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Berufsunfähigkeitsversicherung – Verjährungsbeginn des Stammrechts

Das OLG Nürnberg hat die Berufung des Klägers abgewiesen, da die Verjährungsfrist für das Stammrecht mit Ablauf des 31.12.2017 eingetreten ist. Die Leistungseinstellung durch die Beklagte im April 2014 markiert den Beginn derjährungsfrist. Der Versicherungsnehmer kann die Verjährung durch Klageerhebung hemmen.

[Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 8 U 119/24 >>>]

✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Die Verjährungsfrist für das Stammrecht (den Anspruch auf laufende Rentenzahlungen aus einem konkreten Versicherungsfall) beginnt mit dem Jahresende, in dem die Leistungseinstellung nach durchgeführtem Nachprüfungsverfahren mitgeteilt wurde.
  • Es kommt dabei nicht darauf an, ob die Mitteilung über die Leistungseinstellung formal und materiell den Anforderungen des Nachprüfungsverfahrens entsprach.
  • Dieser Verjährungsbeginn dient dem Rechtsfrieden und Schuldnerschutz, damit der Versicherer nicht jahrelang mit abgeschlossen geglaubten Fällen konfrontiert wird.
  • Der Versicherungsnehmer kann die Verjährung durch Klageerhebung auf weitere Rentenzahlungen hemmen.
  • Unabhängig von der Verjährung des Stammrechts bestehen die Einzelansprüche auf wiederkehrende Zahlungen fort.
  • Ein fortbestehender Vertrag kann bei Eintritt eines neuen Versicherungsfalles erneute Leistungsansprüche auslösen.
  • Die inhaltlichen Mängel einer Einstellungsmitteilung hindern den Versicherer grundsätzlich nicht an der Verjährungseinrede nach allgemeinen Grundsätzen.
  • Die Entscheidung fördert die Rechtssicherheit für beide Seiten und eine ausgewogene Risikoverteilung im Versicherungsverhältnis.

Verjährungsbeginn des Stammrechts: Gerichtsurteil zu Berufsunfähigkeitsversicherung

Eine Berufsunfähigkeitsversicherung kann ein wichtiger Schutz sein, wenn Arbeitnehmer aufgrund gesundheitlicher Probleme ihren Beruf nicht mehr ausüben können. Sie bietet in solchen Fällen finanzielle Unterstützung in Form von monatlichen Renten. Doch nicht immer verläuft die Anerkennung und Abwicklung solcher Versicherungsleistungen reibungslos. Juristische Fragen rund um den Vertragsabschluss, die Leistungspflicht des Versicherers und den Verjährungsbeginn von Ansprüchen können für Versicherte eine große Herausforderung darstellen.

Um Klarheit in diese komplexen Zusammenhänge zu bringen, ist es wichtig, sich mit den rechtlichen Grundlagen auseinanderzusetzen. Nur so lassen sich die Rechte und Pflichten beider Vertragsparteien – Versicherte und Versicherer – eindeutig bestimmen. Im Folgenden wird ein aktuelles Gerichtsurteil zum Thema Verjährungsbeginn des Stammrechts in einer Berufsunfähigkeitsversicherung vorgestellt und analysiert.

Der Fall vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth im Detail

Verjährung des Stammrechts: Gericht weist Berufung ab

In einem aktuellen Verfahren vor dem Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg ging es um die Verjährung von Ansprüchen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung. Im Mittelpunkt des Rechtsstreits (Az.: 8 U 119/24) stand die Frage, wann die Verjährungsfrist für das sogenannte Stammrecht beginnt. Das Stammrecht umfasst den gesamten Anspruch auf die aus einem konkreten Versicherungsfall zu erbringenden Leistungen (z. B. Rentenzahlungen).

Der Kläger unterhielt seit Dezember 2006 eine Berufsunfähigkeitsversicherung bei der Beklagten. Nach einem Unfall im Jahr 2012 beantragte er Leistungen aus der Versicherung, da er aufgrund von Verletzungen an beiden Füßen seinen Beruf als Aufzugmonteur nicht mehr ausüben konnte. Die Beklagte erkannte die Berufsunfähigkeit des Klägers an und leistete ab Januar 2013 eine monatliche Rente. Im April 2014 stellte die Beklagte die Rentenzahlungen jedoch wieder ein.

