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Berufsunfähigkeitsversicherung: wirksame Leistungseinstellung im Nachprüfungsverfahren

OLG Saarbrücken, Az.: 5 U 32/14, Urteil vom 07.04.2017

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 25.06.2014 – 12 O 175/10 – wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass sich die Feststellung in Ziffer 3 des Tenors des Urteils des Landgerichts Saarbrücken vom 25.06.2014 auf den Zeitraum ab März 2014 bezieht.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Dieses Urteil sowie das mit der Berufung angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 125.339,22 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente für vergangene Zeiträume sowie Feststellung der Leistungspflicht der Beklagten.

Berufsunfähigkeitsversicherung: wirksame Leistungseinstellung im Nachprüfungsverfahren
Symbolfoto: Rido81/Bigstock

Die am 15.10.1973 geborene Klägerin schloss mit der Beklagten eine Risikolebensversicherung mit Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung gemäß Versicherungsschein Nr. 1111111., die eine monatliche Rentenzahlung von zunächst 2.000,00 DM (aktuell: 1.051,16 EUR) bei einer Berufsunfähigkeit von mindestens 50% sowie eine Beitragsbefreiung im Versicherungsfall vorsah (Anlage K2). Der monatliche Beitrag betrug 23,90 EUR. Einbezogen waren die Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (Anlage K2), die in den §§ 1 und 2 B-BUZ vorsehen, dass Berufsunfähigkeit vorliegt, wenn die versicherte Person infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich dauernd zu mindestens 50% außer Stande ist, ihrem zuletzt vor Eintritt dieses Zustands ausgeübten Beruf nachzugehen. Nach § 7 B-BUZ können die Leistungen eingestellt werden, wenn eine Berufsunfähigkeit im Sinne von § 1 nicht mehr vorliegt.

Die Klägerin war vollschichtig als Röntgenassistentin in einem Krankenhaus beschäftigt. Die Tätigkeit wird abwechselnd stehend, gehend und sitzend ausgeübt.

Die Klägerin meldete im November 2004 bei der Beklagten Ansprüche wegen Berufsunfähigkeit an, weil sie infolge einer Fußverletzung ihre Tätigkeit nicht mehr ausüben könne. Mit Schreiben vom 25.08.2006 erkannte die Beklagte ihre Leistungspflicht an (Anlage K7), nachdem sie ein orthopädisches Gutachten bei Dr. Do. vom 15.08.2006 (Anlage B1) und ein Zusatzgutachten bei Dr. Fa. vom 26.06.2006 (Anlage B2) eingeholt hatte.

Mit Schreiben vom 04.07.2007 leitete die Beklagte ein Nachprüfungsverfahren ein und erklärte mit Schreiben vom 31.08.2007 (Anlage K8), dass sie ihre Leistungen zum 31.11.2007 einstellen werde, weil aufgrund der am 03.04.2007 durchgeführten Neurolyse eine deutliche Verbesserung des Gesundheitszustandes eingetreten sei.

Seit dem 01.06.2008 übt die Klägerin ihre frühere Tätigkeit wieder halbschichtig aus. Sie arbeitet im Wechsel jeweils eine Woche ganz und eine Woche überhaupt nicht.

Die Beklagte hat behauptet, durch eine Verringerung des Körpergewichtes ließen sich die Beschwerden der Klägerin wesentlich reduzieren.

Die Klägerin hat behauptet, eine Verbesserung ihres Gesundheitszustandes sei nicht eingetreten. Auch bei ihrer Halbtagstätigkeit erleide sie Schmerzen, die sie nur mit Schmerzmitteln beherrschen könne. Sie nehme Metamizol (Novalgin) 4-5 x 1mg, Cymbalta 1 x 60mg, Tramal long 2-3 x 100g und benutze während der Arbeit ein Versages-Pflaster. Trotzdem leide sie unter häufigen Kopfschmerzen. Ihre Gewichtszunahme beruhe auch auf der Einnahme der Schmerzmittel und ihrer eingeschränkten Fähigkeit, Sport zu treiben.

Die Klägerin hat mit ihrer Klage Zahlung von 78.337,00 EUR (monatliche Rente in Höhe von 1.051,16 EUR von Dezember 2007 bis Februar 2014) und 1.362,30 EUR (Beitragsrückerstattung in diesem Zeitraum) nebst Zinsen sowie die Feststellung verlangt, dass die Beklagte zur Zahlung einer monatlichen Rente von 1.051,16 EUR bis längstens zum 01.12.2029 sowie zur Beitragsfreistellung in diesem Zeitraum verpflichtet ist.

Das Landgericht hat die Klägerin zu ihrer Berufstätigkeit informatorisch angehört (Bl. 123 d.A.), ein orthopädisches Gutachten bei Dr. Wi. vom 20.02.2012 (Bl. 148 d.A.), ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten bei Dr. Ka. (Bl. 201 d.A.), ein neuroradiologisches Gutachten bei Prof. Fo. vom 05.09.2012 (Bl. 244 d.A.), ein weiteres orthopädisches Gutachten bei Prof. Dr. Ru. vom 29.04.2013 (Anlagenband) und ein nervenärztliches Gutachten bei Dr. Fi. vom 07.12.2013 (Anlagenband) eingeholt. Außerdem hat es die Sachverständigen Prof. Dr. Ru. und Dr. Fi. mündlich angehört (Bl. 513 d.A.).

