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Berufsunfähigkeitszusatzversicherung – Mehrvergleich – Erhöhung der Einigungsgebühr

Oberlandesgericht Hamm, Az.: I-20 W 13/12, Beschluss vom 27.04.2012

Auf die Beschwerde der Beklagten und unter Zurückweisung der Beschwerde der Klägervertreter wird der Streitwertbeschluss der Zivilkammer II des Landgerichts Detmold vom 08.12.2011 wie folgt abgeändert:

Der Streitwert für den Rechtsstreit beträgt 59.050,65 €; der Gegenstandswert des Vergleiches beträgt 70.925,06 €.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um die Höhe des Wertes von Rechtsstreit und Vergleich.

Im Einzelnen geht es um Folgendes:

Mit ihrer Klage vom 22.07.2009 hat die Klägerin Ansprüche aus ihrer mit der Beklagten im Jahre 2001 abgeschlossenen Berufsunfähigkeitszusatzversicherung geltend gemacht. Mit dem Klageantrag zu 1) hat sie die Zahlung rückständiger Leistungen wegen Berufsunfähigkeit in Höhe von 11.452,94 € und mit dem Klageantrag zu 2) die Feststellung verlangt, dass die Beklagte verpflichtet sei, an sie monatlich 1.413,62 € nach Maßgabe des Versicherungstarifs, beginnend mit dem Monat Juli 2009, zu zahlen. Mit dem Klageantrag zu 3) hat sie Rückzahlung der nach behaupteter Berufsunfähigkeit eingezogenen Prämien von 100,08 € und mit dem Antrag zu 4) Erstattung außergerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 1.880,20 € begehrt.

Mit Beschluss vom 08.12.2011 hat die Zivilkammer II des Landgerichts Detmold festgestellt, dass die Parteien einen Vergleich des Inhalts geschlossen haben, dass die Beklagte zur Erledigung aller wechselseitigen Ansprüche aus der streitgegenständlichen Versicherung an die Klägerin 150.000,00 € sowie die mit dem Klageantrag zu 4) geltend gemachten 1.880,20 € zahlt (siehe Bl. 462 der Akte). Zugleich hat die Kammer in ihrem nunmehr angefochtenen Beschluss den Wert für den Rechtsstreit und den Vergleich auf 237.488,16 € festgesetzt und dies damit begründet, dass dies den Ansprüchen bei einer Laufzeit des Vertrages von noch 168 Monaten entspreche.

Die Beklagte hat gegen die Streitwertfestsetzung mit Schreiben vom 20.12.2011 Beschwerde eingelegt und beantragt, den Wert gemäß den §§ 48 IV GKG, 3 und 9 ZPO auf 70.925,06 € festzusetzen. Zur Begründung hat sie insbesondere darauf hingewiesen, dass der Wert des Antrags zu 2) mit dem 42fachen der monatlichen Leistungen (= 59.372,04 €) zu bewerten sei.

Berufsunfähigkeitszusatzversicherung – Mehrvergleich - Erhöhung der Einigungsgebühr
Symbolfoto: yavdat/Bigstock

Die Klägervertreter haben gegen den Beschluss des Landgerichts ebenfalls Beschwerde eingelegt und beantragt, den Wert für das Verfahren auf 625.394,07 € und für den Vergleich auf 657.349,81 € festzusetzen. Zur Begründung verweisen sie darauf, dass die Klägerin von einer Zahlungsverpflichtung der Beklagten aus der Berufsunfähigkeitsversicherung bis an ihr Lebensende ausgegangen sei. Bei einer statistischen Lebenserwartung von insgesamt 83 Jahren ergebe sich hochgerechnet bis April 2045 ein Anspruch von 620.579,18 € (= Rente für 439 Monate), der für die Streitwertberechnung maßgeblich sei. Gegebenenfalls sei davon ein Abschlag von 20% vorzunehmen, da es sich um eine Feststellungsklage handele.

II.

