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Berufsunfähigkeitszusatzversicherung – Abtretung des Anspruchs und Depression

OLG Köln, Az.: 20 U 170/09, Urteil vom 13.05.2016

Auf die Berufung der Klägerin wird – unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels – das am 23. September 2009 verkündete Urteil der 26. Zivilkammer des Landgerichts Köln – Az. 26 O 9/07 – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 46.016,40 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 1.533,88 EUR seit dem 1. April 1006, 1. Mai 2006, 1. Juni 2006, 1. Juli 2006, 1. August 2006, 1. September 2006, 1. Oktober 2006, 1. November 2006, 1. Dezember 2006, 1. Januar 2007, 1. Februar 2007, 1. März 2007, 1. April 2007, 1. Mai 2007, 1. Juni 2007, 1. Juli 2007, 1. August 2007, 1. September 2007, 1. Oktober 2007, 1. November 2007, 1. Dezember 2007, 1. Januar 2008, 1. Februar 2008, 1. März 2008, 1. April 2008, 1. Mai 2008, 1. Juni 2008, 1. Juli 2008, 1. August 2008 und 1. September 2008 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 71% und die Beklagte 29% zu tragen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Zwangsvollstreckung jeweils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die jeweilige Gegenpartei vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die Klägerin macht – aus abgetretenem Recht (Abtretungserklärung vom 17. Juli 2002, Bl.84 d.A.) – gegen die Beklagte Ansprüche aus einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung geltend.

Gemäß Versicherungsschein Nr. ……….der N Lebensversicherung AG vom 26. Februar 1996 schloss der Versicherungsnehmer I U für die Klägerin als versicherte Person eine Rentenversicherung auf den Erlebensfall mit Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung ab. Die Beklagte ist die Rechtsnachfolgerin der N Lebensversicherung AG. Für den Fall einer Berufsunfähigkeit, die in § 2 Nr. 1 bis 6 der N Bedingungen für die Rentenversicherung für den Fall der Berufsunfähigkeit (BB-BUZ) definiert wird, ist eine monatliche Rentenzahlung in Höhe von 1.533,88 EUR und eine Befreiung vom Versicherungsbeitrag vereinbart worden. In den Bedingungen 1995 für die Rentenversicherung für den Fall der Berufsunfähigkeit wird in § 2 die Berufsunfähigkeit wie folgt definiert:

Berufsunfähigkeitszusatzversicherung - Abtretung des Anspruchs und Depression
Symbolfoto: Chinnapong/Bigstock

„1. Vollständige Berufsunfähigkeit … liegt vor, wenn und solange die versicherte Person infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich mindestens sechs Monate ununterbrochen außerstande ist, ihren Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die aufgrund ihrer Ausbildung und Erfahrung und aufgrund ihrer Kenntnisse und Fähigkeiten ausgeübt werden kann und ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht …

Des Weiteren enthalten §§ 3, 5 BB-BUZ Regelungen zu den Mitwirkungspflichten des Versicherungsnehmers, die wie folgt lauten:

“ § 3

1. Werden Leistungen verlangt, so sind uns folgende Unterlagen einzureichen:

a) eine Darstellung der Ursache für den Eintritt der Berufsunfähigkeit;

b) ausführliche Berichte der Ärzte, die die versicherte Person gegenwärtig behandeln oder behandelt oder untersucht haben, über Ursache, Beginn, Art, Verlauf und voraussichtliche Dauer des Leidens;

c) Unterlagen über den Beruf der versicherten Person, ihre Stellung und Tätigkeit im Zeitpunkt des Eintritts der Berufsunfähigkeit sowie über die eingetretenen Veränderungen;

… .

2. Wir können außerdem … weitere ärztliche Untersuchungen durch von uns beauftragte Ärzte sowie notwendige Nachweise – auch über die wirtschaftlichen Verhältnisse und ihre Veränderungen – verlangen, insbesondere zusätzliche Auskünfte und Aufklärungen. Die versicherte Person hat Ärzte, Krankenhäuser, sonstige Krankenanstalten und Pflegeheime, bei denen sie in Behandlung oder Pflege war oder sein wird, sowie … zu ermächtigen, uns auf Verlangen Auskunft zu erteilen.

§ 5

Solange eine Mitwirkungspflicht nach § 3 Nr. 1 bis 3 oder § 4 von Ihnen, der versicherten Person oder dem Anspruchserhebenden vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht erfüllt wird, sind wir von der Verpflichtung zur Leistung frei … Wenn die Mitwirkungspflicht später erfüllt wird, sind wir ab Beginn des laufenden Monats nach Maßgabe dieser Bedingungen zur Leistung verpflichtet, … “

Unter dem 15. Dezember 2000 beantragte der Versicherungsnehmer U für die Klägerin Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung. Er teilte mit, diese sei seit dem 14. Juli 2000 arbeitsunfähig, wobei die „Krankheitsgeschichte“ bereits vor zwei Jahren begonnen habe. Mit Schreiben vom 21. Dezember 2000 trat die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die N Lebensversicherung AG, in die Leistungsprüfung ein und verwies auf die Bearbeitung durch die B mbH (B). Die Klägerin erteilte unter dem 18. Januar 2001 im Rahmen der Leistungsprüfung zunächst eine umfassende Schweigepflicht-Entbindungserklärung (Bl.88 d.A.). Unter dem 18. Januar 2001 wurde ein Gesprächsprotokoll durch einen Mitarbeiter der B und unter dem 31. Januar 2001 ein berufskundlicher Bericht (Bl.102 ff. d.A.) erstellt. Die Klägerin wandte sich mit Schreiben vom 20. März 2001 (Bl.124 d.A.) an die B mit der Bitte, „falsche Angaben“ gegenüber ihren behandelnden Ärzten zu korrigieren. Als „falsche Angaben“ bezeichnete sie die Angabe der B gegenüber den Ärzten, sie habe eine Berufsunfähigkeitsversicherung und mache daraus Ansprüche geltend. Mit diesem Schreiben widerrief sie auch ihre Schweigepflicht-Entbindungserklärung. Die B entgegnete der Klägerin mit Schreiben vom 28. März 2001 unter anderem: „Sollten Sie Ihren Anspruch auf Berufsunfähigkeitsleistungen weiterhin geltend machen, so wären wir Ihnen für einen kurzen Hinweis dankbar. In diesem Falle wäre es allerdings erforderlich, Ihre Ärzte erneut von der Schweigepflicht zu entbinden“ (Bl.139f. d.A.). Die Klägerin antwortete darauf jedoch nicht; stattdessen wandte sich der Versicherungsnehmer U mit Schreiben vom 05. April 2001 (Bl.121 d.A.) an die N Lebensversicherung AG und stellte eine Fibromyalgie-Erkrankung der Klägerin dar, aufgrund dessen ihm Ansprüche aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung zustünden. Bevor es zu einem weiteren Schriftwechsel zwischen den Parteien oder mit dem Versicherungsnehmer U kam, reichte dieser eine Klage gegen die Beklagte, gerichtet auf Beitragsbefreiung für die Zeit von August 2000 bis April 2001, ein; die Klage wurde durch Berufungsurteil des Landgerichts Köln am 8. Januar 2003 (23 S 25/02) rechtskräftig abgewiesen. Die Klägerin selbst machte gerichtlich Rentenansprüche für die Monate April und Mai 2001 geltend; auch diese Klage wies das Landgericht Köln durch Berufungsurteil vom 13. Oktober 2004 (26 S 18/04) rechtskräftig ab. In beiden Prozessen war die Problematik der Fälligkeit der Ansprüche und der ausreichenden Mitwirkung der jeweils klagenden Partei im Rahmen der Leistungsprüfung erörtert worden. Nach dem Abschluss des von dem Versicherungsnehmer U geführten Rechtsstreits wandte sich die B mit Schreiben vom 21. Februar 2003 (Bl.161 f d.A.) erneut an die Klägerin und bat um weitere Informationen sowie eine Schweigepflicht-Entbindungserklärung. In der Zeit bis zum 19. April 2006 kam es zu einem regen Schriftwechsel zwischen der Klägerin bzw. ihren jeweiligen Bevollmächtigten und der B. Erst mit Anwaltsschreiben vom 19. April 2006 übermittelte die Klägerin der B eine umfassende Schweigepflicht-Entbindungserklärung sowie die in deren Schreiben vom 21. Februar 2003 verlangten Einkommensteuerbescheide (Bl.231 ff d.A.).