Anschließend hat das Landgericht Saarbrücken durch Urteil vom 25.06.2014 – Az: 12 O 175/10 – die Beklagte antragsgemäß verurteilt, 78.337,00 EUR (monatliche Rente in Höhe von 1.051,16 EUR von Dezember 2007 bis Februar 2014) und 1.362,30 EUR (Beitragsrückerstattung in diesem Zeitraum) nebst Zinsen zu zahlen, sowie festgestellt, dass die Beklagte zur Zahlung einer monatlichen Rente von 1.051,16 EUR bis längstens zum 01.12.2029 sowie zur Beitragsfreistellung in diesem Zeitraum verpflichtet ist.

Dagegen hat die Beklagte Berufung eingelegt und beantragt, unter Änderung des Urteils des Landgerichts Saarbrücken vom 25.06.2014 – 12 O 175/10 – die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angegriffene Urteil.

Der Senat hat ein schriftliches Sachverständigengutachten bei Dr. Gl. (Universitätsklinikum Schleswig-Holstein) vom 16.06.2016 (Blatt 682 der Akten) eingeholt, den Ehemann der Klägerin, T. V., als Zeugen vernommen und die Sachverständigen Prof. Dr. Ru., Dr. Ka. und Dr. Fi. mündlich angehört (Blatt 726 der Akten)

II.

Die Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das Urteil des Landgerichts Saarbrücken beruht auf keiner Verletzung des Rechts und die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen keine andere Entscheidung.

(1.)

Die Beklagte hat ihre Leistungspflicht durch Schreiben vom 25.08.2006 uneingeschränkt anerkannt.

Das Anerkenntnis nach § 7 B-BUZ dient dazu, das gegenwärtige Vorliegen der Berufsunfähigkeit zwischen den Parteien des Versicherungsvertrages außer Streit zu stellen. Der Versicherer kann sich von der Erklärung seiner Leistungspflicht nicht mehr für die Vergangenheit, sondern nur noch für die Zukunft im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens lösen (BGH, Urt. v. 12.11.2003 – IV ZR 173/02 – VersR 2004, 96; BGH, Urt. v. 19.11.1997 – IV ZR 6/97 – VersR 1998, 173).

 

Die Beweislast für einen Wegfall der Berufsunfähigkeit der Klägerin trägt die Beklagte. Es ist Sache des Versicherers, nach Anerkennung oder Feststellung seiner Leistungspflicht im Rahmen des in § 7 B-BUZ geregelten Nachprüfungsverfahrens das Fortbestehen der Berufsunfähigkeit zu überprüfen. Macht der Versicherer geltend, der Gesundheitszustand des Versicherungsnehmers habe sich zwischenzeitlich gebessert, weshalb nicht mehr von einer Berufsunfähigkeit ausgegangen werden könne, so trifft ihn insoweit im Prozess die Darlegungs- und Beweislast (BGH, Urt. v. 17.02.1993 – IV ZR 206/91 – VersR 1993, 562).

(2.)

Gemäß § 7 Abs. 4 B-BUZ ist die Beklagte deshalb nur zu einer Leistungseinstellung berechtigt, wenn die Berufsunfähigkeit der Klägerin weggefallen ist oder sich ihr Grad auf weniger als 50 Prozent vermindert hat und die Beklagte der Klägerin hierüber Mitteilung gemacht hat. Denn der Versicherer kann nur dann wieder von seinem Anerkenntnis abrücken, wenn er in dem von ihm vorgesehenen Nachprüfungsverfahren nachweisen kann, dass sich der Gesundheitszustand des Versicherten derart gebessert hat, dass dies zu bedingungsgemäß relevanten Auswirkungen auf die beruflichen Betätigungsmöglichkeiten des Versicherten geführt hat. Die irrtümliche Beurteilung des – unverändert gebliebenen – Gesundheitszustandes und seiner Auswirkungen bei Abgabe des Leistungsanerkenntnisses kann der Versicherer im Nachprüfungsverfahren nicht rückgängig machen (BGH, Urt. v. 17.02.1993 – IV ZR 228/91 – VersR 1993, 470).

Kommt es nicht zu einer Mitteilung, wie sie die B-BUZ vorsehen, oder ist sie rechtsunwirksam, so besteht die anerkannte Leistungspflicht auch dann fort, wenn sich die maßgeblichen Umstände derart geändert haben, dass sie den Versicherer zur Leistungseinstellung berechtigt hätten (BGH, Urt. v. 17.02.1993 – IV ZR 228/91 – VersR 1993, 470; BGH, Urt. v. 12.06.1996 – IV ZR 106/95 – VersR 1996, 958).

(a)

Formale Voraussetzung der Befugnis zur Einstellung von Leistungen ist es, dass der Versicherer dem Versicherungsnehmer mitteilt, dass und aufgrund welcher Umstände die bereits anerkannte Leistungspflicht wieder enden soll. Voraussetzung der Wirksamkeit einer solchen Mitteilung ist deren Nachvollziehbarkeit, also grundsätzlich das Vorhandensein einer Begründung, aus der für den Versicherten nachvollziehbar wird, warum nach Auffassung seines Vertragspartners die anerkannte Leistungspflicht enden soll. Denn die Mitteilung soll dem obliegenheitstreuen Versicherten, der zuvor dem Versicherer für die Nachprüfung sachdienliche Auskünfte erteilt hat, die Informationen geben, die er benötigt, um sein Prozessrisiko abschätzen zu können. Sie ist für den Versicherten deshalb so bedeutsam, weil er es ist, der sich mit einer Klage gegen die durch eine Mitteilung ausgelösten Rechtsfolgen zur Wehr setzen muss (BGH, Urt. v. 03.11.1999 – IV ZR 155/98 – VersR 2000, 171; BGH, Urt. v. 02.11.2005 – IV ZR 15/05 – VersR 2006, 102).

