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Berufsunfähigkeitsversicherung – Verschweigen von Vorerkrankungen

OLG Koblenz, Az.: 10 U 974/02, Urteil vom 24.06.2005

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Trier vom 26. Juni 2002 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Leistungen aus Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung in Anspruch. Er übte zuletzt den Beruf eines selbständigen Trockenausbauers aus.

Der Kläger schloss aufgrund Antrags vom 31.7.1997 mit der Beklagten eine Kapitalversicherung auf den Todes- und Erlebensfall mit Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung zum 1.10.1997 ab. Die Beklagte erklärte mit Schreiben vom 11.10.1999 den Rücktritt von der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung und focht die Lebensversicherung und Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung wegen arglistiger Täuschung an, weil der Kläger bei Antragstellung unwahre Angaben gemacht habe. Mit Schreiben vom 18.1.2000 erfolgte eine nochmalige Anfechtung des Versicherungsvertrages wegen angeblichen Verschweigens eines Alkoholmissbrauchs und dessen Behandlung.

Die in dem Antrag unter Ziffer 7. “Gesundheitserklärung“ und dort unter „c“ gerichtete Frage:

“Sind Sie in den letzten 10 Jahren wegen der folgenden Krankheiten, Störungen oder Beschwerden ärztlich beraten oder behandelt worden bzw. haben Sie in dem Zeitraum daran gelitten? (z.B. Herz oder Kreislauf, Blutgefäße, Blutdruck, Atmungs-, Verdauungs-, Harn- oder Geschlechtsorgane, Leber (Gelbsucht, Leberentzündung), Gehirn, Rückenmark, Nerven, Gemüt oder Depressionen, Augen, Sehbehinderung (ab 8 Dioptrien), Ohren, Haut, Schleimhäute, Drüsen, Lymphwege, Milz, Blut, Gicht, Diabetes, Fettstoffwechselstörungen, Allergien, Infektionskrankheiten, häufige Durchfälle, Knochen, Gelenke, Muskeln, Wirbelsäule, Rheuma, Hexenschuss, Ischias, Lumbalgie, Geschwülste, Frauenkrankheiten)“ hatte der Kläger mit “ja“ beantwortet. Anschließend teilte er auf den Hinweis

“Wenn Sie eine oder mehrere der Fragen “c“ bis “h“ mit “ja“ beantwortet haben, benötigen wir noch folgende Angaben“, mit:

“Art und Verlauf der Krankheit, Sprunggelenk rechts (Bruch) Verletzung u.s.w. wann?, wie oft?, wie lange? 1990, 8 Monate behandelnde Ärzte, Krankenhäuser, Heilstätten, Kuranstalten (mit Anschrift) Kreiskrankenhaus B. welche Folgen bestehen? ausgeheilt“.

Die weiteren Gesundheitsfragen, insbesondere unter Ziffer 7.e)

Berufsunfähigkeitsversicherung - Verschweigen von Vorerkrankungen
Symbolfoto: smolaw/Bigstock

“Wurden Sie gegen Typhus, Gelbsucht, -fieber, geimpft mit Blut oder Blutbestandteilen behandelt oder wegen Alkohol-/Drogenmißbrauchs behandelt oder beraten?“

sowie unter Ziffer 7 g)

“Sind Sie in den letzten 5 Jahren wegen sonstiger, bisher nicht erfragter Krankheiten, Störungen oder Beschwerden beraten oder behandelt worden?“

wurden von dem Kläger allesamt verneint. Der Antrag wurde hierbei entsprechend der Angaben des Klägers durch den Zeugen A. K. ausgefüllt.

Im Hinblick auf die Höhe der beantragten Versicherungsleistung war in der vom Kläger in dem Antragsformular abzugebenden Gesundheitserklärung eine zusätzliche Untersuchung erforderlich. Das Ergebnis der darauf von dem Arzt Dr. med. K.-G. K… durchgeführten ärztlichen Untersuchung lautete “gesund“. Im Rahmen der “I. Erklärung vor dem Arzt“ gab der Kläger neben einer Sprunggelenk-Wadenbeinfraktur ca. im Jahre 1990 noch eine Erholungskur im Jahre 1993 an.

Im Hinblick darauf, dass die dem Untersuchungsbefund beigefügten Laborberichte erhöhte Laborwerte aufzeigten, schloss die Beklagte die beantragte Versicherung hierfür mit einem Risikozuschlag, im Übrigen zu normalen Bedingungen ab.

Der Kläger war in der Zeit vom 11.09.1995 bis zum 13.09.1995 arbeitsunfähig krankgeschrieben wegen eines chronischen Schulter-Arm-Syndroms sowie eines chronischen Schulter-Nacken-Syndroms. Vom 21.09.1995 bis zum 29.09.1995 war der Kläger wegen einer chronischen Angstneurose krankgeschrieben. Darüber hinaus nahm er im Rahmen der vom 16.08.1993 bis zum 08.11.1993 durchgeführten Kur, deren Anlass eine Angstneurose war, an Einzel- und Gruppengesprächen betreffend Alkohol-, Nikotin- sowie Medikamentenmissbrauch teil.

Im August 1999 beantragte der Kläger Leistungen aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung unter Hinweis, dass er seit dem 29.06.1999 berufsunfähig sei. Die Beklagte trat daraufhin mit Schreiben vom 11.10.1999 von der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung zurück und hat die Lebensversicherung sowie die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung wegen Arglist des Klägers angefochten, nachdem der Beklagten im Rahmen ihrer Leistungsprüfung am 16.09.1999 durch die Krankenkasse des Klägers, die A. mitgeteilt worden war, dass der Kläger wie folgt arbeitsunfähig krankgeschrieben war:

– vom 21.06.1988 bis zum 01.07.1988 wegen einer Schulterprellung rechts und einer BWS-Distorsion

– vom 10.01.1990 bis zum 19.01.1990 wegen eines LWS-Syndroms

– vom 16.08.1993 bis zum 08.11.1993 wegen Angstneurose, Nikotinabusus ohne Abhängigkeit, Alkoholabusus ohne Abhängigkeit, Medikamentenabusus mit gleichzeitigem stationären Aufenthalt in der psychosomatischen Fachklinik in Neunkirchen

– vom 17.01.1995 bis zum 18.01.1995 wegen Hepatopathie mit stationärem Aufenthalt im E… Krankenhaus in S…

– vom 11.09.1995 bis zum 13.09.1995 wegen eines chronischen Schulter-Arm-Syndroms sowie eines chronischen Schulter-Nacken-Syndroms

– vom 21.09.1995 bis zum 29.09.1995 wegen chronischer Angstneurose sowie

– vom 08.08.1996 bis zum 10.08.1996 wegen eines HWS-Schleudertraumas.

Zur Begründung ihres Rücktritts sowie der Anfechtung bezog sich die Beklagte insbesondere darauf, dass der Kläger sich im Jahre 1993 wegen einer Angstneurose 3 Monate in Behandlung in einer psychosomatischen Fachklinik befunden habe, wegen der er auch 1995 wiederum krankgeschrieben gewesen sei. Außerdem stützte die Beklagte ihre Ablehnung darauf, dass der Kläger bereits mehrfach wegen Beschwerden der Wirbelsäule und des Rücken ärztlich behandelt worden und deswegen auch arbeitsunfähig gewesen sei. Darüber hinaus habe er eine stationäre Behandlung im Jahr 1995 wegen einer Leber- und Gallenerkrankung verschwiegen. Mit Schreiben der Beklagten vom 18.01.2000 wurde die Anfechtung wegen arglistigen Verhaltens bei Vertragsschluss auf den Alkoholmissbrauch und dessen Behandlung gestützt.