Leistungseinstellung der Berufsunfähigkeitsrente

In einem Schreiben vom April 2014 führte die Beklagte als Begründung für die Leistungseinstellung an, dass der Kläger aufgrund einer innerbetrieblichen Umsetzung wieder als Servicetechniker tätig sei und sich sein Gesundheitszustand verbessert habe. Der Kläger akzeptierte die Leistungseinstellung zunächst. Erst im Jahr 2022, nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses und erneuten gesundheitlichen Problemen, forderte er die Beklagte zur Zahlung der Berufsunfähigkeitsrente auf.

Das Landgericht Nürnberg-Fürth wies jedoch die Klage des Klägers ab, da mögliche Ansprüche verjährt seien. Die Verjährungsfrist von drei Jahren habe mit dem Ende des Jahres 2014 zu laufen begonnen, da die Beklagte mit ihrem Schreiben aus April 2014 ihre Leistungsablehnung für alle nach dem 01.09.2013 datierenden Rentenansprüche des Klägers unmissverständlich zum Ausdruck gebracht habe.

OLG Nürnberg bestätigt Verjährung

Der Kläger legte gegen das Urteil des Landgerichts Berufung beim OLG Nürnberg ein. Der Senat des OLG beabsichtigt, die Berufung zurückzuweisen. Er ist der Auffassung, dass die Verjährung des Stammrechts mit Ablauf des 31.12.2017 eingetreten ist, da die Verjährungsfrist mit dem Ende des Jahres 2014 zu laufen begann.

Verjährungsbeginn bei Leistungseinstellung entscheidend

Das OLG Nürnberg bestätigte die Rechtsauffassung des Landgerichts, wonach der Verjährungsbeginn des Stammrechts nicht davon abhängt, ob die Mitteilung der Leistungseinstellung den formellen und materiellen Voraussetzungen des Nachprüfungsverfahrens entsprach. Das OLG begründet seine Entscheidung damit, dass es dem Versicherer nicht zumutbar sei, sich Jahre nach einer Leistungseinstellung noch mit einem für abgeschlossen gehaltenen Versicherungsfall auseinanderzusetzen. Dem Versicherungsnehmer stehe es frei, die Verjährung durch Klageerhebung zu hemmen.

✔ FAQ zum Thema: Berufsunfähigkeitsversicherung und Verjährung


Was ist unter dem Begriff „Stammrecht“ in der Berufsunfähigkeitsversicherung zu verstehen?

Das Stammrecht in der Berufsunfähigkeitsversicherung bezeichnet den Gesamtanspruch des Versicherungsnehmers auf Leistungen aus dem Versicherungsvertrag, der mit dem Eintritt der Berufsunfähigkeit entsteht.

Es umfasst den Anspruch auf sämtliche vereinbarten Leistungen wie Rentenzahlungen, Beitragsbefreiung etc. Das Stammrecht bildet die Grundlage für die einzelnen monatlichen Rentenzahlungen oder anderen abschnittsweisen Leistungen.

Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) geht davon aus, dass dieses Stammrecht einer eigenständigen Verjährungsfrist unterliegt. Das bedeutet, dass nicht nur die einzelnen Teilansprüche (z.B. Monatsrenten) verjähren können, sondern der gesamte Leistungsanspruch aus dem Versicherungsfall.

Für den Versicherungsnehmer ist es wichtig, das Konzept des Stammrechts zu verstehen, da ansonsten der Gefahr besteht, dass bei einer Ablehnung von Leistungen durch den Versicherer und Untätigkeit des Versicherungsnehmers der gesamte Anspruch auf Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung verjährt.


Wie beginnt die Verjährungsfrist für das Stammrecht in der Berufsunfähigkeitsversicherung?

Die Verjährungsfrist für das Stammrecht in der Berufsunfähigkeitsversicherung beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch auf die Leistungen erstmals fällig geworden ist.

