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Berufsunfähigkeitsversicherung: Zulässigkeit eines befristeten Leistungsanerkenntnisses

LG Berlin, Az.: 23 O 87/12

Urteil vom 19.03.2014

1.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 17.380,08 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19. Juni 2012 zu zahlen.

2.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ab dem 01. Februar 2012 längstens bis zum 01. Oktober 2028 eine monatliche Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von 1.383,79 EUR zu zahlen.

3.

Die Beklagte wird schließlich verurteilt, die Klägerin ab dem 01. Februar 2012 längstens bis zum 01. Oktober 2028 von den Versicherungsbeiträgen für die Berufsunfähigkeits-Schutz-Versicherung zum Single-Tarif Nr. 200069107 freizustellen.

4.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

5.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die im März 1973 geborene Klägerin, die bei der beklagten Lebensversicherungsgesellschaft seit Oktober 2004 eine Risikolebensversicherung mit Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung unterhält, begehrt von der Beklagten die Fortentrichtung von Berufsunfähigkeitsleistungen (Rente und Beitragsbefreiung) über den 31. Januar 2011 hinaus längstens bis zum Ende der vereinbarten Leistungsdauer am 01. Oktober 2028.

Berufsunfähigkeitsversicherung: Zulässigkeit eines befristeten Leistungsanerkenntnisses
Symbolfoto: AndreyPopov/bigstock

Dem Versicherungsvertrag (vgl. Anlage K1) lagen unter anderem die aus dem Anlagenkonvolut K1 ersichtlichen Bedingungen der Beklagten für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung – Comfort Schutz (nachfolgend: BBUZ) zu Grunde, auf deren Inhalt verwiesen wird. In § 5 BBUZ heißt es unter der Überschrift „Wann geben wir eine Erklärung über unsere Leistungspflicht ab“ wörtlich:

„Nach Prüfung der uns eingereichten sowie der von uns beigezogenen Unterlagen erklären wir, ob und von welchem Zeitpunkt an wir eine Leistungspflicht anerkennen.

Während unserer Leistungsprüfung informieren wir Sie spätestens alle vier Wochen über den aktuellen Bearbeitungsstand.“

Die Klägerin war seit September 1992 als Krankenschwester der Unfallchirurgie des Caritas-Klinikums „…“ in Berlin-Pankow tätig, und zwar stets im 3-Schicht-System mit Wechsel von Tag- und Nachtschichten. Seit September 2009 allerdings war die Klägerin nahezu durchgängig arbeitsunfähig krank geschrieben, was zu einer arbeitgeberseitigen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit Wirkung zum Jahresende 2011 führte.

Im Juni 2010 beantragte die Klägerin bei der Beklagten wegen einer schweren depressiven Episode mit Angststörung die Gewährung von Berufsunfähigkeitsleistungen. Zur Prüfung ihrer Leistungspflicht ließ die Beklagte die Klägerin anschließend durch Dr. med. B. begutachten, der die Klägerin am 10. November und am 02. Dezember 2010 sowie am 31. Januar 2011 persönlich untersuchte. Zwischenzeitlich, in der Zeit vom 24. November 2010 bis zum 07. Januar 2011, unterzog sich die Klägerin einer stationären Behandlung in der psychiatrischen Abteilung des …-Klinikums.

Unter dem 12. April 2011 erstattete Dr. med. B. das aus der Anlage B1 ersichtliche psychiatrisch-psychotherapeutische Fachgutachten, auf dessen Inhalt im Einzelnen Bezug genommen wird. Dabei kam Dr. med. B. unter Zugrundelegung des aus Seite 24 seines Gutachtens ersichtlichen Tätigkeitsbildes der Klägerin zu dem Ergebnis, dass bei ihr ab September 2009 eine schwere depressive Episode mit hieraus resultierender Einschränkung der Leistungsfähigkeit vorgelegen habe, die sich aber jedenfalls bis Ende Januar 2011 so weit gebessert habe, dass nur noch von einer leichtgradigen depressiven Episode gesprochen werden könne mit der Folge, dass die Klägerin wieder in vollem Umfang als Krankenschwester einsatzfähig sein würde.

