die Frist: Es lieferte jährliche Heiz- und Betriebskostenabrechnungen so verspätet an Mieter, dass diese Nachzahlungen in fünfstelliger Höhe ablehnen konnten. Der entstandene erhebliche Vermögensschaden sollte durch die Betriebshaftpflichtversicherung gedeckt sein, doch die Versicherungsgesellschaft verweigerte die Zahlung. Sie berief sich dabei auf einen Vertragspassus, der Schäden bei nicht oder nicht rechtzeitiger Auftragserfüllung ausschließt.
Übersicht
- Das Urteil in 30 Sekunden
- Die Fakten im Blick
- Der Fall vor Gericht
- Was geschieht, wenn eine Rechnung zu spät kommt und der Schaden bleibt?
- Warum lehnte die Versicherungsgesellschaft die Zahlung ab?
- Wie wurde die Klage in erster Instanz beurteilt?
- Welche Argumente brachte der Dienstleister in der Berufung vor?
- Wie begründete das Oberlandesgericht seine ablehnende Haltung?
- Warum wies das Gericht die Argumente des Dienstleisters zurück?
- Die Urteilslogik
- Benötigen Sie Hilfe?
- Das Urteil in der Praxis
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Wie werden Risikoausschlussklauseln in Versicherungsverträgen grundsätzlich ausgelegt?
- Aus welchen Gründen können Versicherungsgesellschaften die Deckung einer Haftpflichtversicherung ablehnen?
- Welche rechtlichen Konsequenzen können für Dienstleister entstehen, wenn sie vertragliche Fristen nicht einhalten?
- Warum ist die genaue Prüfung von Risikoausschlussklauseln in Berufshaftpflichtversicherungen für Dienstleister so wichtig?
- Welche Rolle spielt das Verständnis des „durchschnittlichen Versicherungsnehmers“ bei der Auslegung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB)?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Zum vorliegenden Urteil Az.: 8 U 421/25 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Das Urteil in 30 Sekunden
- Das Problem: Ein Dienstleister erstellte Abrechnungen für Mieter viel zu spät. Dadurch mussten die Mieter bestimmte Kosten nicht zahlen. Dem Auftraggeber entstand so ein großer finanzieller Schaden. Die Versicherung des Dienstleisters lehnte es jedoch ab, diesen Schaden zu bezahlen.
- Die Frage: Muss eine Versicherung für Schäden aufkommen, die entstehen, weil ein Auftrag nicht pünktlich erfüllt wurde?
- Die Antwort: Nein. Das Gericht entschied: Die Versicherung muss nicht zahlen. Ihr Vertrag enthielt eine klare Regelung, die Schäden durch verspätete Arbeit ausschließt.
- Das bedeutet das für Sie: Lesen Sie immer die genauen Bedingungen Ihrer Versicherung. Sie zeigen genau, welche Schäden abgedeckt sind und welche nicht.
Die Fakten im Blick
- Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
- Datum: 25.06.2025
- Aktenzeichen: 8 U 421/25
- Verfahren: Berufungsverfahren (Hinweisbeschluss)
- Rechtsbereiche: Versicherungsrecht, Vertragsrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Ein Unternehmen, das Heiz- und Nebenkostenabrechnungen erstellt. Es verlangt von seiner Haftpflichtversicherung, einen Schaden zu übernehmen.
- Beklagte: Eine Haftpflichtversicherung. Sie lehnte es ab, den Schaden der Klägerin zu zahlen.
Worum ging es genau?
- Sachverhalt: Die Klägerin erstellte Heiz- und Nebenkostenabrechnungen für Immobilieneigentümer stark verspätet. Die Auftraggeberin fordert nun Schadensersatz, da Mieter die Abrechnungen wegen der Verspätung zurückwiesen.
Welche Rechtsfrage war entscheidend?
- Kernfrage: Muss die Versicherung für einen Schaden aufkommen, der entstand, weil das Abrechnungsunternehmen Heiz- und Nebenkostenabrechnungen zu spät fertigstellte, oder schließt der Versicherungsvertrag solche Schäden ausdrücklich aus?
Entscheidung des Gerichts:
- Urteil im Ergebnis: Die Berufung der Klägerin wird voraussichtlich zurückgewiesen.
- Zentrale Begründung: Die Versicherung muss nicht zahlen, weil der Vertrag Schäden durch verspätete oder nicht erfüllte Aufträge ausdrücklich vom Versicherungsschutz ausschließt.
- Konsequenzen für die Parteien: Die Klägerin erhält keinen Versicherungsschutz und muss die eigenen Prozesskosten tragen.
