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Berufsunfähigkeitsversicherung – unzutreffende Beantwortung von Gesundheitsfragen

OLG Jena – Az.: 4 U 62/16 – Urteil vom 10.11.2016

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Meiningen vom 16.12.2015, Az. 3 O 218/14, wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Meiningen ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung des Klägers aus diesem Urteil sowie aus dem Urteil des Landgerichts Meiningen durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des für den Kläger insgesamt vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um den Bestand einer Berufsunfähigkeitsversicherung sowie um die Verpflichtung der Beklagten zur Rentenzahlung.

Hinsichtlich des der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalts einschließlich der tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen (§ 549 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht hat durch Urteil vom 16.12.2015 festgestellt, dass die vom Kläger bei der Beklagten unterhaltene Lebensversicherung und die mit enthaltene Berufsunfähigkeitsversicherung (Versicherungsvertrag Nr. …) durch die Vertragsanpassung der Beklagten vom 07.08.2013 nicht abgeändert worden sei. Ferner hat es die Beklagte verurteilt, an den Kläger 10.500 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23.04.2014 zu zahlen. Schließlich wurde die Beklagte verurteilt, ab dem 01.04.2014 für die Dauer der bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit, längstens jedoch bis zum Ablauf der vereinbarten Berufsunfähigkeit (01.07.2026), unter Beitragsfreistellung eine Berufsunfähigkeitsrente in monatlicher Höhe von jeweils 750 EUR zu zahlen.

Das Landgericht war der Auffassung, dass der Beklagten kein Recht zur Vertragsanpassung nach § 19 Abs. 4 Satz 2 VVG zustehe, da der Kläger nicht mit einer ordnungsgemäßen Belehrung in Textform (§ 19 Abs. 5 Satz 1 VVG) auf die Folgen einer Anzeigenpflichtverletzung hingewiesen worden sei. Vor allem entspreche die drucktechnische Gestaltung des Hinweises nicht den gesetzlichen Anforderungen; deswegen könne auch offen bleiben, ob der Hinweis inhaltlich zutreffend sei und ob die Fragen zum Gesundheitzustand des Klägers in Textform (vgl. § 19 Abs. 1 Satz 1 VVG) gestellt worden seien. Die Beklagte habe zudem nicht beweisen können, dass sie bei Abschluss des Versicherungsvertrages durch die unzutreffende Beantwortung der Gesundheitsfragen durch den Kläger arglistig getäuscht worden sei. Insbesondere sei die Aussage des Zeugen Christoph …, dem Versicherungsvertreter der Beklagten, nicht geeignet gewesen, den schlüssigen Vortrag des Klägers, wie es zur falschen Beantwortung der gestellten Gesundheitsfragen gekommen sei, zur Überzeugung des Gerichts zu widerlegen. Auch sei ein kollusives Zusammenwirken des Klägers und des Zeugen … bzw. ein für den Kläger evidenter Vollmachtmissbrauch durch den Zeugen … nicht erwiesen.

Die Beklagte hat gegen dieses ihr am 28.12.2015 zugestellte Urteil mit einem am 25.01.2016 beim Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Mit Schriftsatz vom 05.04.2016, eingegangen am selben Tag, hat sie die Berufung begründet; die Frist zur Berufungsbegründung war mit Verfügungen vom 22.02.2016 und vom 21.03.2016 bis zum 06.04.2016 verlängert worden.

Mit der Berufung wiederholt und vertieft die Beklagte ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie ist der Auffassung, dass die Gestaltung und der Inhalt des Hinweises zu den Folgen einer Anzeigepflichtverletzung auf Abschluss der Versicherung den gesetzlichen Anforderungen nach § 19 Abs. 5 VVG entsprochen hätte. Es sei ausreichend, wenn die Belehrung über die Folgen der Anzeigepflichtverletzung nach Beantwortung der Gesundheitsfragen erfolgen würde. Zudem sei durch die Beweisaufnahme erwiesen, dass der Kläger die Fragen am Laptop des Vermittlers habe mitlesen können und das Antragsformular insgesamt auch an diesem Tag erhalten habe. Insoweit sei davon auszugehen, dass auch hinsichtlich der Gesundheitsfragen die Textform gewahrt worden sei. Schließlich sei die Beweiswürdigung des Landgerichts insoweit fehlerhaft, als es davon ausgegangen sei, dass eine arglistige Täuschung durch den Kläger bei Beantwortung der Risikofragen nicht bewiesen sei.

Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Meiningen vom 16.12.2015, Az. 3 O 218/14, die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. Wegen des Vorbringens des Klägers wird auf seine Berufungserwiderung vom 04.05.2016 Bezug genommen.

II.

1. Die Berufung der Beklagten ist zulässig; sie ist statthaft (§ 511 ZPO) und auch im Übrigen in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden, insbesondere ist sie fristgerecht eingelegt und begründet worden (vgl. § 517, § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO).

2. In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Die Klage ist in vollem Umfang begründet.

Die Ansprüche des Klägers ergeben sich aus der bei der Beklagten abgeschlossenen Berufsunfähigkeitszusatzversicherung (Versicherungsschein-Nr. …). Der Versicherungsvertrag wurde auch nicht durch die Erklärung der Beklagten vom 07.08.2013 rückwirkend um eine Ausschlussklausel nach § 19 Abs. 4 Satz 2 VVG ergänzt, die Leistungen wegen der von dem Kläger erlittenen Lungenembolie ausschließt. Die Voraussetzungen für eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nach § 123 Abs. 1 BGB i.V.m. § 22 VVG liegen nicht vor.

a) Offen bleiben kann hierbei die Frage, ob die Fragen zu dem Gesundheitszustand des Klägers in Textform gestellt worden waren (vgl. § 19 Abs. 1 Satz 1 VVG) und ob die drucktechnische Gestaltung des Hinweises auf die Folgen einer unzutreffenden Beantwortung der Gesundheitsfragen im Hinblick auf die Anforderungen des § 19 Abs. 5 Satz 1 VVG unzureichend war, wie das Landgericht angenommen hat, denn jedenfalls hat die Beklagte nicht vorgetragen bzw. bewiesen, dass dieser Hinweis dem Kläger in einer Weise zur Kenntnis gebracht wurde, die den gesetzlichen Anforderungen genügt.

aa) § 19 Abs. 5 Satz 1 VVG verlangt, dass der Versicherungsnehmer durch „gesonderte Mitteilung in Textform“ auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung hingewiesen wird. Textform bedeutet nach § 126b Satz 1 BGB a.F., dass die Erklärung in einer Urkunde oder auf eine andere zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen geeigneten Weise abgegeben wird. Dies verlangt entweder, dass der Erklärungsempfänger die Erklärung wie auf Papier unmittelbar (mit-)lesen kann oder sie ihm in ausgedruckter Form vorgelegt wird (vgl. Ellenberger, in: Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 126b Rn. 3). Ausreichend ist auch, wie es für das Vorlesen der Gesundheitsfragen aus einem Antrag in Papierform oder aus einem elektronischen Dokument anerkannt ist (vgl. Prölss/Martin, VVG, 29. Aufl.2015, § 19 VVG Rn. 55), wenn der Versicherungsvertreter den in seinem Laptop gespeicherten Hinweis vorliest und dieser dem Versicherungsnehmer dabei deutlich und verständlich zur Kenntnis gebracht wird. In jedem Fall ist zu gewährleisten, dass es einem durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmer möglich ist, den Inhalt des Hinweises zu verstehen. Wird der Hinweis dem Versicherungsnehmer nicht vorgelesen oder hat er keine Gelegenheit, den Hinweis am Bildschirm mitzulesen, genügt für die Einhaltung der Textform dann auch, wenn dem Versicherungsnehmer das ausgedruckte Formular vor Unterschrift vorgelegt wird und zwar dergestalt, dass ihm hinreichend Zeit zur Durchsicht des Antragsformulars und der darin enthaltenen Hinweise und Belehrungen verbleibt. Der Versicherungsnehmer muss auch hier in die Lage versetzt werden, Inhalt und Tragweite der im Antragsformular enthaltenen Informationen zu erfassen und zur Kenntnis zu nehmen. Diese Anforderungen hat der Bundesgerichtshof in gefestigter Rechtsprechung in Bezug auf die Beantwortung der Gesundheitsfragen schon unter Geltung des § 16 Abs. 1 Satz 3 VVG a.F. bestätigt, insbesondere, dass die Vorlage der Fragen lediglich zur Unterschrift nicht ausreichend ist, um sie dem Versicherungsnehmer schriftlich zu stellen und zur Kenntnis zu bringen (vgl.

