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Berufsunfähigkeitsversicherung – Wirksamkeit der Kündigung eines Versicherungsnehmers

LG Dortmund – Az.: 2 O 410/17 – Urteil vom 25.10.2018

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der am … geborene Kläger unterhielt bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten seit dem 01.11.2002 eine dynamische Berufsunfähigkeitsversicherung. Vereinbart wurden unter anderem eine Laufzeit bis zum 01.11.2028, sowie ab 01.11.2008 eine Jahresrente in Höhe von 21.227,30 EUR und ein Monatsbeitrag nach Verrechnung der Überschussanteile in Höhe von 73,54 EUR. Grundlage waren der Versicherungsschein vom 09.10.2002 (Anlage K 1) nebst Nachtrag vom 13.09.2008 (Anlage K 2), die BUZ MACURA 2000 (Anlage K 4 oder B 2 b) und die allgemeinen Bedingungen (Anlage K 4 oder B 2 a) unter anderem mit folgenden Regelungen:

§ 1 Was ist versichert?

1.

Wird die versicherte Person während der vereinbarten Versicherungsdauer berufsunfähig (§ 2), so erbringen wir nach Maßgabe dieser Bestimmungen, je nach Vereinbarung, folgende Versicherungsleistungen:

a) Beitragsbefreiung: … .

b) Rente: … ..

c) Übergangsbeihilfe: … .

§ 2 Wann liegt Berufsunfähigkeit vor?

1.

Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn die versicherte Person sechs Monate lang ununterbrochen

a) mindestens zu dem im Versicherungsschein genannten Prozentsatz (Grad der Berufsunfähigkeit) infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, auch nach einer für Sie möglichen und zumutbaren Umorganisation Ihres Arbeitsplatzes und trotz möglicher und zumutbarer Verwendung – … . außerstande ist, Ihren Beruf auszuüben, und

b) auch tatsächlich aus Erwerbstätigkeit kein Einkommen bezog, das in etwa Ihrem bisher verfügbaren beruflichen Einkommen entspricht … .

Kündigung und Auszahlung des Rückkaufswertes

1.

Sie können eine Versicherung ganz oder teilweise schriftlich kündigen

a) jederzeit zum Schluss des laufenden Versicherungsjahres,

b) bei Vereinbarung von Ratenzahlungen ( … .) auch innerhalb des Versicherungsjahres mit einer Frist von einem Monat zum Schluss eines jeden Beitragszahlungsabschnitts, frühestens … .

9. Haben Sie die vollständige Befreiung von der Beitragszahlungspflicht beantragt, setzen wir die vereinbarte Versicherungsleistung auf die beitragsfreie Versicherungsleistung (Nr. 10) herab, wenn … .“

Mit Schreiben vom 14.03.2009 (Anlage K 14) teilte der Kläger der Beklagten Folgendes mit:

„Einschreiben Kündigung

Sehr geehrte Damen und Herren,

leider habe ich bis heute keine Bestätigung meiner Kündigung der Versicherung mit der Nummer … … von Ihnen erhalten. Deshalb nun per Einschreiben. Außerdem entziehe ich Ihnen die Einzugsermächtigung.“

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger die vereinbarte Rente in Höhe von monatlich 1.768,94 EUR und die Beitragsfreistellung für den Zeitraum ab 01.07.2014 bis 31.12.2017 bzw. 01.11.2018.

Der Kläger meint, er habe mit Schreiben vom 14.03.2009 keine Kündigung erklärt und meint hilfsweise, die Beklagte habe ihre Beratungspflicht verletzt.

Er behauptet, er habe der Beklagten mit Schreiben vom 02.02.2009 (Anlage K 12) Folgendes mitgeteilt:

„In 2002 habe ich bei der N1 meine BU Versicherung abgeschlossen … .

Aktuell lebe ich getrennt von meiner Frau und meinen 2 Kindern. Die Scheidung steht an und ich muss meine Finanzen neu ordnen, da es verständlicherweise knapp wird.

Der Beitrag für die Versicherung ist aktuell sehr hoch und ich spiele mit dem Gedanken, diesen Vertrag zu beenden.

