Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Berufsunfähigkeitszusatzversicherung: Risiken und Herausforderungen im Urteilsfall
- Der Fall vor Gericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Ab welchem Zeitpunkt besteht ein Anspruch auf Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung?
- Wie hoch muss der Grad der Berufsunfähigkeit für einen Leistungsanspruch sein?
- Was kann man tun, wenn die Versicherung die Leistung ablehnt?
- Welche Fristen müssen bei der Geltendmachung von Ansprüchen beachtet werden?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Weitere Beiträge zum Thema
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Landgericht Landshut
- Datum: 14.03.2023
- Aktenzeichen: 72 O 3607/20
- Verfahrensart: Klageverfahren bezüglich Leistungen aus einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung
- Rechtsbereiche: Versicherungsrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Versicherungsnehmer, der Leistungen aus einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung beansprucht. Der Kläger argumentiert, dass bei ihm eine Berufsunfähigkeit seit Mai 2018 besteht, aufgrund psychischer Erkrankungen diagnostiziert von mehreren Ärzten und gestützt durch ein Sachverständigengutachten. Er fordert Rentenzahlungen und Prämienrückzahlung.
- Beklagte: Versicherungsgesellschaft, die die Ansprüche des Klägers bestreitet. Sie führt an, dass ein Leistungseintritt frühestens ab Dezember 2018 möglich sei, da die Berufsunfähigkeit erst im November 2018 mitgeteilt wurde und die Versicherungsbedingungen bestimmte Fristen vorsehen.
Um was ging es?
- Sachverhalt: Der Kläger verlangt von der Versicherungsgesellschaft die Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente sowie die Befreiung von der Prämienpflicht aufgrund einer Berufsunfähigkeit, die seiner Meinung nach seit dem 03.05.2018 besteht. Die Versicherung lehnte dies ab, da die Berufsunfähigkeit erst im November 2018 gemeldet wurde. Der Kläger macht geltend, dass ihn kein Verschulden an der verspäteten Meldung trifft.
- Kern des Rechtsstreits: Der zentrale Punkt des Rechtsstreits war, ob der Kläger Anspruch auf die Versicherungsleistungen ab Mai 2018 hat, obwohl die Berufsunfähigkeit erst im November 2018 gemeldet wurde. Hierbei war entscheidend, ob der Kläger von der Berufsunfähigkeit Kenntnis hatte oder haben musste.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Die Beklagte muss dem Kläger 21.688,80 Euro als Rückzahlung der ausstehenden Renten und 2.591,24 Euro Prämienrückzahlung aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung zahlen. Zudem muss die Beklagte zukünftige Berufsunfähigkeitsrenten zahlen und der Kläger ist von der weiteren Prämienzahlung befreit.
- Begründung: Das Gericht befand, dass der Kläger keinen Vorsatz oder selbst fahrlässige Vernachlässigung bei der verspäteten Meldung der Berufsunfähigkeit hatte. Der Kläger wusste nicht um den Grad seiner Berufsunfähigkeit und wurde erst durch eine Maklerin darauf hingewiesen. Das Sachverständigengutachten bestätigte die Berufsunfähigkeit ab Mai 2018.
- Folgen: Der Kläger erhält rückwirkend Leistungen seit Juni 2018, und es wird festgestellt, dass ihm auch zukünftig Versicherungsleistungen zustehen, inklusive einer möglichen Überschussbeteiligung. Die Versicherung muss die Kosten des Rechtsstreits tragen. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der festgesetzte Streitwert beläuft sich auf 62.475,60 Euro.
Berufsunfähigkeitszusatzversicherung: Risiken und Herausforderungen im Urteilsfall
Die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung bietet einen wichtigen Schutz für Personen, die aufgrund von Krankheit oder Unfall nicht mehr in ihrem erlernten Beruf arbeiten können. Um Versicherungsleistungen zu erhalten, müssen jedoch klare Vertragsbedingungen erfüllt werden, die unter anderem die Nachweis der Berufsunfähigkeit betreffen. Das bedeutet, dass die versicherte Person oft eine erhebliche Beweislast tragen muss, um ihre Ansprüche durchzusetzen und die staatliche Unterstützung zu ergänzen.
