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Berufsunfähigkeitszusatzversicherung – Leistungsverweigerungsrecht des Versicherers

LG Hamburg, Az.: 306 O 344/15, Urteil vom 10.06.2016

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin verlangt von der Beklagten (weitere) Zahlungen sowie Befreiung der Prämienzahlungsverpflichtung aus einer seit 01. November 2004 bestehenden Berufsunfähigkeitszusatzversicherung. Die Klägerin erkrankte 2012 an Brustkrebs und beantragte Leistungen aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung. Die Beklagte gab mit Schreiben Anlage K3 im Dezember 2013 ein Leistungsanerkenntnis ab und erbrachte Leistungen rückwirkend seit dem Juli 2012. Mit Schreiben vom Dezember 2014 erbat die Beklagte von der Klägerin Angaben zur Überprüfung ihrer weiteren Leistungspflicht unter Verweis auf § 7 der vereinbarten Versicherungsbedingungen. Hierzu wurde die Klägerin gebeten, die Fragebögen K5, 6 auszufüllen beziehungsweise ausfüllen zu lassen.

Die Klägerin erteilte die erbetenen Auskünfte nicht, sondern wandte sich an ihrer Prozessbevollmächtigten, die zunächst bei der Beklagten die vereinbarten Versicherungsbedingungen nebst Versicherungsschein und den letzten Nachtrag erbaten, woraufhin die Beklagte die Anlagen K1, K2, K9 und K10 übersandte.

Mit Schreiben K11 eilte die Beklagte mit, dass sie die Leistungen einstellen werden wegen Verstoßes der Klägerin gegen §§ 4 und 7 B-BUZ, was auch erfolgte. Seit dem 01. April 2015 zahlt die Klägerin auch wieder Beiträge zur Lebensversicherung.

Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte sei zur Einstellung der Leistungen nicht berechtigt. Sie, die Klägerin, habe die Anlagen K9 und K10 nicht erhalten, so dass eine Anpassung der Versicherungsbedingungen an das neue VVG nicht erfolgt sei, mit der Konsequenz, dass Obliegenheitsverletzungen ihrerseits nicht von der Beklagten sanktioniert werden könnten. Sie, die Klägerin habe die Mitwirkungsobliegenheit auch nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt, sondern auf Anraten ihres Prozessbevollmächtigten, da die Beklagte sich auf eine Obliegenheitsverletzung nicht berufen könne.

Nach teilweiser Klagrücknahme beantragt die Klägerin noch,

1. Die Beklagte zu verurteilen, an sie, die Klägerin, 12.785,82 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf jeweils 2.130,7 € ab dem 02. April, 5. Mai, 02. Juni, 02. Juli, 04. August und 02. September 2015 zu zahlen.

2. Die Beklagte zu verurteilen, an sie, die Klägerin, aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung zur Versicherungsnummer 0. beginnend ab Oktober 2015 bis längsten 01. November 2021 bis zum ersten Werktag eines jeden Monats im Voraus eine Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von jeweils 2.031,22 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hierauf und zwar ab dem auf den ersten Werktag eines jeden Monats folgenden Tag für den Fall, dass die Zahlung durch die Beklagte nicht am ersten Werktag eines jeden Monats erfolgt.

3. Die Beklagte zu verurteilen, sie, die Klägerin, von der Prämienzahlungspflicht für die Lebensversicherung und die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung zur Versicherungsnummer 0. ab dem 01. Oktober 2015 bis längstens zum 01. November 2021 freizustellen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, die Anpassung an das neue VVG sei durch Übersendung der entsprechenden Schreiben an die Klägerin ordnungsgemäß erfolgt. Selbst wenn die Klägerin die Schreiben nicht erhalten habe, sei sie, die Beklagte, dennoch wegen der Obliegenheitsverletzung der Klägerin leistungsfrei, weil die von der Klägerin zitierte Rechtsprechung nicht auf diesen Versicherungstyp passe. Jedenfalls sei sie, die Beklagte, nach Treu und Glauben berechtigt, ihre Leistungen einzustellen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die wechselseitig eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet und daher abzuweisen. Die Klägerin hat (derzeit) keine Ansprüche mehr gegen die Beklagte.

Zwar kann die Beklagte die Anpassung der Versicherungsbedingungen an das neue VVG nicht beweisen. Daraus folgt grundsätzlich auch, dass die Beklagte sich auf Obliegenheitsverletzungen der Klägerin nicht berufen kann, denn die von der Klägerin zitierte Rechtsprechung des BGH ist nicht auf Sachversicherungen beschränkt, sondern gilt für alle Versicherungstypen.

Jedoch ist die Beklagte hier aus Treu und Glauben berechtigt, die Leistungen an die Klägerin einzustellen.

Unstreitig ist der Versicherungsvertrag auf der Grundlage geschlossen worden, dass die Beklagte gemäß § 7 der Versicherungsbedingungen berechtigt ist, ihre (weitere) Leistungsverpflichtung zu überprüfen. Dass diese Berechtigung der Beklagten besteht, wird von der Klägerin auch nicht in Abrede genommen.

Dass die Beklagte angesichts der zu erbringenden Leistungen ein berechtigtes Interesse an der Überprüfung ihrer Leistungsverpflichtung hat, liegt auf der Hand.

Nicht nachvollziehbar ist allerdings, warum die Klägerin es für nicht zumutbar hält, den Fragebogen K5 auszufüllen und den Fragebogen K6 ihrem behandelnden Arzt mit der Bitte um Ausfüllung zuzusenden. Dass die Beklagte vermutet, die Klägerin habe gegebenenfalls etwas zu verbergen, liegt ebenfalls auf der Hand und ist nachvollziehbar.

Die Weigerung der Klägerin, unstreitig bestehende vertragliche Verpflichtungen zu erfüllen, mit dem Hinweis, der Beklagten stünden für den Fall eines Verstoßes keine vertraglichen Sanktionen zu Verfügung, rechtfertigen hier in diesem speziellen Fall, der Beklagten ein außervertragliches Leistungsverweigerungsrecht im Hinblick auf § 242 BGB zuzugestehen.

Mit dem Hauptanspruch entfallen auch die Nebenforderungen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 269 Abs. 3, 709 ZPO.

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