Da ich aktuell kein Möglichkeit sehe, was ich machen kann, möchte ich den Vertrag somit zeitnah auflösen und wenn möglich Geld ausgezahlt bekommen.

Ich bitte um eine Antwort Ihrerseits und ggf. um weitere Informationen.“

Er, der Kläger, hätte die Beklagte um eine Beitragsstundung gebeten, wenn ihn die Beklagte über die Folgen der Kündigung und Alternativen der Vertragsgestaltung aufgeklärt hätte.

Er sei spätestens seit dem 26.06.2014 wegen einer dreifach kombinierten Persönlichkeitsstörung mit paranoiden, narzistischen und zwanghaften Merkmalen (ICD-10: F61.0) und rezidivierenden depressiven Störungen (ICD-10: F33.1) nicht belastbar, angespannt, extrem reizbar und aggressiv und daher außer Stande seinen Beruf als selbstständiger Unternehmensberater für Nettolohnkonzepte und als Geschäftsführer der L1 GmbH mit den auf Seite 5 bis 12 der Klage beschriebenen – streitigen – Tätigkeiten zu mehr als 50 % auszuüben. Er habe auch kein Einkommen erzielt, das seinem früheren Einkommen entsprochen habe.

Der Kläger beantragt nach teilweiser Klagerücknahme, die Beklagte zu verurteilen, an ihn, den Kläger, 74.295,48 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen und die Beklagte zu verurteilen, ihn, den Kläger, von der Verpflichtung, Beiträge aus dem Versicherungsvertrag mit der Versicherungsnummer … zu zahlen, ab dem 01.07.2014, längstens bis zum 01.11.2018 freizustellen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie beruft sich auf die Einrede der Verjährung.

Sie behauptet, sie habe das Schreiben des Klägers vom 14.03.2009, Anlage K 4, als Kündigung ausgelegt und mit Schreiben vom 26.03.2009 (Anlage B 3, Blatt 79 der Akten) auch bestätigt.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist nicht begründet.

1.

Der Kläger hat keinen versicherungsvertraglichen Anspruch auf Zahlung der streitgegenständlichen Berufsunfähigkeitsrente und Beitragsfreistellung. Er hat die unstreitige Berufsunfähigkeitsversicherung mit der Nummer … mit Schreiben vom 14.03.2009, Anlage K 14, wirksam gekündigt.

Der Kündigungsgrund ergibt sich ohne weiteres aus §§ 168, 176 VVG sowie den unstreitigen, im Tatbestand zitierten, Kündigungsregelungen in den Versicherungsbedingungen.

Ob eine Kündigungserklärung vorliegt, bestimmt sich nach den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen, also nach § 133 BGB (Prölss/Martin, VVG, 30. Aufl., § 168 Rn. 17 b). Empfangsbedürftige Willenserklärungen sind nach § 133 BGB so auszulegen, wie sie der Empfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste. Bei der Auslegung dürfen nur solche Umstände berücksichtigt werden, die bei Zugang der Erklärung dem Empfänger bekannt oder für ihn erkennbar waren (Palandt, BGB, 71. Aufl., § 133 Rn. 9).

Aus dem Schreiben vom 14.03.2009 ergibt sich für den Erklärungsempfänger, die Beklagte, unmissverständlich und eindeutig der Wille des Klägers, die Berufsunfähigkeitsversicherung zu beenden. Eine weitere Versicherung gab es nicht, so dass für den Erklärungsempfänger auch keine Zweifel bestehen konnten, welche Versicherung der Kläger beenden wollte. Das Wort „Kündigung“ wird zweimal genannt.

Unerheblich ist, ob der Kläger zuvor eine Kündigung ausgesprochen hat und ob diese Kündigung der Beklagten zugegangen ist, was streitig ist, denn der Kläger bringt zweifelsfrei zum Ausdruck, dass er die Berufsunfähigkeitsversicherung mit diesem Schreiben beenden will und keine Beiträge mehr bezahlen will.

Noch in der Klage hat der Kläger dies genauso gesehen.

