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Berufsunfähigkeitsversicherung –  Wertausgleich bei Versorgungsausgleich

Berufsunfähigkeitsrente im Fokus: Wertausgleich und Versorgungsausgleich

Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm hat in einem Beschluss vom 12.02.2020 über einen Fall entschieden, der die Thematik des Wertausgleichs bei einem Versorgungsausgleich im Kontext einer Berufsunfähigkeitsversicherung behandelt.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 13 UF 194/19 >>>

Hintergrund des Falles

Das Amtsgericht Coesfeld hatte zuvor einen Versorgungsausgleich zwischen den beteiligten Parteien durchgeführt, nachdem die Ehe der Beteiligten im April 2019 rechtskräftig geschieden wurde. Im Zuge des Scheidungsverfahrens wurde ein Vergleich geschlossen, in dem der Antragsteller unter anderem verpflichtet wurde, der Antragsgegnerin einen monatlichen Nachscheidungsunterhalt zu zahlen. Die Antragsgegnerin leidet laut einem Gutachten an einer schweren depressiven Episode, die ihre Erwerbsfähigkeit erheblich einschränkt.

Kernproblem: Berufsunfähigkeitsrenten und deren Ausgleich

Das Amtsgericht hatte in seinem Beschluss zum Versorgungsausgleich verschiedene Anrechte beider Parteien berücksichtigt. Jedoch wurden die Berufsunfähigkeitsrenten des Antragstellers bei der A Lebensversicherung vom Wertausgleich ausgenommen. Die Antragsgegnerin legte gegen diesen Beschluss Beschwerde ein, da sie der Ansicht war, dass diese Renten im Versorgungsausgleich zu berücksichtigen seien.

Entscheidung des OLG Hamm

Das OLG Hamm hat in seiner Entscheidung klargestellt, dass die Berufsunfähigkeitsrenten des Antragstellers im Versorgungsausgleich zu berücksichtigen sind. Der Antragsteller wurde verpflichtet, der Antragsgegnerin monatlich einen Betrag von 295,09 EUR zu zahlen. Darüber hinaus wurde er angewiesen, seine Ansprüche aus den Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherungen an die Antragsgegnerin abzutreten.

Abschließende Anmerkungen

Die Entscheidung des OLG Hamm unterstreicht die Bedeutung des Versorgungsausgleichs im Kontext von Berufsunfähigkeitsrenten. Es ist von zentraler Bedeutung, dass alle relevanten Anrechte im Rahmen eines Versorgungsausgleichs berücksichtigt werden, um eine gerechte Verteilung der Ansprüche sicherzustellen.


Das vorliegende Urteil

OLG Hamm – Az.: 13 UF 194/19 – Beschluss vom 12.02.2020

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin vom 27. August 2019 wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengerichts – Coesfeld vom 1. August 2019 in seinem Ausspruch zum Versorgungsausgleich abändernd wie folgt ergänzt:

Der Antragsteller wird verpflichtet, zum Ausgleich seiner privaten Berufsunfähigkeitsrenten bei der A Lebensversicherung mit den Vertragsnummern VersNr01, VersNr02 und VersNr03 ab dem 2. April 2019 bis einschließlich März 2022 an die Antragstellerin monatlich 295,09 EUR zu zahlen.

Der Antragsteller wird weiter verpflichtet, ab Rechtskraft dieser Entscheidung bis März 2022 seine hälftigen Ansprüche aus den privaten Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherungen bei der A Lebensversicherung mit den Vertragsnummern VersNr01 und VersNr02 in Höhe von vierteljährlich je 333,62 EUR und mit der Vertragsnummer VersNr03 in Höhe von monatlich 72,68 EUR erfüllungshalber abzutreten.

Im Übrigen verbleibt es bei der Entscheidung zum Versorgungsausgleich im angefochtenen Beschluss. Die Anschlussbeschwerde des Antragstellers wird zurückgewiesen.

Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens werden nur nach einem Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens von 2.129,40 EUR erhoben. Diese tragen der Antragsteller und die Antragsgegnerin zu je ½. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf 4.258,80 EUR festgesetzt.

Gegen diesen Beschluss wird im Hinblick auf den Beginn der Zahlungspflicht die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof zugelassen.