Konkret bedeutet dies: Wenn der Versicherer den Leistungsantrag des Versicherungsnehmers wegen Berufsunfähigkeit ablehnt, beginnt mit dieser Ablehnung die dreijährige Verjährungsfrist für das Stammrecht zu laufen.

Der Versicherungsnehmer muss dann innerhalb von drei Jahren nach der Ablehnung gerichtlich gegen die Entscheidung des Versicherers vorgehen, um die Verjährung zu hemmen. Andernfalls verjährt das gesamte Stammrecht, also der Gesamtanspruch auf Leistungen aus diesem Versicherungsfall der Berufsunfähigkeit.

Entscheidend ist somit die Ablehnung des Leistungsantrags durch den Versicherer. Mit dieser Ablehnung wird der Versicherungsnehmer von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners (Versicherer) Kenntnis erlangen, wodurch gemäß § 199 Abs. 1 BGB die Verjährungsfrist in Lauf gesetzt wird.


Wie kann ein Versicherungsnehmer die Verjährung seines Anspruchs aus der Berufsunfähigkeitsversicherung hemmen?

Ein Versicherungsnehmer kann die Verjährung seines Anspruchs aus der Berufsunfähigkeitsversicherung auf folgende Weisen hemmen:

  • Erhebung einer Klage: Die Verjährung wird durch die rechtzeitige Erhebung einer Klage gegen den Versicherer gehemmt. Der Versicherungsnehmer muss innerhalb der 3-jährigen Verjährungsfrist Klage auf die Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung erheben.
  • Durchführung eines Ombudsmannverfahrens: Auch die Einleitung eines Ombudsmannverfahrens hemmt die Verjährung, sofern dies innerhalb der 3-Jahres-Frist erfolgt.
  • Anerkenntnis des Versicherers: Erkennt der Versicherer den Anspruch an, wird die Verjährung ebenfalls gehemmt. Dies kann durch eine ausdrückliche Bestätigung oder die Leistung von Abschlagszahlungen geschehen.
  • Vergleichsverhandlungen: Ernsthafte Vergleichsverhandlungen zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer können zur Hemmung der Verjährung führen, wenn sie innerhalb der Verjährungsfrist stattfinden.

Es ist entscheidend, dass der Versicherungsnehmer zeitnah nach Eintritt der Berufsunfähigkeit und spätestens innerhalb von 3 Jahren nach Ablehnung des Leistungsantrags durch den Versicherer aktiv wird, um die Verjährung seines gesamten Stammrechts zu verhindern.


§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils

  • § 522 Abs. 2 ZPO (Zivilprozessordnung): Dieser Paragraph ermöglicht es einem Gericht, eine Berufung ohne mündliche Verhandlung zurückzuweisen, wenn die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat. Dies ist relevant im vorliegenden Fall, da das OLG Nürnberg die Berufung des Klägers zurückweisen möchte, weil es keine Erfolgsaussichten sieht und keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gegeben ist.
  • Verjährungsrecht nach §§ 195, 199 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch): Diese Paragraphen regeln die regelmäßige Verjährungsfrist, die in Deutschland grundsätzlich drei Jahre beträgt, beginnend mit dem Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Dies ist zentral, da im Fall die Verjährungsfrist der Ansprüche des Klägers entscheidend war.
  • § 214 Abs. 1 BGB: Dieser Paragraph behandelt die Einrede der Verjährung, die es dem Schuldner erlaubt, die Erfüllung der Leistung zu verweigern, wenn die Verjährungsfrist abgelaufen ist. Im genannten Fall war dies ein wesentlicher Punkt, da die Beklagte sich auf die Verjährung der Ansprüche berief.
  • AVB-BU (Allgemeine Bedingungen für die Berufsunfähigkeitsversicherung): Die spezifischen Klauseln dieser Bedingungen sind entscheidend für die Beurteilung des Versicherungsanspruchs und des Umfangs der Leistungspflicht sowie der Leistungseinstellung. Der Kläger und die Beklagte streiten sich um die Gültigkeit einer Leistungseinstellung gemäß diesen Bedingungen.
  • § 13 AVB-BU: Spezifiziert das Nachprüfungsverfahren und die Anforderungen an die formelle und materielle Richtigkeit von Entscheidungen zur Einstellung der Leistungen in der Berufsunfähigkeitsversicherung. Dieser Paragraph war relevant für die Beurteilung, ob die Einstellung der Leistungen durch die Beklagte rechtens war.
  • § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB und § 258 BGB: Diese Vorschriften betreffen die Hemmung der Verjährung durch gerichtliche Maßnahmen. Sie waren im Kontext des Falls relevant, da diskutiert wurde, ob und wie der Kläger die Verjährung seiner Ansprüche hätte hemmen können.

