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Berufsunfähigkeitsversicherung – Verjährung von Leistungsansprüchen

Thüringer Oberlandesgericht – Az.: 4 U 392/17 – Urteil vom 29.03.2018

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Gera vom 24.05.2017, Az. 3 O 903/16 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Das Versäumnisurteil des Landgerichts Gera vom 18.11.2016, Az. 3 O 903/16, wird insoweit aufrechterhalten, als festgestellt wird, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin beginnend ab 01.01.2013 und solange diese bedingungsgemäß berufsunfähig ist, längstens jedoch bis zum 31.03.2035, von der Beitragspflicht für die fondsgebundene Lebensversicherung (G.) zur Versicherungsscheinnummer L. zu befreien.

Im Übrigen wird unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung der Klägerin das Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.

2. Die durch die Säumnis der Beklagten veranlassen Kosten hat diese allein zu tragen. Im Übrigen haben die Kosten des Rechtsstreits die Klägerin zu 1/3 und die Beklagte zu 2/3 zu tragen.

3. Das Urteil ist und das Versäumnisurteil im Umfang seiner Aufrechterhaltung bleibt vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Zwangsvollstreckung aus den Urteilen jeweils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

5. Der Streitwert wird durch Beschluss auf 8.382,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass die Beklagte sie aufgrund einer bedingungsgemäßen Berufungsunfähigkeit von der Beitragspflicht für eine fondsgebundene Rentenversicherung freizustellen habe.

Die Klägerin war ab 2007 oder 2008 (die Einzelheiten sind zwischen den Parteien streitig) bei der Beklagten gegen Berufsunfähigkeit versichert. Für den Fall der Berufsunfähigkeit war eine Befreiung von der Beitragszahlungspflicht vereinbart. Am 01.02.2009 erlitt die Klägerin einen Skiunfall, aufgrund dessen sie bedingungsgemäß berufsunfähig wurde. Sie stellte im Mai 2010 einen Leistungsantrag. Die Beklagte erklärte am 11.10.2010 eine Leistungsablehnung. Im September 2014 stellte die Klägerin aufgrund anderer Erkrankungen (Cervikobrachialsyndrom, Asthma u.a.) einen neuen Leistungsantrag, den die Beklagte mit Schreiben vom 02.03.2015 ablehnte.

Die Klägerin hat behauptet, am 15.12.2008 kein Mahn- und Kündigungsschreiben erhalten zu haben.

Die Klägerin hat ursprünglich beantragt,

1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin beginnend ab März 2009, hilfsweise ab Januar 2012, solange diese bedingungsgemäß berufsunfähig ist, längstens jedoch bis zum 31.05.2035 von der Beitragspflicht für die fondsgebundene Rentenversicherung (G.) zur Versicherungsschein-Nr. L. zu befreien;

2. die Beklagte zu verurteilen, an die RECHTSSCHUTZ … GmbH, …, zu Schadennummer … vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 887,03 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Antragsgemäß ist im schriftlichen Vorverfahren gegen die Beklagte am 18.11.2016 ein Versäumnisurteil ergangen. Gegen dieses ihr am 24.11.2016 zugestellte Versäumnisurteil hat die Beklagte Einspruch eingelegt, der am 06.12.2016 bei Gericht eingegangen ist.

Die Klägerin hat beantragt, das Versäumnisurteil vom 18.11.2016 aufrechtzuerhalten.

Die Beklagte hat beantragt, das Versäumnisurteil vom 18.11.2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben. Sie hat die Ansicht vertreten, das „Stammrecht“ aus der Versicherung sei verjährt. Dieses erfasse alle zukünftigen Ansprüche aus dem Skiunfall vom Februar 2009. Ihr Mahn- und Kündigungsschreiben vom 15.12.2008 sei der Klägerin zugegangen.

Mit Urteil vom 24.05.2017 hat das Landgericht das Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Verjährung habe am 31.12.2010 begonnen und sei damit lange vor Klageerhebung im Jahr 2016 abgelaufen. Der Anspruch sei mit Eintritt der Berufsunfähigkeit entstanden. Es sei der Beklagten nicht verwehrt, sich auf die Einrede der Verjährung zu berufen.