Mit Schriftsatz vom 05. Januar 2007 hat die Klägerin die Gewährung von Prozesskostenhilfe für den vorliegenden Rechtsstreit beantragt, welche mit Beschluss des Landgerichts Köln vom 08. Mai 2008 bewilligt worden ist. Während des Prozesskostenhilfeverfahrens hat im Rahmen der Leistungsprüfung eine Begutachtung der Klägerin durch die Sachverständigen Prof. Dr. med. D und Priv. Doz. Dr. med. I2 stattgefunden; diese haben am 20. Juni 2008 ein interdisziplinäres Gutachten auf orthopädischem und neurologisch-psychosomatischem Fachgebiet erstattet (Bl.843 d.A.). Nach Bewilligung der Prozesskostenhilfe hat die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung der Berufsunfähigkeitsrente von 1.533,88 EUR für 90 Monate seit dem 01. April 2001, insgesamt 138.049,20 EUR, sowie zur Erstattung geleisteter Beiträge in Höhe von 20.761,64 EUR beantragt (Bl.838, 918f., 1006 d.A.).

Die Klägerin hat behauptet, seit Jahren unter erheblichen Schmerzen, insbesondere an Händen, Füßen und am Steißbein, zu leiden. Seit Mitte August 2000 sei sie wegen einer fortschreitenden Fibromyalgie und einer Herzerkrankung arbeitsunfähig, zumindest seit dem 02. April 2001 zu 100 % berufsunfähig. Sie sei zuvor für den Versicherungsnehmer U als selbstständige Steuerfachkraft tätig gewesen. Durch die vorhandenen Schmerzen sei sie so beeinträchtigt gewesen, dass sie die Bürotätigkeit nicht mehr habe ausüben können.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 158.810,84 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01. April 2001 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat den Standpunkt eingenommen, aufgrund der verzögerten Vorlage der für die Leistungsprüfung erforderlichen Unterlagen sei die Klage verfrüht erhoben worden und eine Fälligkeit von Ansprüchen aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung nicht gegeben. Auch habe die Klägerin die Voraussetzungen für eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit nicht ausreichend dargelegt, da es an einer konkreten Arbeitsplatzbeschreibung und der Beschreibung der Auswirkungen der behaupteten gesundheitlichen Beeinträchtigungen auf ihre zuletzt ausgeübte berufliche Tätigkeit fehle.

Hilfsweise hat sich die Beklagte auf Leistungsfreiheit gem. §§ 3, 5 BB-BUZ wegen Verletzung der Mitwirkungspflichten der Klägerin, die jegliche Mitarbeit trotz Aufforderung verweigert habe, berufen.

Mit Schriftsatz vom 11. Juli 2008 hat die Beklagte vorgetragen, die Klägerin habe ihre Ansprüche an die ARGE S in Höhe von monatlich 487,50 EUR und auf den restlichen Teil an Frau E U abgetreten, so dass es an der Aktivlegitimation der Klägerin fehle.

Ferner hat die Beklagte sich auf ein Kündigungsschreiben vom 17. September 2008 (Anlage B 67, Bl.916f d.A.) berufen und dazu die Ansicht vertreten, diese Kündigung habe den Vertrag wirksam beendet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, insbesondere der außergerichtlichen Korrespondenz in den Jahren 2003 bis 2006, wird auf die tatbestandlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, es fehle zwar nicht an der Fälligkeit der beanspruchten Leistung, nachdem die B mit Schreiben vom 23. Januar 2007 mitgeteilt habe, dass nunmehr alle Unterlagen für eine Leistungsprüfung vorlägen. Es sei auch entsprechend einem Hinweis des Gerichts vom 17. September 2008 keine Leistungsfreiheit wegen mangelnder Mitwirkung der Klägerin anzunehmen, jedenfalls nicht ab dem Jahr 2004. Jedoch fehle es an der Aktivlegitimation der Klägerin; ein Anspruch auf Beitragsrückerstattung sei schon nicht von der Abtretungsvereinbarung zwischen dem Versicherungsnehmer U und der Klägerin vom 17. Juli 2002 erfasst. In Bezug auf die Rentenansprüche aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung habe die Klägerin die von der Beklagten behauptete Abtretung dieser Ansprüche an die ARGE S sowie an Frau E U nicht substantiiert bestritten. Darüber hinaus sei die Klägerin ihrer Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der zuletzt von ihr ausgeübten beruflichen Tätigkeit nicht nachgekommen. Bei der Beurteilung der Berufsunfähigkeit sei auf ihre Tätigkeit für den Versicherungsnehmer abzustellen, da sie nach ihren eigenen Angaben für die X-AG keine tatsächlichen Aufgaben wahrgenommen habe. Insoweit habe das Landgericht die Klägerin auch mehrfach auf die unzureichende Darlegung und den fehlenden Beweisantritt hingewiesen.

Die Klägerin wendet sich mit der form- und fristgerecht eingelegten Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil und begründet diese damit, dass die Entscheidung des Landgerichts hinsichtlich der fehlenden Aktivlegitimation überraschend gewesen sei. Es sei für das Gericht erkennbar gewesen, dass sie die Behauptung der fehlenden Aktivlegitimation im Schriftsatz der Beklagten vom 11. Juli 2008 übersehen habe. Im Termin vom 17. September 2008 sei die fehlende Aktivlegitimation weder erörtert worden, noch habe das Landgericht einen entsprechenden Hinweis erteilt. Außerdem seien die Vorschriften der §§ 134, 400 BGB nicht beachtet worden, wonach die von der Beklagten vorgetragenen Abtretungen nichtig seien. In Bezug auf die von ihr zuletzt ausgeübte Tätigkeit habe das Landgericht ebenfalls nicht darauf hingewiesen, dass es ihren Vortrag für unsubstantiiert halte. Vielmehr seien die gerichtlichen Hinweise auf fehlende Beweismittel gerichtet gewesen. Ein notwendiger Beweisantritt setze aber einen schlüssigen Vortrag voraus, so dass sie davon habe ausgehen dürfen, dass das erkennende Gericht keinen Zweifel an der ausreichenden Darstellung ihrer letzten beruflichen Tätigkeit habe. Darüber hinaus habe sich der Beweisantritt im Schriftsatz vom 24. August 2007 (Bl.318ff d.A.) erkennbar auch auf den von ihr beschriebenen Tagesablauf bezogen. Die Anforderungen an die Darlegungslast seien auch abzumildern, da das Urteil in einem Parallelverfahren gegen ihre Krankenkasse zwar keine direkte Auswirkung auf das streitige Verfahren habe, im Zusammenhang mit der Darlegung von bestimmten Tatsachen aber zu berücksichtigen sei.