Diese Gesetze und Vorschriften sind essentiell für das Verständnis der juristischen Situation und der Entscheidungen des Landgerichts und des OLG Nürnberg im vorliegenden Fall der Berufsunfähigkeitsversicherung. Sie zeigen die Komplexität der rechtlichen Beurteilungen, die in solchen Fällen erforderlich sind, und die Bedeutung einer korrekten Anwendung und Interpretation der relevanten Rechtsnormen.


➜ Das vorliegende Urteil vom Landgericht Nürnberg-Fürth

OLG Nürnberg – Az.: 8 U 119/24 – Beschluss vom 08.04.2024

Hinweis gemäß § 522 Abs. 2 ZPO

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 13.12.2023, Az. 11 O 367/23, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen vier Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

Gründe

I.

Die Parteien streiten über Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung, die der Kläger seit Dezember 2006 bei der Beklagten unterhält (Anlage K 1).

Dem Vertrag, der eine Versicherungsdauer von 33 Jahren vorsieht, liegen die Allgemeinen Bedingungen der Beklagten für die Berufsunfähigkeitsversicherung (im Folgenden: AVB-BU; Anlage K 2) zugrunde. Die Parteien haben eine jährliche Dynamisierung des Beitrags und der garantierten Versicherungsleistung vereinbart (Anlage B 1). Für den Fall einer bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit sind die Zahlung einer monatlichen Rente von zuletzt 924,43 € und die Befreiung von der Beitragszahlungspflicht (zuletzt monatlich 122,56 €; Anlage K 11) vorgesehen.

Am 10.05.2013 beantragte der seinerzeit als Aufzugmonteur tätige Kläger Leistungen aus der streitgegenständlichen Versicherung, weil er infolge eines Unfalls vom 13.12.2012 an beiden Füßen verletzt und berufsunfähig geworden sei (Anlage B 3). Die Beklagte trat daraufhin in die Leistungsprüfung ein und teilte dem Kläger mit Schreiben vom 16.04.2014 mit, dass sie ihre Eintrittspflicht ab dem 01.01.2013 anerkenne (Anlage K 3). In dem gleichen Schreiben erklärte die Beklagte gegenüber dem Kläger Folgendes (Hervorhebung im Original):

„Nach den uns vorliegenden Unterlagen sind ab dem 23. August 2013 aufgrund einer innerbetrieblichen Umsetzung wieder als Servicetechniker tätig. Im Hinblick auf die gesundheitliche Verbesserung und der zum 23. August 2013 konkret aufgenommenen Tätigkeit, die Sie aufgrund der Ausbildung und Erfahrung ausüben können, sind die Leistungsvoraussetzungen ab diesem Zeitpunkt nicht mehr gegeben und wir haben daher zum 01. September 2013 die Rentenzahlungen gleichzeitig wieder eingestellt.“

Anschließend leistete die Beklagte an den Kläger eine Rentennachzahlung für 8 Monate in Höhe von insgesamt 5.270,32 €.

Der Kläger nahm diese Leistungseinstellung hin und beanspruchte zunächst keine weiteren Zahlungen. Am 08.08.2022 informierte er die Beklagte über die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses sowie über eine orthopädische und physiotherapeutische Behandlung. Daraufhin übersandte ihm die Beklagte ein Antragsformular für die Anmeldung eines Versicherungsfalles (Anlage B 7).

