Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Gerichtsurteil zur Berufsunfähigkeit: Kriterien für Einkommensschutz entschlüsselt
- Der Fall vor Gericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Ab wann gilt man als berufsunfähig und hat Anspruch auf Leistungen aus der BU-Versicherung?
- Was bedeutet der Begriff Verweisung und welche Rechte hat die Versicherung dabei?
- Welche Rolle spielt das bisherige Einkommen bei der Verweisung auf eine andere Tätigkeit?
- Welche medizinischen Nachweise sind für die Anerkennung der Berufsunfähigkeit erforderlich?
- Was kann man tun, wenn die Versicherung die BU-Leistung trotz ärztlich attestierter Einschränkungen ablehnt?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Weitere Beiträge zum Thema
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Landgericht Regensburg
- Datum: 05.08.2020
- Aktenzeichen: 31 O 1774/17
- Verfahrensart: Zivilverfahren bezüglich Ansprüchen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung
- Rechtsbereiche: Versicherungsrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Der Kläger ist ein ehemaliger Postzusteller, der Ansprüche aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung gegen die Beklagte geltend macht. Er argumentiert, aufgrund gesundheitlicher Probleme, insbesondere an der Hüfte und der Wirbelsäule, zu mindestens 50 % berufsunfähig zu sein, und fordert die Auszahlung der Versicherungssumme sowie die Freistellung von Beitragszahlungen.
- Beklagte: Die beklagte Partei ist ein Versicherungsunternehmen. Es lehnt die Zahlung ab, da der Kläger ihrer Ansicht nach nicht die Bedingungen der Berufsunfähigkeit erfüllt. Sie behauptet, dass die vorgelegten Befunde die Berufsunfähigkeit nicht ausreichend belegen und es alternative Beschäftigungsmöglichkeiten für den Kläger gibt.
Um was ging es?
- Sachverhalt: Der Kläger machte gesundheitliche Beschwerden geltend, die ihn seiner Meinung nach daran hindern, seine Tätigkeit als Postzusteller auszuüben. Aufgrund dieser gesundheitlichen Einschränkungen, darunter Hüft- und Wirbelsäulenprobleme, beantragte er die Leistungen aus seiner Berufsunfähigkeitszusatzversicherung. Die Versicherung lehnte den Antrag jedoch ab, was zu diesem Rechtsstreit führte.
- Kern des Rechtsstreits: Der Hauptpunkt des Streits war, ob der Kläger tatsächlich berufsunfähig ist im Sinne der Versicherungspolice und ob er auf eine andere zumutbare Tätigkeit verwiesen werden kann, die seiner bisherigen Lebensstellung entspricht.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Die Klage des Klägers wurde abgewiesen.
- Begründung: Das Gericht stellte fest, dass der Kläger aufgrund seiner gesundheitlichen Einschränkungen zwar nicht mehr in der Lage ist, als Postzusteller zu arbeiten, jedoch auf alternative Tätigkeiten verwiesen werden kann, die seiner Qualifikation und bisherigen Lebensstellung entsprechen. Die Beklagte konnte aufzeigen, dass solche Alternativen existieren.
- Folgen: Der Kläger muss die Kosten des Rechtsstreits tragen. Da die Klage abgewiesen wurde, erhält er keine Leistungen aus der Versicherung, und es wird keine Befreiung von den Beitragszahlungen gewährt. Das Urteil setzt einen Präzedenzfall für die Auslegung der Versicherungsbedingungen hinsichtlich Berufsunfähigkeit und Verweisung auf andere Tätigkeiten.
Gerichtsurteil zur Berufsunfähigkeit: Kriterien für Einkommensschutz entschlüsselt
Die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung ist eine wichtige Form des Einkommensschutzes, die vor finanziellen Einbußen bei der Erwerbsunfähigkeit schützt. Sie bietet eine finanzielle Absicherung, wenn psychische oder körperliche Erkrankungen die Arbeitsfähigkeit stark beeinträchtigen. Dabei kommt es häufig zu Streitigkeiten über die Frage, ob eine Person noch in der Lage ist, einer zumutbaren Verweisungstätigkeit nachzugehen oder ob sie tatsächlich berufsunfähig ist.