Soweit die Berufsunfähigkeit auf einen neuen Versicherungsfall (Asthma, Schulterbeschwerden) gestützt werde, fehle es an einem substantiierten Sachvortrag. Die Klägerin habe auf den gerichtlichen Hinweis vom 02.05.2017 nicht weiter vorgetragen.

Gegen dieses ihr am 30.05.2017 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 26.06.2017 Berufung eingelegt und am 28.07.2017 begründet. Die Klägerin meint, eine Stammrechtsverjährung gebe es nicht. Auch sei es treuwidrig, dass die Beklagte sich auf die Einrede der Verjährung berufe. Diese habe sich widersprüchlich verhalten. Sie habe gleichzeitig Prämien abgebucht und sich auf ein Nichtbestehen des Versicherungsverhältnisses berufen. Die Beklagte habe zudem in den von ihr gestellten allgemeinen Versicherungsbedingungen auf die Verjährung hinweisen müssen. Dies sei nicht geschehen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Hauptsache zum Teil Erfolg. Die Beklagte ist aufgrund des eingetretenen Versicherungsfalles verpflichtet, die Klägerin ab dem 01.01.2013 von der Beitragszahlungspflicht für ihre fondsgebundene Rentenversicherung freizustellen. Für die Zeit davor ist der Anspruch der Klägerin ist verjährt.

1. Zwischen den Parteien besteht ein wirksamer Versicherungsvertrag über eine fondsgebundene Rentenversicherung mit Berufs- und Dienstunfähigkeitszusatzschutz. Eine solche ist von der Klägerin mit Versicherungsbeginn 01.06.2007 beurkundet worden (Anlage K1). Am 01.10.2009 wurde ein Nachtrag mit einem Beginn der Versicherung zum 01.07.2008 beurkundet. Aufgrund dieser Nachbeurkundung kann dahingestellt bleiben, ob ein Schreiben der Beklagten vom 15.12.2008 zu einer Beendigung des Vertrages geführt hat, oder ob es am Zugang des Mahn- und Kündigungsschreibens fehlt. Jedenfalls aufgrund der Nachtrags-Beurkundung vom 01.10.2009 kann ein Versicherungsschutz und eine Beitragszahlungspflicht für die Zeit ab dem 01.07.2008 und damit für den den Zeitpunkt des Skiunfalls festgestellt werden.

2. Die Klägerin ist bedingungsgemäß berufsunfähig. Sie hat hierzu vorgetragen, sie sei aufgrund eines Skiunfalls vom 01.02.2009 in ihrem bis dahin ausgeübten Beruf als Tanzlehrerin bedingungsgemäß berufsunfähig. Diese Berufsunfähigkeit ist unstreitig. Die Beklagte verteidigt sich hinsichtlich des Unfalls aus dem Jahr 2009 allein mit dem Einwand der Verjährung. Nur hinsichtlich eines weiteren behaupteten Schadensfalls aus dem Jahr 2012 bestreitet die Beklagte das Vorliegen von Berufsunfähigkeit (Schriftsatz der Beklagten vom 06.12.2016, S. 5 f., Bl. 68 f. d.A.).

3. Der Anspruch der Klägerin ist nur zum Teil verjährt. Eine sogenannte „Stammrechtsverjährung“, die in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte zum Versicherungsrecht verbreitet vertreten wird und die auch die Vorinstanz ihrer Entscheidung zugrundegelegt hat, kann jedenfalls seit der Reform des Versicherungsvertragsrechts 2008 nicht mehr angenommen werden.