Der Kläger macht geltend, dass die Beklagte ihm aufgrund des Leistungsanerkenntnisses vom 16.04.2014 eine Berufsunfähigkeitsrente schulde. Die in dem Schreiben gleichzeitig vorgenommene Einstellung dieser Leistungen zum 01.09.2013 sei unwirksam, da sie nicht den formalen und materiellen Anforderungen einer Entscheidung im Nachprüfungsverfahren genüge.

Er verlangt die Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente für den Zeitraum Januar 2019 bis Dezember 2020 in Höhe von insgesamt 18.810,96 € sowie Beitragserstattung für den gleichen Zeitraum in Höhe von insgesamt 2.687,77 €. Ferner fordert der Kläger Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.295,43 € (Anlage K 14).

Das Landgericht hat diese Klage ohne Beweisaufnahme vollständig abgewiesen. Es hat dabei im Wesentlichen darauf abgestellt, dass mögliche Ansprüche des Klägers verjährt seien. Die Verjährungsfrist von drei Jahren habe mit dem Ende des Jahres 2014 zu laufen begonnen, nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 16.04.2024 ihre Leistungsablehnung für alle nach dem 01.09.2013 datierenden Rentenansprüche des Klägers unmissverständlich zum Ausdruck gebracht habe. Ob die zugleich mit dem Anerkenntnis erfolgte Mitteilung über die Leistungseinstellung den formellen und materiellen Anforderungen genügt habe, sei für den Verjährungsbeginn nicht maßgeblich. Anderenfalls müsste ein weit zurückliegender Sachverhalt aufgeklärt werden und es würde eine erhebliche Rechtsunsicherheit eintreten.

Hiergegen wendet sich die Berufung des Klägers, mit der er seine erstinstanzlichen Klageanträge weiterverfolgt.

II.

Der Senat ist gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO grundsätzlich an die in erster Instanz festgestellten Tatsachen gebunden. Durchgreifende und entscheidungserhebliche Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit dieser Feststellungen ergeben sich nicht. Die maßgeblichen Tatsachen rechtfertigen keine von der des Landgerichts abweichende Entscheidung und dessen Entscheidung beruht auch nicht auf einer Rechtsverletzung (§ 513 Abs. 1 ZPO).

Zu Recht und mit überzeugender Begründung hat das Landgericht einen Anspruch des Klägers gegen die Beklagte aus § 1 Nr. 1 AVB-BU verneint. Mit den hiergegen erhobenen Einwendungen kann die Berufung nicht durchdringen.

1.

Unbestritten ist ein Versicherungsfall gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 AVB-BU eingetreten. Er ist seitens der Beklagten mit Schreiben vom 16.04.2014 anerkannt worden (§ 173 Abs. 1 VVG, § 11 AVB-BU; Anlage K 3). Ein befristetes Anerkenntnis, das sich allein auf einen im Zeitpunkt der Erklärung vollständig in der Vergangenheit liegenden Zeitraum bezieht, war der Beklagten grundsätzlich nicht möglich (vgl. BGH, Urteile vom 23.02.2022 – IV ZR 101/20, NJW 2022, 1813 Rn. 12 ff. und vom 31.08.2022 – IV ZR 223/21, NJW-RR 2022, 1618 Rn. 12). Ob im Einzelfall etwas anderes gilt, wenn der Versicherungsnehmer erst nach Ende der Berufsunfähigkeit Versicherungsleistungen beantragt und so gegebenenfalls die Leistungspflicht des Versicherers durch sein eigenes Verhalten verlängern könnte, kann hier offen bleiben (ebenso BGH, Beschluss vom 13.03.2019 – IV ZR 124/18, NJW 2019, 2385 Rn. 20). Der Kläger hat seinen Leistungsantrag am 10.05.2013 gestellt, als die von der Beklagten anerkannte Berufsunfähigkeit noch andauerte. Es handelte sich demnach um ein unbefristetes Anerkenntnis, an das die Beklagte gebunden war und von dem sie sich nur nach den Regeln des Nachprüfungsverfahrens lösen konnte (§ 13 AVB-BU; vgl. BGH, Urteil vom 17.02.1993 – IV ZR 206/91, r+s 1994, 72, 73 m.w.N.).