Im Kontext von Schadensfällen ist der Nachweis der Berufsunfähigkeit entscheidend, ebenso wie die genauen Versicherungsbedingungen der jeweiligen Versicherungsgesellschaft. Ein Gerichtsurteil zu diesem Thema kann wichtige Lichtblicke in die Kriterien für die Leistungserbringung sowie die Bewertung des Invaliditätsgrades werfen. Im Folgenden wird ein konkreter Fall betrachtet, der diese Aspekte näher beleuchtet.
Der Fall vor Gericht
Postzusteller scheitert mit Klage auf Berufsunfähigkeitsrente

Das Landgericht Regensburg hat die Klage eines ehemaligen Postzustellers gegen seine Berufsunfähigkeitsversicherung abgewiesen. Der Kläger hatte seit 1995 eine Berufsunfähigkeitszusatzversicherung mit einer monatlichen Rentenzahlung von 1.510,59 EUR bei Berufsunfähigkeit ab 50 Prozent abgeschlossen.
Gesundheitliche Einschränkungen und Dienstunfähigkeit
Der Kläger wurde im September 2015 wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt. Er litt unter Erkrankungen der Hüfte mit Minderbelastbarkeit, einem wiederkehrenden Lendenwirbelsäulensyndrom sowie nervlicher Erschöpfung und Magen-Darmbeschwerden. Ein medizinisches Gutachten bestätigte, dass der Kläger aufgrund initialer Verschleißerkrankungen beider Hüftgelenke und Abnutzungserscheinungen der Wirbelsäule keine schweren Lasten über 20 Kilogramm mehr heben und tragen konnte.
Tätigkeitsprofil als Postzusteller
Als Verbundzusteller musste der Kläger täglich zwischen 7 und 16 Uhr Briefe, Zeitschriften und etwa 50 Pakete zustellen. Die Behälter wogen bis zu 25 Kilogramm und mussten über eine Strecke von mehr als 30 Metern zum Fahrzeug transportiert werden. Täglich waren mindestens ein bis drei Pakete mit einem Gewicht von über 20 Kilogramm zu bewegen, in Spitzenzeiten bis zu zehn Stück. Diese schweren Pakete machten etwa sieben bis acht Prozent der Zustellungen aus.
Berufsunfähigkeit im bisherigen Beruf bestätigt
Das Gericht folgte der Einschätzung des medizinischen Sachverständigen, dass der Kläger für seinen bisherigen Beruf als Postzusteller berufsunfähig war. Obwohl das Heben schwerer Lasten zeitlich weniger als 50 Prozent seiner Tätigkeit ausmachte, handelte es sich um ein Prägendes Tätigkeitsmerkmal, das der Kläger krankheitsbedingt nicht mehr ausführen konnte.
Verweisung auf zumutbare alternative Tätigkeit
Trotz der festgestellten Berufsunfähigkeit wies das Gericht die Klage ab, da der Kläger auf eine andere zumutbare Tätigkeit verwiesen werden konnte. Eine berufskundliche Sachverständige bestätigte, dass der Kläger als Mitarbeiter in einer Poststelle arbeiten könnte. Diese körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeit wird in geschlossenen Räumen im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen ausgeübt. Mehrere konkrete Stellenangebote in der Region boten ein monatliches Gehalt von über 2.000 EUR, was dem bisherigen Verdienst des Klägers entsprach. Das Gericht sah darin keine Einkommenseinbuße oder sozialen Abstieg.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil zeigt, dass Berufsunfähigkeit nicht nur am zeitlichen Umfang der nicht mehr ausübbaren Tätigkeiten gemessen wird, sondern auch an ihrer prägenden Bedeutung für den Beruf – selbst wenn diese Tätigkeiten weniger als 50% der Arbeitszeit ausmachen. Allerdings kann die Versicherung den Versicherten auf eine andere Tätigkeit verweisen, wenn diese seiner Ausbildung, seinen Fähigkeiten und seiner bisherigen Lebensstellung entspricht, wobei auch die Pendelstrecke zum neuen Arbeitsort berücksichtigt werden muss. Eine beamtenrechtliche Dienstunfähigkeit bedeutet dabei nicht automatisch einen Anspruch auf Berufsunfähigkeitsrente.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Wenn Sie wegen gesundheitlicher Einschränkungen bestimmte körperlich belastende Tätigkeiten Ihres Berufs nicht mehr ausüben können, kann dies bereits eine Berufsunfähigkeit begründen – auch wenn diese Tätigkeiten zeitlich gesehen nicht den Hauptteil Ihrer Arbeit ausmachen. Ihre Versicherung kann Sie jedoch auf eine andere, körperlich weniger belastende Tätigkeit verweisen, sofern diese Ihrer Qualifikation entspricht, ein vergleichbares Einkommen bietet und in zumutbarer Entfernung zu Ihrem Wohnort liegt. Der Nachweis der Berufsunfähigkeit allein durch eine amtlich festgestellte Dienstunfähigkeit reicht dabei nicht aus – es kommt auf die konkreten gesundheitlichen Einschränkungen in Bezug auf Ihre beruflichen Tätigkeiten an.