Eine Besserung lässt sich nur feststellen aus dem Vergleich zweier verschiedener Zustände. Maßgebend im Nachprüfungsverfahren ist der Vergleich des Gesundheitszustandes, wie ihn der Versicherer seinem Anerkenntnis zugrunde gelegt hat, mit dem Gesundheitszustand des Versicherten zu einem späteren Zeitpunkt. Bloße Feststellungen zu diesem späteren Zeitpunkt sind nur ein Teil des unerlässlichen Vergleichs (BGH, Urt. v. 17.02.1993 – IV ZR 228/91 – VersR 1993, 470; BGH, Urt. v. 02.11.2005 – IV ZR 15/05 – VersR 2006, 102). Zu der erforderlichen Vergleichsbetrachtung gehören auch die aus den medizinischen Erkenntnissen gezogenen berufsbezogenen Schlussfolgerungen, die deshalb ebenfalls vergleichend darzulegen sind (BGH, Urt. v. 28.04.1999 – IV ZR 123/98 – VersR 1999, 958).

Das Mitteilungsschreiben vom 31.08.2007 (Anlage K8) genügt den Anforderungen an eine Mitteilung nach § 7 B-BUZ. Es wird die gesundheitliche Besserung auf die zwischenzeitlich durchgeführte Neurolyse und die Angaben der Klägerin gestützt, dass es nach dieser Operation zu einer Linderung der Schmerzen und Reduzierung der Schmerzmittel gekommen sei. Außerdem wird Bezug genommen auf eine Begutachtung aus dem Januar 2007 im Auftrag der Deutschen Rentenversicherung, in der die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als MTRA für möglich gehalten wird. Dies wird dem Zustand nach den Begutachtungen Mitte des Jahres 2006 gegenübergestellt, bei denen aufgrund der vorhandenen Schmerzen die frühere Tätigkeit nicht für möglich gehalten wurde.

Die Klägerin wusste demnach, von welchem Zustand die Beklagte bei ihrer Anerkennungsentscheidung im August 2006 und bei ihrer Einstellungsmitteilung im August 2007 ausging. Für die Klägerin ergab sich daraus ein ausreichendes Vergleichsbild über ihren gesundheitlichen Zustand zu diesen beiden Zeitpunkten. Der oben dargelegte Sinn der Mitteilung, das Prozessrisiko abschätzen zu können, war erreicht. Die Klägerin erkannte, dass es in einem Prozess darauf ankam, ob sich ihre Schmerzen beim Gehen, Stehen und auch beim zwischenzeitlichen Sitzen seit August 2006 so verbessert hatten, dass ihr ihre MTRA-Tätigkeit, die im Wechsel aus Gehen, Stehen und Sitzen auszuüben war, wieder zumutbar war.

(b)

Materielle Voraussetzung der Leistungseinstellung ist der Nachweis, dass sich der Gesundheitszustand des Versicherten derart gebessert hat, dass dies zu bedingungsgemäß relevanten Auswirkungen auf die beruflichen Betätigungsmöglichkeiten des Versicherten geführt hat. Voraussetzung ist also der Nachweis, dass sich die Schmerzen der Klägerin, die bei einer Belastung des linken Fußes auftreten, seit August 2006 in einem Maße gebessert haben, dass der Klägerin zeitlich mehr als 50% ihrer früheren MRTA-Tätigkeit zumutbar geworden sind.

Da nach dem oben Gesagten die irrtümliche Beurteilung des – unverändert gebliebenen – Gesundheitszustandes und seiner Auswirkungen bei Abgabe des Leistungsanerkenntnisses durch den Versicherer im Nachprüfungsverfahren nicht rückgängig gemacht werden kann, kommt es nicht auf die isolierte Frage an, ob die Klägerin seit November 2007 ihre frühere Tätigkeit ausüben kann. Deshalb kommt es auf die Behauptung der Beklagten, die Klägerin könne alleine durch eine Verringerung ihres Körpergewichtes ihre Schmerzen wesentlich reduzieren, nicht an, selbst wenn dies medizinisch nachweisbar wäre. Denn insofern ist keine Änderung der Verhältnisse seit dem Zeitpunkt des Anerkenntnisses eingetreten. Auch zu diesem Zeitpunkt hätte die Beklagte der Klägerin dieses Argument – wenn es rechtlich überhaupt zulässig ist – entgegenhalten können.

Ausgangspunkt der Vergleichsbetrachtung sind die Gutachten von Dr. Do. vom 15.08.2006 (Anlage B1) und von Dr. Fa. vom 26.06.2006 (Anlage B2).

Der Orthopäde Dr. Do. hat keine einseitige Muskelminderung festgestellt, aber eine rechts ausgeprägtere Fußsohlenbeschwielung als links. Die Klägerin hat bei der Begutachtung durch ihn Schmerzen im Bereich des medialen linken Fußgewölbes, am Innenknöchel entlang ziehend angegeben. Die Schmerzen seien brennend, pochend und träten teilweise sogar im Ruhezustand auf. Der Gutachter hat Anhaltspunkte für eine Fußsohlenproblematik gesehen und erklärt, eine Muskelminderung müsse trotz der Schmerzen nicht zwangsläufig auftreten, wenn die Klägerin auf der Fußsohlenaußenseite laufe. Er kommt zu dem Schluss, dass auf orthopädischen Gebiet eine vollständige Berufsunfähigkeit der Klägerin nicht sicher zu begründen sei, aber im Zusammenhang mit dem Gutachten von Dr. Fa.