a. Nach bisher einheitlicher Ansicht in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte verjähren bei einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung nicht nur die einzelnen „Teilansprüche“ auf Versicherungsleistungen. Unabhängig von diesen verjähre auch ein „Gesamtanspruch“, ein „Stammrecht“ als solches (OLG Koblenz, r+s 2011, 523; OLG Stuttgart, VersR 2014, 1115; OLG Hamm, VersR 2015, 2675; OLG Saarbrücken, NJW-RR 2017, 1508). Wenn das „Stammrecht“ verjährt sei, könne ein Anspruch aus dem Versicherungsverhältnis nicht mehr geltend gemacht werden.

b. Dieser Rechtsprechung kann nicht gefolgt werden. Nur der einzelne Anspruch auf (Versicherungs-)Leistung, nicht aber ein „Stammrecht“ unterfällt der Verjährung.

aa. Gegen die Idee der „Stammrechtsverjährung“ spricht schon der eindeutige Wortlaut des § 194 Abs. 1 BGB. Danach verjähren „Ansprüche“, nicht aber „Stammrechte“.

Die Idee der Verjährung eines Stammrechts wurde vom BGB-Gesetzgeber zunächst erwogen.

In § 160 des Ersten Entwurfs heißt es:

„Hängen wiederkehrende Leistungen von einem Hauptrechte ab, so beginnt die Verjährung des Anspruchs im Ganzen mit dem Zeitpunkte, in welchem die Verjährung des Anspruchs auf die Leistung begonnen hat.“

In der Konsequenz sah § 184 des Ersten Entwurfs eine „Stammrechtsverjährung“ vor:

„Ist der Hauptanspruch verjährt, so ist auch der Anspruch auf die von demselben anhängenden Nebenleistungen verjährt, selbst wenn die für den letzteren Anspruch geltende besondere Verjährung noch nicht vollendet ist.

Bei selbständigen wiederkehrenden Leistungen ist mit der Verjährung des Anspruchs im Ganzen auch der Anspruch auf die bis dahin verfallenden Leistungen verjährt.“

Diese Bestimmungen haben keinen Eingang in das BGB gefunden. Der Gesetzgeber hat sich bewusst gegen eine Stammrechtsverjährung und für eine Anspruchsverjährung entschieden (so zutreffend Staudinger/Peters/Jacoby, BGB, Bearbeitung 2014, § 194 Rdnr. 16). Die historische Auslegung spricht damit gegen die Verjährung eines Stammrechts.

bb. Der Versicherungsvertrag ist zweiseitig verpflichtender schuldrechtlicher Vertrag mit dem Charakter eines Dauerschuldverhältnisses (Prölss/Martin, VVG, 30. Aufl. 2018, § 1 Rdnr. 27). Der Versicherer verpflichtet sich, nach Eintritt des vereinbarten Versicherungsfalls eine Leistung zu erbringen. Der Versicherungsnehmer hat die vereinbarte Prämie zu leisten (§ 1 VVG). Der Leistungsanspruch im Versicherungsfall folgt aus diesem Schuldverhältnis. Eine Aufspaltung in ein „Stammrecht“ einerseits und Einzelleistungen andererseits sieht der Versicherungsvertrag wie jedes andere Dauerschuldverhältnis nicht vor. Eine solche Trennung ist dem Recht der vertraglichen Schuldverhältnisse fremd. Bei einem Mietverhältnis beispielsweise folgt die Pflicht zur Zahlung der Miete (unmittelbar) aus dem Schuldverhältnis, das einen (der Verjährung unterfallenden) Anspruch begründet, nicht aber aus einem „Stammrecht“. Gleiches muss für den (schuldrechtlichen) Versicherungsvertrag gelten. Die Leistungspflicht folgt aus dem Schuldverhältnis selbst und nicht aus einem zu separierenden „Stammrecht“ (a.A. OLG Stuttgart, VersR 2014, 1115, 1116 f.). Der einzelne Anspruch auf Leistung (und nur der Anspruch) wird sodann von § 194 BGB der Verjährung unterworfen.