Der Kläger hat vorgetragen, er sei seit dem 29.06.1999 aufgrund eines Lumbalsyndroms, einer rezividierenden ISG-Blockierung rechts sowie einer Protrusion L5/S1 dorsomedial arbeitsunfähig. Mit einer Rückkehr in die letzte maßgebliche Tätigkeit sei nicht zu rechnen. Er sei berufsunfähig. Ein Verweisberuf sei nicht ersichtlich. Von Beginn seiner Arbeitsunfähigkeit an stehe ihm eine monatlich von der Beklagten zu zahlende Rente in Höhe von 3.711,80 DM zu. Darüber hinaus habe er einen Anspruch auf Befreiung von der Beitragspflicht hinsichtlich der gesamten Versicherung ab Eintritt der Berufsunfähigkeit.

Er habe bei Antragstellung alle tatsächlich und rechtlich relevanten Angaben gemacht. Ein Alkoholmissbrauch in gefahrerheblichem Umfang habe bei ihm zu keinem Zeitpunkt vorgelegen. Der anlässlich der Kur festgestellte Nikotin-, Alkohol- und Medikamentenmissbrauch sei jeweils “ohne Abhängigkeit“ festgestellt worden und deshalb nicht als Erkrankung anzusehen. Darüber hinaus habe insoweit bei ihm keine spezielle Behandlung stattgefunden. Es habe sich lediglich um eine allgemeine, prophylaktische Beratung gehandelt. Auch bei Kenntnis des Alkoholabusus hätte die Beklagte die Versicherung in gleicher Weise abgeschlossen. Hätte die Beklagte weitere Angaben zu der „Erholungskur“ gewünscht, hätte sie selbst entsprechende Ermittlungen und Prüfungen einleiten müssen. Der Begriff “Erholungskur“ stamme vom Vertreter der Beklagten, dem Zeugen A. K. Ihm hätte er bei Stellung seines Antrages auch mitgeteilt, dass Anlass der Kur eine bei ihm vorliegende Angstpsychose gewesen sei. Die von ihm ansonsten nicht erwähnten Vorerkrankungen seien äußerst leicht und ohne Folgen gewesen. Sie hätten nicht mitgeteilt werden müssen.

Der Kläger hat beantragt, festzustellen, dass die Beklagte aus einem Lebensversicherungsvertrag mit enthaltener Berufsunfähigkeitszusatzversicherung Nr. 1-.-.970 – A verpflichtet ist, an ihn ab dem 01.07.1999 Rente wegen Berufsunfähigkeit in Höhe von monatlich 3.711,80 DM zu zahlen sowie ihn ab selbigem Zeitpunkt von der Zahlungspflicht und dem Beitrag der gesamten Versicherung in Höhe von monatlich 521,40 DM zu befreien.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, der Kläger habe wesentliche Vorerkrankungen bewusst verschwiegen. Gleiches gelte für die erfolgte Beratung wegen Alkoholmissbrauchs bzw. des Alkoholmissbrauchs selbst. Der Kläger habe arglistig gehandelt. Bei Kenntnis des wahren Gesundheitszustandes hätte sie wegen des hohen Versicherungsrisikos die Lebensversicherung sowie die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung in dieser Form niemals abgeschlossen. Die Vorerkrankungen seien zumindest mitursächlich für den Eintritt des geltend gemachten Versicherungsfalls gewesen. Selbst bei Leistungspflicht stünde dem Kläger allenfalls eine monatliche Rente in Höhe von 3.400,00 DM zu.

Das Landgericht hat nach Beweiserhebung durch Vernehmung des Zeugen A. K. (GA 145 ff.) sowie Einholung eines Gutachtens des Sachverständigens Dr. med. Dipl.-Psych. G. S. (Gutachten GA 207 ff.) die Klage abgewiesen, weil der Lebensversicherungsvertrag mit eingeschlossener Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung wirksam wegen arglistiger Täuschung angefochten worden sei.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Berufung.

Der Kläger beantragt nunmehr, in Abänderung des erstinstanzlichen Urteils festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, aus der in die Lebensversicherung eingeschlossenen Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung Nr. 1-.-.970.A an ihn ab dem 1.7.1999 Rente wegen Berufsunfähigkeit in Höhe von monatlich 3.711,80 DM zu zahlen sowie ihn ab selbigem Zeitraum von der Zahlungspflicht und dem Beitrag der gesamten Versicherung in Höhe von monatlich 521,40 DM zu befreien.

Die Beklagte beantragt, die Berufung gegen das angefochtene Urteil zurückzuweisen.

Der Senat nimmt im Übrigen auf die tatsächlichen Feststellungen im angegriffenen Urteil sowie auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug (§ 540 Abs. 1 ZPO).

II. Die Berufung ist nicht begründet.

1) Die Berufung macht allerdings zu Recht geltend, dass die Verneinung des Anspruchs aus Leistungen aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung nicht darauf gestützt werden kann, dass der Versicherungsvertrag, d.h. Lebensversicherung und eingeschlossene Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung, wegen arglistiger Täuschung nach § 22 VVG i.V.m. §§ 123 Abs. 1, 142 BGB wirksam angefochten ist.

a) Voraussetzung für das Vorliegen einer arglistigen Täuschung ist, dass der Versicherungsnehmer mit der wissentlich falschen Angabe von Tatsachen bzw. dem Verschweigen anzeigen- und offenbarungspflichtiger Umstände auf die Entschließung des Versicherers, seinen Versicherungsantrag – hier Lebensversicherung mit eingeschlossener Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung – anzunehmen, Einfluss nehmen will und sich bewusst ist, dass der Versicherer möglicherweise seinen Antrag nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen annehmen werde, wenn er wahrheitsgemäße Angaben mache. Dabei gibt es keinen allgemeinen Satz der Lebenserfahrung des Inhalts, dass eine bewusst unrichtige Beantwortung von Fragen nach dem Gesundheitszustand oder früheren Behandlungen immer oder nur in der Absicht gemacht zu werden pflegt, auf den Willen des Versicherers einzuwirken. Denn häufig werden unrichtige Angaben über den Gesundheitszustand auch aus falsch verstandener Scham, aus Gleichgültigkeit, aus Trägheit oder einfach in der Annahme gemacht, dass die erlittenen Krankheiten bedeutungslos seien. Deshalb muss der Versicherer entsprechend den allgemeinen Beweislastregeln nachweisen, dass der Versicherungsnehmer mit Hilfe der Abgabe einer falschen Erklärung auf den Willen des Versicherers einwirken wollte, sich also bewusst war, der Versicherer werde seinen Antrag nicht oder möglicherweise nur mit erschwerten Bedingungen annehmen, wenn der Versicherungsnehmer die Fragen wahrheitsgemäß beantworten würde. Da es sich bei dem Bewusstsein des Versicherungsnehmers um eine innere Tatsache handelt, kann in der Praxis der Beweis meist nur durch einen Indizienbeweis geführt werden. Dies bedeutet, dass in der Regel, wenn schwere Erkrankungen oder erkennbar chronische Erkrankungen oder Krankenhausaufenthalte verschwiegen worden sind, ein solches Bewusstsein anzunehmen ist, dagegen beim Verschweigen leichterer Erkrankungen oder solcher, die vom Versicherungsnehmer als solche angesehen werden, der Beweis als nicht geführt angesehen werden muss (in Anknüpfung an BGH VersR 1985, 156, 157; VersR 1987, 91; OLG Koblenz VersR 1995,689; NVersZ 2001, 74; NVersZ 1999, 72 f.; NVersZ 1999, 472 f.; VersR 2002, 222 = NVersZ 2001, 503).