Wichtig sind zudem Ausschlussfristen, die beachtet werden müssen, um einen Anspruch auf Leistungen nicht zu verlieren. Ein missachteter Fristablauf oder ein nicht ausreichender Nachweis der Berufsunfähigkeit kann zum Leistungsausschluss führen und somit den Versicherungsschutz gefährden. Im Folgenden wird ein konkreter Fall betrachtet, der zeigt, wie diese Aspekte in der Praxis umsetzbar sind und welche Herausforderungen sich im Klageverfahren ergeben können.
Der Fall vor Gericht
Landgericht verurteilt Versicherer zu Zahlung von Berufsunfähigkeitsrenten
Das Landgericht Landshut hat einen Versicherer zur rückwirkenden Zahlung von Berufsunfähigkeitsrenten an einen ehemaligen Baumarktverkäufer verurteilt. Der Kläger leidet seit 2018 an einer schweren Depression, Angststörungen und einer sozialen Phobie. Nach Überzeugung des Gerichts ist er dadurch zu mindestens 80 Prozent berufsunfähig.
Chronischer Krankheitsverlauf seit Mai 2018
Der Kläger arbeitete bis 2018 als Verkäufer und Kundenberater in einem Baumarkt. Zu seinen Hauptaufgaben gehörten die Kundenberatung in der Sanitärabteilung, das Anfertigen von Preisauszeichnungen sowie das Einräumen von Waren. Seine Arbeitszeit betrug 37,5 Stunden pro Woche.
Seit Ende 2017 litt der Kläger zunehmend unter gesundheitlichen Beschwerden wie völliger Erschöpfung, Antriebslosigkeit, massiven Schlafstörungen und Panikattacken. Im November 2018 machte er erstmals Leistungen aus seiner Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung geltend. Der Versicherer lehnte die Leistungen nach Begutachtung durch seine Sachverständigen ab.
Gerichtlich bestellter Sachverständiger bestätigt schwere psychische Erkrankung
Das Gericht beauftragte einen psychiatrischen Sachverständigen, der beim Kläger eine chronifizierte mittelschwere bis schwere Depression, eine komplexe Angsterkrankung sowie ein leichtes Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom diagnostizierte. Der Sachverständige attestierte dem Kläger ein hochgradig reduziertes psychisches Funktionsniveau mit stark beeinträchtigter Stressresistenz und Anpassungsfähigkeit. Aufgrund des zentralen Aspekts des direkten Kundenkontakts in seiner früheren Tätigkeit stufte der Gutachter den Grad der Berufsunfähigkeit auf über 80 Prozent ein.
Versicherer muss rückwirkend Renten zahlen
Das Landgericht Landshut verurteilte den Versicherer zur Zahlung von rückständigen Renten in Höhe von 21.688,80 Euro für den Zeitraum von Juni 2018 bis November 2020. Zusätzlich muss der Versicherer bereits gezahlte Versicherungsprämien in Höhe von 2.591,24 Euro zurückerstatten. Der monatliche Rentenanspruch in Höhe von 722,96 Euro besteht bis längstens Mai 2040. Das Gericht stellte zudem fest, dass der Kläger ab Dezember 2020 von der Prämienzahlungspflicht befreit ist.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Gericht gab einem Versicherungsnehmer Recht, der trotz verspäteter Meldung seiner psychischen Erkrankung rückwirkende Leistungen aus seiner Berufsunfähigkeitsversicherung erhielt. Entscheidend war, dass der Kläger nachweisen konnte, dass er die Schwere seiner Erkrankung zunächst nicht erkannte und weiterhin auf eine Rückkehr in den Beruf hoffte. Das Gericht bestätigte zudem, dass auch psychische Erkrankungen wie Depression und Angststörungen eine Berufsunfähigkeit von über 80% begründen können, wenn sie die Arbeitsfähigkeit nachhaltig einschränken.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Wenn Sie aufgrund gesundheitlicher Probleme nicht mehr arbeiten können, sollten Sie Ihre Berufsunfähigkeitsversicherung auch dann informieren, wenn Sie zunächst noch Hoffnung auf Besserung haben – Sie riskieren damit keine Nachteile. Die Versicherung muss auch rückwirkend zahlen, wenn Sie glaubhaft darlegen können, dass Sie die Schwere Ihrer Erkrankung anfangs nicht erkannt haben. Besonders bei psychischen Erkrankungen wie Depression oder Angststörungen haben Sie gute Chancen auf Anerkennung der Berufsunfähigkeit, wenn ein Facharzt die Auswirkungen auf Ihre konkrete berufliche Tätigkeit detailliert dokumentiert. Die Versicherung muss dann nicht nur die laufende Rente zahlen, sondern auch bereits gezahlte Versicherungsbeiträge zurückerstatten.