Der Fall vor Gericht
Was geschieht, wenn eine Rechnung zu spät kommt und der Schaden bleibt?
Stellen Sie sich vor, ein Dienstleistungsunternehmen hat die Aufgabe, für Immobilieneigentümer die jährlichen Abrechnungen über Heiz- und Betriebskosten zu erstellen. Eine alltägliche, wichtige Arbeit, die Pünktlichkeit erfordert. Doch was, wenn diese Abrechnungen so spät beim Mieter ankommen, dass dieser sie einfach ablehnen darf – weil eine wichtige Frist im Mietrecht abgelaufen ist? Genau das geschah einem auf Abrechnungen spezialisierten Dienstleistungsunternehmen in Deutschland. Die Mieter beriefen sich auf eine mietrechtliche Frist, die besagt, dass solche Abrechnungen spätestens ein Jahr nach Ende des Abrechnungszeitraums vorliegen müssen.

So entstand ein erheblicher finanzieller Schaden, den der Immobilieneigentümer von seinem Dienstleister zurückforderte. Der Dienstleister wiederum glaubte, durch seine Betriebshaftpflichtversicherung geschützt zu sein. Doch die Versicherungsgesellschaft lehnte die Deckung ab. Eine juristische Auseinandersetzung begann, die schließlich vor dem Oberlandesgericht landete.
Warum lehnte die Versicherungsgesellschaft die Zahlung ab?
Das Dienstleistungsunternehmen, das wir hier als den Abrechnungsdienstleister bezeichnen, hatte seit Anfang 2020 eine spezielle Haftpflichtversicherung für Vermögensschäden bei einem großen Versicherer abgeschlossen. Diese Versicherung sollte genau für den Fall eintreten, dass dem Dienstleister bei seiner Tätigkeit Fehler unterlaufen. Zum Vertrag gehörten allgemeine Versicherungsbedingungen und spezielle Zusatzvereinbarungen, die genau auf „Heizkostenableser“ zugeschnitten waren.
In diesen speziellen Vereinbarungen fand sich eine entscheidende Passage: Einerseits stand dort, dass Versicherungsschutz besteht, wenn der Dienstleister von einem Dritten wegen eines finanziellen Schadens haftbar gemacht wird, weil er bei der Erstellung von Heiz- und Warmwasserkostenabrechnungen einen Fehler gemacht hat. Andererseits enthielten die Bedingungen aber auch einen Ausschluss. Dort hieß es unmissverständlich: Der Versicherungsschutz beziehe sich nicht auf Schäden, die darauf beruhen, dass Aufträge nicht oder nicht rechtzeitig erfüllt werden. Genau auf diesen Ausschluss berief sich der Versicherer.
Der Hintergrund war klar: Obwohl der Abrechnungsdienstleister alle Unterlagen bereits im November 2021 vorliegen hatte, erstellte er die Nebenkostenabrechnung erst im Oktober 2022 und die Heizkostenabrechnung erst im November 2022. Die maßgebliche Frist, die in den meisten Mietverträgen ein Jahr nach Ende des Abrechnungszeitraums beträgt, war damit längst abgelaufen. Die Mieter mussten die Nachzahlungen für Heizung und Nebenkosten nicht mehr leisten. Ein finanzieller Schaden in einem erheblichen fünfstelligen Betrag war die Folge für den Auftraggeber, einen Immobilienverwalter aus einer norddeutschen Großstadt.
Wie wurde die Klage in erster Instanz beurteilt?
Der Abrechnungsdienstleister wollte sich diese Ablehnung der Versicherungsdeckung nicht gefallen lassen und zog vor das Landgericht in Nürnberg-Fürth. Er forderte vom Versicherer die Gewährung von Versicherungsschutz und die Erstattung der Anwaltskosten, die er für die Klärung dieses Falles bereits aufgewendet hatte. Das Landgericht prüfte den Fall sorgfältig. Ohne die Notwendigkeit einer Beweisaufnahme, also ohne Zeugen zu befragen oder Gutachten einzuholen, kam das Gericht zu einem klaren Ergebnis: Es wies die Klage des Abrechnungsdienstleisters vollständig ab. Das Gericht war der Auffassung, dass der entstandene Schaden nicht vom Versicherungsschutz umfasst sei und der Risikoausschluss der Versicherungsbedingungen greife. Es gab also keine Deckung für diesen Fall.
Welche Argumente brachte der Dienstleister in der Berufung vor?