Nachdem die Klägerin in der Berufungsbegründung vom 04. Januar 2010 zunächst allein Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie Zurückverweisung an das Landgericht Köln beantragt hatte, hat sie im Termin zur mündlichen Verhandlung am 20. August 2010 in erster Linie „den Antrag aus der Berufungsbegründung vom 04.01.2010, Bl.1056 d.A., im Umfang der Prozesskostenhilfebewilligung“ gestellt; ihr war vom Senat Prozesskostenhilfe für die Durchführung der Berufung mit einem Zahlungsantrag in Höhe von 138.049,20 EUR nebst Zinsen bewilligt worden.

Die Beklagte, die Zurückweisung der Berufung beantragt, verteidigt das erstinstanzliche Urteil und nimmt vollumfänglich auf ihren bisherigen Sachvortrag Bezug. Sie ist der Ansicht, das Vorbringen der Klägerin zur Abtretung der Rentenansprüche an die ARGE S und Frau E U sowie dem vorbehaltenen Recht zur Prozessführung sei gemäß § 529 Abs. 1, 531 Abs. 2 ZPO verspätet und damit unzulässig. Der Schriftsatz vom 02. September 2009 habe keinerlei Ausführungen zu einer Abtretung an die ARGE S enthalten. Auch sei das Landgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin für das von ihr behauptete Tätigkeitsbild als Steuerfachangestellte keinen Beweis angetreten habe. Der Vortrag der Klägerin in der Berufungsbegründung, der Schriftsatz vom 24. August 2007 enthalte auch einen Beweisantritt für das Tätigkeitsbild, sei unzutreffend. Auch in der Berufungsbegründung fehle es an einem solchen Beweisangebot; dabei habe sie die Tätigkeitsbeschreibung der Klägerin – insbesondere im Schriftsatz vom 05. November 2007 (Bl.738ff, 742 d.A.) – bestritten und auf Widersprüche zu vorprozessualen Angaben der Klägerin hingewiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Senat hat gemäß Beweisbeschluss vom 26. November 2010 (Bl. 1148 d.A.) sowie Ergänzungsbeweisbeschluss vom 19. September 2011 (Bl. 1187 d.A.) Beweis erhoben durch Einholung schriftlicher Gutachten der Sachverständigen Dr. L und Dipl. Psychologe Dr. phil. L2, ferner gemäß Beschlüssen vom 01. August 2014 sowie vom 30. September 2014 ein schriftliches Ergänzungsgutachten des Sachverständigen Dr. L. Im Termin am 19. Februar 2016 haben beide Sachverständige ihre Gutachten mündlich erläutert. In Bezug auf das Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf die schriftlichen Gutachten vom 06. März 2014 (Bl.1241ff., 1268 ff. d.A.) und das Ergänzungsgutachten vom 30. April 2015 (Bl.1418ff. d.A.) sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 19. Februar 2016 (Bl.1533ff. d.A.) verwiesen.

II.

1.

Die Berufung ist zulässig. Entgegen der Ansicht der Beklagten hindert der Umstand, dass die Klägerin innerhalb der Begründungsfrist ausschließlich Aufhebung und Zurückverweisung beantragt hat, die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht. Ein solcher Antrag enthält grundsätzlich als Rechtsmittelziel die Weiterverfolgung des in der Vorinstanz gestellten Sachantrags (Zöller/Heßler, ZPO, 31. Aufl., § 520 Rn.28 m.w.N.); dieses Ziel lässt auch die Berufungsbegründung der Klägerin deutlich erkennen. In der mündlichen Verhandlung am 20. August 2010 ist das erstinstanzliche Leistungsbegehren – zulässig – auf einen Zahlungsbetrag von 138.049,20 EUR nebst Zinsen beschränkt worden; diese Summe deckt eine Berufsunfähigkeitsrente für den Zeitraum von April 2001 bis einschließlich September 2008 ab.

2.

Die Berufung ist zum Teil begründet. Die Klägerin kann von der Beklagten Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente für die Zeit vom 01. April 2006 bis zum 31.September 2008 in Höhe von monatlich 1.533,88 EUR, insgesamt also 46.016,40 EUR verlangen.

a)

Entgegen der Auffassung des Landgerichts fehlt es insoweit nicht an der Aktivlegitimation der Klägerin.

Die Klägerin hat zunächst aufgrund der Abtretung durch den Versicherungsnehmer U vom 17. Juni 2002 (Bl. 84 d.A) die Leistungsansprüche aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung erworben. Diese Abtretung ist auch wirksam und verstößt nicht gegen das Abtretungsverbot nach § 400 BGB in Verbindung mit § 850 b ZPO. Zwar handelt es sich bei Ansprüchen auf Rentenleistungen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung um unpfändbare Leistungen, die grundsätzlich nicht abgetreten werden können. Jedoch ist das Abtretungsverbot des § 400 BGB nach seinem Zweck unanwendbar, wenn der Zedent vom Zessionar eine gleichwertige Gegenleistung erhält. Ein solcher Fall liegt hier vor, weil die Abtretung der Ansprüche aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung der Erfüllung einer von Herrn U der Klägerin erteilten Versorgungszusage dient. Für den Fall einer Berufsunfähigkeit hatte Herr U der Klägerin eine Rente in Höhe von monatlich 1.533,88 EUR (3.000,00 DM) zugesagt (Bl. 84 d.A.); mit der Abtretung war die Erfüllung dieser Versorgungszusage bezweckt.

Die Rentenansprüche hat die Klägerin auch nicht durch deren Abtretung an die ARGE S sowie an Frau E U verloren. Der Senat hält an seiner in der mündlichen Verhandlung vom 20. August 2010 dargelegten Rechtsauffassung fest, dass jene Abtretungen gegen § 400 BGB i.V.m. § 850 b ZPO verstoßen und daher unwirksam sind. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs lässt der mit dem Abtretungsausschluss verfolgte Zweck nur unter engen Voraussetzungen die an sich ausgeschlossene Abtretung einer unpfändbaren Forderung zu. Eine solche Ausnahme liegt vor, wenn der Abtretungsempfänger dem Abtretenden laufende Bezüge zu dem jeweiligen Fälligkeitstermin in Höhe der jeweils fällig gewordenen abgetretenen Ansprüche gewährt oder der Abtretende vor der Abtretung den vollen Gegenwert erhalten hat und behalten darf oder die Abtretung durch die jeweils termingerecht geleisteten Zahlungen bedingt ist (BGHZ 4, 153, 156ff; NJW 1988, 819; FamRZ 2010, 367). Was die Abtretung an Frau E U anbetrifft, sind keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass diese eine Gegenleistung an die Klägerin erbracht hätte. Auch die Erklärung vom 25. Januar 2008 gegenüber der ARGE S rechtfertigt es nicht, ausnahmsweise von einer zulässigen Abtretung der unpfändbaren Forderung auszugehen. Die Abtretungserklärung lässt nicht erkennen, dass die Abtretung der Ansprüche auf Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente auf die von der ARGE an die Klägerin geleisteten Beträge beschränkt ist; sie ist im Gegenteil so zu verstehen, dass sämtliche Ansprüche auf Leistungen aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung ohne zeitliche und höhenmäßige Begrenzung abgetreten werden. Aus dem Fehlen einer Begrenzung folgt die Unzulässigkeit dieser Abtretung.