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Wenn gesundheitliche Einschränkungen Ihre Arbeitsfähigkeit beeinträchtigen, ist eine rechtlich fundierte Einschätzung Ihrer individuellen Situation entscheidend. Unsere erfahrenen Anwälte prüfen die konkreten Auswirkungen auf Ihr Berufsbild und unterstützen Sie bei der Durchsetzung Ihrer Ansprüche gegenüber der Versicherung – gerade wenn es um prägende Tätigkeiten geht, die Sie nicht mehr ausüben können. Mit jahrelanger Expertise im Versicherungsrecht ermitteln wir für Sie die optimalen rechtlichen Handlungsoptionen. ✅ Fordern Sie unsere Ersteinschätzung an!
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Ab wann gilt man als berufsunfähig und hat Anspruch auf Leistungen aus der BU-Versicherung?
Eine Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn Sie Ihren zuletzt ausgeübten Beruf aus gesundheitlichen Gründen zu mindestens 50 Prozent nicht mehr ausüben können. Der Gesetzgeber definiert dies in § 172 VVG als Zustand, bei dem Sie infolge von Krankheit, Körperverletzung oder mehr als altersentsprechendem Kräfteverfall Ihren Beruf nicht mehr wie gewohnt ausüben können.
Medizinische Voraussetzungen
Die gesundheitliche Beeinträchtigung muss durch eine ärztliche Diagnose nachgewiesen werden. Als Ursachen kommen in Frage:
- Krankheiten
- Körperverletzungen
- Mehr als altersentsprechender Kräfteverfall
Zeitliche Komponente
Die Beeinträchtigung muss voraussichtlich mindestens sechs Monate andauern. Ein kurzfristiger Ausfall, etwa durch einen einfachen Beinbruch, reicht für die Anerkennung einer Berufsunfähigkeit nicht aus.
Bewertung der Arbeitsfähigkeit
Die Beurteilung orientiert sich an Ihrer konkreten beruflichen Tätigkeit. Wenn Sie beispielsweise als Angestellter regulär 40 Stunden pro Woche arbeiten und durch eine körperliche Einschränkung nur noch 20 Stunden leisten können, gelten Sie als berufsunfähig.
Verweisungsklausel
In vielen Versicherungsverträgen findet sich eine Verweisungsklausel. Diese erlaubt es dem Versicherer, die Leistung zu verweigern, wenn Sie eine andere, Ihrer Ausbildung und bisherigen Lebensstellung entsprechende Tätigkeit ausüben können. Die Verweisungsklausel gilt auch dann, wenn Sie aufgrund der Arbeitsmarktsituation keine entsprechende Stelle finden.
Was bedeutet der Begriff Verweisung und welche Rechte hat die Versicherung dabei?
Bei der Verweisung darf die Versicherung den Versicherten im Falle einer Berufsunfähigkeit auf einen anderen Beruf verweisen. Es werden zwei Arten der Verweisung unterschieden: die abstrakte und die konkrete Verweisung.