Gründe

I

Mit Beschluss vom 1. August 2019 hat das Amtsgericht Coesfeld zwischen dem Antragsteller und der Antragsgegnerin den Versorgungsausgleich durchgeführt. Diesen hatte es zuvor aus dem Scheidungsverbund abgetrennt und mit Beschluss vom 2. April 2019 die am 00. Juli 1989 geschlossene Ehe der Beteiligten geschieden. Der Scheidungsbeschluss ist seit dem 2. April 2019 aufgrund eines beiderseitigen Rechtsmittelverzichts im Termin vom selben Tag rechtskräftig. Die Beteiligten hatten zuvor im selben Termin einen Vergleich geschlossen. Nach dem Vergleich erhält die Antragsgegnerin keinen Zugewinnausgleich und verzichtet auch auf rückständigen Trennungsunterhalt. Im Gegenzug überträgt ihr der Antragsteller seinen Miteigentumsanteil am ehelichen Haus. Zudem hat sich der Antragsteller verpflichtet, an die Antragsgegnerin ab April 2019 monatlichen Nachscheidungsunterhalt in Höhe von 397,- EUR zu zahlen, befristet bis März 2022. Zum Nachscheidungsunterhalt enthält der Vergleich keine Berechnungsgrundlagen. Im Scheidungsverbundverfahren hat das Amtsgericht im Hinblick auf den Nachscheidungsunterhalt und die behauptete Erwerbsunfähigkeit der Antragsgegnerin, welche lediglich im Umfang von vier bis sieben Wochenstunden für die B Schwimmkurse für Kinder gegeben hat, ein Gutachten des Sachverständigen C vom 12.01.2016 eingeholt. Der Sachverständige ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die Antragsgegnerin bereits seit mehreren Jahren nach einer ersten depressiven Episode im Jahr 1998 mit prolongiertem Verlauf und einer weitergehenden Verstärkung und Chronifizierung nach der Trennung im Jahr 2013 an einer schweren depressiven Episode mit einem überwiegend chronisch-rezidivierenden Verlauf (ICD 10: F 33.3) leide und ihre Erwerbsfähigkeit bis auf einen marginalen Rest aufgehoben sei. Davon sei auch zukünftig auszugehen. Eine Rente wegen Erwerbsminderung aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezieht die Antragsgegnerin nicht, weil sie die rentenrechtlichen Voraussetzungen des § 43 SGB VI (sog. „3/5-Belegung“) nicht erfüllt.

Im Beschluss zum Versorgungsausgleich hat das Amtsgericht, bezogen auf den 30.6.2014, das Anrecht des Antragstellers auf eine Beamtenversorgung bei der F mit einem Ausgleichswert von monatlich 443,56 EUR ebenso intern geteilt wie die Anrechte der Antragsgegnerin bei der DRV Bund mit einem Ausgleichswert von 6,2674 Entgeltpunkten und der Kommunalen Versorgungskasse D mit einem Ausgleichswert von 13,53 Versorgungspunkten. Hinsichtlich der Anrechte des Antragstellers auf drei befristet bis März 2022 laufende private Berufsunfähigkeitsrenten bei der A-Lebensversicherung hat das Amtsgericht vom Wertausgleich abgesehen. Nach der Auskunft der A Lebensversicherung sei das hierfür nach Eintritt des Versicherungsfalls gebildete Deckungskapital nur eine bilanzielle Größe und kein vorhandenes Anrecht im Sinne des VersAusglG. Auch ein weiteres Anrecht des Antragstellers auf eine Berufsunfähigkeitsrente bei der E Lebensversicherung hat das Amtsgericht nicht geteilt, weil diese zum 1. Oktober 2017 ausgelaufen war. Vom Ausgleich zweier weiterer privater geringwertiger Versicherungen hat das Amtsgericht gem. § 18 Abs. 1 VersAusglG abgesehen.