Benötigen Sie Hilfe?
Psychische Erkrankungen und deren Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit sind oft schwer einzuschätzen – besonders wenn Sie selbst betroffen sind. Unsere erfahrenen Anwälte kennen die rechtlichen Besonderheiten bei Berufsunfähigkeit durch Depression, Burnout oder Angststörungen und setzen sich für die Durchsetzung Ihrer Ansprüche gegenüber der Versicherung ein. In einem persönlichen Gespräch analysieren wir Ihre individuelle Situation und zeigen Ihnen mögliche Handlungsoptionen auf. ✅ Fordern Sie unsere Ersteinschätzung an!
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
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Ab welchem Zeitpunkt besteht ein Anspruch auf Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung?
Der Anspruch auf Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung entsteht grundsätzlich, wenn Sie zu mindestens 50% berufsunfähig sind und dies voraussichtlich länger als 6 Monate andauert. Die genaue zeitliche Ausgestaltung hängt von mehreren Faktoren ab:
Beginn der Leistungspflicht
Der Versicherungsfall tritt ein, sobald ein Arzt Ihre Berufsunfähigkeit feststellt. Die Leistungspflicht der Versicherung kann jedoch durch verschiedene vertragliche Regelungen zeitlich beeinflusst werden:
- Standardfall: Die Versicherung zahlt rückwirkend ab Beginn der Berufsunfähigkeit.
- Verspätungsklausel: Wenn Sie die Berufsunfähigkeit später als sechs Monate nach ihrem Eintritt melden, beginnt der Anspruch erst mit dem Monat der Mitteilung. Bei unverschuldeter Verspätung erfolgt jedoch eine rückwirkende Zahlung.
Karenzzeiten und Wartefristen
Eine vertraglich vereinbarte Karenzzeit verschiebt den Beginn der Leistungszahlung. Wenn Sie beispielsweise eine Karenzzeit von 6 Monaten vereinbart haben, erfolgt die erste Zahlung erst sechs Monate nach Eintritt der Berufsunfähigkeit. Wichtig: Eine rückwirkende Zahlung für die Karenzzeit erfolgt nicht.
Leistungsprüfung und Prognosezeitraum
Die tatsächliche Auszahlung beginnt nach Abschluss der Leistungsprüfung durch den Versicherer. Für die Anerkennung der Berufsunfähigkeit ist entscheidend, dass:
- Die gesundheitliche Beeinträchtigung mindestens 6 Monate andauert
- Ein ärztliches Gutachten die Berufsunfähigkeit bestätigt
- Die Leistungsprüfung des Versicherers positiv ausfällt
Bei positiver Entscheidung erfolgt in der Regel eine Nachzahlung für den Zeitraum seit Antragstellung, sofern keine anderslautenden Vereinbarungen bestehen.
Wie hoch muss der Grad der Berufsunfähigkeit für einen Leistungsanspruch sein?
Der Leistungsanspruch aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung entsteht typischerweise ab einem Berufsunfähigkeitsgrad von mindestens 50 Prozent. Dies bedeutet konkret, dass Sie Ihren zuletzt ausgeübten Beruf aus gesundheitlichen Gründen mindestens zur Hälfte nicht mehr ausüben können.
Bewertung des Berufsunfähigkeitsgrades
Bei der Ermittlung des Berufsunfähigkeitsgrades wird ein detailliertes Tätigkeitsprofil erstellt. Sie müssen dabei Ihren beruflichen Tages- oder Wochenablauf minutiös aufschlüsseln. Wenn Sie beispielsweise zuvor einen 40-Stunden-Job hatten, müssen Sie nachweisen, dass Sie nur noch maximal 20 Stunden in der Woche arbeiten können.
Pauschal- und Staffelregelung
Es existieren zwei unterschiedliche Modelle für die Leistungsgewährung:
Die Pauschalregelung ist marktüblich und sieht vor, dass die vereinbarte Rente in voller Höhe ausgezahlt wird, sobald der Versicherte zu mindestens 50 Prozent berufsunfähig ist.