Mit Schreiben vom 27. April 2011 (Anlage K2) erkannte daraufhin die Beklagte unter Übersendung des Gutachtens Dr. med. B. gegenüber der Klägerin die Leistungspflicht für die Zeit vom 01. Oktober 2009 bis zum 31. Januar 2011 an, lehnte jedoch eine Erbringung von darüber hinausgehenden Leistungen mit der Begründung ab, dass seit dem 31. Januar 2011 keine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit mehr vorliege. Anschließend zahlte sie der Klägerin für den vorgenannten Zeitraum monatliche BU-Renten in Höhe von zuletzt 1.383,79 EUR und erstattete Beiträge in Höhe von monatlich 64,55 EUR. Ab dem 01. Februar 2011 zahlte die Klägerin die Beiträge für ein Jahr zunächst weiter.

In der Zeit vom 15. September bis zum 10. November 2011 begab sich die Klägerin in eine psychosomatische Rehabilitationsbehandlung der Reha-Klinik xxx, von wo aus sie als arbeitsunfähig entlassen wurde. Wegen der weiteren Einzelheiten des Behandlungsverlaufs wird auf den Entlassungsbericht vom 15. November 2011 (Anlage K5) verwiesen.

Die Klägerin meint, dass sie über den 31. Januar 2011 hinaus, längstens bis zum 01. Oktober 2028 Anspruch auf die vereinbarten Berufsunfähigkeitsleistungen habe. Sie behauptet mit ihrer nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe am 18. Juni 2012 zugestellten Klage, dass sie noch immer bedingungsgemäß berufsunfähig sei, weil sich ihr Zustand nicht, jedenfalls nicht wesentlich verbessert habe, und vertritt die Auffassung, dass die Beklagte nach Maßgabe des Nachprüfungsverfahrens (§ 7 BBUZ) die Beweislast dafür trage, dass sie, die Klägerin, ihre alte Tätigkeit wieder zu mehr als 50 % ausüben könne.

Die Klägerin beantragt,

1.

die Beklagte zu verurteilen, an sie 17.380,08 EUR (Monatsrenten von 1.383,79 EUR sowie Rückforderung gezahlter Beiträge von monatlich 64,55 EUR für die Zeit vom 01.02.2011 bis zum 31.01.2012) nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen,

2.

die Beklagte zu verurteilen, an sie längstens bis zum 01.10.2028 in der Zeit ab dem 01.02.2012 eine monatliche Berufsunfähigkeitsrente i.H.v. 1.383,79 EUR zu zahlen, und

3.

die Beklagte zu verurteilen, sie von den Versicherungsbeiträgen für die Berufsunfähigkeits-Schutz-Versicherung zum Single-Tarif Nr. 200069107 ab dem 01.02.2012 freizustellen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, dass die Klägerin auf Grund einer deutlichen Verbesserung ihres psychischen Zustandes seit dem 31. Januar 2011 wieder in der Lage sei, ihre Tätigkeit als Krankenschwester der Unfallchirurgie zu mehr als 50 % auszuüben und meint darüber hinaus, dass es wegen § 173 Abs. 2 VVG n.F. ohnehin Sache der Klägerin sei, die Voraussetzungen der bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit ab dem 01. Februar 2011 zu beweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Das Gericht hat auf Grund der Beschlüsse vom 08. März 2013 (Bl. 71-72 d.A.) und vom 26. Februar 2014 (Bl. 135 d.A.) Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. med. T. K. sowie durch dessen ergänzende persönliche Anhörung. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das psychiatrische Gutachten vom 05. Mai 2013, die ergänzende schriftliche Stellungnahme vom 03. Januar 2014 (Bl. 122-124 d.A.) sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 26. Februar 2014 (Bl. 135-138 d.A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe

A. Auslegung der Sachanträge

Der Antrag zu 1. ist in Anlehnung an § 288 Abs. 1 S. 2 BGB dahingehend auszulegen, dass nicht lediglich Zinsen in Höhe von fünf Prozent über dem Basiszinssatz begehrt werden, sondern in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz.

In Anbetracht der von der Klägerin im Antrag zu 2. – zutreffend – formulierten Höchstdauer der Rentenzahlungspflicht („längstens bis zum 01.10.2028“) ist auch der Antrag zu 3. mit der entsprechenden Beschränkung zu verstehen.

B. Zulässigkeit

Die Klage ist insgesamt zulässig. Im Hinblick auf die Anträge zu 2. und 3., die sich auch auf zukünftige wiederkehrende Leistungen richten, folgt das aus § 258 ZPO.