b)

Die Klägerin hat den ihr obliegenden Beweis einer bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit ab dem 02. April 2001 erbracht. Die Beklagte war jedoch bis April 2006 von ihrer Leistungspflicht befreit, weil die Klägerin ihre Mitwirkungsobliegenheit im Rahmen der Leistungsprüfung bis dahin nicht erfüllt hatte.

aa) Voraussetzung eines Leistungsanspruchs aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung ist nach § 1 Nr.1 b) der von den Parteien in den Vertrag einbezogenen BB-BUZ, dass die versicherte Person während der Versicherungsdauer zu mindestens 50 % berufsunfähig im Sinne des § 2 Nr. 1 bis 6 der BB-BUZ wird (Bl. 76 d.A.). Nach § 2 Nr. 1 BB-BUZ liegt vollständige Berufsunfähigkeit vor, wenn die versicherte Person infolge von Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich mindestens sechs Monate ununterbrochen außerstande ist, ihren Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die aufgrund ihrer Ausbildung und Erfahrung und aufgrund ihrer Kenntnisse und Fähigkeit ausgeübt werden kann und ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht. § 2 Nr. 4 BB-BUZ bestimmt für den Fall, dass ein in den vorgenannten Absätzen als Berufsunfähigkeit beschriebener Zustand dazu geführt hat, dass die versicherte Person sechs Monate ununterbrochen vorgelegen hat, dieser Zustand von Beginn an als vollständige oder teilweise Berufsunfähigkeit gilt. Von einer Krankheit im Sinne einer Berufsunfähigkeit ist auszugehen, wenn ein regelwidriger physischer oder psychischer Zustand zu einer Störung der Lebensvorgänge in Organen oder des Organismus mit der Folge objektiv feststellbarer physischer oder psychischer oder subjektiv empfundener – funktioneller – Veränderungen geführt hat (Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung, 3. Aufl. 2014, G III 1. Rn. 20). Dabei kommt es nicht auf den medizinischen Unterschied zwischen der Krankheit selbst und ihren Symptomen bzw. den durch sie verursachten Beschwerden an. Entscheidend ist allein, ob die Abweichungen dazu geeignet sind, den Versicherten an der Berufsausübung ganz oder teilweise zu hindern. Ob die Ursache für Beschwerden oder Schmerzen feststeht oder ob eine konkrete Diagnose getroffen werden kann, ist dagegen nicht von Bedeutung (Neuhaus a.a.O., Rn 21). Bei der Begutachtung der Auswirkung psychischer Erkrankungen auf die berufliche Leistungsfähigkeit ist darüber hinaus zu berücksichtigen, dass im Allgemeinen weder durch bildgebende noch durch andere naturwissenschaftlich reproduzierbare Verfahren solche Erkrankungen dokumentiert werden können und zudem auch kein nur annähernd hundertprozentiger Beweis, sondern nur eine maximale Wahrscheinlichkeit von 80% – 90 % erreicht werden kann, die nach allgemeiner Auffassung aber ausreichend ist (vgl. Urteil des Senats vom 29.01.2016 – 20 U 9/14 – ; Jansen, RuS 2005, 161, 164).

bb) Ausgehend von diesen Grundsätzen steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Senats fest, dass die Klägerin seit dem 02. April 2001 aufgrund von Krankheit zu mindestens 50 % außer Stande war, ihre zuletzt ausgeübte berufliche Tätigkeit als selbständige Steuerfachkraft weiter zu verrichten, sie mithin berufsunfähig im Sinne von § 2 BB-BUZ ist.

Für die Beurteilung der Frage, ob ein Versicherter bedingungsgemäß berufsunfähig ist, müssen die konkrete Ausgestaltung des von ihm zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls ausgeübten Berufs und die sich aus dieser Berufsausübung ergebenden Anforderungen festgestellt werden; diese Feststellungen sind einem medizinischen Sachverständigen als Grundlage seiner Gutachtenerstattung vorzugeben (BGH, VersR 1992, 1386). Die Darlegungs- und Beweislast für die Art der zuletzt ausgeübten Tätigkeit trägt die Klägerin. Dabei ist auf ihre Tätigkeit als selbstständige Steuerfachkraft abzustellen, da sie als Mitglied des Aufsichtsrates der X-AG keine tatsächlichen Aufgaben wahrgenommen hat. Zwar hat die Klägerin die mit Schriftsatz vom 24. August 2007 (Bl. 318, 326ff. d.A.) gegebene Beschreibung ihrer Berufstätigkeit in gesunden Tagen nicht ordnungsgemäß unter Beweis gestellt; denn die dort unterbreiteten Beweisangebote auf Vernehmung der behandelnden Ärzte Dr. T und Dr. F als Zeugen, auf die sich die Klägerin weiterhin beruft, sind hierfür offensichtlich ungeeignete Beweismittel, worauf bereits das Landgericht die Klägerin in der Verhandlung am 12. August 2009 (Bl. 1005 d.A.) hingewiesen hat. Die Beklagte hat den Vortrag der Klägerin zu deren Berufstätigkeit im Schriftsatz vom 05. November 2007 zumindest teilweise bestritten, indem sie auf Abweichungen zwischen den Angaben der Klägerin bei der Erstellung des berufskundlichen Berichts und deren gerichtlichem Vortrag hingewiesen und insoweit eine Klärung verlangt hat. Dieses Bestreiten führt jedoch nicht dazu, dass sich ein Berufsbild etwa schlechthin nicht feststellen ließe. Vielmehr ist die Tätigkeitsbeschreibung, welche die Beklagte in ihrer eigenen Leistungsentscheidung (Bl.911ff d.A.) aufgrund des berufskundlichen Berichts der B berücksichtigt hat, der weiteren Prüfung der Ansprüche zugrunde zu legen. Dies hat der Senat im Beweisbeschluss vom 26. Oktober 2010 (Bl. 1148f d.A.) dem Sachverständigen auch ausdrücklich für die Begutachtung vorgegeben.

Die Klägerin ist seit April 2001 an einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren sowie einer mittelschweren Depression in Form einer Dysthymie erkrankt. Diese psychische Erkrankung ist leistungsbestimmend und führt zu einer mehr als 50%igen Unfähigkeit der Klägerin, ihrem bisher ausgeübten Beruf der selbstständigen Steuerfachkraft nachzugehen.