Abstrakte Verweisung
Die abstrakte Verweisung bedeutet, dass die Versicherung Sie auf einen Beruf verweisen darf, den Sie theoretisch aufgrund Ihrer Ausbildung, Kenntnisse und Fähigkeiten ausüben könnten – unabhängig davon, ob Sie diesen tatsächlich ausüben. Diese Form der Verweisung ist heute in modernen Tarifen kaum noch zu finden.
Konkrete Verweisung
Bei der konkreten Verweisung prüft die Versicherung, ob Sie tatsächlich bereits in einem anderen Beruf arbeiten. Eine konkrete Verweisung ist nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich:
- Sie müssen mindestens 80% Ihres früheren Bruttoeinkommens erzielen
- Die soziale Wertschätzung der neuen Tätigkeit muss vergleichbar sein
- Die neue Tätigkeit muss Ihrer Ausbildung und Erfahrung entsprechen
Zeitpunkte der Verweisung
Die Versicherung kann die konkrete Verweisung zu zwei Zeitpunkten prüfen:
- Bei der Erstprüfung, wenn Sie einen Leistungsantrag stellen
- Bei der Nachprüfung, wenn Sie bereits eine BU-Rente beziehen
Der Bundesgerichtshof hat dabei festgelegt, dass bei einem Einkommensvergleich das tatsächlich erzielte Einkommen vor der Berufsunfähigkeit maßgeblich ist. Eine fiktive Fortschreibung der Gehaltsentwicklung findet nicht statt.
Wenn Sie nach einer Berufsunfähigkeit eine neue Tätigkeit aufnehmen, sollten Sie die Kriterien der konkreten Verweisung sorgfältig prüfen. Die Versicherung kann ihre Leistung erst dann einstellen, wenn Sie in dem neuen Beruf eine feste und unbefristete Anstellung gefunden haben.
Welche Rolle spielt das bisherige Einkommen bei der Verweisung auf eine andere Tätigkeit?
Das bisherige Einkommen ist ein zentrales Kriterium für die Zulässigkeit einer Verweisung auf eine andere Tätigkeit. Der Verweisberuf muss der versicherten Person eine vergleichbare Vergütung ermöglichen.
Maximale Einkommensreduzierung
Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit gilt grundsätzlich eine Einkommensreduzierung von maximal 20% des Bruttoeinkommens als oberste Grenze. Wenn Sie beispielsweise in Ihrem bisherigen Beruf 4.000 Euro brutto verdient haben, muss die Verweisungstätigkeit mindestens 3.200 Euro brutto ermöglichen.
Individuelle Faktoren
Die Zumutbarkeit einer Einkommensreduzierung hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab:
- Bei niedrigem Ausgangseinkommen kann bereits eine Reduzierung um 10% unzumutbar sein
- Bei hohem Ausgangseinkommen kann eine Reduzierung um 15% noch akzeptabel sein
Bewertungskriterien
Für die Einkommensbetrachtung gelten folgende Grundsätze:
Es wird nur das tatsächlich erzielte Einkommen berücksichtigt, nicht das potenziell erzielbare. Die Einkommensverhältnisse werden dabei im Zusammenhang mit der bisherigen Lebensstellung bewertet, die auch das Ansehen des Berufes und die Aufstiegschancen umfasst.
Bei der konkreten Verweisung wird die BU-Rente in der Regel weitergezahlt, wenn die Einkommenseinbußen im Vergleich zum vorherigen Gehalt größer als 20% sind.
Welche medizinischen Nachweise sind für die Anerkennung der Berufsunfähigkeit erforderlich?
Die Anerkennung der Berufsunfähigkeit erfordert einen umfassenden medizinischen Nachweis, der die gesundheitliche Beeinträchtigung und deren Auswirkungen auf die Berufstätigkeit belegt.
Erforderliche Grunddokumentation
Ein ärztliches Gutachten muss zwingend nachweisen, dass Sie mindestens 50 Prozent Ihrer bisherigen Berufstätigkeit nicht mehr ausüben können. Der Nachweis muss für einen Prognosezeitraum von mindestens sechs Monaten gelten.