Gegen den am 7. August 2019 zugestellten Beschluss richtet sich die am 29. August 2019 eingegangene Beschwerde der Antragsgegnerin vom 27. August 2019. Sie hat, soweit wesentlich, folgendes geltend gemacht:

Ihr gesetzliches Rentenanrecht sei mit einem zu hohen Ausgleichswert geteilt worden. Nach der ersten Auskunft der Deutschen Rentenversicherung Bund betrage der Ausgleichswert nur 6,0886 Entgeltpunkte.

Hinsichtlich des Anrechts des Antragstellers auf eine Bundesbeamtenversorgung müsse gegebenenfalls noch eine gesetzliche Rente angerechnet werden. Außerdem habe der Versorgungsträger die Auskunft per 20.9.2016 als vorläufig bezeichnet. Daher sei eine neue Auskunft anzufordern.

Die Anrechte des Antragstellers bei der A Lebensversicherung seien entgegen der Ansicht des Amtsgerichts im Versorgungsausgleich zu berücksichtigen. Hinsichtlich der ausgelaufenen Berufsunfähigkeitsrente bei der E-Lebensversicherung sei zu prüfen, ob der Antragsteller sich das Anrecht habe auszahlen lassen.

Mit Verfügung vom 17.10.2019 hat der Berichterstatter des Senats darauf hingewiesen, dass die Berufsunfähigkeitsrenten nach § 28 VersAusglG zu teilen sein dürften. Ferner hat er darauf hingewiesen, dass das Anrecht der Antragsgegnerin bei der DRV Bund mit dem zutreffenden Wert geteilt worden sei, weil in der letzten Auskunft hierzu auch die Auswirkungen der „Mütterrente II“ berücksichtigt seien. Auch das Anrecht des Antragstellers auf eine Beamtenversorgung sei mit dem zutreffenden Wert geteilt, weil bereits im erstinstanzlichen Verfahren geklärt worden war, dass der Antragsteller in der Ehezeit keine gesetzlichen Rentenanrechte erworben hat. Die Berufsunfähigkeitsrente des Antragstellers bei der E-Lebensversicherung sei ohne Kapitalabfindung ausgelaufen und demnach zu Recht im Versorgungsausgleich nicht berücksichtigt worden.

Auf Anfrage hat die A Lebensversicherung zur Höhe der Berufsunfähigkeitsrenten folgende Auskünfte erteilt (Bl. 1801 GA):

Aus der Versicherung mit der Vers.-Nr. VersNr02 erhält der Antragsteller eine vierteljährliche Rente in Höhe von 667,23 EUR. Aus der Versicherung mit der Vers.-Nr. VersNr01 erhält der Antragsteller ebenfalls eine vierteljährliche Rente in Höhe von 667,23 EUR. Aus der Versicherung mit der Vers.-Nr. VersNr03 erhält der Antragsteller eine monatliche Rente in Höhe von 145,36 EUR.

Daraufhin sind die Beteiligten darauf hingewiesen worden, dass beabsichtigt ist, die Berufsunfähigkeitsrenten in der Weise zu teilen, dass der Antragsteller verpflichtet wird, an die Antragsgegnerin monatlich brutto 295,09 EUR zu zahlen. Die Bruttorente sei zuvor um Sozialversicherungsbeiträge oder vergleichbare Aufwendungen zu teilen (§ 20 Abs. 1 S. 2 VersAusglG).

Die Antragsgegnerin hat ihre Beschwerde hinsichtlich ihres Anrechts bei der DRV Bund und des Anrechts des Antragstellers bei F zurückgenommen (Bl. 1809 GA). Sie hat sinngemäß beantragt,

den Antragsteller zu verpflichten, an sie die Ausgleichswerte der Versicherung des Antragstellers bei der A Lebensversicherung AG mit den Ziffern VersNr01, VersNr02 und VersNr03 an die Antragsgegnerin zu zahlen.

Zusätzlich hat sie beantragt, den Antragsteller zu verpflichten, seine Leistungsansprüche gegen die A Lebensversicherung mit den Vertragsnummern VersNr01, VersNr02 und VersNr03 für die Zeit ab Rechtskraft der Scheidung in Höhe der auszugleichenden Beträge an die Antragsgegnerin abzutreten.

Der Antragsteller hat beantragt, die Anträge der Ehefrau aus dem Schriftsatz vom 25.11.2019 zurückzuweisen.