Der Sachverständige Dr. L hat in seinem schriftlichen Gutachten sowie bei seiner mündlichen Anhörung ausgeführt, die Klägerin leide an einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren im Sinne der ICD-10 F.45.41. Bei der Einordnung der Erkrankung stütze er sich auf die im Rahmen der manual-medizinischen Untersuchung der Klägerin festgestellten Weichteil-Befunde. Letztlich handele es sich um eine Veränderung der Muskulatur, die zu Einschränkungen der Funktionen führe und Schmerzen hervorrufen könne; diese Erkrankung beruhe mithin auf einer körperlichen Ursache und sei von einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung gem. ICD-10 F. 45.40 zu unterscheiden. Eine solche Diagnose sei nur zulässig, wenn körperliche Befunde die Schmerzen nicht hinreichend erklären könnten. Bei der Klägerin seien aber körperliche Befunde im Bereich der Weichteile vorhanden, so dass die Einordnung ihrer Erkrankung als somatoforme Schmerzstörung, wie bisher erfolgt, nicht statthaft sei. Es seien von ihm deshalb keine bildgebenden Verfahren oder ein Ultraschall – wie von der Beklagten angemerkt – zur Diagnostik verwandt worden, weil diese Verfahren die Veränderungen der Muskulatur nicht darstellen könnten und daher keinen Erkenntniswert besitzen würden. Die anhand der körperlichen Untersuchung erhobenen Befunde stünden im Einklang mit den im Rahmen der EFL-Testung gewonnenen Erkenntnissen. Eine solche Testung sei Standard im Rahmen der Begutachtung und beschreibe allein die körperliche Leistungsfähigkeit. Bei der Klägerin habe diese Testung für ihren konkreten Beruf allerdings nur eine geringe Einschränkung in Bezug auf die von ihr beschriebenen Tätigkeiten des Hebens von Lasten von 15-20 kg ergeben. Ansonsten sei die Klägerin in der Lage, bei wechselnden Körperhaltungen (Sitzen, Stehen und Gehen) ihren Beruf weiter auszuüben. Jedoch habe die Klägerin im Rahmen der Testung ihre funktionelle Leistungsfähigkeit nicht erreicht, sondern sich selbst limitiert. So habe sie sich geweigert, auf eine Leiter zu steigen. Aus diesem Verhalten könne man aber entgegen der Annahme der Beklagten nicht schließen, dass die Klägerin die körperlichen Beschwerden oder Schmerzen simuliere oder dass eine Aggravation vorliege. Eine Vermeidungsstrategie hinsichtlich schmerzhafter Bewegungen sei bei Schmerzpatienten häufig zu beobachten und nachvollziehbar. Es sei vielmehr „normal, dass eine 54-jährige schmerzgeplagte Patientin nicht auf eine Leiter steigen will“ (Bl.1542 d.A.). Ein Rückschluss auf das tatsächliche Vorhandensein körperlicher Schmerzen sei aufgrund dieses Verhaltens nicht möglich. Man müsse dabei zwar auch bedenken, dass die EFL-Testungen von einem Ergotherapeuten und nicht von einem Psychiater oder Psychologen durchgeführt würden. Indes sei die Testung der Klägerin über zwei Tage hin erfolgt und über einen solch langen Zeitraum halte er eine Simulation oder erhebliche Aggravation, die nicht erkannt würde, für ausgeschlossen, da die Testung von erfahrenen Mitarbeitern begleitet werde. Ein gewisser Hang, seine Beschwerden etwas übersteigert darzustellen, sei bei Patienten, die wegen einer Begutachtung im Zusammenhang mit einer Berufsunfähigkeitsversicherung vorstellig werden, häufig erkennbar, wobei dies mit der Interessenlage erklärbar erscheine. Ein solches Verhalten könnten die Mitarbeiter aber erkennen und einordnen. Vorliegend würden die Ergebnisse der einzelnen Tests ein in sich stimmiges Ergebnis und keine Anhaltspunkte für eine Simulation oder eine erhebliche Aggravation zeigen. Letztlich entsprächen die im Rahmen seiner Begutachtung erzielten Ergebnisse auch denjenigen der bisherigen orthopädischen Sachverständigen. Zu diesem Ergebnis sei auch der von der Beklagten beauftragte Gutachter Prof. Dr. med. D gelangt, der aus orthopädischer Sicht eine Tätigkeit „im Wechselrhythmus zwischen gehender/stehender und sitzender Haltung“ (Bl.881 d.A.) empfohlen und eine Einschränkung für die konkrete Berufstätigkeit im Bereich 10 % bis 20 % angenommen habe (Bl.883 d.A). Er selbst gehe ebenfalls, bezogen auf das organische Leistungsprofil, von einer Einschränkung von 20 % bei einem 10stündigen Arbeitstag aus.

Wesentlicher sei aber, so der Sachverständige weiter, eine neben diesen Einschränkungen bestehende psychische Erkrankung der Klägerin. Die bisherige Behandlung und Begutachtung der Schmerzproblematik sei teilweise auf der Hypothese eines körperlich nicht begründbaren Schmerzes, somit einer psychiatrischen Erkrankung, etwa in Form einer somatoformen Schmerzstörung, erfolgt. Aufgrund der Ergebnisse seiner eigenen Begutachtung sowie der neuropsychologischen Zusatzbegutachtung durch Dr. L2 und der vorhandenen ärztlichen Unterlagen ergebe sich bei der Klägerin jedoch das Bild einer eigenständigen, neben der körperlich bedingten Schmerzstörung bestehenden psychischen Erkrankung. Die bei der Klägerin festgestellten psychischen Auffälligkeiten gingen über dasjenige hinaus, was im Rahmen einer somatisch begründeten Schmerzerkrankung zu erwarten sei. Es handele sich bei der bestehenden Erkrankung um eine mittelschwere Depression, wobei der Begriff Verstimmung mit dem der Depression gleichzustellen sei. Aufgrund der schon im Jahr 2008 durch den Gutachter Dr. I2 gestellten Diagnose einer mittelschweren depressiven Episode und der vorhandenen ärztlichen Befunde sowie der Schilderung der Klägerin gehe er davon aus, dass es sich nicht um einen episodenhaft auftretenden, sondern um einen andauernden Zustand handele. Daher habe er sich für die Diagnose der Dysthymie im Sinne der ICD-10 F 34 entschieden. Der entscheidende Unterschied zur Diagnose einer depressiven Episode nach ICD-10 F 33 sei die Dauer des Zustands und nicht dessen Schwere (Bl.1425 d.A.). Nach der ICD-10 handele es sich bei der Dysthymie zwar meistens um eine leichtere Depression; es sei aber nicht ausgeschlossen, wie im Streitfall, eine Depression schwereren Grades ebenfalls als Dysthymie einzuordnen. Dabei müsse berücksichtigt werden, dass die ICD-10 lediglich versuche eine Einordnung der psychischen Erkrankungen zu ermöglichen, aber stets fortgeschrieben werde. Die Schwierigkeit der Diagnose und Einordnung einer psychischen Erkrankung liege darin begründet, dass bei einer solchen nicht genau definierte Symptome aufträten und diese nicht durch objektive Befunde, etwa bildgebende Verfahren, nachzuweisen seien.

Der Sachverständige Dr. L2 hat in seinem schriftlichen neuropsychologischen Gutachten ergänzend ausgeführt, die Klägerin habe in den getesteten Aufmerksamkeitsleistungen insgesamt kein normgerechtes Ergebnis erzielt. Dabei sei in allen Testungen die Reaktionsgeschwindigkeit – zum Teil erheblich – verlangsamt gewesen und es liege eine überdurchschnittliche Schwankungsbreite der Testung vor. Im Rahmen einiger Testungen sei auch eine geringe Sorgfaltsleistung erkennbar. In den sonstigen Testungen, etwa der Untertestung der Wechsler-Gedächtnisbatterie, habe die Klägerin durchweg durchschnittliche Ergebnisse erzielt. Im Ergebnis ließen sich die erhobenen Befunde zwanglos mit der von Dr. L diagnostizierten mittelschweren Depression vereinbaren. Diese Diagnose passe auch zu seinem persönlichen Eindruck von der Klägerin, die während der Begutachtung einen depressiven, niedergeschlagenen und antriebsgeminderten Eindruck gemacht habe.

