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Berufsunfähigkeitsversicherung – Verweisung Heizungsmonteur auf Tätigkeit als technischer Zeichner

OLG Oldenburg – Az.: 1 U 15/20 – Beschluss vom 11.05.2020

Die Berufung des Klägers gegen das am 18.10.2019 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Streitwert wird für die Berufungsinstanz festgesetzt auf 39.981,00 €.

Gründe

I.

Der Kläger, der ursprünglich als Heizungsmonteur tätig gewesen ist, unterhält bei der Beklagten eine Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung. Die Beklagte hatte zunächst ihre Leistungspflicht anerkannt, den Kläger dann aber mit einem Schreiben vom 24.11.2016 (Bl. 52 Anlagenband) auf seine nunmehr – nach erfolgter Umschulung – ausgeübte Tätigkeit als technischer Zeichner verwiesen. Sie hat mit Wirkung zum 01.01.2017 die Leistungen eingestellt. Die Parteien streiten darüber, ob diese Verweisung wirksam ist oder ob die Beklagte weiterhin verpflichtet ist, Berufsunfähigkeitsrente an den Kläger zu zahlen und ihn von der Pflicht, Versicherungsbeiträge zu zahlen, freizustellen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 18.10.2019 Bezug genommen (§ 522 Abs. 2 S. 4 ZPO).

Mit diesem Urteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe den Kläger zu Recht auf seine konkret ausgeübte Tätigkeit als technischer Zeichner verwiesen. Die Änderungsmitteilung vom 24.11.2016 sei formell wirksam. Die Voraussetzungen für einen nachträglichen Entfall der Leistungspflicht seien gegeben. Eine Vergleichbarkeit der Lebensstellung scheitere hier nicht daran, dass dem Beruf des Heizungsmonteurs eine höhere Wertschätzung zukäme als dem als technischer Zeichner. Ein sozialer Abstieg bestehe nicht. Auch die Einkommensverhältnisse seien gleichwertig. Vor dem Eintritt der Berufsunfähigkeit habe der Kläger ein durchschnittliches Einkommen von 3.168,91 € erzielt. In seiner Tätigkeit als technischer Zeichner beziehe er ein Grundgehalt von 3.284,19 €. Eine Fortschreibung des ursprünglichen Gehalts habe nicht zu erfolgen.

Dagegen richtet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er seine erstinstanzlichen Klageziele weiterverfolgt. Er rügt, das Landgericht habe verkannt, dass nach der maßgeblichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Ausnahmen von dem Grundsatz, dass keine Lohnfortschreibung zu erfolgen habe, zu machen seien. Eine solche Ausnahme sei hier angesichts des Zeitraums zwischen dem Eintritt des Versicherungsfalls und der auf die Verweisung gestützten Leistungseinstellung von sechs Jahren zu machen. Außerdem habe sich das Gehaltsniveau auf dem Gebiet des Handwerks im Vergleich zu einer Lohnfortschreibung über den Verbraucherpreisindex positiver entwickelt.

Darüber hinaus habe das Landgericht sich nicht mit dem Vortrag des Klägers zu den über einen Gehaltsvergleich hinausgehenden Faktoren auseinandergesetzt, mithin nicht die hier erforderliche Gesamtbetrachtung vorgenommen. So habe sich das gesellschaftliche Ansehen gerade in Bezug auf das Handwerk erheblich verbessert. Nicht unberücksichtigt bleiben dürfe auch, dass der Kläger in einer Kleinstadt lebe, wo die Wertschätzung für das Handwerk grundsätzlich höher einzustufen sei als in Großstädten. Außerdem sei der Kläger Heizungsmonteur mit Meistertitel und gegenüber Mitarbeitern weisungsbefugt gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 13.11.2019 sowie auf den Schriftsatz vom 21.04.2020 Bezug genommen.