Ist der Versicherer im Zeitpunkt der Abgabe eines aufgrund zunächst nachgewiesener Berufsunfähigkeit gebotenen Anerkenntnisses der Ansicht, bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit sei bereits wieder entfallen, so kann er Anerkenntnis und Entscheidung im Nachprüfungsverfahren miteinander verbinden (sog. „uno-actu-Entscheidung“; vgl. BGH, Urteil vom 19.11.1997 – IV ZR 6/97, NJW 1998, 760, 761; OLG Hamm, BeckRS 2023, 44079 Rn. 66; OLG Saarbrücken, BeckRS 2017, 114710 Rn. 38). Dies trägt einem praktischen Bedürfnis Rechnung (vgl. Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung, 4. Aufl., Kap. 14 Rn. 177). Ein solches Vorgehen beruht allerdings nicht auf einer „Erstprüfung“, sondern auf einer Nachprüfung, mit der Folge, dass die Voraussetzungen des Wegfalls der Leistungspflicht in formeller und materieller Hinsicht erfüllt sein müssen (vgl. OLG Saarbrücken, a.a.O.). Dass die Einstellung der Leistungen erst mit dem Ablauf des dritten Monats nach Absenden der Mitteilung und frühestens zu Beginn der darauffolgenden Rentenzahlungsperiode wirksam wird (§ 13 Nr. 4 AVB-BU), bedarf hier nur am Rande der Erwähnung. Denn für das Jahr 2014 macht der Kläger keine Ansprüche geltend.

2.

Ob die im Schreiben der Beklagten vom 16.04.2014 gegebene Begründung für die Einstellung der Leistungen ausreichend nachvollziehbar war (vgl. hierzu etwa BGH, Urteil vom 03.11.1999 – IV ZR 155/98, r+s 2000, 213, 215), erscheint angesichts des Fehlens jeglicher Vergleichsbetrachtung und daraus abgeleiteter Folgerungen mehr als zweifelhaft. Insbesondere der allgemeine Hinweis auf einen verbesserten Gesundheitszustand genügt im Regelfall nicht (vgl. Neuhaus, a.a.O., Rn. 178). Das Landgericht hat hierzu keine abschließenden Feststellungen getroffen, einen fortbestehenden Rentenanspruch des Klägers unterstellt und diesen zutreffend für verjährt angesehen (LGU 5-7). Die von der Beklagten bereits mit der Klageerwiderung erhobene Einrede greift daher durch (§ 214 Abs. 1 BGB).

a)

Im Recht der Berufsunfähigkeitsversicherung ist zwischen dem gesamten Anspruch auf die aus einem konkreten Versicherungsfall zu erbringenden Leistungen („Stammrecht“) und dem Anspruch auf die einzelnen aus diesem Stammrecht fließenden Rentenbeträge zu unterscheiden (vgl. BGH, Urteil vom 02.11.2005 – IV ZR 15/05, r+s 2006, 205, 206). Auch das Stammrecht unterliegt als solches der Verjährung (§ 194 Abs. 1 BGB; vgl. BGH, Urteile vom 03.04.2019 – IV ZR 90/18, r+s 2019, 342 Rn. 12 ff. und vom 05.10.1988 – IVa ZR 317/86, NJW-RR 1989, 89, 90). Dies gilt unabhängig von dem Gegenstand der Versicherungsleistungen, seien es Rentenzahlungen oder die Befreiung von der Verpflichtung zur Beitragszahlung. Nach Eintritt der Verjährung des Stammrechts ist der Versicherer analog § 217 BGB berechtigt, Einzelleistungen aus dem zugrundeliegenden Versicherungsfall zu verweigern (vgl. BGH, Urteil vom 03.04.2019 – IV ZR 90/18, r+s 2019, 342 Rn. 19; OLG Hamm, BeckRS 2015, 4940 Rn. 18 f.). Abgesehen davon verjähren diese Einzelansprüche aber unabhängig vom Stammrecht (vgl. OLG Saarbrücken, BeckRS 2018, 18352 Rn. 8).

