OLG Rostock – Az.: 5 W 179/09 – Beschluss vom 15.04.2010
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 16.12.2009 gegen den Beschluss des Landgerichts Neubrandenburg vom 11.11.2009, Az.: 2 O 184/09, wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens; außergerichtlichen Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Der Antragsteller beabsichtigt, die Anspruchsgegnerin, die in F. geschäftsansässig ist, aus einer zu seinen Gunsten seit dem 01.03.2001 bestehenden Berufsunfähigkeitsversicherung vor dem Landgericht Neubrandenburg in Anspruch zu nehmen. Bedingungsgemäße Berufungsunfähigkeit soll nach seinem Vorbringen seit November 2008 eingetreten sein.
Die Anspruchsgegnerin hat mit Schreiben vom 23.12.2008 erklärt, vom Versicherungsvertrag zurückzutreten, und den Leistungsantrag des Antragstellers abgelehnt. Zugleich hat sie den Versicherungsvertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten.
Im vorliegenden Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren hat die Anspruchsgegnerin die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Neubrandenburg gerügt.
Das Landgericht hat mit Beschluss vom 11.11.2009 den Antrag des Antragstellers, ihm für die beabsichtigte Klage Prozesskostenhilfe zu bewilligen, mangels hinreichender Erfolgsaussicht abgelehnt. Es hält die Klage für unzulässig, da die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Neubrandenburg nicht gegeben sei. Zudem würden sich aus dem Vorbringen des Antragstellers auch ausreichende Anhaltspunkte für Arglist ergeben.
Der gegen diese Entscheidung eingelegten sofortigen Beschwerde des Antragstellers vom 16.12.2009 hat das Landgericht gemäß Beschluss vom 18.12.2009 nicht abgeholfen.
II .
Die zulässige sofortige Beschwerde des Antragstellers hat in der Sache keinen Erfolg. Zwar ist für die beabsichtigte Klage der Gerichtsstand des Landgerichts Neubrandenburg begründet (1.). Die Anspruchsgegnerin ist jedoch zur Leistung aus der mit dem Antragsteller geschlossenen Berufsunfähigkeitsversicherung nicht verpflichtet (2.).
1. Das Landgericht Neubrandenburg ist für die beabsichtigte Klage gem. § 215 VVG n.F. örtlich zuständig.
Die Frage, ob diese Vorschrift bei Altverträgen für Versicherungsfälle anwendbar ist, die bis 31.12.2008 eingetreten sind, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Nach einer Ansicht, die die Anwendbarkeit des § 215 VVG n.F. ab dem 01.01.2008 bejaht, soll sich die Übergangsvorschrift des Art. 1 Abs. 1 und 2 EGVVG allein auf die Abwicklung des Versicherungsfalles durch den Versicherer beziehen, für die Frage der Geltung des § 215 VVG hingegen keine Bedeutung zukommen. Eine andere Auffassung vertritt den Standpunkt, dass sämtliche Vorschriften des VVG a. F. in den Fällen des Eintritts des Versicherungsfalles bis zum 31.12.2008 begrenzt fortgelten und daher § 215 VVG n.F bei Altverträgen bis zum 31.12.2008 keine Anwendung findet. Das OLG Hamburg vertritt die differenzierte Ansicht, dass § 215 VVG n.F. für ab dem 01.01.2009 erhobene Klagen anwendbar ist, auch wenn der Versicherungsfall bis Ende 2008 eingetreten ist (zum Meinungsstreit vgl. OLG Köln, Beschluss vom 09.06.2009, 9 W 36/09, NJW-RR 2009, 1543 mit zahlreichen Nachweisen) .