b) Die Beweisaufnahme des Landgerichts konzentrierte sich zunächst auf die Frage, ob der Kläger eine Angstneurose und einen Alkoholmissbrauch bzw. dessen Behandlung bei Antragstellung wahrheitswidrig in Täuschungsabsicht verschwiegen habe. Die Beweisaufnahme vermochte die hierauf gerichtete Behauptung der Beklagten nicht zu bestätigen. Die Kammer hat die arglistige Täuschung schließlich darin gesehen, dass der Kläger in der Zeit vom 11.9.1995 bis zum 13.9.1995 wegen eines chronischen Schulter-Arm-Syndroms sowie eines chronischen Schulter-Nacken-Syndroms krankgeschrieben gewesen sei, es sich dabei um eine Erkrankung der Wirbelsäule, der Gelenke bzw. der Knochen im Sinne der Ziffer „7 c“ des Antragsformulars handele, jedenfalls aber um Beschwerden im Sinne von Ziffer „7 g“, die von einem erheblichem Gewicht seien. Diese Fragen habe der Kläger arglistig mit „nein“ bzw. unzureichend beantwortet. Diese Fragen hätten sich auf alle Beeinträchtigungen bezogen. Unerheblich sei, ob der Kläger diese als gefahrerheblich betrachtet habe. Da der Versicherungsnehmer in der Regel mangels medizinischer Kenntnisse nicht in der Lage sei, die Gefahrerheblichkeit körperlicher Beschwerden selbst zu beurteilen, müsse er zur Darlegung seines gegenwärtigen Gesundheitszustandes alle, auch die belanglos empfundenen Krankheiten, Beschwerden und Symptome von Krankheiten anzeigen. Der Versicherungsnehmer dürfe sich nicht mit der Vorstellung zufrieden geben, die aufgetretenen Beschwerden besäßen keinen eigentlichen Krankheitswert, denn andernfalls enthalte er dem Versicherer die notwendige Grundlage für eine sachgerechte Entscheidung aber die Annahme des Antrags vor. Auch frühere Erkrankungen fielen unter die Anzeigepflicht, da sie als indizierende Tatsachen auf eine auch noch jetzt bestehende, wenn auch verborgene Gefahrenlage hinwiesen.

Dem Vortrag des Klägers, es habe sich bei den nicht mitgeteilten Vorerkrankungen um Bagatellerkrankungen gehandelt, die nicht mitzuteilen gewesen wären, könne nicht gefolgt werden. Chronische Krankheitsverläufe seien per se von besonderer Erheblichkeit und daher im Rahmen des Abschlusses eines Versicherungsvertrages offenzulegen. Dies gelte um so mehr, wenn es sich um den Abschluss einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung handele, der Antragsteller Handwerker sei und in besonderem Maße körperlichen Belastungen ausgesetzt sei und die Beschwerden chronische Erkrankungen der Schultern, des Nackens und der Arme beträfen. Es handele sich dabei nicht um eine Bagatellerkrankung, wie ein Husten oder Schnupfen. Dem stehe nicht entgegen, dass der Kläger lediglich in der Zeit vom 11.9.1995 bis 13.9.1995 krankgeschrieben gewesen sei. Die Diagnose „chronisches Schulter-Arm-Syndrom“ und „chronisches Schulter-Nacken-Syndrom“ bedeute, dass die Beschwerden nicht nur einmaliger, sondern dauerhafter Natur seien. Der Kläger habe um seine Beschwerden gewusst und könne sich nicht darauf berufen, dass der Untersuchungsbefund seines Hausarztes Dr. Kirsch ihn als „gesund“ bezeichnet habe. Bei lebensnaher Sachverhaltsinterpretation könnten auch keinerlei Bedenken bestehen, dass die Beklagte durch das Verschweigen dieser Vorerkrankungen zum Abschluss des Versicherungsvertrages in der konkreten Form bestimmt worden sei. Vorerkrankungen von einiger Bedeutung würden von Versicherungen grundsätzlich zum Anlass genommen, die Versicherung entweder nicht oder lediglich mit einem Risikozuschlag abzuschließen. Deshalb habe die Beklagte auch die erhöhten Leberwerte des Klägers zum Anlass genommen, einen Risikozuschlag zu erheben, Es wäre lebensfremd, davon auszugehen, dass die chronischen Vorerkrankungen des Klägers durch die Beklagte nicht zum Anlass genommen worden wären, einen Risikozuschlag zu verlangen. Dies habe dem Kläger alles bewusst sein müssen.

Die Beklagte habe auch innerhalb der Jahresfrist des § 124 Abs. 1 und 2 BGB wirksam den Vertrag angefochten. Sie habe am 16.9.1999 von den Vorerkrankungen Kenntnis erlangt und mit Schreiben vom 11.10.1999 die Anfechtung erklärt. Unschädlich sei, dass die Vorerkrankungen in dem Schreiben nicht benannt worden seien. Die Beklagte habe in ihrem Schreiben darauf hingewiesen, dass sie sich durch den Kläger getäuscht gefühlt habe, weil er entgegen seinen Angaben im Antragsformular vom 31.7.1997 bereits mehrfach wegen Beschwerden der Wirbelsäule und des Rückens ärztlich behandelt und deswegen arbeitsunfähig krankgeschrieben worden sei.

c) Die Ausführungen des Landgerichts zur Arglistanfechtung überzeugen nicht. Selbst die Beklagte hat in ihrem Schreiben vom 11.9.1999 (GA 8), in dem der Rücktritt von der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung und die Anfechtung des gesamten Vertrages (Lebensversicherung und Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung) erklärt wurde, diesen Anfechtungsgrund nicht angeführt. Sie hat lediglich die verschwiegene dreimonatige Behandlung in einer psychosomatischen Fachklinik wegen einer Angstneurose und die verschwiegenen Beschwerden der Wirbelsäule und des Rückens angeführt. Aus der Tatsache, dass der Kläger eine dreitägige Behandlung eines chronischen Schulter-Arm- bzw. Schulter-Nackensyndroms bei Antragstellung nicht angegeben hat, kann nicht geschlossen werden, der Kläger habe diese Behandlung verschwiegen, um den Abschluss des Lebensversicherungsvertrages mit eingeschlossener Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung zu den konkreten Konditionen nicht zu gefährden. Da der Kläger von Beruf selbständiger Trockenausbauer ist, können derartige Beschwerden mit der Ausübung der Tätigkeit verbunden sein. Es ist durchaus nachvollziehbar, dass der Kläger dieser kurzfristigen Behandlung keine besondere Bedeutung beigemessen hat und sie deshalb nicht angegeben hat, nicht aber, um die Beklagte arglistig zum Abschluss eines Vertrages zu bewegen, den sie sonst mit dem Kläger nicht in dieser Form abgeschlossen hätte.

Der Lebensversicherungsvertrag und die darin eingeschlossene Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung sind nicht wirksam gemäß § 22 VVG i.V.m. §§123, 124 BGB angefochten worden.

d) Die Beklagte ist auch nicht wirksam von der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung gemäß §§ 16, 17, 20 VVG zurückgetreten.

Nach § 16 Abs. 1 VVG hat der Versicherungsnehmer bei Schließung des Vertrages alle ihm bekannten Umstände, die für die Übernahme der Gefahr erheblich sind, dem Versicherer anzuzeigen. Erheblich sind die Gefahrumstände, die geeignet sind, auf den Entschluss des Versicherers, den Vertrag überhaupt oder zu dem vereinbarten Inhalt abzuschließen, einen Einfluss auszuüben. Ein Umstand, nach welchem der Versicherer ausdrücklich und schriftlich gefragt hat, gilt im Zweifel als erheblich. Der Versicherer ist zum Rücktritt vom Versicherungsvertrag berechtigt, wenn der Versicherungsnehmer für die Übernahme der versicherten Gefahr erhebliche Umstände bei Abschluss des Vertrags verschweigt. Im Falle ausdrücklicher und schriftlicher Befragung kommt es nicht einmal darauf an, ob der Versicherungsnehmer Kenntnis von der Erheblichkeit des Gefahrumstands hatte. Es ist Sache des Versicherers, das Risiko von Beschwerden, Krankheiten und Gesundheitsstörungen, ggf. unter Einschaltung der Gesellschaftsärzte oder nach Rückfrage bei den behandelnden Ärzten, zu beurteilen. Da ein Versicherungsnehmer in der Regel mangels medizinischer Kenntnisse nicht in der Lage ist, die Gefahrerheblichkeit körperlicher Beschwerden zu beurteilen, muss er alle, auch die als belanglos empfundenen, Krankheiten oder Beschwerden anzeigen (BGH VersR 1994, 711; 2000, 1486; Senatsurteile vom 16.3.2001 – 10 U 187/00 – NVersZ 2001, 413 = r+s 2001, 339 = OLGR 2001,376; vom 18.1.2002 – 10 U 374/01 – NVersZ 2002, 260 = VersR 2002, 1091 LS = ZfS 2002, 591; vom 31.5.2002 – 10 U 1039/01 – OLGR 2002, 339; Senatsbeschluss vom 8. September 2003 – 10 U 1649/02 – VersR 2004, 229 = R+S 2004, 295 – NJOZ 2003,3443).