Er behauptet, die Rentenleistungen seien bei der Unterhaltsberechnung berücksichtigt worden. Das zeige sich unter anderem daran, dass der nacheheliche Unterhalt bis März 2022 befristet sei. Zu diesem Zeitpunkt liefen auch die Berufsunfähigkeitsrenten aus. Es sei daher grob unbillig, die Renten auch im Versorgungsausgleich zu teilen. Dem ist die Antragsgegnerin entgegengetreten; der Unterhalt sei ohne Berücksichtigung der Berufsunfähigkeitsrenten berechnet worden. Es sei vom Familiengericht angesprochen worden, aber offen und ungeklärt geblieben, ob die Rentenzahlungen der A-Versicherung unterhaltsrechtlich oder versorgungsausgleichsrechtlich zu berücksichtigen sein.

Mit Schriftsatz vom 13. Januar 2020 hat der Antragsteller Anschlussbeschwerde eingelegt. Er beantragt, den Beschluss des Amtsgerichts Coesfeld zum Versorgungsausgleich insoweit abzuändern, dass die zugunsten des Ehemannes sich ergebenden Anrechte der Ehefrau bei der Deutschen Rentenversicherung auf sein Rentenkonto bei der F, G, Fachbereich Versorgung H, Personal-Nr. PersNr01, gutgeschrieben werden.

Zur Begründung hat er ausgeführt, er habe die für eine Rentenzahlung erforderlichen Wartezeiten bei der Deutschen Rentenversicherung nicht erfüllt.

Mit Beschluss vom 14. Januar 2020 hat der Senat darauf hingewiesen, dass er neben der bereits angekündigten Entscheidung über die Anrechte des Antragstellers bei der A-Versicherung nach den Regeln über den Wertausgleich nach der Scheidung beabsichtigt, die Anschlussbeschwerde des Antragstellers zurückzuweisen. Hinsichtlich der Begründung wird auf die Gründe des Senatsbeschlusses (Bl. 1849f. GA) Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 29. Januar 2020 hat die Deutsche Rentenversicherung Bund darauf hingewiesen, dass der Antragsteller durch die interne Teilung der gesetzlichen Rentenanrechte der Antragsgegnerin 201 Wartezeitmonate und damit aus insgesamt 224 Wartezeitmonaten die allgemeine Wartezeit für eine gesetzliche Rente von 5 Jahren mit Beitragszeiten und Ersatzzeiten für die Regelaltersrente erfülle.

II

Die zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Antragsgegnerin ist, soweit sie nicht zurückgenommen worden ist, begründet. Die Anschlussbeschwerde des Antragstellers ist unbegründet.

1. Für die im Rahmen der Beschwerde nur noch gegenständlichen Ansprüche des Antragsgegners auf private Berufsunfähigkeitsrenten findet ein Versorgungsausgleich gem. § 28 VersAusglG statt. Der Wertausgleich ist auch unabhängig von einem gestellten Antrag durchzuführen (vgl. Wick, Versorgungsausgleich, 4. Aufl., Rn. 701). Der Ausgleich setzt voraus, dass der Versicherungsfall in der Ehezeit eingetreten ist und die ausgleichsberechtigte Person am Ende der Ehezeit eine laufende Versorgung wegen Invalidität bezieht oder die gesundheitlichen Voraussetzungen dafür erfüllt.

So liegt der Fall hier. Die Berufsunfähigkeitsrenten des Antragstellers werden aufgrund eines anerkannten Leistungsfalls im März 2002 vom Versorgungsträger geleistet (Bl. 1799 GA). Dieser Zeitpunkt fällt in die Ehezeit, die im Juli 1989 begonnen hat. Die Renten laufen unstreitig im März 2022 aus.