Anforderungen an die medizinische Dokumentation
Die medizinische Dokumentation muss folgende Elemente enthalten:
- Detaillierte Tätigkeitsbeschreibung
- Einkommensnachweise
- Ärztliche Berichte
- Facharztbriefe
- Klinikberichte
Gutachterliche Untersuchung
Der Versicherer lässt in der Regel ein unabhängiges ärztliches Gutachten erstellen. Der Gutachter muss dabei:
- Die gesundheitlichen Beeinträchtigungen objektiv feststellen
- Einen direkten Zusammenhang zwischen Erkrankung und Berufsunfähigkeit nachweisen
- Die Auswirkungen auf den konkreten Berufsalltag dokumentieren
Nachprüfung und Folgedokumentation
Die Versicherungsgesellschaft führt regelmäßige Nachprüfungen durch. Bei länger andauernder Berufsunfähigkeit werden meist jährlich weitere ärztliche Gutachten eingefordert. Diese Nachweise müssen stets aktuell sein und die fortbestehende Berufsunfähigkeit bestätigen.
Was kann man tun, wenn die Versicherung die BU-Leistung trotz ärztlich attestierter Einschränkungen ablehnt?
Bei einer Ablehnung der BU-Leistung sollten Sie zunächst schriftlich Widerspruch gegen die Entscheidung einlegen. Im Widerspruchsschreiben müssen Sie sich ausschließlich auf medizinische Argumente für die dauerhafte Berufsunfähigkeit konzentrieren und dabei präzise auf die Ablehnungsgründe der Versicherung eingehen.
Dokumentation und Nachweise
Reichen Sie mit dem Widerspruch sämtliche medizinischen Unterlagen erneut ein, auch wenn diese der Versicherung bereits vorliegen. Dies umfasst:
- Neue fachärztliche Gutachten
- Bisherige Atteste und Befunde
- Detaillierte Beschreibung aller krankheitsbedingten Einschränkungen
Rechtliche Fristen beachten
Nach dem Versicherungsvertragsgesetz haben Sie drei Kalenderjahre Zeit, um Ihre Ansprüche gerichtlich geltend zu machen. Diese Frist beginnt mit dem Jahr, das auf die Ablehnung folgt.
Außergerichtliche Lösungswege
Vor einem Gerichtsverfahren können Sie sich an den Versicherungsombudsmann wenden. Während der Prüfung durch den Ombudsmann läuft die Verjährungsfrist nicht weiter.
Gerichtliches Verfahren
Ein Gerichtsverfahren sollte erst nach Ausschöpfung der außergerichtlichen Möglichkeiten erwogen werden. Die Landgerichte sind in der Regel zuständig. Bei einem aktuellen Urteil des BGH (IV ZR 437/22) wurde klargestellt, dass intransparente Klauseln in BU-Verträgen unwirksam sind.
Für die Anerkennung der Berufsunfähigkeit muss nachgewiesen werden, dass Sie mindestens 6 Monate zu mindestens 50 Prozent außer Stande sind, Ihren bisherigen Beruf auszuüben. Die Versicherung ist nach einem Anerkenntnis der Leistungspflicht an ihre Entscheidung gebunden, solange sich die gesundheitlichen Umstände nicht ändern.
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Berufsunfähigkeitszusatzversicherung
Eine private Zusatzversicherung, die finanzielle Leistungen erbringt, wenn der Versicherte seinen Beruf aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben kann. Anders als die gesetzliche Erwerbsminderungsrente bezieht sie sich speziell auf den ausgeübten Beruf. Die Versicherung zahlt typischerweise ab einem bestimmten Grad der Berufsunfähigkeit (meist 50%) eine monatliche Rente. Grundlage ist §172 VVG (Versicherungsvertragsgesetz). Beispiel: Ein Chirurg kann wegen eines Tremors nicht mehr operieren – die Versicherung zahlt die vereinbarte Rente, auch wenn er theoretisch noch als Allgemeinarzt arbeiten könnte.