Einige Versicherer bieten alternativ eine Staffelregelung an. Bei einer 25/75-Staffelung erfolgt die Rentenzahlung gestaffelt:
- Unter 25%: keine Leistung
- Zwischen 25% und 75%: anteilige Leistung entsprechend dem BU-Grad
- Ab 75%: volle vereinbarte Rentenhöhe
Zeitliche Komponente
Neben dem Grad der Berufsunfähigkeit ist auch die zeitliche Komponente entscheidend. Die gesundheitliche Beeinträchtigung muss voraussichtlich mindestens sechs Monate andauern. Dies muss durch entsprechende medizinische Gutachten von Fachärzten nachgewiesen werden, wobei ein einfaches Attest des Hausarztes nicht ausreicht.
Die Versicherung prüft zudem, ob Sie alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen haben, um Ihre Arbeitsfähigkeit wiederherzustellen. Dabei gilt: Einfache Hilfsmittel wie das Tragen einer Brille oder eines Hörgeräts müssen Sie akzeptieren.
Was kann man tun, wenn die Versicherung die Leistung ablehnt?
Bei einer Ablehnung der Versicherungsleistung steht ein mehrstufiges Verfahren zur Verfügung, um die eigenen Ansprüche durchzusetzen.
Gründe der Ablehnung erfragen
Nach Erhalt der Ablehnung sollten Sie zunächst die genauen Gründe der Versicherung erfragen. Die Versicherung muss eine nachvollziehbare Begründung liefern, die es ermöglicht, die Erfolgsaussichten weiterer Schritte einzuschätzen.
Widerspruch einlegen
Ein schriftlicher Widerspruch ist der erste formale Schritt. Dabei ist es wichtig:
- Ausschließlich medizinische Argumente für die Berufsunfähigkeit anzuführen
- Alle Auswirkungen der Krankheit oder des Unfalls detailliert aufzulisten
- Sämtliche Atteste und Gutachten erneut einzureichen
- Präzise auf die Ablehnungsgründe der Versicherung einzugehen
Medizinische Dokumentation
Die medizinische Beweisführung spielt eine zentrale Rolle. Neue Gutachten von Fachärzten können die Erfolgsaussichten des Widerspruchs erheblich verbessern. Eine unzureichende Diagnostik oder falsche Beurteilung der Grunderkrankung können Gründe für eine ungerechtfertigte Ablehnung sein.
Weitere Handlungsoptionen
Wenn der Widerspruch abgelehnt wird, besteht die Möglichkeit, sich an die Schlichtungsstelle Versicherungsombudsmann zu wenden. Bei einer erneuten Ablehnung kann der Fall vor dem Sozialgericht verhandelt werden. Hierfür ist der Widerspruchsbescheid eine zwingende Voraussetzung.
Der Grad der Berufsunfähigkeit ist häufig ein zentraler Streitpunkt. Die Versicherung muss bei einer Änderung der Leistungspflicht nachvollziehbar darlegen, was sich seit dem ursprünglichen Anerkenntnis geändert hat.
Welche Fristen müssen bei der Geltendmachung von Ansprüchen beachtet werden?
Bei der Berufsunfähigkeitsversicherung sind drei zentrale Fristenarten zu beachten, die Ihre Ansprüche maßgeblich beeinflussen können.
Meldefristen
Die Meldefrist bestimmt, innerhalb welcher Zeit Sie den Versicherungsfall melden müssen. Viele Versicherungsverträge sehen eine Meldefrist von drei bis sechs Monaten nach Eintritt der Berufsunfähigkeit vor. Wenn Sie diese Frist versäumen, entstehen Ihre Ansprüche erst mit Beginn des Monats der Mitteilung.
Ein Beispiel verdeutlicht dies: Wenn bei Ihnen am 15. März eine Berufsunfähigkeit ärztlich festgestellt wird und Sie diese erst am 2. August melden, erhalten Sie Leistungen erst ab dem 1. August.
Sie können sich jedoch von der Fristversäumnis entlasten, wenn Sie nachweisen, dass Sie die verspätete Meldung nicht zu verschulden haben. Dies gilt insbesondere, wenn Sie aus physischen oder psychischen Gründen nicht in der Lage waren, den Versicherer zu informieren.
Verjährungsfristen
Seit 2008 gilt für Ansprüche aus der Berufsunfähigkeitsversicherung die reguläre Verjährungsfrist von drei Jahren. Die Frist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch auf die Leistungen erstmals fällig geworden ist.