Der Abrechnungsdienstleister gab nicht auf und legte Berufung gegen das Urteil des Landgerichts ein. Vor dem Oberlandesgericht verfolgte er seine ursprünglichen Forderungen weiter und brachte mehrere Argumente vor, warum das Urteil der ersten Instanz fehlerhaft sei und die Versicherungsgesellschaft zahlen müsse:
Erstens argumentierte er, der Schaden falle unter den allgemeinen Versicherungsschutz für die „Durchführung von Heizungs- und Warmwasserkostenabrechnungen“. Die Verzögerung sei ein Fehler bei der Durchführung. Zweitens sei der Risikoausschluss in den speziellen Vereinbarungen, der „nicht oder nicht rechtzeitig erfüllte Aufträge“ vom Schutz ausnimmt, unklar oder zumindest nicht auf diesen Fall anwendbar. Der Titel der Vereinbarungen „für Heizkostenableser“ deute an, dass der Ausschluss nur für Fehler beim reinen Ablesen der Messgeräte gelte, nicht für allgemeine Verzögerungen bei der Erstellung der Abrechnungen. Sollte die Klausel doch auf den Fall passen, sei sie so unklar formuliert, dass sie nach den allgemeinen Regeln für Allgemeine Geschäftsbedingungen zum Nachteil desjenigen ausgelegt werden müsste, der sie gestellt hat – also zum Nachteil der Versicherungsgesellschaft. Er befürchtete, dass eine solche Auslegung des Ausschlusses das Vertrauen in den Versicherungsschutz in unangemessener Weise enttäuschen würde. Schließlich deutete er auch an, dass ein Versicherungsmakler ihn bei Vertragsschluss nicht ausreichend beraten habe.
Wie begründete das Oberlandesgericht seine ablehnende Haltung?
Das Oberlandesgericht in Nürnberg prüfte die Berufung des Abrechnungsdienstleisters. Schon in einem sogenannten „Hinweisbeschluss“ – einer vorläufigen Einschätzung des Gerichts, die den Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme gibt, bevor eine endgültige Entscheidung ergeht – machte das Gericht deutlich, dass die Berufung aus seiner Sicht „offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg“ habe. Es sah keinen Grund, das Urteil des Landgerichts zu ändern.
Die Richter legten ihrer Entscheidung zugrunde, wie Versicherungsbedingungen, die ja vorgefertigte Vertragsklauseln sind, zu verstehen sind. Solche Bedingungen müssen so ausgelegt werden, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer – ohne besondere juristische oder versicherungsrechtliche Kenntnisse – sie bei aufmerksamer Lektüre und im Kontext des Ganzen verstehen würde. Bei Versicherungen, die für bestimmte Berufsgruppen wie hier für Abrechnungsdienstleister entwickelt wurden, kommt es auf das Verständnis eines geschäftserfahrenen Akteurs an. Risikoausschlussklauseln, also die Passagen, die den Versicherungsschutz einschränken, müssen dabei eng ausgelegt werden; sie dürfen den Schutz nicht weiter aufheben, als es ihr Wortlaut und ihr erkennbarer Zweck zwingend erfordern.
Obwohl das Gericht grundsätzlich festhielt, dass ein Versicherungsfall nach den speziellen Vereinbarungen vorlag, da der Dienstleister wegen eines Schadens aus der „Durchführung von Heizungs- und Warmwasserkostenabrechnungen“ haftbar gemacht wurde, griff der Ausschluss. Die Versicherungsgesellschaft durfte sich auf die Klausel berufen, die besagt, dass der Versicherungsschutz sich nicht auf Schäden bezieht, die darauf beruhen, dass Aufträge nicht oder nicht rechtzeitig erfüllt werden.
Das Gericht erklärte, dass diese Klausel für einen durchschnittlichen, geschäftserfahrenen Versicherungsnehmer eindeutig zu verstehen sei. Der Begriff „Aufträge“ in der Klausel beziehe sich klar auf die vertraglich geschuldete Leistung des Abrechnungsdienstleisters gegenüber seinem Auftraggeber, also die Erstellung der Abrechnungen. Da diese Leistung verspätet erbracht wurde, griff der Ausschluss. Der Sinn dieser Ausschlussklausel war für das Gericht klar: Der Versicherer wollte gerade solche Haftungsfälle vom Versicherungsschutz ausnehmen, die entstehen, weil Mieter sich erfolgreich auf die mietrechtliche Frist berufen, weil Abrechnungen zu spät oder gar nicht vorlagen. Diese Art von „außerordentlichem Risiko“ wollte der Versicherer bewusst nicht tragen.