Er beantragt,

1. unter Abänderung des am 18.10.2019 verkündeten, am 21.10.2019 zugestellten Urteils des Landgerichts Osnabrück (Az.: 9 O 2125/18) festzustellen, dass die Leistungspflicht der Beklagten aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung unter der Versicherungsnummer (…) und unter der Versicherungsnummer (…) unverändert fortbesteht und nicht aufgrund des Schreibens der Beklagten vom 24.11.2016 wegen der von der Beklagten behaupteten Tätigkeit zu seiner vorherigen Tätigkeit als Heizungsmonteurmeister erloschen ist,

2. festzustellen, dass der Kläger nicht verpflichtet ist, ab dem 01.01.2017 Beiträge zu den bei der Beklagten bestehenden Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung mit der Versicherungsnummer (…) und der Versicherungsnummer (…) zu zahlen,

3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger monatlich ab dem 01. März 2017 eine Berufsunfähigkeitsrente unter der Versicherungsnummer (…) in Höhe von 607,51 € und eine Berufsunfähigkeitsrente unter der Versicherungsnummer (…) nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz jeweils fällig zum 1. eines jeweiligen Monats im Voraus zu zahlen,

4. festzustellen, dass die Versicherungsbeträge der bei der Beklagten bestehenden Berufsunfähigkeitsversicherung unter der Versicherungsnummer (…) und unter der Versicherungsnummer (…) zu Beginn eines jeden Versicherungsjahrs im selben Verhältnis steigt, indem sich der Höchstbetrag zur gesetzlichen Rentenversicherung für Angestellte erhöht, mindestens um 5 % des Vorjahresbetrages und mindestens um 30,00 € pro Jahr, freizustellen,

5. die Beklagte zu verurteilen, ihn von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren seiner Prozessbevollmächtigten nach dem Gegenstandswert, den das Gericht als Streitwert feststellt, freizustellen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

II.

Der Senat weist die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO durch einstimmig gefassten Beschluss zurück, weil sie offensichtlich unbegründet ist. Zur Begründung dieser Entscheidung wird auf den Hinweisbeschluss vom 27.02.2020 Bezug genommen (§ 522 Abs. 2 S. 3 ZPO). An der in diesem Beschluss dargestellten Beurteilung der Sach- und Rechtslage hält der Senat nach nochmaliger Prüfung uneingeschränkt fest. Die Stellungnahme des Klägers vom 21.04.2020 rechtfertigt keine abweichende rechtliche Bewertung.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist der Senat nicht der Auffassung, es sei unbeachtlich, ob der Kläger in seinem ursprünglich ausgeübten Beruf Ausbildungsaufgaben wahrgenommen und gegenüber anderen Mitarbeitern Weisungsbefugnisse gehabt habe. Wie bereits in dem Beschluss vom 27.02.2020 ausgeführt worden ist, kommt diesem Umstand hier indes keine entscheidende Bedeutung zu, weil sich aus dem Vortrag des Klägers nicht ergibt, dass dieser Umstand seine Lebensstellung geprägt hätte. Konkreter Vortrag des Klägers hierzu ist auch in dem Schriftsatz vom 21.04.2020 nicht erfolgt. Es lässt sich deshalb auch nicht argumentieren, die nunmehr ausgeübte Tätigkeit des Klägers bleibe wegen der fehlenden Ausbildungs- und Leitungsfunktion im Sinne einer Unterforderung hinter seinem ursprünglichen Beruf zurück und entspreche deshalb nicht im Sinne des § 2 Abs. 2 BBUZ seiner Erfahrung.

Die Auffassung des Klägers, gerade in ländlich geprägten Gebieten seien die dem Handwerk zuzuordnenden Berufsgruppen höher einzustufen als die schlichte Tätigkeit als technischer Zeichner, ist durch nichts belegt. Wieso sich ein solches Stufenverhältnis ergeben sollte, erschließt sich dem Senat weiterhin nicht.