Abschließend hat der Sachverständige Dr. L2 aufgrund der durchweg unterdurchschnittlichen Aufmerksamkeits- und Konzentrationsleistung die Klägerin als für eine Bürotätigkeit nicht arbeitsfähig bewertet. Zu diesem abschließenden Ergebnis ist auch der Sachverständige Dr. L gelangt. Dieser hat dargelegt, dass allein aufgrund des psychiatrischen und psychologischen Befundes eine weitere Einschränkung der Arbeitsfähigkeit der Klägerin um 50 % auf 4 Stunden täglich bestehe. Darüber hinaus – so Dr. L weiter – seien aber auch erhebliche qualitative Einschränkungen der Arbeitstätigkeit zu berücksichtigen. Angesichts der konkreten Tätigkeit der Klägerin sei daher von einer 100-prozentigen Berufsunfähigkeit auszugehen.

Bei seiner mündlichen Anhörung hat der Sachverständige Dr. L ergänzend ausgeführt, diese Einschätzung gelte unabhängig von dem zeitlichen Anteil von anspruchsvollen Arbeitstätigkeiten. Mit einer mittelschweren Depression seien Arbeiten, die eine gewisse Zuverlässigkeit und Konzentrationsfähigkeit erfordern, nicht vereinbar. Von einer anspruchsvollen Arbeit in diesem Sinne gehe er dann aus, wenn fehlerfrei gearbeitet werden müsse (Bl.1537f d.A.).

Zu der Frage, seit wann diese Erkrankung bei der Klägerin besteht, hat der Sachverständige Dr. L erläutert, es ergäben sich insoweit erhebliche Schwierigkeiten aus dem Umstand, dass die mittelschwere Depression weder zutreffend erkannt noch ausreichend behandelt worden sei. In einer solchen Situation sei es schwierig, für die Vergangenheit verlässliche Feststellungen zu treffen. Es stünden nur wenige aussagekräftige ärztliche Beschreibungen des Zustands der Klägerin und der vorliegenden Beschwerden neben ihrer eigenen Schilderung für eine rückblickende Bewertung zur Verfügung. Anhaltspunkt sei zunächst die erste zuverlässige Beschreibung der Erkrankung vom 20. Juni 2008 durch den von der Beklagten beauftragten Privatgutachter, Priv.-Doz. Dr. med. I2, der ebenfalls von einer mittelgradigen Depression – allerdings in Form einer Episode – ausgegangen sei. Diese Beschreibung sei umfassend und schildere den psychischen Befund eindrucksvoll. In Bezug auf die Einschätzung der Berufsfähigkeit der Klägerin sei das Gutachten von Dr. I2 jedoch nicht nachvollziehbar. Dr. I2 habe bei seiner Begutachtung weder die konkrete Leistungsfähigkeit der Klägerin durch eine EFL-Testung geprüft noch einen Psychologen hinzugezogen. Er, Dr. L, gehe – wie bereits dargestellt – von einer Einschränkung der Arbeitsfähigkeit aufgrund einer mittelschweren Depression aus. Für das Jahr 2006 gebe es darüber hinaus einen Bericht des behandelnden Arztes Dr. T, in welchem von Schlafstörungen und Belastungsreaktionen die Rede sei. Bei der Gewichtung dieser Angaben sei zwar zu berücksichtigen, dass es sich um einen Allgemeinmediziner handele, jedoch habe auch der vorherige Hausarzt der Klägerin, Dr. F, in einem Schreiben vom 18. Februar 2002 unter anderem von Schlafstörungen und einer Belastungssituation berichtet (Bl.394 d.A.). Auf Nachfragen der B habe Dr. F das Bestehen der Beschwerden seit dem 02. April 2001 angegeben (Bl.397 d.A.). Diese Angaben seien wenige Monate später, am 09. August 2002, durch den Arzt für Nervenheilkunde Dr. I3 insoweit bestätigt worden, als dieser unter anderem von einem depressiven Erschöpfungssyndrom mit zunehmender chronischer Müdigkeit ausgegangen sei (Bl. 410f. d.A.). Auch wenn die medizinischen Bezeichnungen der Beschwerden und Erkrankungen der Klägerin nicht identisch seien, so ergebe sich daraus doch ein bis zu seiner Begutachtung im Wesentlichen unverändertes Krankheitsbild. Seine gutachterliche Einschätzung hänge dabei entscheidend davon ab, welche Bedeutung er den „unbeholfenen Versuchen“ der Beschreibung der Beschwerden durch die behandelnden Ärzte beimesse, wobei der gesamte Verlauf der Krankheit berücksichtigt werden müsse. Aufgrund der Tatsache, dass seit der Begutachtung durch Priv.-Doz. Dr. med. I2 die Diagnose als gesichert anzusehen und Dr. I3 ebenfalls von einem depressiven Erschöpfungssyndrom, welches mehr als nur eine leichte Depression bedeute, ausgegangen sei, komme er unter Berücksichtigung der weiteren Entwicklung der Beschwerden der Klägerin zu der Einschätzung, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit bei Beginn der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin am 02. April 2001 eine mittelschwere Depression leistungsbestimmend gewesen sei.

Die Ausführungen der Sachverständigen Dr. L und Dr. L2, insbesondere zum Vorliegen einer eigenständigen psychischen Erkrankung in Form einer Dysthymie, hält der Senat für nachvollziehbar und überzeugend. Die beiden Sachverständigen haben sich in den schriftlichen Gutachten sowie bei ihrer mündlichen Anhörung ausreichend mit den von der Beklagten sowie deren privaten Gutachtern vorgebrachten Einwendungen auseinander gesetzt und in ihrer Beurteilung berücksichtigt. Sie sind auf die Kritik der Beklagten im Einzelnen eingegangen und haben diese überzeugend entkräften können.