Es mag dahinstehen, ob die Beschwerden im Schulter-Arm und Schulter-Nackenbereich und deren dreitägige Behandlung erhebliche Gefahrumstände im o.g. Sinne darstellen, die für den Abschluss des Vertrages von Bedeutung waren. Die Beklagte wusste, dass der Kläger den Beruf eines selbständigen Trockenausbauers ausübte und dass mit der damit einhergehenden Tätigkeit auch eine besondere Belastung des Schulter-Arm-Nackenbereichs verbunden war, so dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass sie bei Kenntnis der dreitägigen Krankschreibung wegen dieser Beschwerden den Lebensversicherungsvertrag mit eingeschlossener Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung nicht abgeschlossen hätte. Da der Rücktritt nicht auf diese Beschwerden gestützt wurde, wäre die Erklärung des Rücktritts wegen Versäumung der Monatsfrist auch verfristet.

Danach bleibt festzuhalten, dass das Vertragsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten fortbesteht, d.h. weder durch Anfechtung des gesamten Vertrages (Lebensversicherung und Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung) noch durch Rücktritt von der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung erloschen ist.

2) Dem Kläger ist in der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme allerdings nicht der Nachweis gelungen, dass er zumindest zu 50 % berufsunfähig ist.

a) Vollständige bzw. teilweise (mindestens 50 %ige) Berufsunfähigkeit im Sinne von § 2 Nr. 1 und 2 i.V.m. § 1 Nr. 1 der zum Vertragsgegenstand gemachten „Besonderen Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung“ (BB-BUZ 90, Anlage B 6, GA 42) liegt vor, wenn die versicherte Person infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich dauernd außerstande ist, ihren Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die aufgrund ihrer Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht. Im Rahmen der Ermittlung bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit ist grundsätzlich die letzte konkrete Berufsausübung des Versicherten maßgebend ist, so wie sie in gesunden Tagen ausgestaltet war, d.h., solange seine Leistungsfähigkeit noch nicht beeinträchtigt war (BGH Urteil vom 22.9.1993 – IV ZR 203/92 – VersR 1993, 1470, 1471; vgl. auch Senatsurteile vom 27. August 1999 -10 U 105/91 – R+S 2000, 433 = Zfs 2000, 504 = VersR 2000, 1224; vom 10. November 2000 – 10 U 278/00 – NVersZ 2001, 212 = R+S 2002, 33 = VersR 2002,344; vom 29. Juni 2001 – 10 U 1073/99 – VersR 2002, 469; Urteil vom 29. November 2002 – 10 U 211/02 – NJW-RR 2003, 682 = VersR 2003, 759 LS). Dies gilt allerdings mit der Maßgabe, dass der Verlust der Fähigkeit, den Beruf bzw. eine vergleichbare Tätigkeit auszuüben, erst während der Vertragsdauer eingetreten sein darf (§ 1 (1) BB-BUZ). War der Versicherte bereits vor Vertragsabschluß nicht mehr fähig, in seinem konkret ausgeübten Beruf tätig zu sein, kann die Feststellung nicht getroffen werden, dass der Versicherte die Fähigkeit zur Berufsausübung erst während der Vertragsdauer verloren hat (BGH Urteil vom 27.1.1993 – IV ZR 309/91 – VersR 1993, 469, 470).

b) Der Senat hat hinsichtlich der vom Kläger zuletzt ausgeübten Tätigkeit gemäß Beweisbeschluss vom 11. Juli 2003 (GA 407) Beweis erhoben. Der Kläger hat behauptet, er habe vor seiner Erkrankung als selbständiger Trockenausbauer wie folgt gearbeitet:

Beginn seiner Arbeitstätigkeit an der jeweiligen Baustelle sei in der Regel morgens um 07.00 Uhr gewesen. Zu diesem Zeitpunkt habe er die Baustelle angefahren entweder mit einem Peugeot Kastenwagen oder mit einem Mercedes Transporter mit der Typbezeichnung „Sprinter“. In diesen Fahrzeugen seien Werkzeuge und Materialien mitgeführt worden, wobei es sich bei den Werkzeugen hauptsächlich um Kreissäge, Rigipsschrauber, Messwerkzeuge, Bandschleifer, Hobelmaschine, Eisen- und Zinkscheren, Lasergerät, Akkuschrauber, Bohrmaschine, Glättkellen sowie Rigipsplatten und Dammmaterialien gehandelt habe. Zu den Dämmmaterialien sowie den Rigips-, Styropor- und Brandschutzplatten sei auszuführen, dass diese auch überwiegend an die Baustelle angeliefert worden seien.

Die letztgenannten Materialien seien zumeist palettenweise an das jeweilige Bauvorhaben angeliefert und dort in einem der Räume oder auch außen am Bauvorhaben gelagert worden.

Zunächst hätten dann die Werkzeuge und Maschinen von ihm, dem Kläger, in das zu errichtende Hausanwesen verbracht werden müssen, wobei diese zumeist in einem Raum aufgestellt worden seien, entweder im Erdgeschoss oder bei einem vorzunehmenden Dachausbau im jeweiligen Ober- bzw. Dachgeschoss.

Die einzelnen Gipskarton- und Styroporplatten seien dann von ihm in den Raum verbracht worden, in dem die Maschinen gestanden hätten, also entweder im Erdgeschoss oder im Ober- bzw. Dachgeschoss.

Zu Beginn der jeweiligen Tätigkeit habe er dann nach Verbringen der Materialien, die zumeist von ihm selbst oder mit einer weiteren Hilfsperson getragen worden seien, Messarbeiten vorgenommen, um die jeweiligen Platten und Materialien im Anschluss daran entsprechend zuschneiden zu können. Die Platten seien dann beim Trockenausbau mit der Unterkante ebenerdig angebracht und dann je nach Bauvorhaben die jeweiligen Platten aufeinander an das jeweilige Ständerwerk oder die vorhandene Lattung montiert worden. Die Lattung oder das Ständerwerk sei ebenfalls von ihm, dem Kläger, vor den eigentlichen Trockenausbauarbeiten montiert und mit Schrauben fixiert worden.

Die jeweiligen Gipskartonplatten habe er dann je nach Gewicht alleine oder mit einer Hilfsperson an den zu erstellenden Wand- bzw. Dachausbau verbracht und er habe hierbei Gewichtplatten von 25 – 80 kg an die Wände oder Decken anbringen müssen. Er oder die bei Deckenausbauten jeweilige Hilfsperson hätten dann die Platten mit normaler Muskelkraft fixieren müssen, diese seien dann schnellst möglich per Rigipsschrauber fixiert worden. Diese Tätigkeit habe sich dann über den jeweiligen Arbeitstag immer wieder wiederholt, d. h. es sei zunächst vermessen, dann die Platten entweder angebracht oder zunächst zugeschnitten und dann angebracht worden.

Die Trockenausbauplatten seien dann fixiert und zuletzt ausgespachtelt bzw. angeglichen worden. Die jeweiligen Nähte zwischen den einzelnen Platten habe man verspachtelt.

Dies habe seine, des Klägers, typische Arbeit dargestellt, wobei sich der Arbeitsaufwand jeweils nach den örtlichen Gegebenheiten gerichtet habe. Sei lediglich eine Wand im Trockenausbau verkleidet worden, seien die Platten ebenerdig angebracht und dann bis zur Deckenhöhe aufeinander geschichtet worden, wobei teilweise auch Hallen von ihm, dem Kläger, ausgebaut worden seien, die eine Deckenhöhe von bis zu 8 m aufgewiesen hätten.