Die Beschwerde der Beklagten ist zulässig und führt dazu, den Streitwert auf 59.050,65 € und den Vergleichswert auf 70.925,06 € festzusetzen. Die Beschwerde der Klägervertreter hingegen ist unbegründet. Dazu im Einzelnen:

1. Streitwert

Bei wiederkehrenden Leistungen, zu denen auch die Ansprüche auf Rente aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung gehören, ist der Wert nach § 9 Satz 1 ZPO zu bestimmen, also mit dem 3,5 fachen Wert des einjährigen Bezuges, wobei darauf bei einer positiven Feststellungsklage ein Abschlag von 20% vorzunehmen ist (siehe dazu zuletzt BGH, Beschluss vom 06.10.2011, IV ZR 183/10, juris Tz. 1 und 2). Diese Wertbemessung ist unabhängig von der vertraglichen Laufzeit des Versicherungsvertrages, so dass weder auf die volle Laufzeit bis zum Vertragsende (so das Landgericht) noch auf die von der Klägerin behauptete Vorstellung, die Rente bis an ihr Lebensende beziehen zu können (so die Klägervertreter), abzustellen ist. Bei Klageeinreichung bereits fällige Beträge, die mit der Klage beziffert geltend gemacht werden, sind nach § 42 Abs. 4 Satz 1 GKG hinzuzurechnen. Spätere Veränderungen rückständiger Beträge bleiben außer Betracht, selbst wenn sie während des Rechtsstreits mit einem bezifferten Antrag geltend gemacht werden (BGH, Beschluss vom 25.06.2008, II ZR 179/07, juris Tz. 2; Beschluss vom 25.11.1998. IV ZR 199/98, juris Tz. 3, jeweils mit weiteren Nachweisen).

Auf dieser Grundlage errechnet sich folgender Streitwert:

– Klageantrag zu 1): 11.452,94 €

– Klageantrag zu 2): 47.497,63 € (42 mal 1.413,62 € = 59.372,04 €

abzüglich 20% Feststellungsabschlag)

– Klageantrag zu 3): 100,08 €

– Klageantrag zu 4): unberücksichtigt als Nebenforderung gemäß § 4 ZPO

Summe: 59.050,65 €.

Der Senat war auch nicht gehindert, den Streitwert stärker als mit der Beschwerde der Beklagten beantragt herabzusetzen, denn die (Rechtsmittel-)gerichte sind in den zeitlichen Grenzen des 63 Abs. 3 Satz 1 GKG befugt, den Streitwert von Amts wegen festzusetzen und ohne Bindung an Parteianträge abzuändern (siehe dazu OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19.05.2009, 24 W 13/09, juris Tz. 6).

2. Vergleichswert

Ausgangspunkt für die Berechnung des Vergleichswerts ist der Streitwert des durch ihn erledigten Verfahrens. Der nach der kapitalisierten Rente errechnete Vergleichsbetrag führt auch dann, wenn er höher als der Streitwert ist, nicht zu einer Erhöhung des Vergleichswertes (OLG Stuttgart, Beschluss vom 03.08.2009, 7 W 48/09, r+s 2011, 228). Maßgeblich für die Berechnung des Vergleichswertes ist nämlich nicht, worauf sich die Parteien geeinigt haben, sondern worüber sie den Vergleich geschlossen haben (so OLG Stuttgart, a.a.O.; OLG Düsseldorf, NJW-RR 2008, 1697).

Wird jedoch über den Streitgegenstand hinaus eine weitere Regelung zwischen den Parteien getroffen, so ist diese bei der Berechnung des Vergleichswertes zu berücksichtigen. Für den Fall, dass eine Klage auf Leistung aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung mit einem Feststellungsantrag auf Fortbestehen des Versicherungsvertrages kombiniert wird, findet eine eingeschränkte Wertaddition statt. Zu dem Wert des Leistungsantrags ist in einem solchen Fall für den Feststellungsantrag ein Betrag von 20% des 3,5fachen Jahresrentenwertes hinzuzurechnen (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 06.10.2011, IV ZR 183/10, juris Tz. 1, 2), da in wirtschaftlicher Hinsicht eine Teilidentität besteht. Nichts Anderes gilt dann, wenn ein Feststellungsantrag bezüglich des Fortbestehens zwar nicht rechtshängig ist, aber die Parteien im Wege des Vergleiches eine Einigung über die Beendigung des Berufsunfähigkeitsversicherungsvertrages treffen (Senatsbeschluss vom 15.02.2012, 20 U 165/11).

Nach diesen Grundsätzen sind im vorliegenden Fall zu dem Wert des Rechtsstreits von 59.050,65 € noch 20% des 3,5-fachen Jahreswertes (= 11.874,41 €) zu addieren, so dass sich ein Vergleichswert von insgesamt 70.925,06 € ergibt.

3.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, § 68 Abs. 3 GKG.

 

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