Warum wies das Gericht die Argumente des Dienstleisters zurück?
Das Oberlandesgericht prüfte alle Einwände des Abrechnungsdienstleisters und wies sie der Reihe nach zurück:
- Enge Auslegung des Titels „Heizkostenableser“: Das Argument, der Titel der Vereinbarungen würde den Anwendungsbereich auf das reine Ablesen von Messgeräten beschränken, verwarf das Gericht. Es handele sich lediglich um eine verkürzte Bezeichnung der Berufsgruppe, für die die Versicherungsbedingungen gelten. Die gesamten Vereinbarungen bezögen sich auf den Abrechnungsdienst als umfassendere Tätigkeit, wovon das Montieren und Ablesen nur ein Teil sei.
- Unklarheit der Klausel und „im Zweifel zu Lasten des Verwenders“: Das Gericht lehnte die Anwendung der Unklarheitenregel ab. Nach Ausschöpfung aller Auslegungsmöglichkeiten sei die Klausel nicht unklar, sondern eindeutig. Gerade weil der typische Adressat ein geschäftserfahrener Akteur ist, der mit allgemeinen Geschäftsbedingungen vertraut ist, könne er Sinn und Zweck der Klausel problemlos erkennen. Es blieben keine „unbehebbaren Zweifel“, die eine Auslegung zum Nachteil des Versicherers erfordert hätten.
- Unzumutbare Enttäuschung des Versicherungsnehmervertrauens: Das Gericht verneinte auch, dass das Vertrauen des Abrechnungsdienstleisters unangemessen enttäuscht werde. Der Versicherungsnehmer müsse erkennen, dass der versicherte Schutz von vornherein auf Fälle der mangelhaften Erbringung des Abrechnungsdienstes – also Montage-, Ablese- und Berechnungsfehler – beschränkt sei, nicht aber auf allgemeine Verzögerungen bei der Auftragserfüllung.
- Verweis auf einen späteren, geänderten Versicherungsvertrag: Ein später geänderter Vertrag könne keine Rückschlüsse auf die Auslegung des hier maßgeblichen, früheren Vertrages zulassen.
- Unterscheidung zwischen eigenem und fremdem Verschulden: Für den Risikoausschluss spiele es keine Rolle, ob die verspätete Erstellung der Abrechnungen auf eigenem Verschulden oder dem von Subunternehmern beruhte. Der Ausschluss betreffe die Tatsache, dass der Auftrag gegenüber dem Immobilieneigentümer nicht rechtzeitig erfüllt wurde, unabhängig von der internen Ursache.
- Umfassender Versicherungsschutz auch für „sonstige Hausnebenkosten“: Das Gericht stellte klar, dass für sonstige „Hausnebenkosten“ (andere Betriebskosten) von vornherein kein Versicherungsschutz aus dem spezifischen Vertrag bestand. Dieser Vertrag war auf Heizkostenableser und den Abrechnungsdienst für Warmwasser und Heiz- und Nebenkosten zugeschnitten, die den verbrauchsabhängigen Teil der Betriebskosten ausmachen.
Aus diesen Gründen beabsichtigte das Oberlandesgericht Nürnberg, die Berufung des Abrechnungsdienstleisters endgültig zurückzuweisen. Damit bestätigte es die Entscheidung des Landgerichts und bekräftigte, dass der entstandene Schaden durch die verspätete Abrechnung nicht vom Versicherungsschutz der Betriebshaftpflichtversicherung umfasst war. Die Anwaltskosten musste der Abrechnungsdienstleister ebenfalls selbst tragen, da keine Hauptforderung gegen den Versicherer bestand.
Die Urteilslogik
Gerichte legen dar, wie Vertragsklauseln, insbesondere in Versicherungsverträgen, ausgelegt und angewendet werden müssen, um Transparenz und Rechtssicherheit zu gewährleisten.
- Auslegung von Geschäftsbedingungen: Versicherungsbedingungen werden so verstanden, wie ein durchschnittlicher, aufmerksamer Versicherungsnehmer sie bei sorgfältiger Lektüre im Gesamtzusammenhang interpretieren würde; bei Geschäftskunden zählt das Verständnis eines geschäftserfahrenen Akteurs.
- Enger Rahmen für Risikoausschlüsse: Klauseln, die den Versicherungsschutz einschränken, gelten nur insoweit, als ihr Wortlaut und ihr erkennbarer Zweck die Einschränkung zwingend erfordern.