C. Begründetheit

Die Klage hat auch in der Sache in vollem Umfang Erfolg. Denn auf Grund des Anerkenntnisses vom 27. April 2011 ist die Beklagte auch über den 31. Januar 2011 hinaus verpflichtet, der Klägerin monatliche Rentenleistungen in Höhe von 1.383,79 EUR zu erbringen und sie von der Beitragszahlung zu befreien. Soweit die Klägerin für die Zeit vom 01. Februar 2011 bis zum 31. Januar 2013 Beiträge bereits entrichtet hat, sind diese gemäß § 812 Abs. 1 BGB von der Beklagten zurückzuerstatten.

Denn entgegen der Auffassung der Beklagten kann ihr Anerkenntnis vom 27. April 2011 nicht als gemäß § 173 Abs. 2 VVG n.F. befristetes Anerkenntnis angesehen werden mit der Folge, dass die Klägerin den Beweis für eine nach dem 31. Januar 2011 bestehende bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit zu führen hätte. Vielmehr handelte es sich bei dem Anerkenntnis vom 27. April 2011 um eines, das in einem Akt die Erklärung eines Anerkenntnisses und die Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens (gemäß § 7 BBUZ) umfasste. Die Beweislast dafür, dass die Klägerin ab dem 31. Januar 2011 auf Grund einer Verbesserung ihres gesundheitlichen Zustandes wieder zu mehr als 50 % in der Lage gewesen sei, ihre in gesunden Tagen ausgeübte Tätigkeit als Krankenschwester im Schichtdienst auszuüben, traf deshalb die Beklagte. Die entsprechende Beweisführung der Beklagten ist indes fehlgeschlagen, da nach den mündlichen Gutachtenergänzungen des gerichtlichen Sachverständigen im Termin vom 26. Februar 2014 feststeht, dass die Klägerin weder am 31. Januar 2011 noch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung wieder in der Lage gewesen ist, ihre alte Tätigkeit mehr als hälftig auszuüben. Deshalb bleibt die Beklagte an ihr Anerkenntnis gebunden. Im Einzelnen:

I.

§ 173 Abs. 2 VVG n.F. führt entgegen der Ansicht der Beklagten nicht dazu, dass es Sache der Klägerin wäre, die Voraussetzungen bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit ab dem 01. Februar 2011 zu beweisen.

Zwar gilt gemäß Art. 4 Abs. 3, 1 Abs. 2 EGVVG der § 173 VVG in seiner neuen Fassung auch für den hier vorliegenden Altvertrag, weil der Versicherungsfall erst im Jahr 2009 eingetreten ist.

Dennoch verhilft die Vorschrift der Beklagten nicht zu der von ihr gewünschten Beweislastverteilung, und zwar aus doppeltem Grunde:

1.

§ 173 Abs. 2 VVG n.F. führt im vorliegenden Fall nicht zur Zulässigkeit eines – einmalig – befristeten Anerkenntnisses. Denn durch die Einführung dieser Vorschrift bezweckte der Gesetzgeber keine Schlechterstellung von Versicherungsnehmern (Armbrüster, in: Prölss / Martin, VVG, 28. Aufl. 2010, Rn. 10 zu Art. 4 EGVVG), sondern lediglich eine ergänzende Regelung zu Berufsunfähigkeits(zusatz)versicherungen, deren Bedingungswerk ohnehin die zeitliche Befristung eines Leistungsanerkenntnisses vorsah. Durch § 173 Abs. 2 VVG n.F. wurde daher – entgegen der Ansicht der Beklagten – gerade kein unabhängig von Vertragswerk bestehendes selbstständiges Befristungsrecht des Versicherers begründet; vielmehr gilt die Vorschrift nur für diejenigen Verträge, deren Bedingungen eine Befristung des Anerkenntnisses schon geregelt haben (vgl. Gramse, in: Staudinger / Halm / Wendt, Fachanwaltskommentar Versicherungsrecht, 2013, Rn. 2 zu § 173 VVG; Höra, „Materielle und prozessuale Klippen in der Berufsunfähigkeits- und Krankenversicherung“, in: r+s 2008, 89, 94 r.Sp. unten; Marlow, in: Marlow / Spuhl, Das Neue VVG kompakt, 4. Aufl. 2010, Rn. 1213; a.A. Dörner, in: MünchKomm-VVG, Bd. 2, 2011, Rn. 3 zu § 173; möglicherweise auch Rixecker, in: Beckmann / Matusche-Beckmann, Versicherungsrechtshandbuch, 2. Aufl. 2009, § 46 Rn. 148).