Mehr als eine Hilfsperson habe er bei seinen Arbeiten nie benutzt, wobei diese Hilfsperson ebenfalls ein selbständiger Trockenausbauer gewesen sei. Mehr als zwei Personen hätten in jedem Falle die Trockenausbauarbeiten nicht gleichzeitig vorgenommen.

Sei ein Deckenausbau vorgenommen worden bzw. die Verkleidung mit Brandschutzdecken, seien diese Arbeiten inkl. des Klägers insgesamt mit zwei Personen vollbracht worden, wobei teilweise mit Gerüsten die Platten an der Decke hätten fixiert werden müssen. Es seien hierbei verschiedene Materialien von Gipskartonplatten verwendet worden, wobei hierdurch verschiedene Gewichte an den Platten aufgetreten seien. Es habe sich hierbei um Gipskartonplatten mit einer Größe von 1, 25 m x 2 m und einer Dicke von 12,5 mm gehandelt, die ein Gewicht von etwa 25 kg aufgewiesen hätten. Dann sei dieselbe Platte mit einer Länge von 2,50 m verarbeitet worden, die etwa 40 kg gewogen habe, des weiteren die sogenannte ,,Einmannplatte“ aus Gipskarton, die eine Größe von 60 cm x 2 m und eine Dicke von 20 mm aufgewiesen habe. Deren Gewicht habe bei etwa 30 kg gelegen.

Bei Feuerschutzverkleidungen seien sogenannte Promatplatten mit Stärke von 40 – 20 mm und einem Gewicht von 40 – ca. 80 kg verwendet worden. Die Plattengröße hierbei habe 2,50 x 4,25 m betragen. Bei den vorzunehmenden Verspachtelungsarbeiten hätten von ihm Säcke mit Ansatzbinder und Spachtelmasse von jeweils 30 bzw. 50 kg an die jeweilige Baustelle verbracht werden müssen. Insbesondere die Fixierung der einzelnen Platten an Wänden habe zur Folge gehabt, dass er, der die Schrauben von einer ebenerdigen Höhe bis unter oder an die Decke habe aufbringen müssen, des öfteren in kniender, gebückter oder gestreckter Körperhaltung habe arbeiten müssen. Insbesondere habe er bei Deckenarbeiten auch „über Kopf“ gearbeitet. Er habe hierbei von morgens 07.00 Uhr bis ca. 17.00 – 18.00 Uhr an einem normalen Arbeitstag gearbeitet, bei einer Mittagspause von 1 Stunde.

Der typische Arbeitsablauf habe sich zusammenfassend somit wie folgt dargestellt:

Anfahrt an eine Baustelle mit einem Transporter, Verbringen der Werkzeuge sowie Baumaterialien in das jeweilige Bauvorhaben bzw. an Ort und Stelle, wo die Platten hätten montiert werden müssen. Hiernach sei das Vermessen der einzelnen Wände, Zuschneiden der jeweiligen Gipskarton- bzw. Brandschutzplatten, dann Heben der zwischen 25 und 80 kg schweren Platten höchstens mittels einer Hilfsperson an die zu bearbeitenden Wände bzw. Decken und unverzügliche Fixierung der jeweiligen Platten mittels Rigipsschrauber erfolgt. Im Anschluss an die Fixierung der Platten- und Deckenelemente sei die Verspachtelung der einzelnen Fugen mit Spachtelmasse erforderlich gewesen. Für die Durchführung eines Trockenputzes seien die Platten mit einem Ansatzbinder vorbehandelt und dann von ihm zur jeweiligen Wand verbracht und dort verklebt worden.

Sein Tagesablauf habe somit weitaus überwiegend darin bestanden, die Platten an Ort und Stelle zu verbringen, zu behandeln oder zu schneiden und dann letztendlich an Wand oder Decke anzukleben oder mit Rigipsschrauber zu fixieren und anschließend auszuspachteln. An einem üblichen Arbeitstag mit einer Arbeitszeit von 07.00 – 18.00 Uhr habe er ca. 60 – 80 Platten mit einer Gesamtfläche von ca. 200 qm verarbeitet. Rigipsinnenwände bestünden aus 2 Elementen, die von jeder Seite doppelt zu beplanken seien.

Verarbeitet seien somit an normalen Arbeitstagen bis zu 200 qm Rigipsplatten, was aber durch die doppelte Beplankung einer Wandfläche von ca. 100 qm entspreche. Überwiegend seien durch die Anbringung der Rigipsplatten Innenwände durch den Kläger erst errichtet worden. Es habe sich hierbei um sogenannte Trennwände gehandelt. Er habe somit an einem durchschnittlichen Arbeitstag ca. 60 – 80 Gipskartonwände mit einem Gewicht von jeweils zwischen 25 – 80 kg mit seiner eigenen Körperkraft bewegen und fixieren müssen, wobei allenfalls bei den Wänden, die ein Gewicht von über 40 kg aufwiesen, er sich einer Hilfsperson bedient habe.

Er habe an einem üblichen Arbeitstag somit Leichtbauwände und Decken unter Verwendung von Gipskartonbauplatten und anderen schallhemmenden Leichtbaustoffen errichtet, wobei sich die Deckenverkleidungen weitaus überwiegend aus Gipskartonwänden zusammensetzten.

Der Wand- und Deckenausbau mittels Gipskartonplatten machten ca. 80 % seiner Tätigkeit aus, hinzu sei noch das Verbringen der Werkstoffe wie Ansatzbinder und Spachtelmasse gekommen. Daneben habe er noch Rasterdeckenplatten verbracht, Profile und Brandschutzplatten und zumindest bei den Deckenverkleidungen noch teilweise Dämmmaterialien aufgebracht.

Da er, der Kläger, diese Arbeiten ständig wiederkehrend ausgeführt habe, habe dies den typischen Arbeitsablauf und Arbeitstag dargestellt. Die durchschnittliche Arbeitszeit habe von morgens 07.00 Uhr – abends 18.00 Uhr bei einer einstündigen Mittagspause gedauert, verarbeitet worden seien an einem durchschnittlichen Arbeitstag ca. 60 – 80 Gipskartonplatten bzw. sonstige Wand- und Deckenverkleidungen.

Für die Baustelleneinrichtung und das Zuschneiden der Platten bzw. das Vermessen der einzelnen Wände habe er an einem normalen Arbeitstag ca. 1 Stunde benötigt, in der übrigen Zeit seien Unterkonstruktionen hergestellt und die Konstruktionen mit den Wand- und Deckenplatten fixiert bzw. ausgeführt worden. Hier eine Zeitangabe oder Zeiteinteilung vorzunehmen, sei äußerst schwierig, da quasi die gesamte restliche Arbeitszeit auf diese Arbeiten entfallen sei. Eine einzelne Gipskartonplatte sei zunächst an Ort und Stelle der zu erstellenden Wand- bzw. Dachfläche verbracht worden und habe dann nochmals bis zur endgültigen Fixierung festgehalten werden müssen. Insbesondere in die Obergeschosse seien die Platten dann jeweils einzelnen vom Erdgeschoss nach oben durch ihn, den Kläger, getragen worden.

Er sei 9 Stunden kalendertäglich damit beschäftigt gewesen, Gipskartonplatten an Ort und Stelle zu verbringen, zu fixieren und auszuspachteln. Die eigentliche Zeit, insbesondere bis die Platte an Ort und Stelle verbracht worden sei, könne nur sehr schwer eingegrenzt werden, da teilweise die Platten im Erdgeschoss fixiert worden seien, teilweise bis ins Ober- oder Dachgeschoß verbracht werden mussten und teilweise sogar in Hallen über Gerüste erst zur Decke oder zur oberen Wandfläche verbracht worden seien. In jedem Falle sei er, der Kläger, an 9 Stunden eines normalen Arbeitstages mit dem Verbringen und Fixieren der einzelnen Platten beschäftigt gewesen.