Wenn der Versicherer Ihren Leistungsantrag ablehnt, müssen Sie innerhalb dieser dreijährigen Frist gerichtlich gegen die Entscheidung vorgehen. Die Verjährung können Sie durch verschiedene Maßnahmen hemmen:
- Erhebung einer Klage
- Durchführung eines Ombudsmannverfahrens
- Anerkenntnis des Versicherers
- Ernsthafte Vergleichsverhandlungen
Ausschlussfristen bei Anzeigepflichtverletzungen
Bei falschen Angaben im Versicherungsantrag gilt eine besondere Ausschlussfrist von zehn Jahren. Diese längere Frist gilt allerdings nur, wenn Sie die Anzeigepflicht vorsätzlich oder arglistig verletzt haben.
Die Ausschlussfrist von fünf Jahren für die Geltendmachung der Rechte des Versicherers wegen einer Anzeigepflichtverletzung entfällt nur dann, wenn während des Fristlaufs die versicherungsmäßigen Bedingungen für die Leistungspflicht des Versicherers eintreten.
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung
Eine private Versicherung, die finanzielle Leistungen gewährt, wenn der Versicherte seinen Beruf aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben kann. Anders als die gesetzliche Erwerbsminderungsrente orientiert sie sich am konkret ausgeübten Beruf. Die Versicherung zahlt eine monatliche Rente, wenn die versicherte Person aufgrund von Krankheit oder Unfall ihren Beruf zu einem bestimmten Prozentsatz (meist über 50%) nicht mehr ausüben kann. Geregelt wird dies im Versicherungsvertragsgesetz (VVG) sowie in den jeweiligen Versicherungsbedingungen.
Berufsunfähigkeit
Ein Zustand, bei dem jemand aufgrund von Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfall dauerhaft nicht mehr in der Lage ist, seinen bisherigen Beruf auszuüben. Die Beurteilung erfolgt anhand des konkreten Berufsbildes und der damit verbundenen Anforderungen. Der Grad der Berufsunfähigkeit wird in Prozent angegeben und muss meist mindestens 50% betragen, um Versicherungsleistungen zu erhalten. Rechtlich definiert in § 172 VVG.
Ausschlussfristen
Zeiträume, innerhalb derer bestimmte Ansprüche geltend gemacht werden müssen, andernfalls verfallen diese unwiderruflich. Bei Berufsunfähigkeitsversicherungen betrifft dies häufig Fristen zur Meldung des Versicherungsfalls oder zur Einreichung von Unterlagen. Die Fristen sind in den Versicherungsbedingungen festgelegt. Beispiel: Eine Frist von 3 Monaten zur Meldung der Berufsunfähigkeit nach deren Eintritt.
Beweislast
Die rechtliche Verpflichtung einer Partei, bestimmte Tatsachen zu beweisen. Im Berufsunfähigkeitsfall muss der Versicherte nachweisen, dass er seinen Beruf nicht mehr ausüben kann. Dies geschieht meist durch ärztliche Gutachten und weitere Dokumentation der gesundheitlichen Einschränkungen. Geregelt in § 286 ZPO. Beispiel: Der Versicherte muss durch Arztberichte belegen, dass seine Depression ihn an der Berufsausübung hindert.
Versicherungsleistungen
Die vertraglich vereinbarten Zahlungen oder sonstigen Leistungen, die der Versicherer im Versicherungsfall erbringen muss. Bei der Berufsunfähigkeitsversicherung umfasst dies typischerweise die monatliche Berufsunfähigkeitsrente und die Befreiung von der Prämienzahlung. Die Höhe und Art der Leistungen wird im Versicherungsvertrag festgelegt und richtet sich nach §§ 1, 169 VVG.