Der zwischen den Parteien vereinbarte Versicherungsvertrag verfügt jedoch gerade nicht über eine vertragliche Bestimmung, die es der Beklagten erlauben würde, ihr Anerkenntnis zeitlich zu befristen. Denn in § 5 BBUZ war ihr nur gestattet, über das Ob des Anerkenntnisses und dessen Beginn zu befinden. Über diese Vertragslage hilft der Beklagten auch § 173 Abs. 2 VVG nicht hinweg.

2.

§ 173 Abs. 2 VVG betrifft darüber hinaus nur Befristungen, die sich in die Zukunft erstrecken, nicht aber auch in der Vergangenheit abgeschlossene Zeiträume. Denn in der Regierungsbegründung vom 20. Dezember 2006 heißt es zu § 173 VVG-E (BT-Drucks. 16/3945, S. 105 f), dass § 173 Abs. 2 VVG den Zweck habe, „in zweifelhaften Fällen bis zu einer abschließenden Klärung zunächst eine vorläufige Entscheidung zu ermöglichen.“ Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 173 Abs. 2 VVG ist damit eine in die Zukunft gerichtete Unsicherheit im Hinblick auf die Leistungspflicht. Gerade um eine derartige vorläufige Regelung bis zu einer abschließenden Klärung ging des der Beklagten aber gerade nicht: Vielmehr hatte sie ihre Leistungsprüfung am 27. April 2011 mit eindeutigem Ergebnis vollständig abgeschlossen.

II.

In dem Schreiben der Beklagten vom 27. April 2011 lag eine Kombination von Anerkenntnis und Nachprüfungsverfahren. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urt. v. 19.11.1997 – IV ZR 6/97 – VersR 1998, 173) ist es, auch wenn die Bedingungen – wie hier – ein befristetes Anerkenntnis nicht vorsehen, zulässig, dass der Versicherer Anerkenntnis- und Nachprüfungsentscheidung miteinander verbindet. Der Versicherer darf also für einen bestimmten in der Vergangenheit liegenden Zeitraum die Leistungspflicht anerkennen und gleichzeitig mitteilen, dass eine Leistungspflicht über den anerkannten Zeitraum hinaus nicht besteht. Voraussetzung hierfür ist allerdings angesichts der §§ 5, 7 BBUZ, dass der Versicherer nachvollziehbar macht, wie er trotz zunächst nachgewiesener Berufsunfähigkeit zu der Annahme gelangt ist, die Berufsunfähigkeit sei bereits wieder entfallen (BGH, a.a.O.). Damit wird vom Versicherer die Bekanntgabe der für seine Leistungsablehnung ohnehin unentbehrlichen Grundlage, nämlich der nachvollziehbaren Vergleichsbetrachtung samt dabei ausgewerteter Gutachten, gefordert. Der Versicherer muss also zunächst die formellen Voraussetzungen der Nachprüfung nach § 7 BBUZ erfüllen. Ist das der Fall, so wird er von der Wirkung seines Anerkenntnisses nur befreit, wenn auch tatsächlich sich der Gesundheitszustand der versicherten Person wieder so weit verbessert hat, dass eine Ausübung der versicherten Tätigkeit zu mehr als 50 % möglich ist.

Die Beklagte hat zwar die formellen Anforderungen des Nachprüfungsverfahrens durch ihr Schreiben vom 27. April 2011 erfüllt. Allerdings konnte sie inhaltlich nicht beweisen, dass eine zur Wiedererlangung einer mehr als hälftigen Berufsfähigkeit führende gesundheitliche Verbesserung eingetreten ist.

1.

In formeller Hinsicht genügt das Schreiben der Beklagten vom 27. April 2011 den vorstehend geschilderten Anforderungen. Denn in diesem Schreiben wird unter Beifügung des Gutachtens Dr. med. B. nachvollziehbar dargestellt, dass zunächst eine schwere depressive Episode bestanden habe, die sich bis Ende Januar 2011 zu einer nur noch leichten depressiven Episode mit nur noch geringen Restbeeinträchtigungen verbessert habe, so dass die beruflichen Teiltätigkeiten der Klägerin als Krankenschwester teils gar nicht mehr und teils nur noch zu 20 % beeinträchtigt seien. Mit diesen Informationen war die Klägerin in die Lage versetzt, die inhaltliche Richtigkeit der Behauptung der Beklagten nachzuvollziehen und das Risiko einer Prozessführung abzuschätzen, was formell ausreicht.

2.