So hat der Sachverständige Dr. L zum Einwand der Beklagten und des Privatgutachters Prof. Dr. W, es fehle an der ausreichenden Prüfung einer Simulation oder Aggravation, zunächst umfassend dargestellt, aufgrund welcher Erkenntnisse er zu dem vorgetragenen Ergebnis gekommen sei. Er als Psychiater gelange zu der Diagnose einer psychischen Erkrankung durch Auswertung verschiedener Informationsquellen, etwa der Beschreibung durch den Patienten, vorhandener Unterlagen und eigener Untersuchungen. Die einzelnen Erkenntnisse müssten dabei nicht nur in sich stimmig, sondern auch im Einklang mit den anderen Ergebnissen stehen. Diese von ihm vorgenommene Stimmigkeitsprüfung „stimme in weitem Maße mit den Anforderungen an eine Beschwerdevalidierung überein“ (Bl.1537 d.A.). In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 15.02.2016 (Bl.1505ff, 1512ff d.A.) hat er weiter erläutert, er stimme dem Gutachter der Beklagten Prof. Dr. W darin zu, dass die Kriterien von W2 und G für die Annahme einer Simulation eine Bewertungshilfe darstellen würden. Bei Zugrundelegung dieser Kriterien gebe es vorliegend aber gerade keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine Simulation. Insbesondere gehe die von Prof. Dr. W als Anhaltspunkt angesehene fehlende Behandlung der vermeintlichen Fibromyalgie an der Sache vorbei; denn eine Fibromyalgie – diese Diagnose als zutreffend unterstellt – lasse sich nicht mit einer Psychotherapie behandeln, da diese ganz überwiegend als somatische Krankheit bewertet und daher auch als Weichteilrheumatismus bezeichnet werde. Er habe bei der Diagnose neben den Angaben der Klägerin und den Erkenntnissen aus den ärztlichen Unterlagen seine eigenen Feststellungen im Rahmen der Begutachtung berücksichtigt. So seien die Schilderungen der Klägerin zu ihrem Tagesablauf nicht alleinige Grundlage für die Feststellung eines geminderten Antriebs- und Teilnahmeverhaltens, sondern fügten sich in das Gesamtbild nahtlos ein. Die Klägerin habe ihm gegenüber einen Tagesablauf – wie er auch aktenkundig sei (Gutachten Dr. I2, Bl.898f d.A.) – geschildert, der von dem „normalen Tagesablauf im Alter der Klägerin“ (Bl.1537 d.A.) abweiche und mit der Diagnose einer mittelschweren Depression vereinbar sei. Im Rahmen dieser Stimmigkeitsprüfung komme dem klinischen Bild die entscheidende Bedeutung zu. Auf eine elektrophysiologische Diagnostik sowie ein Medikamentenscreening habe er bewusst verzichtet, da hierbei erhobene Befunde für die Beurteilung ohne Bedeutung seien. Die Einnahme von Medikamenten in der Vergangenheit könne nur sehr eingeschränkt über eine Blutuntersuchung objektiviert werden. Fehlerhafte Angaben ließen aber keinen klaren Rückschluss auf deren Motivation zu. Eine Vielzahl von Patienten, die über Jahre hin verschiedene Medikamente eingenommen hätten, könne hierzu keine verlässlichen Angaben machen, ohne sich der Fehlerhaftigkeit oder Unvollständigkeit ihrer Aussage bewusst zu sein. Die Darstellung von Veränderungen an den Weichteilen sei der von der Beklagten angesprochenen elektrophysiologischen Diagnostik nicht zugänglich.

Die Rüge der Beklagten, der Sachverständige Dr. L habe zur konkreten Tätigkeit der Klägerin eigene Erhebungen vorgenommen, ist gleichfalls unbegründet.

Dazu hat der Sachverständige ausgeführt, er habe seine Bewertung der Berufsunfähigkeit nicht auf die Angaben der Klägerin, sondern auf die Vorgaben des Senats gestützt. Die Befragung der Klägerin sei im Rahmen der Stimmigkeitsprüfung erfolgt, um die Konstanz ihrer Angaben mit den in der Akten enthaltenen Unterlagen zu vergleichen (Bl.1508 d.A.).

Auch in Bezug auf den Zeitpunkt, seit welchem von einer Berufsunfähigkeit der Klägerin auszugehen ist, sind die Gerichtsgutachten nachvollziehbar und letztlich überzeugend. Dabei verkennt der Senat nicht, dass der Sachverständige Dr. L – insbesondere bei seiner mündlichen Anhörung – deutlich zum Ausdruck gebracht hat, dass es sich um eine schwierige, nicht an objektiven Tatsachen festzumachende Ermessensentscheidung handele. Indes war der Sachverständige schon in seinem schriftlichen Erstgutachten zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin aufgrund einer mittelschweren Depression bereits seit dem 02. April 2001 nicht mehr in der Lage gewesen sei, ihre frühere Tätigkeit auszuüben, und demnach berufsunfähig sei (Bl.1265 d.A.). Er war sich bei dieser Einschätzung der Schwierigkeiten, die insbesondere mit der als wenig optimal zu beurteilenden Diagnostik und Behandlung der Klägerin in der Vergangenheit zusammenhängen, offensichtlich bewusst und hatte die sich daraus ergebenen Zweifel deutlich gemacht. Bei seiner mündlichen Anhörung hat Dr. L, hierzu wiederholt befragt, eingeräumt, dass die Beurteilung für die Vergangenheit in vorliegenden Fall sicherlich als schwierig, wenn nicht sogar „windig“ (Bl.1543 d.A.), zu bezeichnen sei. Letztlich hat er jedoch an seiner Einschätzung, auch aufgrund seiner langjährigen Erfahrung in der Behandlung von Patienten, die unter einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren leiden, festgehalten, dass die psychischen Auffälligkeiten, die Dr. F ab dem 02. April 2001 für so gravierend erachtet habe, dass er von einer Arbeitsunfähigkeit ausgegangen sei, Ausdruck einer mittelschweren Depression der Klägerin seien. In dieser Beschwerdebeschreibung sehe er den ersten belastbaren Anhaltspunkt für die eigenständige psychische Erkrankung. Die durch Dr. I3 und Dr. T erhobenen Befunde würden zu dieser Einschätzung ebenso passen wie die Angaben der Klägerin über den Verlauf ihrer Beschwerden.

Im Ergebnis schließt sich der Senat dieser Einschätzung unter Berücksichtigung der Tatsache, dass ein 100%iger Nachweis einer psychischen Erkrankung für die Vergangenheit stets mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist, an.

Die mit dem nachgelassenen Schriftsatz der Beklagten vom 11. März 2016 eingereichte Stellungnahme von Prof. phil. Dr. W steht dem nicht entgegen. Es handelt sich im Wesentlichen um eine Wiederholung von Einwänden gegen die gerichtlichen Gutachten; diese Einwände haben die Gerichtssachverständigen bereits umfassend berücksichtigt und bei ihrer mündlichen Anhörung widerlegt. Dabei ist sowohl der Anwältin der Beklagten als auch deren Berater Prof. Dr. W die Möglichkeit eingeräumt worden, weitere Fragen an die Sachverständigen zu stellen. Gründe, die eine erneute Anhörung der Sachverständigen gebieten würden, hat die Beklagte nicht dargelegt. Es besteht auch kein Anlass, ein neues Gutachten gemäß § 412 ZPO einzuholen.

cc) Ein Leistungsanspruch steht der Klägerin gleichwohl erst ab dem 01. April 2006 zu. Sie hat ihre in § 3 BB-BUZ geregelten Mitwirkungspflichten vorsätzlich bis zu diesem Zeitpunkt verletzt, so dass die Beklagte insoweit von der Leistungspflicht befreit ist.