Der Neurologe und Psychiater Dr. Fa. hat ebenfalls deutliche Anhaltspunkte für ein Laufen über den Fußaußenrand links festgestellt. Eine Berührungsempfindlichkeit der Klägerin hält er für dermaßen ausgeprägt, dass sie alleine durch eine Nervenirritation nicht erklärt werden könne. Eine Neurographie habe allerdings eine Irritation des Nervus plantaris medialis als Endast des linken Nervus tibialis an der Fußsohle gezeigt. Das war bei früheren Untersuchungen, die der Sachverständige referiert, nicht immer der Fall. Eine Serumuntersuchung habe gezeigt, dass die Klägerin das Medikament Gabapentin gegen neuropathischen Schmerz in einer therapeutisch wirksamen Dosis eingenommen habe.

Insgesamt ist der Sachverständige der Ansicht, die ursprünglich organisch vorhandene Störung (Plantarfasziitis) habe ein schwerwiegendes seelisches Leiden entwickelt, welches die Klägerin nicht per einfacher Willensentscheidung abstellen könne. Vielmehr drohe eine Chronifizierung des Störungsbildes. Ohne Psychotherapie hält der Sachverständige eine Besserungsprognose für ungünstig, den angestrebten Weg einer rein somatischen Schmerztherapie hält er für nicht zielführend.

Zusammenfassend heißt dies, organisch nachweisbare Störungen können die Schmerzproblematik nicht (sicher) erklären. Neben einem neuropathischen Schmerzgeschehen, welches die Auswirkungen für die Klägerin ebenfalls nicht erklären könne, liege der Schwerpunkt auf einem seelischen Leiden. Auf dieser Basis hat die Beklagte anerkannt.

Dass sich dieser Gesundheitszustand der Klägerin seitdem wesentlich verbessert hat, steht nach der Beweisaufnahme nicht fest.

Der Orthopäde Dr. Wi. gelangt in seinem Gutachten vom 20.02.2012 zu dem Ergebnis, dass sich der Gesundheitszustand der Klägerin aus orthopädischer Sicht nicht wesentlich geändert habe. Er betont, dass bereits die Gutachten von Dr. Do. und Dr. Fa. aus dem Jahr 2006 gezeigt hätten, dass die orthopädische Betrachtungsweise keine Einschränkung der Klägerin in ihrer letzten Tätigkeit als MRTA zu mindestens 50% begründen konnten. Zu dem – nach den Vorgutachten entscheidenden – seelischen Leiden der Klägerin konnte Dr. Wi. nichts sagen.

Dr. Ka. hat in seinem neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 09.07.2012 bei einer Neurographie keinen pathologisch reproduzierbaren Befund erkannt. Er betont, dass nach der Beschwerdeschilderung der Klägerin Schmerzen an der Fußsohle nicht mehr geschildert werden und das Tarsaltunnel-Syndrom nicht mehr feststellbar sei. Das neuropathische Schmerzgeschehen hält der Sachverständige deswegen für weitgehend rückgebildet. Er bezieht sich dabei auch auf das Gutachten von Prof. Fo. vom 05.09.2012 (Bl. 244 d.A.) und hält – wie Dr. Fa. – eine somatoforme Schmerzstörung für entscheidend.

Zu dieser Schmerzstörung äußert sich der Sachverständige Dr. Ka. in Abweichung von Dr. Fa.. Er hält eine deutliche Besserung für eingetreten, die er aus den Unterlagen der Schmerztherapie der Uni-Klinik Kiel ableitet (Arztbriefe vom 04.05.2010 und 06.06.2007). Trotz hoher VAS-Schilderung durch die Klägerin hält er eine ausreichende Schmerzdistanzierung für eingetreten. Begründet wird dies damit, dass die Klägerin unter hoher Selbstdisziplin und mäßiger und stabil eingerichteter Schmerzmedikation eine wöchentliche Arbeit in Vollschicht aufgenommen habe. Das war zum 01.06.2008 der Fall.

Diese Ausführungen genügen nicht zu dem Nachweis, dass keine Berufsunfähigkeit mehr vorliegt. Zum einen ist nicht ausreichend begründet, auf welche Weise das von Dr. Fa. diagnostizierte seelische Leiden der Klägerin, welches Ursache ihrer Schmerzen sei, verringert worden sei, obwohl die dafür für erforderlich gehaltene Psychotherapie nicht stattgefunden hat. Zum anderen bezieht sich der Sachverständige auf Arztbriefe der Schmerzambulanz des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein, die zwar eine Verbesserung der Schmerzsituation dokumentieren, aus denen sich aber ergibt, dass sich die Klägerin weiterhin regelmäßig auch im Jahr 2007 und den Folgejahren dort in Behandlung begeben hat und ständig Schmerzmittel einnahm. Außerdem ergibt sich aus diesen Arztbriefen, dass die Klägerin selbst eine mittlere Schmerzstärke von 7 bzw. 8 und eine maximale von 9 auf der Ratingskala angab (0 = kein Schmerz; 10 = maximal vorstellbarer Schmerz).