- Klarheit vor Vertrauensschutz: Eine Vertragsklausel gilt nicht als unklar und enttäuscht auch kein Vertrauen, wenn ihr Sinn und Zweck für einen geschäftserfahrenen Vertragspartner eindeutig erkennbar ist und keine unüberwindbaren Zweifel bleiben.
Diese Grundsätze betonen die Wichtigkeit klarer Formulierungen in Verträgen und die Eigenverantwortung bei deren Verständnis.
Benötigen Sie Hilfe?
Lehnt Ihre Betriebshaftpflicht Schäden durch Fristversäumnis ab? Gerne geben wir Ihnen eine erste Orientierung: Fordern Sie Ihre unverbindliche Ersteinschätzung an.
Das Urteil in der Praxis
Für jeden, der sich auf eine Spezial-Haftpflichtversicherung verlässt, ist dieses Urteil ein klares Signal: Das Kleingedruckte hat es in sich. Das OLG Nürnberg macht unmissverständlich klar, dass explizite Risikoausschlüsse für „Nicht- oder nicht-rechtzeitige Leistung“ bei der Auslegung von AGBs rigoros angewendet werden, selbst wenn sie hart treffen. Es ist ein deutlicher Weckruf an alle Dienstleister: Nicht jeder Fehler in der Leistungskette ist durch die Police abgedeckt, insbesondere wenn Fristen verpasst werden und der Versicherer genau dieses Risiko explizit exkludiert hat. Wer sich blind auf vermeintlichen Schutz verlässt, riskiert am Ende, den Schaden selbst zu tragen. Prüfen Sie Ihre Policen!
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Wie werden Risikoausschlussklauseln in Versicherungsverträgen grundsätzlich ausgelegt?
Risikoausschlussklauseln in Versicherungsverträgen werden grundsätzlich so ausgelegt, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei aufmerksamer Lektüre verstehen würde. Man kann es sich vorstellen wie die Spielregeln eines Brettspiels: Man erwartet, dass Ausnahmen klar formuliert sind und nicht mehr einschränken, als ihr Wortlaut zwingend vorgibt.
Für die richterliche Auslegung ist entscheidend, wie ein gewöhnlicher Vertragspartner, der keine besonderen juristischen Kenntnisse besitzt, die Bedingungen verstehen würde. Bei Versicherungen, die speziell für bestimmte Berufsgruppen oder geschäftserfahrene Akteure entwickelt wurden, wird dabei ein entsprechend höheres Verständnisniveau angenommen.
Wichtig ist, dass Klauseln, die den Versicherungsschutz einschränken – sogenannte Risikoausschlussklauseln –, eng auszulegen sind. Sie dürfen den Schutz nicht weiter aufheben, als es ihr Wortlaut und ihr erkennbarer Zweck zwingend erfordern. Eine Klausel gilt nur dann als unklar, wenn nach Ausschöpfung aller Auslegungsmöglichkeiten keine eindeutige Bedeutung gefunden werden kann und „unbehebbare Zweifel“ bestehen bleiben. Nur in diesem Fall, bei einer echten Unklarheit, würde sie zum Nachteil des Versicherers ausgelegt, der die Klausel gestellt hat. Diese Auslegungsregeln schützen das Vertrauen des Versicherungsnehmers in seinen Versicherungsschutz.
Aus welchen Gründen können Versicherungsgesellschaften die Deckung einer Haftpflichtversicherung ablehnen?
Versicherungsgesellschaften lehnen die Deckung einer Haftpflichtversicherung ab, wenn der entstandene Schaden nicht vom vereinbarten Versicherungsschutz umfasst ist oder explizit durch eine Vertragsklausel ausgeschlossen wurde. Dies kann überraschend wirken, basiert aber stets auf den konkreten Versicherungsbedingungen, die bei Vertragsabschluss vereinbart wurden.
Stellen Sie sich vor, ein Fußballspieler darf den Ball nur mit den Füßen spielen. Wenn er ihn absichtlich mit der Hand berührt, ist das ein Foul. Die Regeln schließen diese Aktion vom erlaubten Spiel aus, und sie wird nicht als gültiger Spielzug anerkannt – sie ist quasi „nicht versichert“.
Im beschriebenen Fall lehnte die Versicherungsgesellschaft die Zahlung ab, weil die Dienstleistung – die Abrechnung – nicht fristgerecht erbracht wurde. Die Versicherung hatte zwar Schutz für finanzielle Schäden bei Fehlern in der Erstellung von Abrechnungen vorgesehen, aber eine spezifische Klausel schloss Schäden aus, die durch nicht oder nicht rechtzeitig erfüllte Aufträge entstehen. Das Gericht bestätigte, dass diese Klausel für geschäftserfahrene Versicherungsnehmer klar und eindeutig zu verstehen ist.