Der Beklagten ist jedoch der Beweis für ihre Behauptung der Wiedererlangung einer mehr als nur hälftigen Erwerbsfähigkeit im bisherigen Beruf zum 31. Januar 2011 nicht geglückt.

Denn der gerichtliche Sachverständige hat seine ursprüngliche Einschätzung, die Klägerin könne ab dem 31. Januar 2011 wieder zu mehr als 50 % als Krankenschwester arbeiten, im Termin am 26. Februar 2014 aus nachvollziehbaren Gründen revidiert. Im ursprünglichen Gutachten hatte er sinngemäß zum 31. Januar 2011 eine Prognose angestellt, die er angesichts der günstigen Heilungschancen der Panikstörung durch eine noch durchzuführende Therapie als gut betrachtet hatte. Dabei hatte der Sachverständige allerdings übersehen, dass es nicht darum ging, für den 31. Januar 2011 eine in die Zukunft gerichtete Prognose anzustellen, sondern darum, festzustellen, ob es der Klägerin bereits am 31. Januar 2011 wieder möglich war, zu mehr als 50 % in ihrem bisherigen Beruf tätig zu sein. Diese – entscheidende – Frage hat der Sachverständige indes deutlich und überzeugend verneint, indem er einleuchtend ausführte, dass es der Klägerin weder zum 31. Januar 2011 noch bis heute zumutbar sei, Wechsel- und Nachtschichten durchzuführen, da dies auf Grund des erhöhten Erregungszustandes der Klägerin zu einer zu hohen Wahrscheinlichkeit des Eintritts von Panikattacken geführt hätte; dies deshalb, weil die Panikstörung noch nicht durch eine notwendige Therapie behandelt sei. Die Klägerin war damit weder zum 31. Januar 2011 noch ist sie gegenwärtig – entgegen der Behauptung der Beklagten – in der Lage, ihre zuletzt ausgeübte Tätigkeit, die gerade durch den Schichtdienst geprägt war, wieder zu mehr als 50 % auszuüben. Die Beklagte bleibt damit an ihr Anerkenntnis gebunden.

Es bestand dabei auch kein Anlass, der Beklagten auf ihren Antrag Schriftsatznachlass zum Ergebnis der Beweisaufnahme zu gewähren. Denn dass die Auswirkung der diagnostizierten Panikstörung auf die Erwerbsfähigkeit der Klägerin klärungsbedürftig war und bei der Anhörung des Sachverständigen geklärt werden würde, lag auf der Hand. Auch waren die mündlichen Ausführungen des Sachverständigen klar und verständlich, weshalb unmittelbar im Anschluss an die Beweisaufnahme eine mündliche Stellungnahme hätte erfolgen können und müssen.

III.

Schließlich beruft sich die Beklagte – in ihrem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 11. März 2014 – im Ergebnis auch zu Unrecht darauf, dass ein Versicherter, wenn er seine Krankheit durch eine einfache, gefahrlose und nicht mit besonderen Schmerzen verbundene, sichere Aussicht auf Heilung oder wesentliche Besserung versprechende Maßnahme vermeiden kann, Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung nach Treu und Glauben nicht verlangen könne, wie das Oberlandesgericht Saarbrücken (Urt. v. 23.07.2004 -5 U 683/03-64 – VersR 2005, 63) entschieden habe.

Denn erstens verweigert die Klägerin die ihr empfohlene Psychotherapie keineswegs, wie sich aus der von der Beklagten unbestritten gebliebenen Anlage K15 ergibt. Und zweitens hat die Beklagte bei ihrem rechtlichen Einwand übersehen, dass auch das Oberlandesgericht Saarbrücken die vorzitierte Rechtsprechung nur auf Fälle eines erstmaligen Leistungsbegehrens eines Versicherten bezieht, ausdrücklich nicht jedoch auf den hier gegebenen Fall des Nachprüfungsverfahrens, weil weder vertragliche noch gesetzliche Vorschriften existieren, aus denen sich eine Verpflichtung des Versicherungsnehmers zur Durchführung von Maßnahmen zum Zwecke der Beendigung des bereits eingetretenen Versicherungsfalles entnehmen ließe (vgl. OLG Saarbrücken, Beschluss v. 17.10.2006 – 5 W 258/06-78 – VersR 2007, 635).

IV.

Der Zinsanspruch aus dem Antrag zu 1. ist gemäß §§ 291, 288 Abs. 1 BGB begründet.

C.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.

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