a) Nach dem vom Familiengericht eingeholten Gutachten des Sachverständigen C vom 16. Januar 2016 geht der Senat davon aus, dass die Antragsgegnerin seit dem Ehezeitende, dem 30. Juni 2014, die gesundheitlichen Voraussetzungen einer Invaliditätsrente erfüllt. Insoweit hat der Sachverständige ausgeführt, dass die Antragsgegnerin durch mehrere schicksalhafte Erlebnisse bereits erheblich vorbelastet war und sich ihre depressive Erkrankung mit der Trennung im Jahr 2013 weiter verstärkt und chronifiziert hat, so dass ihre Erwerbsfähigkeit zum Zeitpunkt der Erstellung des Gutachtens am 16. Januar 2016 bereits seit mehreren Jahren weitgehend aufgehoben war. Danach erfüllt die Antragsgegnerin seit dem Ehezeitende zumindest die gesundheitlichen Voraussetzungen einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 1 SGB VI, da sie weniger als sechs Stunden täglich arbeiten kann. Das reicht für den Anspruch nach § 28 VersAusglG bereits aus (vgl. OLG Karlsruhe, FamRZ 2016, 984, Rn. 51 mwN – zitiert nach juris).

b) Der Ausgleich hat durch Zahlung einer schuldrechtlichen Ausgleichsrente zu erfolgen. Aufgrund der Tatsache, dass Anknüpfungspunkt für den Ausgleich der Eintritt des Versicherungsfalls ist, gilt das Anrecht als in vollem Umfang in der Ehezeit erworben (§ 28 Abs. 2 VersAusglG). Die Berechnung des Ausgleichsbetrags erfolgt daher auf der Grundlage der tatsächlich gezahlten Rente in zuletzt gezahlter Höhe (§ 5 Abs. 4 S. 2 VersAusglG). Die Hälfte davon steht dem Berechtigten als Ausgleichsrente zu. Unerheblich ist, wann die Versicherung abgeschlossen worden ist, wie viele Beiträge gezahlt worden sind und wann innerhalb der Ehezeit der Versicherungsfall eingetreten ist (OLG Karlsruhe, aaO, Rn. 52).

c) Gemäß § 20 Abs. 1 Satz 2 VersAusglG sind die auf den Ausgleichswert entfallenden Sozialversicherungsbeiträge oder vergleichbaren Aufwendungen vom Bruttobetrag der Ausgleichsrente abzuziehen. Die Ausgleichsrente beläuft sich auf den hälftigen Wertunterschied nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge und Aufwendungen. Unter die Aufwendungen fallen auch die Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung. Der Antragsteller hat allerdings zu den auf die Ausgleichsrente entfallenden Sozialversicherungsbeiträgen oder vergleichbaren Aufwendungen, obwohl ihm hierzu Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben ist, keinerlei Ausführungen gemacht. Es konnten daher auch keine Abzüge berücksichtigt werden.

d) Nach §§ 28 Abs. 3, 21 VersAusglG kann der Ausgleichsberechtigte in Höhe der Ausgleichsrente Abtretung des Anspruchs des Ausgleichspflichtigen gegen die Versicherung verlangen (OLG Karlsruhe, aaO, Rn. 52 mwN). Das betrifft aber weder rückständige Ansprüche (§ 21 Abs. 2 VersAusglG), noch können bereits erfüllte Rentenzahlungsansprüche abgetreten werden, weil diese bereits durch Erfüllung erloschen sind (vgl. OLG Hamm, FamRZ 2008, 898, 900). Die Verpflichtung zur Abtretung der Ansprüche des Antragstellers gegen die A Lebensversicherung kann daher erst für die Zeit ab Rechtskraft dieser Entscheidung ausgesprochen werden (OLG Karlsruhe, aaO, Rn. 58f.). Die Abtretung wirkt nur erfüllungshalber (BGH FamRZ 2007, 2055, 2057), weswegen der Anspruch neben den Zahlungsanspruch tritt.

e) Die Höhe des Ausgleichsanspruchs errechnet sich aus der monatsdurchschnittlichen Höhe der Gesamtrente wie folgt:

Versicherungsnummer

Betrag

monatlich

VersNr01

vierteljährlich

667,23 EUR

222,41 EUR

VersNr02

vierteljährlich

667,23 EUR

222,41 EUR

VersNr03

monatlich

145,36 EUR

145,36 EUR

Gesamtbetrag:

590,18 EUR

davon die Hälfte: 295,09 EUR

Hinzu tritt der von der Antragsgegnerin geltend gemachte Anspruch auf Abtretung der Zahlungsansprüche gegen den Versorgungsträger, welcher sich auf den je hälftigen Betrag der geschuldeten Rentenzahlungen beläuft.