Verweisungstätigkeit
Eine alternative berufliche Tätigkeit, auf die ein Versicherter bei Berufsunfähigkeit verwiesen werden kann. Diese muss seiner Ausbildung, Erfahrung und bisherigen Lebensstellung entsprechen. Geregelt in den Versicherungsbedingungen und durch die Rechtsprechung konkretisiert. Die Verweisung kann die Leistungspflicht der Versicherung ausschließen. Beispiel: Ein Bauarbeiter mit Rückenproblemen kann auf eine Bürotätigkeit verwiesen werden, wenn diese seiner Qualifikation entspricht und ein vergleichbares Einkommen ermöglicht.
Dienstunfähigkeit
Ein Begriff aus dem Beamtenrecht, der die dauerhafte gesundheitliche Unfähigkeit bezeichnet, die dienstlichen Pflichten zu erfüllen (§44 Bundesbeamtengesetz). Anders als die Berufsunfähigkeit bezieht sich die Dienstunfähigkeit ausschließlich auf Beamte und führt zur Versetzung in den Ruhestand. Der Beamte erhält dann Ruhegehalt. Beispiel: Ein Polizeibeamter kann wegen einer chronischen Erkrankung den Außendienst nicht mehr versehen und wird deshalb in den Ruhestand versetzt.
Prägendes Tätigkeitsmerkmal
Ein wesentliches Merkmal der beruflichen Tätigkeit, das den Beruf charakterisiert, auch wenn es zeitlich weniger als 50% der Arbeitszeit ausmacht. Nach der Rechtsprechung des BGH (Az. IV ZR 104/01) kann die Unfähigkeit zur Ausübung eines prägenden Tätigkeitsmerkmals bereits Berufsunfähigkeit begründen. Beispiel: Ein Koch, der wegen einer Hautallergie nicht mehr mit Lebensmitteln hantieren kann, ist berufsunfähig, auch wenn das direkte Kochen weniger als die Hälfte seiner Arbeitszeit ausmacht.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 2 BUZ: Der Paragraph regelt die Definition der „beruflichen Lebensstellung“ im Kontext der Berufsunfähigkeitsversicherung. Dabei wird berücksichtigt, wie die Mobilität des Versicherten den Versicherungsanspruch beeinflussen kann, insbesondere die tägliche Pendelzeit. Im vorliegenden Fall spielt dies eine Rolle, da der Kläger als Postzusteller an einem bestimmten Arbeitsort tätig war und seine Beweglichkeit zur Beurteilung seiner Berufsunfähigkeit herangezogen wird.
- § 172 VVG: Dieser Paragraph behandelt die Pflicht des Versicherungsnehmers, der Versicherung bei Antragsstellung den Gesundheitszustand wahrheitsgemäß darzulegen. Kommt es zu einer Verletzung dieser Pflicht, kann die Versicherung die Leistung verweigern. Im Fall des Klägers könnte seine Selbstangabe zu gesundheitlichen Einschränkungen (z.B. Hüfte, Wirbelsäule) sowie deren Feststellung durch Dienstunfähigkeit entscheidend für die Prüfung des Versicherungsanspruchs sein.
- § 240 SGB IX: Diese Norm regelt die Definition der „Schwerbehinderung“ und welche Auswirkungen diese auf die Erwerbsfähigkeit hat. Eine Schwerbehinderung kann als Beweis unterstützt werden, dass eine Person ernsthafte gesundheitliche Probleme hat, die zu einer Beeinträchtigung ihrer Wettbewerbsfähigkeit führen. Da der Kläger gesundheitliche Probleme angibt, könnte dies zur Unterstützung seiner Argumentation über die Berufsunfähigkeit dienen.
- § 611a BGB: Hier wird das Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer behandelt. Der Anspruch auf Arbeitsunfähigkeitsvertretung und die Bedingungen für die Durchführung von Arbeitsunfähigkeitsverfahren können in diesem Kontext interpretiert werden. Der Kläger ist in seinem Beruf als Postzusteller nicht mehr einsatzfähig, was die Anwendbarkeit dieser Bestimmungen für die Beurteilung seiner Ansprüche betreffen könnte.