Solche Ausschlussklauseln dienen dazu, bestimmte, oft als außergewöhnlich eingestufte Risiken, wie hier die finanzielle Haftung aufgrund reiner Leistungsverzögerung, vom Versicherungsschutz auszunehmen, da der Versicherer diese bewusst nicht tragen möchte. Es ist daher für Versicherungsnehmer entscheidend, die eigenen Versicherungsbedingungen genau zu kennen.
Welche rechtlichen Konsequenzen können für Dienstleister entstehen, wenn sie vertragliche Fristen nicht einhalten?
Dienstleister, die vertragliche Fristen nicht einhalten, riskieren erhebliche finanzielle Konsequenzen, da sie für dadurch entstandene Schäden haftbar gemacht werden können. Dies beruht auf dem Grundsatz, dass vertraglich geschuldete Leistungen pünktlich erbracht werden müssen.
Stellen Sie sich den Fall eines Dienstleisters vor, der für Immobilieneigentümer die jährlichen Nebenkostenabrechnungen erstellt. Werden diese Abrechnungen so spät an die Mieter versandt, dass eine mietrechtliche Frist abläuft, können die Mieter die Nachzahlung verweigern. In solchen Fällen erleidet der Immobilieneigentümer einen direkten finanziellen Schaden, den er von seinem Dienstleister zurückfordern kann.
Wird eine vertraglich vereinbarte Frist nicht eingehalten, erfüllt der Dienstleister seine Leistung nicht wie geschuldet. Dies kann direkte finanzielle Schäden für den Auftraggeber verursachen, wie etwa entgangene Einnahmen oder ungedeckte Kosten. Solche Schäden können auch dann beim Dienstleister verbleiben, wenn der eigene Versicherungsschutz diese Art von Fristversäumnis explizit ausschließt, da er sich nicht auf Aufträge bezieht, die nicht oder nicht rechtzeitig erfüllt werden.
Um solche kostspieligen Konsequenzen zu vermeiden, ist ein sorgfältiges Fristenmanagement für Dienstleister unerlässlich.
Warum ist die genaue Prüfung von Risikoausschlussklauseln in Berufshaftpflichtversicherungen für Dienstleister so wichtig?
Die genaue Prüfung von Risikoausschlussklauseln in Berufshaftpflichtversicherungen ist für Dienstleister entscheidend, weil scheinbar umfassender Schutz schnell durch spezifische Details im Kleingedruckten eingeschränkt werden kann. Dies kann dazu führen, dass wichtige Schäden im Ernstfall ungedeckt bleiben.
Man kann es sich wie bei einem Fußballspiel vorstellen: Obwohl ein Schiedsrichter generell für die Einhaltung der Regeln zuständig ist, gibt es spezifische Ausnahmen, etwa wenn der Ball außerhalb des Spielfelds ist. Sieht man nur die allgemeine Aufgabe des Schiedsrichters, ohne die Ausnahmen zu kennen, täuscht man sich über die tatsächliche Tragweite seiner Entscheidungen.
So auch bei Versicherungen: Eine Berufshaftpflichtversicherung mag auf den ersten Blick umfassenden Schutz für eine bestimmte Tätigkeit, wie etwa die Ablesung und Abrechnung von Heizkosten, suggerieren. Doch die detaillierten Versicherungsbedingungen enthalten oft Risikoausschlussklauseln, die den Geltungsbereich des Schutzes einschränken. Diese Ausschlüsse können besagen, dass bestimmte Schadenstypen, wie etwa solche, die durch eine nicht oder nicht rechtzeitig erfolgte Auftragserfüllung entstehen, explizit vom Versicherungsschutz ausgenommen sind.
Eine fehlerhafte Einschätzung dieser Klauseln kann für Dienstleister erhebliche finanzielle Folgen haben, da ein entstandener Schaden dann nicht vom Versicherer übernommen wird. Daher ist es für Dienstleister unerlässlich, nicht nur den Preis, sondern primär den genauen Leistungsumfang und insbesondere die formulierten Ausschlüsse genauestens zu prüfen. Eine fachkundige Beratung kann hierbei helfen, die spezifischen Details eines Versicherungsvertrages zu durchdringen.
Welche Rolle spielt das Verständnis des „durchschnittlichen Versicherungsnehmers“ bei der Auslegung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB)?