b)

Für das Stammrecht gilt die regelmäßige Verjährung (§§ 195, 199 Abs. 1 BGB; vgl. OLG Stuttgart, BeckRS 2014, 9721 Rn. 21; MüKo-VVG/Dörner, 3. Aufl., § 172 Rn. 240). Bei Leistungseinstellung nach durchgeführtem Nachprüfungsverfahren beginnt die Verjährung des Stammrechts zum Schluss des Jahres, in dem die Leistungseinstellung nach § 13 Nr. 4 AVB-BU mitgeteilt wird (vgl. Rogler in: Ernst/Rogler, Berufsunfähigkeitsversicherung, Stichwort „Verjährung“ Rn. 6). Denn damit steht eine Änderung der für den Rentenbezug relevanten Sachlage im Raum, aufgrund derer sich der Versicherer für berechtigt hält, die Rentenzahlung einzustellen (vgl. Neuhaus, a.a.O., Kap. 4 Rn. 239). Wie die Vorinstanz rechtsfehlerfrei erkannt hat, kommt es dabei nicht darauf an, ob die Mitteilung der Leistungseinstellung den formellen und materiellen Voraussetzungen des § 13 AVB-BU entsprach.

Dies erscheint interessengerecht. Zum einen würde es den Versicherer unbillig belasten, sich Jahre nach einer – zumal: unwidersprochen hingenommenen – Leistungseinstellung noch mit einem für abgeschlossen gehaltenen, angesichts des erheblichen Zeitablaufs typischerweise nur noch unter Schwierigkeiten aufklärbaren Versicherungsfall auseinandersetzen zu müssen. Ihn davor zu schützen, entspricht gerade dem Zweck des Verjährungsrechts. Die Verjährung beruht auf den Gedanken des Rechtsfriedens und des Schuldnerschutzes. Sie soll den Schuldner davor bewahren, noch längere Zeit mit von ihm nicht mehr erwarteten Ansprüchen überzogen zu werden (vgl. BGH, Urteil vom 03.04.2019 – IV ZR 90/18, r+s 2019, 342 Rn. 20 m.w.N.). Zum anderen stehen dem Versicherungsnehmer, der die Leistungseinstellung für unberechtigt hält, zumutbare Möglichkeiten zur Verfügung, die Verjährung zu hemmen. Das kann insbesondere durch die Klage auf Zahlung weiterer Berufsunfähigkeitsrente, d.h. auf künftige wiederkehrende Leistungen erfolgen (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB, § 258 BGB). Das gerichtliche Verfahren wiederum würde dem Versicherer die Möglichkeit eröffnen, etwaige inhaltliche Mängel der Einstellungsmitteilung mit ex-nunc-Wirkung zu heilen (vgl. hierzu OLG Hamm, BeckRS 2023, 44079 Rn. 78 ff.) bzw. mit einer anderen Begründung ein neues Nachprüfungsverfahren einzuleiten (vgl. hierzu Senatsurteil vom 23.01.2012 – 8 U 607/11, r+s 2014, 617). Anderseits müsste der Versicherer – soweit bestritten – die materiellen Voraussetzungen des Wegfalls seiner Leistungspflicht nachweisen (vgl. BGH, Urteil vom 07.12.2016 – IV ZR 434/15, NJW 2017, 731 Rn. 18 m.w.N.). Auch daran zeigt sich eine ausgewogene Risikoverteilung. Hinzu kommt, dass der Versicherungsvertrag unabhängig von der Stammrechtsverjährung fortbesteht. Er vermag daher im Falle eines – nach den Grundsätzen der Erstprüfung zu beurteilenden – neuen Versicherungsfalles erneute Leistungsansprüche zu vermitteln.