Danach kann die Antragsgegnerin vom Antragsteller ab Rechtskraft dieser Entscheidung die Abtretung der vierteljährlichen Leistungen aus den Anrechten mit den Nummern VersNr01 und VersNr02 in Höhe von je 333,62 EUR und der monatlichen Leistungen aus dem Anrecht mit der Versicherungsnummer VersNr03 in Höhe von 72,68 EUR verlangen.

f) Für den Beginn des Ausgleichsanspruchs kommen grundsätzlich drei Zeitpunkte in Frage: das Ehezeitende selbst, der Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung und der Zeitpunkt der Rechtskraft der Entscheidung über den Versorgungsausgleich (Wertausgleich bei der Scheidung).

aa) Gegen einen Beginn der Ausgleichspflicht bereits ab dem Ehezeitende spricht, dass das Gesetz nicht anordnet, dass die Entscheidung zum Versorgungsausgleich im Ausgangsverfahren bereits auf das Ehezeitende zurückwirkt (in diesem Sinne noch z.B. BGH FamRZ 2011, 1785ff.; FamRZ 2013, 773, 775; FamRZ 2015, 313 Rn. 13 – zitiert nach juris). Zwar scheint die gesetzliche Regelung des § 5 Abs. 2 S. 1 VersAusglG eine solche gewollte Rückwirkung zunächst nahezulegen, wenn dort bestimmt wird, dass Anrechte auf das Ehezeitende zu berechnen sind. Für laufende Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung regelt § 101 Abs. 3 SGB VI dagegen im Ausgangsverfahren, dass die Wirkung des Versorgungsausgleichs erst mit dessen Rechtskraft eintritt. Auch der Bundesgerichtshof geht inzwischen nicht mehr automatisch von einer Rückwirkung der Entscheidung zum Wertausgleich bei der Scheidung auf das Ehezeitende aus (vgl. BGH FamRZ 2017, 1655ff., Rn. 18ff. – zitiert nach juris). Anders ist dies im Abänderungsverfahren nach § 51 VersAusglG oder § 225 FamFG. Dort wird der Zeitpunkt des Wirkungseintritts der Abänderungsentscheidung auf den Monatsersten nach Antragseingang festgelegt (§ 226 Abs. 4 FamFG, § 52 Abs. 1 VersAusglG). Hierbei handelt es sich zum Zeitpunkt der Entscheidung um einen zurückwirkenden Zeitpunkt. Hierauf nimmt auch § 101 Abs. 3 S. 3 SGB VI für das Abänderungsverfahren Bezug. Aus dem Fehlen einer solchen Regelung für das Ausgangsverfahren wird zu schlussfolgern sein, dass die Wirkungen der Entscheidung zum Wertausgleich bei der Scheidung – zumindest auf laufende Renten – grundsätzlich nicht bereits rückwirkend zum Ehezeitende eintreten.

bb) Das könnte dafür sprechen anzunehmen, dass die Wirkungen der Entscheidung über den Wertausgleich bei der Scheidung, soweit sie laufende Renten betreffen, erst mit Rechtskraft der Entscheidung eintreten, wie das im Falle laufender Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung in § 101 Abs. 3 SGB VI auch ausdrücklich geregelt ist. In ähnlicher Weise hat der Bundesgerichtshof die Teilung von Anrechten, aus denen zum Ehezeitende oder zumindest vor der Erstentscheidung über den Versorgungsausgleich bereits laufende Rentenleistungen gezahlt werden, auf Kapitalbasis geregelt. Er hat insoweit allerdings eine Benachteiligung der ausgleichsberechtigten Person durch den Wertverlust des Anrechts angenommen, welche gegebenenfalls über die Anwendung des § 27 VersAusglG zu kompensieren sei (vgl. BGH FamRZ 2016, 775, FamRZ 2016, 2000).