Die Annahme eines „Stammrechts“ kann allenfalls für das Sachenrecht erwogen werden. Proto- typisch ist die Reallast. Die Reallast (§ 1105 Abs. 1 S. 1 BGB) als Ganzes, als Zusammenfassung aller Einzelleistungen, kann als „Stammrecht“ bezeichnet werden, um diese von den Einzelleistungen gemäß § 1107 BGB abzugrenzen (Staudinger/Reimann, BGB, Neubearbeitung 2017, Einl. zu §§ 1105-1112 Rdnr. 43). Hier ist die Differenzierung – anders als im Schuldrecht – durch den Gesetzgeber vorgezeichnet.

bb. Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Urteil des BGH vom 20.01.1955 (BGH VersR 1955, 97). In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Sachverhalt begehrte der Kläger die Zahlung einer Jahresrente aus einer Unfallversicherung. Der BGH entschied, dass nicht nur der Anspruch auf einzelne Jahresleistungen, sondern auch der „Gesamtanspruch, also das Stammrecht als solches, der Verjährung zugänglich“ sei. Diese Ausführungen können heute keine Geltung mehr beanspruchen. Seit dem Erlass der Entscheidung hat sich die zugrunde liegende Rechtslage tiefgreifend geändert. Die Argumentation des BGH stellt zentral auf § 12 VVG ab, der mit der VVG-Novelle 2008 grundlegend modifiziert worden ist.

§ 12 VVG a.F. gab dem Versicherer die Möglichkeit, unter Hinweis auf § 12 Abs. 3 VVG die Leistung abzulehnen. Der Versicherte musste dann innerhalb von sechs Monaten den Leistungsanspruch gerichtlich geltend machen. Anderenfalls ging er seines Anspruchs verlustig. Diese Regelung lag im Interesse des Versicherers, möglichst schnell Klarheit über seine Leistungspflicht zu erhalten. Die Sonderregelung des § 12 Abs. 3 VVG a.F. konnte dahingehend verstanden werden, dass sie dem Versicherer die Möglichkeit eröffnete, die einzelnen Leistungsansprüche des Versicherten durch einseitige Erklärung zu einem „Gesamtanspruch“ zu verdichten bzw. zu bündeln. Dieses „Anspruchsbündel“ wurde sodann einer einheitlichen Verjährung unterworfen.

Die Regelung des § 12 Abs. 3 VVG a.F. ist mit der VVG-Novelle 2008 ersatzlos gestrichen worden. Der Gesetzgeber entschied, es gebe keinen Grund für eine derartige Sonderregelung im Interesse des Versicherers (Begründung des Gesetzesentwurfes der Bundesregierung, BT-Dr. 16/3945, S. 64). Die Verjährung solle sich zukünftig allein nach den §§ 195 ff. BGB bestimmen (Begründung des Regierungsentwurfes, a.a.O.). Mit dem Wegfall des § 12 Abs. 3 VVG a.F. ist der normative Anknüpfungspunkt für die Idee eines „Gesamtanspruchs“, die der BGH- Entscheidung aus dem Jahr 1955 zugrunde lag, entfallen. Der Gesetzgeber hat sich 2008 im Interesse der Versicherungsnehmer ausdrücklich für die Anspruchsverjährung nach dem BGB und gegen eine Anspruchsbündelung bzw. „Stammrechtsverjährung“ entschieden.

Für wiederkehrende Leistungen aus dem Versicherungsverhältnis gilt daher nichts anderes wie auch für wiederkehrende Leistungen aus anderen Schuldverhältnissen, wie z.B. regelmäßige Mietzinszahlungen. Nach dem ausdrücklich geäußerten Willen des Gesetzgebers (BT-Dr. 16/3945, S. 64) gelten für die Verjährung von Ansprüchen aus dem Versicherungsverhältnis grundsätzlich die Bestimmungen des BGB. Ansprüche des Versicherungsnehmers auf Leistungen verjähren daher genauso wie Prämienansprüche des Versicherers nach § 195 BGB in drei Jahren. Der Verjährungsbeginn bestimmt sich nach § 199 Abs. 1 BGB.

cc. Auch aus der vom BGH im Jahr 1955 in Bezug genommenen und häufig zitierten Entscheidung RGZ 136, 427 folgt nichts anderes. Der Kläger machte mit der vor dem Landgericht Ratibor erhobenen Klage Ansprüche aus einem 1796 (!) geschlossenen Vergleich geltend.