Dass die schriftliche Einstellungsmitteilung nach § 13 Nr. 4 AVB-BU auch den Zweck hat, den Versicherungsnehmer in die Lage zu versetzen, sein Prozessrisiko abschätzen zu können (vgl. BGH, Urteil vom 02.11.2005 – IV ZR 15/05, NJW-RR 2006, 171 Rn. 22), gebietet im Streitfall keine andere Sichtweise. Auch im Falle einer nicht den inhaltlichen Mindestanforderungen entsprechenden Mitteilung ist es der Beklagten grundsätzlich nicht nach § 242 BGB verwehrt, sich auf die Verjährung des Stammrechts zu berufen. Die Beklagte hat vor Eintritt der Verjährung weitergehende Rentenansprüche des Klägers verneint und ihm damit verdeutlicht, dass er diese gerichtlich durchsetzen muss. Zielgerichtet abgehalten hat sie ihn davon nicht (vgl. auch OLG Saarbrücken, r+s 2018, 84, 85; Neuhaus, a.a.O., Kap. 4 Rn. 237). Insbesondere musste die im April 2014 erfolgte Einstellungsmitteilung keinen Hinweis auf die in § 12 Abs. 3 VVG a.F., § 12 AVB-BU geregelte Klagefrist enthalten. Die gesetzliche Regelung ist auf Altverträge in der vorliegenden Konstellation nicht mehr anwendbar (vgl. BGH, Urteil vom 08.02.2012 − IV ZR 2/11, NJW 2012, 1213), wodurch auch den hiermit in Zusammenhang stehenden Vertragsklauseln die Wirksamkeit entzogen worden ist (vgl. MüKo-VVG/Fausten, 3. Aufl., § 15 Rn. 19).

Für die Frage des Verjährungsbeginns ist es entgegen der Ansicht der Berufung schließlich auch nicht maßgeblich, dass es einzelne Versicherer selbst in Kauf nehmen, einen weit vor dem Leistungsantrag liegenden Eintritt der Berufsunfähigkeit prüfen zu müssen. Dies entspricht weder den Musterbedingungen des GDV zur Berufsunfähigkeitsversicherung (§ 1 Abs. 3) noch den Erfahrungen des erkennenden Senats. Vielmehr erleidet der Versicherungsnehmer im Regelfall einen Rechtsnachteil, wenn er die Berufsunfähigkeit erst mehrere Monate nach deren Eintritt gegenüber dem Versicherer mitteilt. Das Risiko einer verspäteten Geltendmachung trägt also grundsätzlich der Versicherungsnehmer.

c)

Die Verjährung des Stammrechts begann demzufolge am 01.01.2015 zu laufen. Angesichts des zuvor Ausgeführten kommt es auf die juristischen Kenntnisse des Klägers über die Rechtswirksamkeit von Leistungseinstellungen in der Berufsunfähigkeitsversicherung nicht an. Denn es ist nicht erforderlich, dass der Gläubiger aus den ihm bekannten Tatsachen die zutreffenden rechtlichen Schlüsse zieht (vgl. BGH, Urteil vom 16.06.2016 – I ZR 222/14, GRUR 2016, 1291 Rn. 42; MüKo-BGB/Grothe, 9. Aufl., § 199 Rn. 29 m.w.N.). Verjährung trat mit Ablauf des 31.12.2017 ein, so dass die am 23.01.2023 beim Landgericht eingereichte Klage den Lauf der Verjährung nicht mehr hemmen konnte. Dies steht auch den für die Jahre 2019 und 2020 geltend gemachten Ansprüchen auf Rentenzahlung und Beitragserstattung entgegen.

3.

Ob die seitens des Klägers am 08.08.2022 gegenüber der Beklagten mitgeteilten Umstände einen neuen Versicherungsfall begründen, muss hier nicht entschieden werden. Der Kläger macht für einen deutlich vor 2022 liegenden Zeitraum Ansprüche aus dem am 16.04.2014 anerkannten Versicherungsfall geltend. Damit ist der Streitgegenstand klar umgrenzt.

4.

Mangels durchsetzbarer Hauptforderung schuldet die Beklagte auch keine Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.

III.

Vor diesem Hintergrund empfiehlt der Senat, die Berufung zurückzunehmen. Hierdurch würden sich die Gerichtskosten von 4,0 auf 2,0 Gebühren reduzieren (Nr. 1222 KV GKG).

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