Selbst wenn sich also durch die Neurolyse im Jahr 2007 eine Verbesserung der Schmerzsymptomatik eingestellt hat, so muss beachtet werden, dass die Klägerin in dieser Zeit nicht berufstätig, sondern berentet war. Außerdem hat sie weiter an Schmerzen gelitten und ständig Medikamente eingenommen. Dies ergibt sich nicht nur aus der Vielzahl der vorhandenen Behandlungsunterlagen der Jahre ab 2004, sondern auch aus dem Gutachten der Schmerzambulanz des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein vom 16.06.2016 (Blatt 682 der Akten). Daraus ergibt sich, dass die Klägerin von Dezember 2004 bis Juni 2015 regelmäßige ambulante Behandlungen in Anspruch genommen hat (51 an der Zahl). Zusätzlich kam es in noch größerer Zahl zu Telefonkontakten, Vorstellungen beim Psychologen und in Schmerzkonferenzen. Zweifel an der Einnahme der in erheblicher Menge verordneten Schmerzmedikamente in dieser Zeit gab es aus Sicht der Schmerzambulanz nicht. Soweit Urinuntersuchungen vorgenommen wurde, wurde eine Einnahme der Medikamente bestätigt. Auch wenn die Schmerzmittel in geänderter Form, teilweise auch aus Angst vor Nebenwirkungen in reduzierter Form eingenommen wurden, so nahm die Schmerzmitteldosis z.B. von Cymbalta von Anfang 2009 bis Dezember 2013 erheblich zu. Zusammen mit der glaubhaften Aussage des Ehemannes der Klägerin, der den Eindruck vermittelte, tatsächlich Erlebtes zu bekunden, zeigt dies für den Senat ein Gesamtbild, nach dem die Klägerin auch im Jahre 2007 und den Folgejahren bis heute unter Schmerzen im linken Fuß ständig und beim Gehen und Stehen verstärkt leidet, die sie lediglich durch erhebliche Schmerzmitteleinnahme ertragen kann.

Deshalb wird durch das Gutachten von Dr. Ka. nicht bewiesen, dass die somatoforme Schmerzstörung bei der Klägerin im Jahr 2007 und den Folgejahren so weit reduziert war, dass die Klägerin bedingungsgemäß nicht mehr berufsunfähig war.

Das weitere orthopädische Sachverständigengutachten des Prof. Dr. Ru. ist nicht zielführend gewesen. Prof. Dr. Ru. legt zwar dar, dass es im Hinblick auf die Diagnose Plantarfasziitis nach objektiver Bildgebung eine wesentliche Verbesserung gegeben habe. Diese Aussage ist aber nicht entscheidend, denn wie oben dargelegt, hat bereits im Jahr 2006 für die Gutachter Dr. Do. und Dr. Fa. diese orthopädische „Beeinträchtigung“ die Schmerzproblematik der Klägerin nicht erklärt.

Außerdem hält Prof. Dr. Ru. eine weitere objektive Verbesserung für gegeben, weil Dr. Ka. – anders als Dr. Fa. – bei der Neurographie keine Anhaltspunkte für eine Schädigung des Nervus tibialis gesehen hat, was gegen neuropathische Schmerzen spreche. Unabhängig von der Frage, ob dies richtig ist, ist auch dies aber nicht maßgeblich, weil Dr. Fa. eine Neuropathie ebenfalls nicht für entscheidend gehalten, sondern vielmehr ausgeführt hat, dass Nervenschädigungen die Symptomatik bei der Klägerin nicht erklären könnten. Dies bedeutet, dass die Anerkennungsentscheidung der Beklagten gerade nicht auf der Annahme einer Neuropathie beruhte, sondern auf der Annahme einer seelischen Störung.

Im neurologisch-psychiatrischen Gutachten von Dr. Fi. vom 07.12.2013 ist ausgeführt, dass eine Neurographie des Nervus tibialis zu keiner sicheren Ableitung von Nervenaktionspotentialen geführt habe, aber ein chronisch neurogenes Schädigungsmuster im Bereich des Musculus abductor hallucis brevis erkennbar geworden sei. Dieser Muskel werde vom Nervus tibialis versorgt. Die Art der abgeleiteten Spontanaktivität lasse den Schluss auf ein chronisch neurogenes Schädigungsmuster eines motorischen Endastes der Nervus tibialis zu. Deshalb sei die Ansicht von Dr. Ka. nicht zutreffend.

Außerdem sei die Klägerin in kontinuierlicher Betreuung durch die Uni-Klinik Kiel und es erfolge eine hochdosierte analgetische und schmerzdissoziative Medikation. Die Schädigungen des Nervus tibialis führten auch sehr oft zu Beschwerden, wie die Klägerin sie beschreibe. Der Sachverständige Dr. Fi. geht damit von neuropathischen Schmerzen aus, die trotz Schmerzmitteleinnahme vorhanden seien. Folglich käme es auf ein seelisches Leiden und eine somatoforme Schmerzstörung nicht mehr an. Dr. Fi. sieht lediglich eine Chronifizierung des Schmerzerlebens.

Der Sachverständige Dr. Fi. hat in seiner mündlichen Anhörung (Bl. 513 d.A.) seine Erkenntnisse im Gegensatz zu dem Gutachten von Dr. Ka. dadurch begründet, dass er auf die von ihm durchgeführte Elektromyographie verwiesen hat. Auf die Einwände von Prof. Dr. Ru., dass die von der Klägerin angegebenen Schmerzbereiche nicht zu dem Versorgungsgebiet des Nervus tibialis passten, erklärte Dr. Fi., dass Schmerzpatienten die Schmerzbereiche häufig nicht genau abgrenzen könnten.