Der Einwand des Klägers, hier müsse ausnahmsweise die Gehaltsentwicklung berücksichtigt werden, weil diese im Baugewerbe im Vergleich zum Verbraucherpreisindex deutlich positiver gewesen sei, verfängt ebenfalls nicht. Bei dem hier vorzunehmenden Einkommensvergleich kommt es entscheidend auf die Sicherstellung der individuellen bisherigen Lebensumstände an. Die Berufsunfähigkeitsversicherung sichert dagegen nicht die künftige Verbesserung dieser Lebensumstände (BGH, Urteil vom 26.06.2019 – IV ZR 19/18 –, Rn. 29, juris). Maßgeblich ist also die Lebensstellung, die der Kläger bei Eintritt der Berufsunfähigkeit innehatte und nicht die soziale, insbesondere durch die Einkommensverhältnisse geprägte Stellung, die er ohne den Eintritt der Berufsunfähigkeit hätte erwerben können. Es bleibt deshalb hier bei der Anwendung des Grundsatzes, dass dem Vergleich allein das vor der Geltendmachung der Berufsunfähigkeit tatsächlich erzielte Einkommen zugrunde zu legen ist (BGH, Urteil vom 26.06.2019 – IV ZR 19/18 –, Rn. 27f, juris).

Wie der Senat bereits in dem Beschluss vom 27.02.2020 dargelegt hat, verdient der Kläger in seinem neuen Beruf mehr als in seiner ursprünglichen Tätigkeit. An den absoluten Zahlen ändert entgegen der Auffassung des Klägers auch der Umstand nichts, dass der faktische Einkommenszuwachs die Inflation in den Jahren 2010 bis 2016 nicht ausgleichen mag.

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen hinsichtlich der Kosten auf § 97 Abs. 1 ZPO und hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

IV.

Der Streitwert ist für das Berufungsverfahren gemäß §§ 48 Abs. 1 S. 1, 47 Abs. 1 S. 1, 43 Abs. 1 GKG, 3, 9 S. 1 ZPO auf 39.981,00 € festzusetzen.

Hiervon entfallen 3.764,40 € auf den Antrag zu 2), mit dem die Feststellung begehrt wird, dass der Kläger nicht verpflichtet ist, ab dem 01.01.2017 Versicherungsbeiträge an die Beklagte zu zahlen. Maßgeblich ist insoweit der 3,5-jährige Jahresbezug (§ 9 S. 1 ZPO). Die Prämien betragen 64,47 € und 47,03 €. Von dem sich so ergebenden Betrag von 4.683,00 € ist ein Abschlag von 20 % vorzunehmen, da insoweit keine Leistungs-, sondern eine Feststellungsklage erhoben wurde.

Der Streitwert für den Klageantrag zu 3) beträgt 36.132,60 €. Dies entspricht dem 3,5-fachen Jahresbetrag der Renten in Höhe von monatlich 607,51 € und 252,79 €, deren Zahlung der Kläger begehrt.

Auf den Antrag zu 4) entfallen 84,00 €. Dies entspricht dem 3,5-fachen jährlichen Mindesterhöhungsbetrag, welchen der Kläger geltend macht, wobei auch hier ein Abschlag von 20 % vorzunehmen ist, weil dieser Antrag nicht auf eine Leistung, sondern auf eine Feststellung gerichtet ist.

Der Klageantrag zu 5) findet keine Berücksichtigung bei der Streitwertfestsetzung, denn er betrifft eine Nebenforderung im Sinne des § 43 Abs. 1 GKG.

Auch der Klageantrag zu 1) ist nicht mit einem eigenen Wert zu berücksichtigen. Entgegen der Auffassung, die das Landgericht in dem Beschluss vom 18.10.2019 geäußert hat, ergibt sich aus dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 06.10.2011 (IV ZR 183/10) nichts anderes. Demnach ist für den Feststellungsantrag auf Fortbestehen des Versicherungsvertrages, der neben der Leistungsklage geltend gemacht wird, ein Betrag von 20 % der 3,5-fachen Jahresbeträge von Rentenleistung und Versicherungsprämie zusätzlich zu berücksichtigen.

Ein solcher Antrag wird hier indes nicht gestellt. Der Feststellungsantrag zu 1) zielt vielmehr darauf ab, dass infolge des Anerkenntnisses der Beklagten die Leistungspflicht weiter fortbesteht und insbesondere nicht durch die konkrete Verweisung erloschen ist. Der Bestand des Vertragsverhältnisses an sich ist damit nicht Gegenstand der Feststellungsklage. Neben den Klageanträgen zu 2) und 3) kommt dem Antrag zu 1) somit keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung zu.

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