- § 84 SGB VI: Diese Regelung betrifft die Betroffenen mit Erwerbsminderungsrenten und deren Berechnung. Die Kriterien für die Feststellung der Erwerbsunfähigkeit stellen eine Grundlage dar, nach der bewertet wird, ob der Kläger tatsächlich nicht mehr in der Lage ist, seiner beruflichen Tätigkeit nachzugehen. Der Kläger könnte auf diese Vorschrift hinweisen, um seinen Anspruch auf finanzielle Unterstützung durch die Berufsunfähigkeitsversicherung zu untermauern.
Weitere Beiträge zum Thema
- Berufsunfähigkeitsversicherung – Verweisungstätigkeit
Der Artikel behandelt die Voraussetzungen für eine vollständige Berufsunfähigkeit gemäß den besonderen Versicherungsbedingungen einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung. Es wird erörtert, unter welchen Umständen ein Versicherter auf eine andere Tätigkeit verwiesen werden kann, die seinen Kenntnissen, Fähigkeiten und seiner bisherigen Lebensstellung entspricht. Ein konkreter Fall eines Energieelektronikers wird analysiert, der aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen seine bisherige Tätigkeit nicht mehr ausüben kann. → → Voraussetzungen für Berufsunfähigkeit verstehen - Berufsunfähigkeitsversicherung – Verweisung auf andere Tätigkeit
Das Oberlandesgericht Nürnberg stärkte die Rechte von Versicherten, die Leistungen aus ihrer Berufsunfähigkeitsversicherung beanspruchen. Es wurde entschieden, dass Versicherer nicht ohne konkrete und nachvollziehbare Gründe Leistungen einstellen dürfen, selbst wenn sie der Meinung sind, der Versicherte könne auf eine andere Tätigkeit verwiesen werden. Der Fall betraf einen Kläger, der aufgrund einer Erkrankung berufsunfähig wurde und dessen Versicherer die Leistungen nach einer Nachprüfung eingestellt hatte. → → Rechtsansprüche bei Berufsunfähigkeit schützen - BU-Zusatzversicherung – Verweisung Selbständiger auf abhängige Beschäftigung
Das Oberlandesgericht Saarbrücken entschied, dass ein Versicherer einen selbständigen Versicherten auf eine abhängige Beschäftigung verweisen kann, sofern diese Tätigkeit aufgrund seiner Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und seiner bisherigen Lebensstellung entspricht. Im vorliegenden Fall wurde ein selbständiger Fensterbauer auf die Tätigkeit eines Kommissionierers in einem Kleinteilelager verwiesen. Das Gericht betonte, dass die neue Tätigkeit hinsichtlich der prägenden Merkmale und Anforderungen hinreichend beschrieben sein muss. → → Selbständige und Verweisung auf abhängige Tätigkeiten - Berufsunfähigkeitsversicherung – abstrakte Verweisungsklausel
Das Landgericht Münster befasste sich mit der Wirksamkeit abstrakter Verweisungsklauseln in Berufsunfähigkeitsversicherungen. Es wurde festgestellt, dass eine Verweisung auf eine andere Tätigkeit nur dann zulässig ist, wenn diese Tätigkeit der Ausbildung, Erfahrung und bisherigen Lebensstellung des Versicherten entspricht. Im konkreten Fall wurde die Klage eines Versicherten abgewiesen, da die neue Tätigkeit als zumutbar erachtet wurde. → → Wirksamkeit von Verweisungsklauseln prüfen - Berufsunfähigkeitsversicherung: Gericht bestätigt Anspruch trotz neuer Tätigkeit
Das Oberlandesgericht Karlsruhe entschied, dass ein Versicherer seine Leistungspflicht nicht allein aufgrund der Aufnahme einer neuen Tätigkeit des Versicherten einstellen kann. Wesentlich ist, ob die neue Tätigkeit der bisherigen Lebensstellung entspricht. Im vorliegenden Fall wurde die Leistungseinstellung des Versicherers als unzulässig erachtet, da die neue Tätigkeit nicht als gleichwertig angesehen wurde. → → Ansprüche trotz neuer Beschäftigung wahren
Das vorliegende Urteil
LG Regensburg – Az.: 31 O 1774/17 – Endurteil vom 05.08.2020
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