cc) Nach Ansicht des Senats folgt allerdings aus den gem. § 28 VersAusglG anzuwendenden Regelungen über den Wertausgleich nach der Scheidung (§§ 20-22 VersAusglG) und aus § 137 Abs. 2 S. 2 FamFG, dass maßgeblicher Zeitpunkt für den Beginn der Ausgleichspflicht im Fall des § 28 VersAusglG die Rechtskraft der Scheidung sein muss. Denn der Wertausgleich ist als Wertausgleich bei der Scheidung, aber nach den Regeln des Wertausgleichs nach der Scheidung durchzuführen. Die Durchführung des Wertausgleichs nach § 28 VersAusglG ist nicht vom Stellen eines entsprechenden Antrags abhängig (§ 137 Abs. 2 S. 2 FamFG). Daraus folgt, dass der Antrag als gestellt gelten muss. Auf die Geltendmachung des Anspruchs gem. § 20 Abs. 3 VersAusglG kann es danach nicht ankommen. Die Wirkungen eines Wertausgleichs nach der Scheidung können aber andererseits frühestens ab deren Rechtskraft eintreten. Danach ist nach Ansicht des Senats die Rechtskraft der Scheidung der zugleich früheste und späteste Zeitpunkt, ab dem die Ausgleichsrente verlangt werden kann (ebenso offenbar auch OLG Karlsruhe, FamRZ 2016, 984).

g) Im Hinblick darauf, dass die Leistungen aus den auszugleichenden Anrechten unstreitig im März 2022 enden, war der Ausgleichsanspruch auf diesen Zeitpunkt zu befristen.

h) Eine Verrechnung rückständiger Ausgleichsrentenansprüche mit etwaigem bereits gezahlten nachehelichen Unterhalt kommt grundsätzlich in Betracht (vgl. BGH FamRZ 2014, 1529, 1533, Rn. 36 – juris; OLG Frankfurt, FamRZ 2016, 57). Hat der an sich unterhaltsberechtigte Ehegatte gegen seinen geschiedenen Ehegatten einen Anspruch auf schuldrechtlichen Versorgungsausgleich, so mindert die Zahlung der Ausgleichsrente die Leistungsfähigkeit des Ausgleichspflichtigen sowie die Bedürftigkeit des Ausgleichsberechtigten mit der Folge, dass ein Unterhaltsanspruch nicht mehr oder nur in verminderter Höhe besteht. Hat der Ausgleichspflichtige nach Fälligkeit des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs dennoch Unterhalt gezahlt, kann er in Ansehung der Ausgleichsrente nach Abänderung des Unterhaltstitels zu viel geleisteten Unterhalt nach Bereicherungsrecht zurückfordern. Insoweit erscheint es regelmäßig unbillig, ihn auf einen Bereicherungsanspruch zu verweisen, den er erst nach erfolgreichem Abänderungsantrag realisieren kann. Der Ausgleichspflichtige müsste in diesem Fall zunächst die rückständige Ausgleichsrente in voller Höhe leisten, obwohl er keine Gewissheit hätte, seine Ansprüche auf Rückzahlung des zu viel gezahlten Unterhalts auch später durchsetzen zu können. Auf diese Weise bestünde die Gefahr, dass der Ausgleichspflichtige insoweit, als die Zahlung der Ausgleichsrente die Unterhaltspflicht entfallen lässt, im Ergebnis doppelt belastet wird, während der Ausgleichsberechtigte doppelte Leistungen erhält. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs (FamRZ 2014, 1529, Rn. 35f. – juris) steht dem Ausgleichspflichtigen daher zur Vermeidung dieses treuwidrigen Ergebnisses nach Zahlung der rückständigen Ausgleichsrente ein aus Treu und Glauben folgender Anspruch auf Erstattung eines Teils der gezahlten Rente zu, dessen Höhe sich danach bemisst, inwieweit sich der Unterhaltsanspruch ermäßigt hätte, wenn die Rente schon während des fraglichen Zeitraums gezahlt worden wäre. Da der Ausgleichspflichtige demnach die auf die rückständige Rente zu erbringenden Zahlungen in der fraglichen Höhe sofort nach Zahlung zurückfordern könnte, kann er in Höhe des zu viel geleisteten Unterhalts dem Anspruch der ausgleichsberechtigten Person den Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegenhalten.