Die Klägerin bzw. der Versicherungsnehmer U ist gemäß § 3 Nr. 1 a BB-BUZ im Rahmen der Leistungsprüfung der Beklagten nicht nur verpflichtet, die Ursache für den Eintritt der Berufsunfähigkeit darzulegen. Die Mitwirkungspflichten umfassen auch die Einreichung ausführlicher Berichte der Ärzte, welche die versicherte Person gegenwärtig behandeln oder behandelt oder untersucht haben, sowie von Unterlagen über die zuvor ausgeübte Tätigkeit der versicherten Person im Zeitpunkt des Eintritts der Berufsunfähigkeit (§ 3 Nr. 1 b, c BB-BUZ). Ferner behält sich die Beklagte in § 3 Nr. 2 BB-BUZ das Recht auf weitere ärztliche Untersuchungen sowie auf die Anforderung notwendiger Nachweise und zusätzlicher Auskünfte, auch über die wirtschaftlichen Verhältnisse und ihre Veränderungen, vor. Dazu ist die Klägerin als versicherte Person verpflichtet, entsprechende Schweigepflicht-Entbindungserklärungen zu erteilen. Dieser Verpflichtung ist die Klägerin erst mit Schreiben vom 19. April 2006 ausreichend nachgekommen, wobei ihr das Handeln des Versicherungsnehmers U zuzurechnen ist. Zwar hat sie zunächst im Rahmen der Prüfung auch mit der von der Beklagten beauftragten B zusammengearbeitet, so dass der berufskundliche Bericht vom 31. Januar 2001 (Bl. 460ff d.A.) erstellt werden konnte. Jedoch hat sie mit Schreiben vom 20. März 2001 (Bl.124 d.A.) eine zuvor erteilte Schweigepflicht-Entbindungserklärung widerrufen, der B GmbH untersagt, bei den sie behandelnden Ärzten Auskünfte einzuholen, und zu verstehen gegeben, dass sie keine Ansprüche aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung geltend mache, indem sie entsprechende Angaben der B gegenüber den Ärzten als „falsche Informationen“ bezeichnet hat. Auf das Schreiben der B vom 28. März 2001 (Bl.139 d.A.), in dem sie gebeten worden war, eine etwaige weitere Geltendmachung von Ansprüchen auf Berufsunfähigkeitsleistungen mitzuteilen und für diesen Fall die behandelnden Ärzte erneut von der Schweigepflicht zu entbinden, hat die Klägerin nicht reagiert. Der Versicherungsnehmer U seinerseits hat in einem Schreiben vom 5.4.2001 an die Beklagte lediglich erklärt, es liege „alles, was zur Auswertung und Bewertung erforderlich“ sei, vor (Bl.121 d.A.).

Die von der Beklagten beauftragte B GmbH hat sich – nach Abschluss des Rechtsstreits des Versicherungsnehmers um eine Beitragsbefreiung – zwar erst mit Schreiben vom 21. Februar 2003 wieder an die Klägerin gewandt und weitere Auskünfte sowie eine erneute Schweigepflicht- Entbindungserklärung angefordert h. Der Zeitraum der Untätigkeit der Parteien ist aber der Klägerin zuzurechnen, der es oblegen hat, die angeforderten Unterlagen beizubringen und sich gegebenenfalls bei der Beklagten oder der B nach dem Stand der Prüfung zu erkundigen. Das bloße Abwarten auf weitere Reaktionen der Beklagten stellt hingegen keine vertragsgemäße Mitwirkung dar. Entgegen der Ansicht der Klägerin schafft der Grundsatz von Treu und Glauben keine Verpflichtung der Beklagten, als Anspruchsgegnerin darauf hinzuwirken, dass der Anspruchsteller seiner Mitwirkungsobliegenheit nachkommt. Der Beklagten ist es demnach auch nicht verwehrt, sich auf die mangelnde Mitwirkung der Klägerin während der Dauer der parallel geführten Prozesse zu berufen. In jenen Verfahren waren auch keine weiteren ärztlichen Berichte oder anderweitigen Unterlagen eingereicht worden. Hinzu kommt, dass die B GmbH, die von der Beklagten in die Leistungsprüfung eingeschaltet worden war, an diesen Prozessen nicht beteiligt war.

Die B hat indes im Frühjahr 2003 die Klägerin noch mehrfach zur Abgabe einer erneuten Schweigepflicht-Entbindungserklärung sowie zur Einreichung weiterer Unterlagen im Sinne des § 3 BB-BUZ aufgefordert und auf die Mitwirkungspflichten der Klägerin hingewiesen (Bl.163f; 165f; 167f; 169f d.A.). Die X AG hat im Namen der Klägerin und des Versicherungsnehmers – erst – mit Schreiben vom 27. Juni 2003 geantwortet, in welchem das Verhalten der B GmbH beanstandet worden ist, dem jedoch weder weitere Belege noch eine Schweigepflicht-Entbindungserklärung beigefügt worden sind. Die mit Schreiben vom 21. Februar 2003 angeforderten Unterlagen – insbesondere die Steuerbescheide für die Jahre 1997 bis 1999 – sowie eine umfassende Schweigepflicht-Entbindungserklärung hat die Klägerin erst mit Schreiben ihrer ehemaligen Prozessbevollmächtigten vom 19. April 2006 vorgelegt (Bl. 231ff d.A.). Erst aufgrund dieser Unterlagen war die B imstande, die Leistungsprüfung umfassend vorzunehmen. Zwar hatte die Klägerin zuvor auch schon mehrere Schweigepflicht-Entbindungserklärungen und ärztliche Unterlagen eingereicht. Indes gibt § 3 Nr. 2 BB-BUZ dem Versicherer das Recht auf Erteilung weiterer Auskünfte, auch zu den wirtschaftlichen Verhältnisse der versicherten Person. Daher war die Beklagte berechtigt, die in den Schreiben vom 28. März 2001 und 21. Februar 2003 bezeichneten Erklärungen und Unterlagen anzufordern.

Der Klägerin war auch bewusst, dass ohne ihre Mitwirkung eine weitere Prüfung der geltend gemachten Ansprüche nicht würde erfolgen können. Dies ergibt sich nicht zuletzt aus dem Umstand, dass auch in den anderen Prozessen gegen die Beklagte die Problematik einer fehlenden Fälligkeit von Ansprüchen aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung wegen fehlenden Mitwirkung der Klägerin thematisiert worden war. Die Klägerin und der Versicherungsnehmer haben sich jedoch stets auf den Standpunkt gestellt, die Beklagte wolle die Prüfung in die Länge ziehen, und keine weiteren Unterlagen eingereicht. Die Klägerin hat damit bewusst ihre Mitwirkung verweigert, obwohl sie von der B bzw. der Beklagten wiederholt auf die Gefahr eines Verlusts ihrer Ansprüche hingewiesen worden ist.

Zwar hat die Beklagte auch nach dem Erhalt des Schreibens vom 19. April 2006 noch weitere Unterlagen von der Klägerin angefordert; die Klägerin hat diese aber jeweils zeitnah eingereicht und demzufolge ihrer Mitwirkungsobliegenheit entsprochen, so dass eine über den 19. April 2006 hinausreichende Obliegenheitsverletzung nicht angenommen werden kann.

Gemäß § 5 BB-BUZ ist die Beklagte, wenn die Mitwirkungspflicht später erfüllt wird, ab Beginn des laufenden Monats zur Leistung verpflichtet. Demnach steht der Klägerin die Berufsunfähigkeitsrente ab dem 01. April 2006 zu.

dd) Die von der Beklagten eingewandte Kündigung des Versicherungsverhältnisses mit Schreiben vom 17. September 2008 führt zu keiner weitergehenden Leistungsfreiheit, da die Berufsunfähigkeit der Klägerin schon vor diesem Zeitpunkt vorgelegen hatte.

4.

Die zuerkannten Zinsen rechtfertigen sich aus dem Gesichtspunkt des Verzugs (§ 286 Abs.1, 2 Nr.1 BGB).

5.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

6.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch bedarf es einer Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Vielmehr beruht die Entscheidung lediglich auf einer Würdigung der konkreten Umstände des vorliegenden Einzelfalls.

7.

Der Berufungsstreitwert beträgt

a) bis 19. August 2010 = 158.810,84 EUR

b) ab 20. August 2010 = 138.049,20 EUR.

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