Gerichte legen Allgemeine Versicherungsbedingungen (AVB) so aus, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei aufmerksamer Lektüre und im Kontext des Gesamten verstehen würde. Dies bedeutet, dass bei der Interpretation solcher Vertragsklauseln nicht von speziellem juristischen oder versicherungsrechtlichen Wissen ausgegangen wird, sondern vom Verständnis eines verständigen Laien.
Stellen Sie sich vor, ein Schiedsrichter erklärt eine Fußballregel. Er muss dies so tun, dass jeder Zuschauer – vom Gelegenheitsfan bis zum Stammgast – die Bedeutung klar versteht, ohne dafür ein Regelbuch studiert zu haben. Die Regeln sollen für den Durchschnittlichen nachvollziehbar sein und keine versteckten Fallen enthalten.
Dieses Auslegungsprinzip stellt sicher, dass Versicherungsbedingungen transparent und verständlich sind und Versicherungsnehmer nicht mit unerwarteten Einschränkungen konfrontiert werden. Wenn eine Klausel trotz intensiver Prüfung und aller Auslegungsmöglichkeiten unklar bleibt, wird sie im Zweifel zum Nachteil des Versicherers (des Verwenders der Bedingungen) ausgelegt. Dies dient als Anreiz für den Versicherer, klare Formulierungen zu wählen. Für bestimmte Berufsgruppen oder geschäftserfahrene Versicherungsnehmer kann der Maßstab etwas höher liegen. Von ihnen wird erwartet, dass sie aufgrund ihrer geschäftlichen Erfahrung die Bedingungen mit erhöhter Sorgfalt prüfen und deren Sinn und Zweck leichter erkennen können.
Insgesamt schützt dieses Prinzip das Vertrauen der Versicherungsnehmer in einen transparenten und vorhersehbaren Versicherungsschutz.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB)
Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) sind vorformulierte Vertragsbedingungen, die ein Unternehmen für eine Vielzahl von Verträgen verwendet, um den Geschäftsverkehr zu vereinfachen. Sie sind dazu da, Standardregeln für wiederkehrende Vertragsbeziehungen zu schaffen, ohne jeden Vertrag einzeln aushandeln zu müssen. Dies spart Zeit und sorgt für Einheitlichkeit.
Beispiel: Im vorliegenden Fall waren die Allgemeinen Versicherungsbedingungen und spezielle Zusatzvereinbarungen der Betriebshaftpflichtversicherung des Abrechnungsdienstleisters AGB, da der Versicherer sie als Standardbedingungen für seine Verträge verwendet.
Auslegung von Vertragsklauseln
Die Auslegung von Vertragsklauseln ist der Prozess, bei dem Gerichte und Vertragsparteien den genauen Sinn und Inhalt einer Vereinbarung oder Bedingung ermitteln, wenn diese nicht auf den ersten Blick eindeutig ist. Es geht darum, herauszufinden, was die Parteien mit einer Klausel wirklich gemeint oder wie sie ein durchschnittlicher, verständiger Vertragspartner verstehen sollte. Dies ist notwendig, um Streitigkeiten zu lösen und die Rechte und Pflichten klarzustellen.
Beispiel: Das Oberlandesgericht musste im Fall des Abrechnungsdienstleisters genau prüfen, wie die Risikoausschlussklausel in den Versicherungsbedingungen zu verstehen ist, insbesondere ob sie auch die verspätete Erfüllung eines Auftrags umfasste.
Durchschnittlicher Versicherungsnehmer
Der „durchschnittliche Versicherungsnehmer“ ist ein juristischer Maßstab, der bei der Auslegung von Versicherungsbedingungen verwendet wird, um zu beurteilen, wie ein verständiger Laie die Klauseln verstehen würde. Dieser Maßstab stellt sicher, dass Versicherungsverträge nicht nur für Juristen, sondern für jeden Versicherungsnehmer transparent und nachvollziehbar sind. Er schützt das Vertrauen des Kunden, da nicht von speziellen Fachkenntnissen ausgegangen wird. Bei bestimmten Berufsgruppen oder geschäftserfahrenen Akteuren kann das Verständnisniveau entsprechend höher angesetzt werden.
Beispiel: Das Oberlandesgericht legte die Risikoausschlussklausel danach aus, wie ein „durchschnittlicher, geschäftserfahrener Versicherungsnehmer“ sie verstehen würde, da die Versicherung speziell für Berufsgruppen wie Abrechnungsdienstleister konzipiert war.