Prämienzahlungspflicht
Die vertragliche Verpflichtung des Versicherungsnehmers, regelmäßige Zahlungen (Prämien) an den Versicherer zu leisten. Bei anerkannter Berufsunfähigkeit entfällt diese Pflicht meist, was als Prämienbefreiung bezeichnet wird. Grundlage ist § 33 VVG. Beispiel: Ein monatlicher Versicherungsbeitrag von 50 Euro muss bei bestätigter Berufsunfähigkeit nicht mehr gezahlt werden.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 1 Abs. 1 VVG (Versicherungsvertragsgesetz): Das Versicherungsvertragsgesetz regelt die Grundsätze des Versicherungsvertragsrechts in Deutschland. Es legt fest, dass der Versicherer verpflichtet ist, die im Vertrag vereinbarten Leistungen zu erbringen, sofern die versicherte Gefahr eintritt. Im vorliegenden Fall ist die Beklagte aufgrund des Versicherungsvertrags verpflichtet, die vereinbarten Leistungen aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung an den Kläger zu zahlen, da dieser aufgrund gesundheitlicher Umstände berufsunfähig geworden ist.
- § 3 VVG: Dieser Paragraph behandelt die Voraussetzungen für die Leistungspflicht des Versicherers. Gemäß § 3 VVG ist der Versicherer an die vereinbarten Bedingungen gebunden, die in den speziellen Versicherungsbedingungen dargelegt sind. Im konkreten Fall muss die Beklagte die spezifischen Bedingungen der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung einhalten, die besagen, dass der Kläger Anspruch auf Rente hat, wenn er aufgrund von Krankheit oder Unfall nicht mehr arbeiten kann.
- § 856 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch): Dieser Paragraph besagt, dass eine Leistung, die fällig wird, nicht mehr zurückgehalten werden kann, wenn die Erfüllung der Leistungspflicht nicht mehr gefordert werden kann. Im Kontext des Urteils hat der Kläger Anspruch auf die Zahlung der Rente aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung, die fällig ist, sodass die Beklagte nicht berechtigt ist, diese Zahlungen zu verweigern.
- § 1920 BGB: Dieser Paragraph behandelt die Leistungspflicht bei entgeltlichen Verträgen. Er besagt, dass der Versicherungsnehmer für die Durchführung der Versicherungspflicht (in diesem Fall die Prämienzahlung) verantwortlich ist, während der Versicherer für die Leistung verantwortlich bleibt. In diesem Fall hat der Kläger keine zukünftigen Prämien zu zahlen, was bedeutet, dass die Beklagte weiterhin zur Rentenzahlung verpflichtet bleibt, ohne dass der Kläger weitere finanzielle Verpflichtungen eingehen muss.
- § 33 Abs. 3 VVG: Dieser Paragraph widmet sich der Anpassung von Versicherungsleistungen bei Überschüssen. Wenn der Versicherer Überschüsse erwirtschaftet, muss er die Leistung anpassen und gegebenenfalls erhöhen. In diesem Fall musste die Beklagte die Berufsunfähigkeitsrente des Klägers anpassen, wenn sie in der Lage ist, Überschüsse zu erzeugen, was eine wichtige Grundlage für die mögliche Erhöhung der Rente darstellt.
Weitere Beiträge zum Thema
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Das LG Detmold entschied, dass eine Versicherung zur Zahlung von Verzugszinsen verpflichtet ist, wenn sie die Leistungsprüfung bei Berufsunfähigkeit verzögert. Im vorliegenden Fall wurde die Klägerin von der Beitragspflicht freigestellt und an Überschussanteilen beteiligt. Die Kosten des Rechtsstreits wurden der Versicherung auferlegt. → → Verzugszinsen bei Verzögerung von Versicherungsleistungen - Streitwert bei Klage aus einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung
Das OLG Frankfurt legte den Streitwert für eine Klage auf Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente und Beitragsfreistellung fest. Im konkreten Fall wurde der Streitwert für den ersten Rechtszug auf bis zu 50.000 EUR bestimmt. → → Bestimmung des Streitwerts für BU-Klagen - Berufsunfähigkeitsversicherung: Gericht bestätigt Anspruch trotz neuer Tätigkeit
Das OLG Karlsruhe entschied, dass ein ehemaliger Kaufmann trotz Aufnahme einer neuen Tätigkeit als Sicherheitsmitarbeiter weiterhin Anspruch auf seine Berufsunfähigkeitsrente hat, da die neue Tätigkeit nicht seiner früheren Lebensstellung entspricht. Das frühere Anerkenntnis der Versicherung bleibt bindend. → → Fortbestand des Leistungsanspruchs trotz neuer Beschäftigung - Berufsunfähigkeitsversicherung – Verjährungsbeginn des Stammrechts
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Das vorliegende Urteil
LG Landshut – Az.: 72 O 3607/20 – Endurteil vom 14.03.2023
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