Auch die Anhörung der Sachverständigen Prof. Dr. Ru., Dr. Ka. und Dr. Fi. vor dem Senat hat zu keiner Überzeugung geführt, dass sich der Gesundheitszustand der Klägerin in ausreichendem Maße im Jahr 2007 oder den Folgejahren verbessert habe.

Der Sachverständige Dr. Ka. hat zwar zunächst nachvollziehbar erläutert, dass geschädigte Nerven nicht unbedingt Schmerzen verursachen müssten und es keine Korrelation zwischen Schädigung des Nervs und dem Ausmaß des Schmerzes gebe. Auch durch die Messung der Nervenleitfähigkeit könnten deshalb Schmerzen nicht gemessen werden, zumal die feinen Plantarnerven überhaupt nicht gemessen werden könnten. Dass nach Operationen an einem Nerv, hier der bei der Klägerin durchgeführten Neurolyse, Veränderungen des Nervs verbleiben, sei nichts Besonderes. Das erkläre für ihn aber nicht die von der Klägerin beklagten Schmerzen. Deshalb hat der Sachverständige erneut betont, dass sich bei der Klägerin ein neuropathischer Schmerz in eine somatoforme Schmerzstörung gewandelt habe.

Das hat der Sachverständige Dr. Fi. nach wie vor anders gesehen. Er hat dem Sachverständigen Dr. Ka. zwar Recht geben, dass durch die Messungen ein Schmerz nicht objektiviert werden könne. Allerdings ist er der Auffassung, dass die Messung an einem dem Nerv zugehörigen Muskel Hinweise auf die Schädigung des Nervs ergeben könne. Ein objektiver Rückschluss auf die Schmerzen sei dadurch in der Tat nicht möglich, allerdings bestehe ein Anhaltspunkt für eine Schmerzentstehung bei Feststellung einer Beeinträchtigung des Nervs.

 

Unabhängig davon, ob es dem Sachverständigen Dr. Ka. danach gelungen ist, mit der erforderlichen Sicherheit zu begründen, dass bei der Klägerin tatsächlich beim Gehen und Stehen kein neuropathischer Schmerz mehr auftritt, woran nach wie vor wegen der Ansicht des Sachverständigen Dr. Fi. Zweifel bestehen, sind sich jedoch alle Sachverständigen einig, dass keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Klägerin simuliert oder in erheblicher Form aggraviert. Ob die von der Klägerin empfundenen Schmerzen also neuropathisch sind – wie Dr. Fi. meint – oder somatoform – wie es Dr. Ka. für richtig hält – ist für die Frage der Berufsunfähigkeit ohne Belang. Denn es kommt nicht auf die Ursache, sondern auf die Beeinträchtigung der Klägerin an.

Allerdings beurteilen die Sachverständigen Dr. Ka. und Dr. Fi. das Ausmaß der Schmerzen unterschiedlich. Sie ziehen beide aus ihrer eigenen klinischen Untersuchung und Auswertung der Krankenunterlagen Rückschlüsse. Dies haben sie im Rahmen ihrer mündlichen Anhörung entsprechend ihrer schriftlichen Gutachten erneut erläutert. Dabei wurde deutlich, dass der Sachverständige Dr. Ka. seine Schlussfolgerung, die Klägerin sei im Jahr 2007 nicht mehr berufsunfähig gewesen, darauf stützt, dass er bei weiter vorhandenen Schmerzen eine ausreichende Schmerzdistanzierung für eingetreten hält. Auch wenn in der Tat die vom Sachverständigen Dr. Ka. herangezogenen Arztbriefe der Schmerzambulanz der Uniklinik Schleswig-Holstein im Jahr 2007 eine Besserung attestieren, so kann eine Berufsfähigkeit nicht darauf gestützt werden, dass ein Versicherungsnehmer unter hoher Selbstdisziplin (beim Aushalten von Schmerzen während seiner Berufstätigkeit) und stabil eingerichteter Schmerzmedikation seiner Tätigkeit weiter nachgehen kann.

Denn einem Versicherungsnehmer sind das ständige Ertragen von Schmerzen bei der Arbeitstätigkeit und die dauerhafte Einnahme von Schmerzmitteln in nicht unerheblicher Dosis nicht zumutbar.

Vom Versicherten kann nicht verlangt werden, dass er sich in gesundheitlicher Hinsicht überfordert. Er ist berufsunfähig, wenn die festgestellten Gesundheitsbeeinträchtigungen die Fortsetzung seiner Tätigkeit vernünftigerweise und im Rahmen der Zumutbarkeit nicht mehr gestatten (Lücke in: Prölss/Martin, VVG, 29. Aufl. 2015, § 172 Rdn. 64). Voraussichtlich dauernde erhebliche Schmerzen braucht er nicht zu ertragen (vgl. BGH, Urt. v. 27.2.1991 – IV ZR 66/90 – VersR 1991, 451; Senat, Urt. v. 28.05.2014 – 5 U 355/12 – VersR 2015, 226).

