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Berufsunfähigkeitsversicherung – Verfahrensunterbrechung bei Insolvenzeröffnung

LG Frankfurt – Az.: 2-23 O 379/15 – Zwischenurteil vom 14.05.2020

Das Verfahren ist unterbrochen.

Tatbestand

Der am … geborene Kläger unterhält bei der Beklagten eine Berufsunfähigkeitsversicherung.

Der Kläger führte eine Gaststätte. In dem vorliegenden Rechtsstreit beansprucht er mit der Behauptung, seit Mai 2011 berufsunfähig zu sein, Leistungen aus der Versicherung in Höhe von 1.733,06 € monatlich seit dieser Zeit bis April 2026, teils auch im Wege der Feststellungsklage, außerdem die Rückzahlung überzahlter Beiträge sowie die Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten wegen fehlerhafter Leistungsablehnung und andauernder Leistungsverweigerung.

Mit Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom … (Az. …) ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers eröffnet worden.

Der Kläger meint, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens führe nicht zur Unterbrechung des vorliegenden Rechtsstreits. Die Beklagte tritt dem entgegen.

Entscheidungsgründe

Es ist durch Zwischenurteil über die Unterbrechungswirkung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Klägers zu entscheiden.

Ist die Unterbrechungswirkung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei zwischen den Prozessparteien streitig, ist hierüber durch Zwischenurteil gemäß § 303 ZPO zu entscheiden (BGHZ 195, 233 Rn. 5; BGH WM 2019, 681 Rn. 8). Da die Frage der Unterbrechung eine von Amts wegen zu prüfende Prozessvoraussetzung betrifft, gilt dies im Übrigen im Falle der Unterbrechung selbst dann, wenn sich die Parteien darüber einig sind, dass keine Unterbrechung eingetreten sei (BGH WM 2012, 852 Rn. 12).

Der Rechtsstreit ist gemäß § 240 Satz 1 ZPO durch die Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Klägers unterbrochen. Der Rechtsstreit betrifft zumindest teilweise die Insolvenzmasse. Damit kommt der Grundsatz zum Tragen, dass das Verfahren insgesamt unterbrochen wird, wenn mehrere Ansprüche geltend gemacht werden, von denen nur ein Teil die Insolvenzmasse betrifft (vgl. BGH FamRZ 2018, 1347 Rn. 38; BGH NJW-RR 2019, 1032 Rn. 9).

Die Insolvenzmasse ist nach § 35 Abs. 1 InsO das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt. Nicht zur Insolvenzmasse gehören Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen (§ 36 Abs. 1 InsO). Der Anspruch des Klägers auf Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung unterliegt jedoch zumindest teilweise der Zwangsvollstreckung.

Die Leistungen der Berufsunfähigkeitsversicherung des Klägers genießen nicht den Pfändungsschutz nach § 850 Abs. 3 lit. b ZPO. Zwar ist diese Vorschrift nach § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO für die Beurteilung der Pfändbarkeit entsprechend anzuwenden. Sie erfasst jedoch nach Wortlaut und Systematik nur auf Versicherungsverträgen beruhende Rentenbezüge von Beamten und Arbeitnehmern, nicht aber die von Selbstständigen (BGH NJW-RR 2008, 496 Rn. 15 ff.). Der Kläger war als Gastwirt selbstständig.

Die Unpfändbarkeit der Berufsunfähigkeitsrente des Klägers ergibt sich auch nicht aus § 851c Abs. 1 ZPO. Zwar ist auch diese Vorschrift für die Beurteilung der Pfändbarkeit gemäß § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO entsprechend anzuwenden. Schon die Voraussetzung nach § 851c Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist aber nicht gegeben. Das Tatbestandsmerkmal „lebenslang“ bezieht sich auch auf die Alternative des Leistungsbeginns „nur bei Eintritt der Berufsunfähigkeit“ (BGH VersR 2011, 1252 Rn. 17 ff.). Vorliegend wurde dem Kläger jedoch gerade keine lebenslange Leistung zugesagt, sondern eine Leistung, die bei Erreichen des Alters von 59 ½ Jahren endet.