Risikoausschlussklausel
Eine Risikoausschlussklausel ist eine Bestimmung in einem Versicherungsvertrag, die genau festlegt, welche bestimmten Gefahren oder Umstände nicht vom Versicherungsschutz erfasst sind und in welchen Fällen der Versicherer daher keine Leistung erbringen muss. Sie grenzt den Umfang des Versicherungsschutzes ein und dient dazu, für den Versicherer unkalkulierbare oder nicht gewollte Risiken vom Leistungsumfang auszuschließen. Dies ermöglicht es dem Versicherer, die Prämien für die abgedeckten Risiken angemessen zu kalkulieren.
Beispiel: Im vorliegenden Fall lehnte die Versicherung die Deckung ab, weil eine Risikoausschlussklausel besagte, dass der Schutz sich nicht auf Schäden beziehe, die darauf beruhen, dass Aufträge nicht oder nicht rechtzeitig erfüllt werden.
Unklarheitenregel
Die Unklarheitenregel besagt, dass eine Allgemeine Geschäftsbedingung (AGB), die nach Ausschöpfung aller Auslegungsmöglichkeiten immer noch unklar oder mehrdeutig ist, zum Nachteil desjenigen auszulegen ist, der diese Bedingung gestellt hat. Diese Regel schützt den Vertragspartner, der die AGB nicht selbst gestalten konnte. Sie dient als Anreiz für den Verwender (meist das Unternehmen), seine Bedingungen klar und verständlich zu formulieren, um keine Nachteile durch ungünstige Auslegung zu riskieren.
Beispiel: Der Abrechnungsdienstleister argumentierte vor Gericht, die Risikoausschlussklausel sei unklar formuliert und müsse daher nach der Unklarheitenregel zum Nachteil der Versicherungsgesellschaft ausgelegt werden, was das Gericht jedoch ablehnte.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (Keine spezifische Gesetzesnorm, da allgemeines Rechtsprinzip)
Allgemeine Geschäftsbedingungen, wie Versicherungsbedingungen, werden so verstanden, wie ein durchschnittlicher Kunde sie bei aufmerksamer Lektüre verstehen würde, bei geschäftlichen Verträgen ein geschäftserfahrener Partner.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht legte die Versicherungsbedingungen aus der Sicht eines geschäftserfahrenen Abrechnungsdienstleisters aus, um zu bestimmen, ob der Ausschluss für verspätete Leistungen eindeutig war.
- Risikoausschlussklauseln im Versicherungsvertrag (Allgemeines Rechtsprinzip)
Versicherungsverträge legen fest, welche Risiken versichert sind und welche ausdrücklich vom Schutz ausgeschlossen werden, wobei diese Ausschlussklauseln von Gerichten eng ausgelegt werden müssen.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Kernfrage war, ob der Schaden durch die verspätete Rechnungsstellung unter die allgemeine Deckung fiel oder durch die spezifische Ausschlussklausel für nicht oder nicht rechtzeitig erfüllte Aufträge vom Versicherungsschutz ausgeschlossen wurde.
- Unklarheitenregel (§ 305c Abs. 2 BGB)
Ist eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nach allen Auslegungsmöglichkeiten immer noch unklar, wird sie so verstanden, dass sie für denjenigen am ungünstigsten ist, der sie gestellt hat.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Dienstleister versuchte, die Versicherung zur Zahlung zu zwingen, indem er argumentierte, die Ausschlussklausel sei unklar und müsse daher zu Lasten der Versicherungsgesellschaft ausgelegt werden; dies lehnte das Gericht jedoch ab.
- Pünktliche Leistungserbringung (Allgemeines Rechtsprinzip)
Vertragliche Leistungen müssen in der Regel innerhalb der vereinbarten oder üblichen Fristen erbracht werden, andernfalls kann dies zu Haftung und finanziellen Schäden führen.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Schaden entstand, weil die Heiz- und Betriebskostenabrechnungen so spät beim Mieter ankamen, dass dieser die Nachzahlungen wegen Fristablaufs verweigern durfte, was genau den von der Versicherung ausgeschlossenen Fall einer nicht rechtzeitig erfüllten Leistung darstellte.
Das vorliegende Urteil
OLG Nürnberg – Az.: 8 U 421/25 – Hinweisbeschluss vom 25.06.2025
* Der vollständige Urteilstext wurde ausgeblendet, um die Lesbarkeit dieses Artikels zu verbessern. Klicken Sie auf den folgenden Link, um den vollständigen Text einzublenden.