Für den Beweis der Voraussetzungen versicherungsvertraglicher Ansprüche aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung genügt es nicht, dass ein Versicherter Beschwerden behauptet. Andererseits darf aber der Umstand, dass kein allgemeines Kriterium für die Ermittlung einer von einer Vielzahl von äußeren und inneren Faktoren abhängigen Zumutbarkeitsgrenze oder zur Graduierung einer subjektiven Beschwerdeintensität existiert, nicht generell und von vornherein die Annahme einer bedingungsrelevanten Gesundheitsbeeinträchtigung hindern. Es muss also eine Gesamtbetrachtung vorgenommen werden, für welche die Glaubhaftigkeit der Angaben des Versicherungsnehmers, seine persönliche Glaubwürdigkeit und vor allem die Vereinbarkeit der subjektiv geklagten Beschwerden mit objektiven und als solchen belegbaren Begleitumständen von Bedeutung sind (Senat, Urt. v. 28.05.2014 – 5 U 355/12 – VersR 2015, 226).

Diese Gesamtbetrachtung fällt zum Nachteil der beweispflichtigen Beklagten aus. Der Senat ist nicht davon überzeugt, dass seit dem Zeitpunkt der Anerkennungsentscheidung der Beklagten hinsichtlich der Schmerzintensität bei der Klägerin eine so deutliche Verbesserung eingetreten ist, dass diese ihrer Berufstätigkeit auch nur halbschichtig ohne unzumutbare Schmerzen nachgehen kann.

 

Wie bereits ausgeführt haben alle Sachverständigen keine Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Schmerzschilderung der Klägerin geäußert. Sonstige Anhaltspunkte für Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Klägerin konnte der Senat der Akte nicht entnehmen. Ihre subjektiven Beschwerdeschilderungen zum Auftreten von Schmerzen während längerem Gehen und Stehen sind widerspruchsfrei und stehen im Einklang mit erheblichen Behandlungsversuchen und einer erheblichen Schmerzmitteleinnahme. Gerade die erhebliche Schmerzmitteleinnahme ist ein gewichtiges Indiz für die Glaubhaftigkeit der Schmerzschilderung der Klägerin, die in Sorge wegen möglicher Nebenwirkungen ist. Dies betont sie nicht nur selbst, sondern dies ergibt sich auch aus der Äußerung der Schmerzambulanz der Uniklinik Schleswig-Holstein vom 16.06.2016. Dort wird diese Furcht deutlich formuliert und mitgeteilt, dass die Klägerin ausdrücklich auf eine Medikamentenverordnung hinwirkte, um Nebenwirkungen nach Möglichkeit zu vermeiden. Dies steht im Einklang mit der glaubhaften Aussage ihres Ehemannes.

Die grundsätzliche Plausibilität der von der Klägerin beklagten Schmerzen ergibt sich aus allen Sachverständigengutachten. Soweit der Sachverständige Dr. Fi. die Schmerzsymptomatik der Klägerin nicht für außergewöhnlich hält und sogar eine Neuropathie als Ursache vermutet, versteht sich das von selbst. Aber auch die anderen Sachverständigen, die wie Dr. Fa. und später Dr. Ka. von einem Übergang in eine somatoforme Schmerzstörung ausgehen, haben dies nicht bezweifelt. Im Gegenteil hat der Sachverständige Dr. Ka. bei seiner mündlichen Anhörung vor dem Senat deutlich gemacht, dass auch aus seiner Sicht eine Schmerzstörung, wie die Klägerin sie behauptet, nichts Ungewöhnliches sei.

Dies gilt auch für das Jahr 2007, als die Beklagte im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens ihre Leistungen einstellte. Als Beweis für eine so erhebliche Verbesserung des Gesundheitszustands der Klägerin, dass keine Berufsunfähigkeit mehr vorlag, genügen die Arztbriefe der Schmerzambulanz des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein aus dem Jahr 2007 nicht. Darin ist zwar eine Verbesserung der Schmerzsituation dokumentiert. Aus ihnen ergibt sich aber auch, dass die Klägerin weiterhin regelmäßig auch im Jahr 2007 und den Folgejahren weiter in Behandlung war und ständig Schmerzmittel eingenommen hat. Außerdem ergibt sich aus diesen Arztbriefen, dass die Klägerin selbst eine mittlere Schmerzstärke von 7 bzw. 8 und eine maximale von 9 auf der Ratingskala angegeben hat (0 = kein Schmerz; 10 = maximal vorstellbarer Schmerz). Deshalb lassen auch diese nicht den Schluss zu, dass die Klägerin im Jahr 2007 ohne unzumutbare Schmerzen ihrer Berufstätigkeit wieder nachgehen konnte. Dies gilt vor allem, weil die Klägerin im Jahr 2007 berentet und ein Rückgang ihrer Schmerzen möglicherweise gerade darauf zurückzuführen war, dass sie ihre Berufstätigkeit nicht weiter ausübte und dadurch die Belastung des Fußes reduzierte. Ein weiteres Indiz dafür ist es, dass sich die Schmerzproblematik bei der Klägerin in den Folgejahren nach Aufnahme ihrer Halbtagstätigkeit im Jahr 2008 nach ihrem Vortrag und der Zeugenaussage ihres Ehemannes verstärkt hat. Dies kann auch den gutachterlichen Ausführungen der Schmerzambulanz der Uniklinik Schleswig-Holstein vom 16.06.2016 entnommen werden, nach denen die Tagesdosis von Cymbalta von 30 mg im Februar 2009 zunächst auf 60 mg und seit Dezember 2013 auf 120 mg erhöht wurde.