Der Zeuge J. hat das Beweisthema bestätigt (GA 400).Der Zeuge hat in der Beweisaufnahme (GA 399) glaubhaft bekundet, er sei mit dem Kläger Mitglied einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts („KJP“) gewesen, die aus selbständigen Trockenausbauern bestanden habe. Der Kläger sei ungefähr Anfang 1997 mit in die Gesellschaft eingetreten. Der Kläger habe etwa um 7.00 Uhr morgens mit seiner Tätigkeit begonnen. Auch die vom Kläger genannten Materialien seien verwendet worden. Werkzeuge und Materialien müssten von Hand an die jeweiligen Einsatzorte gebracht werden. Die Angaben über die Vorbereitungsarbeiten (Ausmessen, Zuschneiden, Lattung oder Ständerwerk einbringen) träfen zu. Die einzusetzenden Platten hätten ein Gewicht in der Größenordnung von ab 20 bis ungefähr über 75 kg je nach Eigenart und Typ der Platte gehabt. Die Dimension sei bei einer Regelplatte 2 m auf 1,25 m. Die Platten hätten überwiegend mit Muskelkraft positioniert werden müssen, teilweise sei auch ein Plattenlifter verwendet worden. Dabei müsse allerdings auch die Platte von einem Stapel auf die Vorrichtung des Plattenlifters gelegt werden, was im Normalfall nur von Hand erfolgen konnte. Die „KJP“ sei überwiegend nicht im Wohnungsbau, sondern im Gewerbe- und Anstaltsbau tätig gewesen. Es habe sich meist um größere Objekte mit auch größeren Raumhöhen gehandelt, die auch zu bewältigen gewesen seien. In diesen Räumlichkeiten sei der Einsatz eines Plattenlifters nur begrenzt möglich gewesen. Bei höheren Zwischenwänden ab 3 m aufwärts habe mit Gerüst gearbeitet werden müssen. Die Platten seien in gemeinschaftlicher Hilfeleistung von Hand nach oben befördert worden.

Ansatzbinder und Spachtelmassen in Säcken von ca. 25-30 kg seien an Ort und Stelle gebracht und dort transportiert worden. Bei Brandschutzspachtel seien die Säcke noch schwerer gewesen. Das Fixieren, Anbringen und Verspachteln der Platten habe des Öfteren in kniender, gebückter oder auch gestreckter Körperhaltung und auch in Arbeitsweise „über Kopf“ vorgenommen werden müsse. Täglich sei in der „KJB“ durchschnittlich 10 bis 12 Stunden gearbeitet worden. Der Kläger sei ein ziemlich engagierter Gesellschafter gewesen und habe eher eine Stunde länger gearbeitet als weniger. Hinsichtlich des Leistungsumfangs habe eine Tagesarbeitsleistung von 200 m² Einfachbeplankung eher die Untergrenze dargestellt. Kalkulatorisch sei für Materialtransport ein Anteil von 35 % an der Gesamtleistung anzusetzen, 65 % entfielen auf Montagezeit, d.h. Anbringen der Platten und Verspachteln. Hinsichtlich der körperlichen Belastung sei insbesondere das Anbringen von Deckenplatten in großer Höhe besonders anstrengend gewesen, weil man auf einem relativ kleinen Gerüst in Zwangshaltung über Kopf habe arbeiten müssen. Bei besonders schwierigen Arbeiten sei in der Regel immer zu zweit gearbeitet worden. Der Kläger sei Mitte 1999 aus der Gesellschaft ausgeschieden.

c) Ausgehend von diesem Tätigkeitsbild hat der Senat den Sachverständigen Prof. Dr. med. E. Sch., Orthopädische Klinik und Poliklinik der Universitätskliniken des S., mit der Erstellung eines fachorthopädischen Gutachtens zu Behauptung des Klägers beauftragt, er sei seit 29.6.1999 aufgrund eines Lumbalsyndroms, einer rezidivierenden ISG-Blockierung rechts sowie einer Protrusion L5/S1 dorsomedial nicht mehr in der Lage, seinen Beruf als selbständiger Trockenausbauer zumindest zu 50 % auszuüben. Der Sachverständige hat in seinem schriftlichen Gutachten vom 24.9.2003 (GA 411 ff.) ausgeführt, der Kläger habe bei der Untersuchung am 19.9.2003 über Schmerzen im LWS-Bereich sowie über dem rechten hinteren Beckenkamm geklagt und ein zeitweises Ziehen im rechten Oberschenkel beschrieben. Auch seien Schmerzen im unteren HWS-Bereich ohne radikuläre Ausstrahlung angegeben worden.

Der Sachverständige führte in seinem schriftlichen Gutachten aus, dass es sich bei dem Kläger um einen zum Zeitpunkt der Untersuchung 40-jährigen muskelkräftigen, adipösen Patienten in gutem Allgemein- und Kräftezustand handele. Die Untersuchung der oberen Extremitäten habe eine freie Beweglichkeit beider Schulter-, Ellenbogen- und Handgelenke bei ungestörter Grob- und Feinmotorik der Hände ergeben. Neurologische Störungen seien nicht vorhanden. Insgesamt hätten im Bereich der oberen Extremitäten orthopädischerseits keine Veränderungen, die zu einer messbaren Minderung der Leistungsfähigkeit im zuletzt ausgeübten Beruf als selbstständiger Trockenausbauer führen könnten, bestanden. Der Gang zu ebener Erde sei in Konfektionsschuhen ohne Stockhilfe flüssig und sicher mit einem angedeuteten rechtsseitigen Hinken erfolgt. Beide Hüften, Knie und das linke Sprunggelenk seien klinisch unauffällig mit freier Beweglichkeit gewesen. Rechts habe ein Zustand nach Sprunggelenksfraktur 1989 mit Bewegungseinschränkung im oberen Sprunggelenk bestanden. Motorik und Sensibilität beider Beine seien nicht gestört. Auch seien keine Durchblutungsstörungen zu verzeichnen. Achillessehnenreflex und Patellarsehnenreflex seien beidseitig auslösbar gewesen. Klinisch habe sich keinerlei Hinweis für das Vorliegen einer Nervenwurzelirritation ergeben. So sei insbesondere das Laseguesche Zeichen (Ischiasdehnungsschmerz) beidseitig negativ gewesen. Insgesamt bestünden auch im Bereich der unteren Extremitäten orthopädischerseits keine Veränderungen, die zu einer messbaren Leistungsminderung führen könnten. Die Untersuchung der Halswirbelsäule habe zunächst eine mäßige Tonuserhöhung der Trapezius und Nackenmuskulatur mit Druckschmerzhaftigkeit im unteren HWS-Bereich ergeben. Die Beweglichkeit sei nicht eingeschränkt gewesen. Hinweise für eine radikuläre Störung seien nicht ersichtlich gewesen. Bei Beckengeradstand sei die Wirbelsäule lotrecht aufgebaut ohne erkennbare Seitverbiegung bei etwas verstärkter Lendenlordose. Druck- und Klopfschmerz sei über dem lumbosakralen Übergang angegeben worden, desgleichen habe über der hinteren Beckenkammspina rechts ein Druckschmerz bestanden. Die Beweglichkeit der Wirbelsäule sei nicht eingeschränkt gewesen. Röntgenologisch zeigten sich im LWS-Bereich altersentsprechende unauffällige Verhältnisse ohne vorauseilende degenerative Veränderungen. Der Kläger habe noch einen Druckschmerz über den Rippenansätzen im Bereich der distalen 2/3-Grenze angegeben.

Der Sachverständige konnte insgesamt keinen gravierenden Befund feststellen. Die Beweglichkeit sei nicht eingeschränkt gewesen, desgleichen habe auch kein Hinweis für eine Nervenwurzelirritation bestanden. Außer einer mäßigen Tonuserhöhung der LWS-Muskulatur und einem Druck- und Klopfschmerz über dem lumbosakralen Übergang hätten im Bereich der Lendenwirbelsäule keine weiteren Auffälligkeiten bestanden. Der Druckschmerz über dem hinteren Beckenkamm rechts sei im Sinne einer Insertionstendopathie anzusehen.