Durch den Vergleich wurde eine streitige Holzungsgerechtigkeit aufgehoben. Der beklagte preußische Staat verpflichtete sich als Gegenleistung in dem Vergleich, bestimmte Grundsteuern zu übernehmen.

Das Reichsgericht entschied, dass auf den nach preußischem Allgemeinen Landrecht begründete Anspruch auf Übernahme der Grundsteuern Erwägungen aus dem Leibrentenrecht angewendet werden könnten. Es könne von einem „Gesamtrecht“ ausgegangen werden. In Auseinandersetzung mit den Materialien zum BGB entschied das Reichsgericht, dass bei einem solchen leibrentenähnlichen Anspruch auch der „Gesamtanspruch“ verjähren könne.

Die Entscheidung wird geprägt durch die tatsächlichen Besonderheiten des Falls. Das Reichsgericht musste über einen Vergleich entscheiden, der knapp 140 Jahre vor Erlass der Entscheidung abgeschlossen wurde. Ansprüche aus dem Vergleich wurden vom Kläger bzw. seinen Rechtsvorgängern über 45 Jahre nicht geltend gemacht. Naheliegend wäre bei dieser Konstellation eine Lösung über das Rechtsinstitut der Verwirkung. Jedenfalls lässt sich aus der Entscheidung zu einem 1796 geschlossenen Vergleich über eine Holzungsgerechtigkeit, einem zumindest einem dinglichen Recht ähnlichem Recht, nichts für die Verjährung von Ansprüchen aus einem Versicherungsvertrag gewinnen.

cc. Gegen die Verjährung eines „Gesamtanspruchs“ sprechen zudem Besonderheiten der Berufsunfähigkeitsversicherung. Typischerweise steht dem Versicherer die Möglichkeit der abstrakten Verweisung zu. Konsequenz ist, dass das Bestehen eines Leistungsanspruchs ständig zu überprüfen ist. Die Möglichkeit der Verweisung kann dazu führen, dass trotz Vorliegens einer Berufsunfähigkeit ein Zahlungsanspruch nicht besteht. Auch ist unter Umständen Monat für Monat zu prüfen, ob bei bestehender Berufsunfähigkeit ein Zahlungsanspruch besteht. Die Annahme der Verjährung eines Gesamtanspruchs würde für den Versicherungsnehmer eine erhebliche Rechtsunsicherheit auslösen und ihn regelmäßig zu einer Feststellungsklage zwingen. Das vom Gesetzgeber mit der Streichung des § 12 Abs. 3 VVG verfolgte Ziel der Verbesserung der Position des Versicherungsnehmers würde konterkariert.

c. Die verjährungshemmende (§ 204 Abs. 1 Nr. BGB) Klage wurde am 11.10.2016 erhoben. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung waren alle Leistungsansprüche verjährt, die bis zum 31.12.2012 entstanden waren (§§ 195, 199 BGB). Die Klägerin kann daher nur Beitragsfreistellung ab dem 01.01.2013 verlangen.

4. Ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten besteht nicht. Ein solcher Anspruch ist nicht schlüssig dargelegt worden. Verlangt wird die Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten an eine Rechtsschutz … GmbH. Der Klage beigefügt ist eine Kostenrechnung, die an die Klägerin persönlich adressiert ist. Weitere Sachvortrag ist nicht erfolgt. Da nur eine Nebenforderung betroffen ist, war ein Hinweis nach § 139 Abs. 2 S. 1 ZPO nicht erforderlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO.

Die Vollstreckungsentscheidung folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

5. Die Entscheidung weicht – wie dargestellt – von der gefestigten Rechtsprechung einiger Oberlandesgerichte ab. Aufgrund dieser Divergenz ist gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO die Revision zuzulassen.

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