Der Senat, der sich der letztgenannten Auffassung anschließt, hält eine einschränkende Auslegung von Art. 1 Abs. 2 EGVVG für zulässig und geboten, § 215 VVG also seit dem Jahr 2009 für ausnahmslos anwendbar. Nach Art. 1 Abs. 2 EGVVG ist das (alte) Versicherungsvertragsgesetz unbefristet insoweit weiter anzuwenden, als bei Altverträgen, ein Versicherungsfall bis zum 31. Dezember 2008 eingetreten ist. Bereits der Wortlaut dieser Vorschrift („Versicherungsfall“ und „insoweit“) spricht dafür, dass sie sich allein auf die Abwicklung des Versicherungsfalles durch den Versicherer beziehen soll. Da aber die Rechte und Pflichten der Parteien aus dem Versicherungsfall durch die Änderung der Gerichtsstandsregelung nicht berührt werden, kommt der Übergangsvorschrift des Art. 1 Abs. 2 EGVVG für die Frage der Geltung des § 215 VVG n.F. keine Bedeutung zu. Auch der Regelungszusammenhang von Art. 215 Abs. 1 und Abs. 2 EGVVG legt diese einschränkende Auslegung von Abs. 2 nahe. Während die Grundnorm des Absatzes 1 die befristete Anwendbarkeit des VVG a.F. für sämtliche bis zum 31.12.2007 entstandenen „Versicherungsverhältnisse“ bis zum 31.12.2008 anordnet, unterstellt Absatz 2 für Altverträge lediglich die materiell-rechtliche Beurteilung und Abwicklung von bis zum 31.12.2008 eingetretenen „Versicherungsfällen“ dem VVG a.F.. Letztlich hat der Gesetzgeber mit der Regelung des Art. 1 Abs. 2 EGVVG lediglich eine in Ansehung von Altverträgen und der generellen Regelung in Abs. 1 als verfassungsrechtlich problematisch bezeichnete Rückwirkung auf die wechselseitigen Rechte und Pflichten und Obliegenheiten der Vertragsparteien vermeiden wollen, soweit es laufende, bis zum 31.12.2008 eingetretene Schadensfälle betrifft (vgl. Begr. RegE, BT-Drucks. 16/3945, S. 118) . Derartige Bedenken gibt es im Hinblick auf § 215 VVG, wendet man diese Vorschrift seit dem 01.01.2009 uneingeschränkt an, schon wegen der für die Versicherer in jedem Fall ausreichenden Übergangsfrist von einem Jahr nicht (so auch OLG Dresden, Beschl.v. 10.11.2009, 3 AR 81/09, zitiert nach juris) .
2. Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht jedoch ein hinreichende Erfolgsaussicht der beabsichtigten Klage verneint, weil auch nach dem Vorbringen des Antragstellers davon auszugehen ist, dass die Anspruchsgegnerin den dem mit dem Antragsteller geschlossenen Berufsunfähigkeitsversicherungsvertrag mit ihrem Schreiben vom 23.12.2008 wirksam angefochten hat.
Der Antragsteller räumt ein, bei der Beantragung des Vertrages über die Berufsunfähigkeitsversicherung am 16.02.2001 die Frage nach erlittenen Unfallverletzungen in Absprache mit seinem Versicherungsmakler bewusst falsch beantwortet zu haben, indem er eine beidseitige Fersenbeinfraktur, die er sich bei einem Unfall Ende Juli 1996 zugezogen hat, nicht angegeben hat. Da aufgrund dieser Verletzung eine berufliche Umorientierung erforderlich war, konnte und musste er davon ausgehen, dass die Angabe der Verletzung gegenüber dem Versicherer für den Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung von erheblicher Bedeutung ist. Auch als versicherungsrechtlicher Laie musste dem Antragsteller klar sein, dass die Anspruchsgegnerin den Versicherungsschutz nur dann einschränken und Leistungen aus der begehrten Berufsunfähigkeit wegen des beidseitigen Fersenbeinbruchs aus dem versicherten Risiko herausnehmen kann, wenn ihr diese Unfallverletzung bekannt ist. Dass und aus welchen Gründen er dennoch den Gefahrenumstand verschwiegen hat, trägt er nicht vor. Es ist auch aus Sicht des Senats nicht auszuschließen, dass der Antragsteller und der von ihm eingeschaltete Makler befürchteten, dass der Versicherungsvertrag bei wahrheitsgemäßer Beantwortung der Frage nicht zu Stande kommen könnte. Für die Annahme arglistigen Handelns spricht auch, dass der Antragsteller in dem Antragsformular die Frage nach dem Hausarzt ungefragt mit dem Zusatz „I/2001 Erkältung o.B.“ versehen und mit diesem Hinweis auf eine vergleichsweise harmlose und ausgeheilte Erkrankung bei der Anspruchsgegnerin den Eindruck erweckt hat, dass seine Angaben vollständig sind. Schließlich kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass der sich seinerzeit wegen des Fersenbeinbruchs in einer Umschulung zum Groß- und Außenhandelskaufmann befindliche Antragsteller die Frage im Antragsformular nach seiner derzeitigen Tätigkeit mit „Groß- und Außenhandelskaufmann“ angegeben und so auch mögliche Nachfragen der Anspruchsgegnerin nach den Gründen der Umschulung abgeschnitten hat.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus KVGKG 1812, § 131 b S. 1 KostO, § 127 Abs. 4 ZPO.