Zusammenfassend lasse sich aufgrund des erhobenen klinischen Befundes feststellen, dass man beim Kläger von Seiten der Wirbelsäule und des Bewegungsapparates orthopädischerseits keine Veränderungen habe feststellen können, die zu einer wesentlichen Beeinträchtigung in seinem Beruf als selbstständiger Trockenausbauer führen könnten. Insbesondere seien keine Veränderungen ersichtlich, die eine mindestens 50 %-ige Berufsunfähigkeit bedingen würden. Die Aussage des Klägers, dass er nichts mehr arbeiten könne, lasse sich durch den klinischen Befund nicht erklären. Der Sachverständige verwies darauf, dass auch bei der Aufnahmeuntersuchung des Klägers in der Rehaklinik in Bad W… eine freie Beweglichkeit aller Gelenke der oberen und unteren Extremitäten – mit Ausnahme des rechten Sprunggelenks aufgrund des Unfallereignisses von 1989 – festgestellt worden sei. Auch die HWS und BWS seien frei beweglich gewesen. Lediglich im LWS-Bereich werde eine mäßige Bewegungseinschränkung mit endgradigen Bewegungsschmerzen angegeben bei mäßiger Erhöhung des paravertebralen Muskeltonus ohne Druck- oder Klopfschmerzen über den Dornfortsätzen. Auch bestünden keine neurologischen Auffälligkeiten. Aufgrund dieses Befundes habe zum Zeitpunkt der Aufnahme in die Rehaklinik Bad W… im Januar 2000 keine 50 %-ige Berufsunfähigkeit in der zuletzt ausgeübten Tätigkeit bestanden.

Insgesamt lasse sich die Behauptung des Klägers, dass er seit dem 29.06.1999 nicht mehr in der Lage sei, seinen Beruf als selbständiger Trockenausbauer zu mindestens 50 % auszuüben, nicht belegen.

d) Der Senat hat den Sachverständigen Prof. Dr. Sch… in der Sitzung vom 6.2.2004 (GA 464) angehört. Der Sachverständige hat nochmals das Ergebnis seiner schriftlichen Begutachtung bestätigt. Er hielt an seiner Aussage fest, dass sowohl nach den Befunden der Rehaklinik in Bad W. als auch seinen eigenen erhobenen Befunden nicht von einer Berufsunfähigkeit von mindestens 50 % ausgegangen werden könne. Nach den Befunden der Klinik seien bis eine auf geringe endgradige Bewegungsstörung im LWS-Bereich alle Befunde unauffällig gewesen. Es sei deshalb nicht nachvollziehbar, Anfang Januar 2000 eine ungünstige Prognose hinsichtlich der Berufsfähigkeit zu stellen. Entsprechendes gelte für die Äußerung von Dr. St… vom November 1999. Auch unter Berücksichtigung der dort angeführten Protrusion im Bereich L5/S1 könne die Schlussfolgerung einer Berufsunfähigkeit nicht geteilt werden. Aufgrund der Röntgenaufnahme seien keine Anzeichen einer dem altersgemäßen Standard vorauseilenden Degeneration der LWS erkennbar gewesen. Das Vorliegen von Bandscheibenprotrusionen sei auch kein pathologischer Zustand, sondern praktisch in fortgeschrittenem Alter bei der gesamten Bevölkerung zu beobachten. Es handele sich um eine natürliche Alterungserscheinung, die allerdings eine Vorphase eines Prolapses sein könne. Der Sachverständige bekräftigte, dass er das vom Senat im Beweisbeschluss vorgegebene Tätigkeitsbild beachtet habe. Der Sachverständige setzte sich im Rahmen seiner Anhörung auch mit den Stellungnahmen von Dr. K. (GA 453 ff.), Dr. F. (GA 449 ff.), Dr. Heim (Anlage zum Klägerschriftsatz vom 3.2.2004) auseinander. Der Sachverständige betonte, dass er eine linkskonvexe LWS-Skoliose nicht habe feststellen können. Auch habe er bei seiner Untersuchung keine ISG-Blockierung feststellen können. Bei dem Kläger bestehe zwar eine Hüftdysplasie, d.h. eine Minderentwicklung der Hüftgelenkspfanne, die aber nur dann von Bedeutung sei, wenn sie zu Beschwerden führe. Der Sachverständige machte deutlich, dass die vom Kläger geschilderte Schmerzsymptomatik mit dem von ihm als Sachverständigen festgestellten Befunden kongruent gewesen sei und nicht darüber hinausgehe. Insgesamt erachtete der Sachverständige aus rein orthopädischer Sicht einen Grad der Berufsunfähigkeit von 30 % schon als recht hoch gegriffen. Unter Berücksichtigung der vom Kläger geschilderten subjektiven Empfindungen sei gemeinsam mit den orthopädischen Befunden die Annahme des Grades der Beeinträchtigung der Berufsfähigkeit von 30 % vertretbar.

e) Der Senat hat anknüpfend an den Anhörungstermin vom 6.2.2004 und die dortigen Erörterungen mit Beweisbeschluss vom 19.3.2004 (GA 493) zu dem bereits benannten Beweisthema ergänzend die Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Zusammenhanggutachtens angeordnet, obgleich der Kläger in der Beweisaufnahme vom 27.6.2003 (GA 399, 402) zunächst erklärt hatte, dass er sich bei den Gründen der Berufsunfähigkeit auf die geltend gemachten Wirbelsäulenprobleme beschränke und das ursprünglich in Rede stehende Angstsyndrom keine Rolle mehr spiele. Auch Alkohol- und Gallenprobleme seien unerheblich. Mit der Erstellung des Gutachtens ist der Sachverständige Prof. Dr. B. W., Dr. H.-Sch.-Kliniken GmbH in W., beauftragt worden.

Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 30.7.2004 (GA 515) ausgeführt, anamnestisch liege beim Kläger seit dem Unfall am 29.6.1999 ein chronisches Schmerzsyndrom der LWS vor. Es bestehe eine Schmerzausstrahlung in die unteren Extremitäten. Hinweise auf neurologische Ausfälle (Lähmungen, Sensibilitätsstörungen, Reflexausfälle) seien nicht vorhanden. Das CT der LWS vom 20.8.1999 habe keinen Anhalt für eine Schädigung des Rückenmarks oder der Nervenwurzeln ergeben. Auch die elektrophysiologische Untersuchung schließe eindeutig eine schwere Schädigung der Nervenwurzel L 5 aus. Der Sachverständige Prof. Dr. W. stimmte mit der Bewertung des Sachverständigen Prof. Dr. Sch. überein, dass über die im orthopädischen Gutachten festgehaltenen Störungen des Bewegungsapparates keine hinausgehenden Erkrankungen erkennbar seien. Der Sachverständige Prof. Dr. W. vermochte in seiner Begutachtung aufgrund der einmaligen Untersuchung des Klägers nicht zu dem Ergebnis zu gelangen, dass die vom Kläger beschriebene und wieder aufgegriffene Angsterkrankung zu einer Beeinträchtigung der Berufsunfähigkeit führt. Auffallend sei, dass bei dem Kläger bislang keine therapeutischen Maßnahmen erfolgt seien, etwa mittels eines Antidepressivums. Wichtig sei es, dass die vom Kläger beschriebene Höhenangst, die nach seinem Vortrag ein Arbeiten auf Leitern und Gerüsten verhindere, durch Expositionsübungen überwindbar sei. Eine ausreichende Abklärung der Frage einer möglichen Berufsunfähigkeit sei nur in Form eines stationären Aufenthalts in einer entsprechend spezialisierten psychosomatischen Klinik klärbar. Prof. Dr. W. gelangte zu dem Ergebnis, dass im somatischen Bereich von einem Grad der Berufsunfähigkeit von 30 % auszugehen sei.