Die Berücksichtigung eines solchen Einwandes setzt jedoch voraus, dass berechenbar ist, inwieweit bei Berücksichtigung des Ausgleichsanspruchs ein zu hoher Unterhaltsbetrag gezahlt worden ist. Das ist im vorliegenden Fall deshalb nicht möglich, weil die Unterhaltszahlung auf einem Vergleich des Antragstellers und der Antragsgegnerin beruht, welcher keine Berechnungsgrundlage enthält und die beteiligten Ehegatten darüber streiten, ob und inwieweit die Berufsunfähigkeitsrenten der Unterhaltsberechnung überhaupt zugrunde gelegen haben. Hinzu kommt, dass etwaige Zuvielzahlungen des Antragstellers für diesen nicht verloren sind, da die Antragsgegnerin Alleineigentümerin der ehelichen Immobilie ist, welche dem Antragsteller für den etwaigen Regress wegen überzahlten Unterhalts zur Verfügung steht. Unter diesen gegebenen Umständen kommt eine Verrechnung aus Sicht des Senats weder in Betracht, noch ist sie geboten. Vielmehr ist zu berücksichtigen, dass ein Unterhaltsvergleich wegen Fehlens/Wegfall der Geschäftsgrundlage gem. § 239 FamFG auch rückwirkend abgeändert werden kann. Erst wenn die Höhe der Abänderung feststeht, ist auch eine Verrechnung mit der Verpflichtung zur Zahlung rückständiger Rentenbeträge möglich. Unter den gegebenen Umständen nimmt der Senat von der vom Antragsteller vorgeschlagenen Anberaumung eines Verhandlungstermins Abstand, auch mit Rücksicht darauf, dass unterschiedliche Verfahrensregelungen für das Versorgungsausgleichsverfahren einerseits und für das Unterhaltsabänderungsverfahren andererseits gelten. Die Abänderung des Unterhaltsvergleichs muss daher einem gem. § 113 Abs. 1 FamFG weitgehend den Regeln der Zivilprozessordnung folgenden Streitverfahren vorbehalten bleiben.

2. Die Anschlussbeschwerde des Antragstellers ist unbegründet. Soweit der Antragsteller darauf rekurriert, er könne durch die beabsichtigte Vorgehensweise bei der internen Teilung des Anrechts der Antragsgegnerin aus der gesetzlichen Rentenversicherung mangels Erfüllung von Wartezeiten keine Ansprüche erwerben, ist diese Ansicht unzutreffend. Die allgemeine Wartezeit beträgt fünf Jahre (§ 50 SGB VI). Durch den Versorgungsausgleich werden Wartezeiten gem. § 52 Abs. 1 S. 1 SGB VIO erworben, indem die erworbenen Entgeltpunkte durch 0,0313 geteilt werden. Der Antragsteller erwirbt durch den Versorgungsausgleich 6,2674 Entgeltpunkte. Die Deutsche Rentenversicherung Bund hat die Ausführungen des Senats bestätigt, wonach der Antragsteller allein durch den Versorgungsausgleich 201 Wartezeitmonate erwirbt. Schon damit erfüllt er die Wartezeit von fünf Jahren.

3. Die Nebenentscheidungen folgen aus § 81 FamFG und den §§ 20, 50 Abs. 1 FamGKG. Insoweit ist der Senat von einem Wert von 10% des Wertes für das Scheidungsverfahren für jedes betroffene Anrecht ausgegangen. Zwar verweist § 28 VersAusglG für die Teilung der Berufsunfähigkeitsversicherungen auf die Regeln zum Wertausgleich nach der Scheidung. Gegen den Ansatz eines Wertes von 20% für jedes Anrecht spricht hier jedoch, dass die Durchführung des Wertausgleichs im Wertausgleich bei der Scheidung erfolgt und die Gründe für den höheren Wertansatz beim Wertausgleich nach der Scheidung, nämlich eine vermutete größere zeitliche Distanz zum Ausgangsverfahren mit entsprechender Erschwernis für die Sachaufklärung, hier nicht vorliegen. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde beruht darauf, dass die Rechtssache in Bezug auf die Frage, wann der Anspruch auf eine schuldrechtliche Ausgleichsrente beginnt, grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 70 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FamFG).

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