Ansprüche aus einer Berufsunfähigkeitsrente sind gemäß § 850b Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO bedingt pfändbar (BGH NJW 2018, 2732 Rn. 20). Nach dieser Vorschrift können Renten, die wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten sind, nach den für Arbeitseinkommen geltenden Vorschriften gepfändet werden, wenn die Vollstreckung in das sonstige bewegliche Vermögen des Schuldners zu einer vollständigen Befriedigung des Gläubigers nicht geführt hat oder voraussichtlich nicht führen wird und wenn nach den Umständen des Falles, insbesondere nach der Art des beizutreibenden Anspruchs und der Höhe der Bezüge, die Pfändung der Billigkeit entspricht. Auch wenn § 850b ZPO in § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO nicht ausdrücklich erwähnt wird, ist die Vorschrift trotzdem im Insolvenzverfahren insgesamt entsprechend anzuwenden (BGH NJW-RR 2010, 474 Rn. 10 ff.). Sie beschränkt sich auch nicht auf Ansprüche von Arbeitnehmern und Beamten (BGH VersR 2011, 1252 Rn. 42 ff.).

Im Hinblick auf § 850b Abs. 2 ZPO folgt schon aus der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, dass die Vollstreckung in das sonstige bewegliche Vermögen des Schuldners nicht zu einer vollständigen Befriedigung der Insolvenzgläubiger geführt hat und voraussichtlich auch nicht führen wird. Maßgeblich für die Pfändbarkeit ist demnach die Billigkeitsprüfung, die je nach prozessualer Konstellation auch vom Prozessgericht getroffen werden kann. Insoweit die Berufsunfähigkeitsrente für pfändbar erklärt wird, fällt sie in die Insolvenzmasse (vgl. BGH NJW-RR 2010, 474 Rn. 10; BGH VersR 2011, 1252 Rn. 41).

Die Billigkeitsprüfung nach § 850b Abs. 2 ZPO ist jedoch nicht im vorliegenden Rechtsstreit im Zuge dieses Zwischenurteils vorzunehmen. Dem steht zum einen entgegen, dass der von einer solchen Entscheidung maßgeblich betroffene Insolvenzverwalter nicht Partei des vorliegenden Verfahrens ist und deshalb im Zusammenhang mit der Entscheidung nicht gehört werden kann (vgl. BGH NJW-RR 2010, 474 Rn. 10; BGH VersR 2011, 1252 Rn. 41; in den dort angegebenen Konstellationen war jeweils der Insolvenzverwalter Partei des Rechtsstreits). Zum anderen kommt es auf den genauen Umfang der Pfändbarkeit für die vorliegend zu treffende Entscheidung nicht an, denn auch teilweise Unpfändbarkeit führt zur Unterbrechung des Verfahrens. Wenn schon, wie oben angegeben, das Verfahren insgesamt unterbrochen wird, wenn mehrere Ansprüche geltend gemacht werden, von denen nur ein Teil die Insolvenzmasse betrifft, muss dies erst recht gelten, wenn ein einheitlicher Anspruch in einen pfändbaren Teil, der die Insolvenzmasse betrifft, und einen unpfändbaren Teil, der die Insolvenzmasse nicht betrifft, zerlegt wird (im Ergebnis a.A. ohne Begründung OVG Münster v. 30.10.2012 – 17 E 768/12, das eine derartige teilweise Unterbrechung annimmt).

Anders könnte es allenfalls sein, wenn es von vornherein offensichtlich der Billigkeit entspräche, dass die Berufsunfähigkeitsrente hier insgesamt unpfändbar ist (vgl. zur Krankenversicherung BGH NJW-RR 2014, 683 Rn. 19). Davon kann aber angesichts der beträchtlichen Höhe der begehrten Rente und der aufgelaufenen Rückstände nicht ausgegangen werden.

 

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