Der Ausprägungsgrad der Panikstörung und eine dadurch bedingte mögliche zusätzliche Einschränkung der Berufsfähigkeit habe bei der ambulanten gutachterlichen Untersuchung, wie auch in den Testuntersuchungen, nicht ausreichend festgestellt werden können. Der Gutachter empfahl zur weitergehenden Abklärung einen stationären Aufenthalt in einer psychosomatischen Schmerzklinik.

f) Der Senat hat mit Beschluss vom 21.12.2004 (GA 603) an den Sachverständigen Priv.-Doz. Dr. med. U.T. E., Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universität M., die Anfrage gerichtet, ob zur Abklärung eines möglichen Einflusses der Angsterkrankung auf die Berufsfähigkeit ein stationärer Therapieversuch ebenfalls für sinnvoll und erforderlich erachtet werde oder eine andere Verfahrensweise angezeigt sei, insbesondere auch im Hinblick auf eine über die durch den orthopädischen Befund belegte Schmerzsymptomatik hinausgehende, selbständige Schmerzsymptomatik, etwa in Form einer somatoformen Schmerzstörung. Der Sachverständige Prof. Dr. E. hat daraufhin in seiner Stellungnahme vom 15.2.2005 ausgeführt, dass er einen stationären Therapieversuch zur Abklärung eines möglichen Einflusses der Angsterkrankung auf die Berufsfähigkeit für wenig sinnvoll erachte, da er vor dem Hintergrund des anhängigen Verfahrens mit allergrößter Wahrscheinlichkeit kein positives Ergebnis erwarten lasse. Im Hinblick auf die Schmerzsymptomatik, die sich in unspezifischen Rückenschmerzen im Lendenwirbelsäulenbereich darstellten, sei am wahrscheinlichsten, dass es sich um eine Somatisierung der Angsterkrankung handele. Die muskulären Verspannungen seien Ausdruck erhöhter innerer Anspannung bzw. Angst. Auch die im nervenärztlichen Gutachten von Prof. Dr. W. diagnostizierten Spannungskopfschmerzen sprächen für diesen Zusammenhang. Hinzu komme noch, dass aufgrund neurobiologischer Vorgänge in bestimmten Bereichen des Gehirns (limbisches System) es bei Angstpatienten zu einer besonders ausgeprägten Aufmerksamkeitsfokussierung auf körperliche Vorgänge und damit verbundenen ihrer verstärkten Wahrnehmung komme. Dies beinhalte eine Absenkung der Schmerzschwelle und damit ein verstärktes Schmerzempfinden. Die skizzierten Zusammenhänge beeinträchtigten nach breiten Erfahrungen mit solchen Schmerzpatienten ganz erheblich den Alltag und nicht zuletzt die Berufsfähigkeit. Bei der auf Grund der Zeitdauer und bisher völlig unzureichenden Behandlung eingetretenen Chronifizierung sei ein vollständiges Fehlen der Berufsfähigkeit zum gegenwärtigen Zeitpunkt sehr wahrscheinlich. Eine abschließende Gesamtbeurteilung der Einschränkung der Berufsfähigkeit sei erst nach Abschluss einer adäquaten Behandlung, wie sie jetzt von Dr. H. eingeleitet worden sei, sinnvoll. Eine gutachterliche Gesamtbeurteilung sei erst in zwei Jahren möglich.

Der Senat hat mit Verfügung des Vorsitzenden vom 21.4.2005 (GA 628) unter Bezugnahme auf die Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (BB-BUZ 90) nochmals dargelegt, dass für die private Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung nicht die sozialversicherungs- und versorgungsrechtlichen Maßstäbe heranzuziehen seien. Eine dauernde Beeinträchtigung sei zu bejahen, wenn im maßgeblichen Prognosezeitpunkt mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sei, dass sich mindestens über einen Zeitraum von etwa drei Jahren keine Besserung einstellen werde. Der Senat hat diesbezüglich den Sachverständigen PD Dr. E. um eine ergänzende Stellungnahme gebeten. PD Dr. E. hat in seiner ergänzenden Stellungnahme ausgeführt, dass ergänzende Ausführungen im Hinblick auf die Feststellung einer Berufsunfähigkeit zum aktuellen Zeitpunkt nicht möglich seien. Eine persönliche Untersuchung werde derzeit keine weitere Sicherheit der Wahrscheinlichkeit bringen. Dies gelte in besonderem Maße, da die Vorbehandlung und die dazugehörige diagnostische Einschätzung nach Aktenlage sehr insuffizient sei. Nur eine sorgfältige Abklärung erlaube eine retrospektive Festlegung einer etwaigen Berufsfähigkeit. Der Sachverständige vermochte sich nicht festzulegen, ob die Einschränkung der Berufsfähigkeit die Kriterien des privaten Versicherungsrechts erfüllt.

Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme konnte der Senat nicht die Überzeugung gewinnen, dass der Kläger derzeit und auf Dauer zumindest zu 50 % berufsunfähig ist. Sowohl Prof. Dr. Sch… als auch Prof. Dr. W. haben übereinstimmend den Grad der Berufsunfähigkeit auf maximal 30 % angegeben. Der Senat hatte keinen Anlass, an den von Sachkunde getragenen Ausführungen dieser Sachverständigen zu zweifeln. Der Senat sieht im Rahmen seines pflichtgemäßen Ermessens gemäß §§ 402 ff. ZPO keine Chance einer weiteren zuverlässigen Aufklärung durch weiteren Sachverständigenbeweis:

Der Sachverständige PD Dr. E. hat zwar einerseits ausgeführt, dass infolge der durch die unzureichende Behandlung eingetretene Chronifizierung ein vollständiges Fehlen der Berufsfähigkeit zum gegenwärtigen Zeitpunkt sehr wahrscheinlich sei, hat sich andererseits aber nicht festgelegt, ob auf Dauer von einer Beeinträchtigung ausgegangen werden kann. Die Angaben des PD Dr. E. der den Kläger nicht untersucht und sich auf eine Überprüfung des Akteninhalts beschränkt hat, sind für den Senat letztlich zu unbestimmt, um eine auf Dauer, d.h. entsprechend den Versicherungsbedingungen etwa 3 Jahre, bestehende Berufsunfähigkeit anzunehmen. Dem Vortrag des Klägers zum Umfang seiner Angstneurose muss auch mitgewisser Vorsicht begegnet werden, da einiges dafür spricht, dass sein diesbezüglicher Vortrag von einer Begehrenstendenz und Versorgungsstreben mitbestimmt wird. Immerhin hat der Kläger noch anlässlich der Beweisaufnahme vom 27.6.2003 (GA 402 am Ende), d.h. vor Erstellung des orthopädischen Gutachtens durch Prof. Dr. Sch., erklärt, dass das von ihm ursprünglich geschilderte „Angstsyndrom“ keine Rolle mehr spiele. Nach Erstellung des Gutachtens und Anhörung des Sachverständigen Prof. Sch. wird nun wieder die „Angstproblematik“ in der Vordergrund gestellt, nachdem die vom Kläger geschilderten Beschwerden aus fachorthopädischer Sicht in dem behaupteten Umfange nicht objektiviert werden konnten. Es spricht nach Auffassung des Senats keine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Kläger auf Dauer berufsunfähig ist.

Ein Anspruch des Klägers kann auch nicht unter Berücksichtigung der Regelung des § 2 Abs. 3 BB-BUZ 90 begründet werden. Diese Regelung bestimmt, dass dann, wenn die versicherte Person sechs Monate ununterbrochen infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, vollständig oder teilweise außerstande gewesen ist, ihren Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die aufgrund ihrer Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht, die Fortdauer dieses Zustandes als vollständige oder teilweise Berufsunfähigkeit gilt. Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben, da der Kläger nach Überzeugung des Senats zu keinem Zeitpunkt mindestens zu 50 % berufsunfähig war.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorliegen, § 543 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 72.723,87 € festgesetzt (Feststellungsantrag 3.711,80 DM mtl. Rente x 42 x 80 % = 124.716,48 DM + Beitragsbefreiung 521,40 DM x 42 x 80 % = 17, 519,04 DM, mithin 142.235,52 DM = 72.723,87 € ).

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