Das Argument der Beklagten, die Arbeitseinteilung der Klägerin zeige, dass die Klägerin tatsächlich nicht die behaupteten Schmerzen habe, ist nicht zwingend. Die Klägerin hat nachvollziehbar dargelegt, und kein Gutachter hat daran bislang Zweifel geäußert, dass sie bei jedem Gehen und Stehen Schmerzen im linken Fuß habe. Wenn diese ab einer bestimmten zeitlichen Belastung nicht mehr zunehmen, sondern einfach nur noch andauern, ist es nicht unplausibel, dass das Ertragen der Schmerzen eine Woche lang mit Schmerzmitteln und eine weitgehend schmerzfreie Woche im Wechsel für die Klägerin besser zu ertragen ist als eine durchgehend halbschichtige Tätigkeit mit ständigen Schmerzen.

Auch die Tatsache, dass am linken Bein keine Muskelminderung festzustellen ist, ist kein Argument gegen die Schmerzsymptomatik bei der Klägerin. Auch wenn der Sachverständige Prof. Dr. Ru. bei seiner mündlichen Anhörung vor dem Senat auf diesen Umstand kritisch hingewiesen hat, genügt dies nicht, trotz der sonstigen oben genannten Umstände ausreichende Zweifel an der Schilderung der Klägerin zu wecken. Der Sachverständige Dr. Fi. hat auf eine deutliche Beschwielung der Fußaußenseite hingewiesen, die aus seiner Sicht trotz nicht feststellbarer Muskelminderung für eine Mehrbelastung dieses Fußbereiches spreche. Auch der Sachverständige Dr. Ka. hat das „nur ausreichend glatte“ Gangbild der Klägerin festgestellt. Letztlich kommt hinzu, dass dieser Zustand einer fehlenden Muskelminderung schon von den Sachverständigen Dr. Do. und Dr. Fa. festgestellt worden ist und er somit bereits der Anerkenntnisentscheidung der Beklagten zugrunde lag.

Hinsichtlich der Feststellung des Sachverständigen Prof. Dr. Ru., dass die von der Klägerin bei seiner Untersuchung getragenen Einlagen gerade zu einer besonderen Belastung des Fußbereichs führten, der schmerzbelastet sein soll, gilt nichts anderes. Dieser Umstand spricht nicht entscheidend gegen die Glaubhaftigkeit der klägerischen Behauptungen. Möglicherweise ist die Klägerin hinsichtlich der benutzten Einlagen objektiv falsch beraten worden. Hinzu kommt, dass sich der Ort des Schmerzes im Bereich des linken Fußes der Klägerin bis hoch in den Unterschenkel verändert hat, wie nicht nur der Ehemann der Klägerin als Zeuge bekundet hat, sondern auch der Sachverständige Dr. Ka. betont hat.

Insgesamt zeigt sich also ein Sachverhalt, nach dem die Klägerin auch im Jahre 2007 und den Folgejahren bis heute unter Schmerzen im linken Fuß ständig und beim Gehen und Stehen verstärkt leidet, die sie lediglich durch erhebliche Schmerzmitteleinnahme ertragen kann. Angesichts der Anforderungen ihres Arbeitsplatzes ist es deshalb verständlich, dass die Schmerzen der Klägerin durch ihre Arbeitstätigkeit verstärkt werden. Dies ist der Klägerin nicht zumutbar.

Aus diesen Gründen kommt es nicht einmal mehr darauf an, ob der Klägerin die Einnahme von Schmerzmitteln zur Bewältigung ihrer Berufstätigkeit wegen vorhandener und möglicher Nebenwirkungen überhaupt zumutbar ist. In der mündlichen Anhörung vor dem Senat haben alle Sachverständigen erhebliche Nebenwirkungen der von der Klägerin eingenommenen Schmerzmittel erläutert. Auch wenn die Sachverständigen erklärt haben, dass aus medizinischer Sicht selbst eine langjährige Einnahme dieser Medikamente zur Schmerzreduzierung gut verträglich sein kann, so betonten sie zum einen die unterschiedlichen Auswirkungen bei jedem Patienten und zum anderen die Gefahr einer Leberschädigung. Wenn bei ausreichender Verträglichkeit eine Abwägung der Nachteile mit den Vorteilen der Schmerzreduzierung zum Ergebnis führt, dass der Einsatz medizinisch sinnvoll ist, bedeutet dies aber nicht, dass in der Berufsunfähigkeitsversicherung der Versicherungsnehmer erhebliche Nebenwirkungen auf sich nehmen muss, um seine Tätigkeit zu bewältigen. Es begegnet erheblichen Bedenken, kann hier aber offen bleiben, ob einem Versicherungsnehmer eine solche Medikamenteneinnahme zumutbar ist, die ausschließlich oder jedenfalls in einer deutlich erhöhten Dosis alleine durch die berufliche Tätigkeit erfordert wird.

(3.)

 

Gegen die Höhe der geltend gemachten Berufsunfähigkeitsleistungen hat die Beklagte nichts vorgebracht.

Hinsichtlich des Urteilstenors Ziffer 3 des landgerichtlichen Urteils erfolgte lediglich die Klarstellung, dass sich die Verpflichtung der Beklagten zur monatlichen Rentenzahlung über die Verurteilung hinsichtlich der rückständigen Rentenbeiträge gemäß Ziffer 1 des landgerichtlichen Urteils hinaus auf den Zeitraum ab März 2014 erstreckt.

(4.)

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen nicht zuzulassen.

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