Ein Umwandlungsverlangen gemäß § 165 VVG kann dem Schreiben nicht entnommen werden. Es hätte im Übrigen keine anderen Rechtswirkungen im Hinblick auf die Versicherungsleistungen wie eine Kündigung (dazu Prölss/Martin, § 165 Rn. 6, 11, 19).

Die Wirkung der Kündigung besteht in der Auflösung des Versicherungsvertrages für die Zukunft. Da die Kündigung ein Gestaltungsrecht ist (Münchener Kommentar, VVG, § 168 Rn. 42), das diese Rechtsfolge unmittelbar auslöst, kann sie nicht einseitig zurückgenommen oder widerrufen werden (VersR Hdb, 3. Aufl., § 8 Rn. 187, Palandt, vor § 104 Rn. 17, BGH, IV a ZR 76/83, Urteil vom 03.10.1984, VersR 1985, 54).

2.

Der Kläger hat gegen die Beklagte auch keinen Schadensersatzanspruch gemäß § 6 Abs. 4 VVG.

Die Beratungspflicht der Beklagten ergibt sich nicht aus dem Schreiben des Klägers vom 02.02.2009, Anlage K 12, weil der Zugang streitig ist und der Kläger keinen Beweis für den Zugang, mithin den Beratungsanlass, der Anspruchsvoraussetzung ist, angetreten hat. Ihm obliegt auch für den Beratungsanlass die Beweislast (Prölss/Martin, VVG, § 6 Rn. 65).

Nach Zugang der Kündigung mit Schreiben vom 14.03.2009, Anlage K 14, entfällt jegliche Beratungspflicht der Beklagten (Prölss/Martin, VVG, § 6 Rn. 44, OLG Frankfurt, 3 U 131/13, Urteil vom 05.03.2015, VersR 2016, 238, im Ergebnis ebenso Münchener Kommentar, VVG, § 6 Rn. 279).

Die Verletzung von Beratungspflichten nach Zugang einer eindeutigen Kündigung kann denknotwendig auch keinen Schaden, insbesondere den Verlust von versicherungsvertraglichen Ansprüchen, verursachen, weil bereits die Kündigung die Beendigung des Versicherungsvertrages unmittelbar auslöst und einseitig nicht mehr zurückgenommen oder widerrufen werden kann. Zu einem Neuabschluss oder zu Änderungen der Vertragsgestaltung (Herabsetzung der Versicherungsleistungen nebst Prämie oder Stundung) war die Beklagte aus keinem Rechtsgrund verpflichtet.

Dahinstehen kann, ob die Beklagte verpflichtet war, die Kündigung des Klägers mit Schreiben vom 14.03.2009, Anlage K 14, zu bestätigen und diese Pflicht nicht erfüllt hat, denn es ist weder ersichtlich noch vorgetragen, dass dem Kläger dadurch die streitgegenständlichen Schäden, nämlich der Verlust der versicherungsvertraglichen Ansprüche aus der Berufsunfähigkeitsversicherung Nummer … … … entstanden sind.

Wenn der Beklagten eine Pflichtverletzung zur Last fallen sollte, was nicht der Fall ist, und diese Pflichtverletzung zum Verlust der Ansprüche des Klägers aus der Berufsunfähigkeitsversicherung Nummer … …. geführt haben sollte, was nicht der Fall ist, dann greift die Verjährungseinrede der Beklagten, denn mit der Pflichtverletzung im Jahre 2009 entstand der streitgegenständliche Schadensersatzanspruch des Klägers wegen des Verlustes versicherungsvertraglicher Ansprüche aus der Berufsunfähigkeitsversicherung Nummer … …., und die Verjährungsfrist von 3 Jahren begann nach § 199 BGB Ende 2009 und endete Ende 2012, weit vor der Klageerhebung im Dezember 2017. Der Kläger hatte Kenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen, nämlich seiner Kündigungserklärung, der unterlassenen Beratung durch die Beklagte und dem Verlust des Versicherungsanspruches durch seine Kündigung/Beendigung des Versicherungsvertrages mit der Nummer … …..

Die Klage war daher mit den Kostenfolgen der §§ 91, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO abzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

 

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