BGH, NJW 1991, S. 1891). Dies muss dann in vergleichbarer Weise auch für den Hinweis nach nach § 19 Abs. 5 Satz 1 VVG gelten (so auch KG, Beschluss vom 23. Mai 2014 – 6 U 210/13 – Rn. 19, juris), weil das Gesetz für diesen Hinweis dieselbe Form vorschreibt. Nach dem Gesetzeszweck soll durch die Einhaltung der Textform erreicht werden, dass der Versicherungsnehmer vor den Folgen einer unzutreffenden Beantwortung der Gesundheitsfragen gewarnt wird und ihm die sich daraus ergebenden Folgen für das Vertragsverhältnis vor Augen geführt werden (vgl. Prölss/Martin, VVG, 29. Aufl. 2015, § 19 VVG Rn. 131 f.). Dies ist bei der bloßen Unterschriftsleistung auf einem mehrseitigen Formular, das eine Fülle von Informationen und Angaben beinhaltet auch bei einer drucktechnischen Hervorhebung des Hinweises nicht gewährleistet. Denn der durchschnittlich verständige Versicherungsnehmer wird das Formular in erster Linie nur daraufhin überprüfen, ob die von ihm mitgeteilten Angaben wie die Personalien und die konkreten Antworten auf die Gesundheitsfragen in zutreffender Weise in das von dem Versicherungsagenten am Computer ausgefüllte Formular Eingang gefunden haben, wenn ihm nicht hinreichend Zeit zur Durchsicht gewährt wird.

bb) Hierzu hat die Beklagte schon nicht konkret vorgetragen. Sie hat weder behauptet, dass dem Kläger der Hinweis von dem Versicherungsvertreter, dem Zeugen vorgelesen wurde noch, dass der Kläger die Gelegenheit hatte, diesen Hinweis am Bildschirm durchzulesen. Der Vortrag der Beklagten erschöpft sich vielmehr darin, dass dem Kläger das Antragsformular nach dem Ausfüllen durch den Zeugen . zur Unterschrift vorgelegt, nicht aber, dass ihm dabei hinreichend Zeit zur Durchsicht gewährt worden sei. Es ist auch nicht vorgetragen worden, dass der Kläger von dem Zeugen . nochmals auf den in dem Formular beinhalteten Hinweis ausdrücklich hingewiesen und so das Augenmerk des Klägers auf diesen Hinweis gelenkt worden sei.

cc) Diese Feststellung kann auch nicht aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme des Landgerichts getroffen werden. Der Zeuge … hat bei seiner Vernehmung nur seine allgemeine Vorgehensweise geschildert, da er an das Gespräch mit dem Kläger keine konkrete Erinnerung mehr hatte. Dabei hat er ausgeführt, dass er die Daten der Kunden aufnehme und dann den Antrag mit ihnen durchgehe. Er habe jede einzelne Gesundheitsfrage mit dem Kunden durchgesprochen. Er habe das gewöhnlich am Laptop gemacht, habe den Kunden die Fragen vorgetragen und den Bildschirm so gedreht, dass der Kunde habe mitlesen können. Dann habe er dem Kunden den ausgedruckten Antrag zum Lesen und zur Unterschrift gegeben. Dabei sei er kurz den Antrag, z.B. auf Personalien, durchgegangen und „wahrscheinlich bei den Gesundheitsfragen auf die Antworten“ eingegangen. Ferner hat er ausgeführt, dass er die Versicherungsnehmer regelmäßig belehre. An Einzelheiten könne er sich nicht erinnern. Er wisse nicht mehr, wie es bei dem Kläger gewesen sei. Er wisse auch nicht, ob sich der Kläger das Formular noch einmal komplett angeschaut und durchgelesen habe.

Aus dieser Aussage geht gerade nicht hervor, dass der Zeuge … seine Kunden bzw. den Kläger nicht nur die Gesundheitsfragen, sondern auch den Hinweis nach § 19 Abs. 5 Satz 1 VVG am Bildschirm habe mitlesen lassen oder diesen vorgelesen bzw. sonst in geeigneter Weise mündlich zur Kenntnis gebracht habe. Der Zeuge hat auch nicht zum Ausdruck gebracht, worüber und in welchem Umfang er seine Kunden im Allgemeinen belehrt habe. Ebenfalls ist der Aussage nicht zu entnehmen, dass dem Kläger vor dessen Unterschrift hinreichend Zeit eingeräumt worden sei, den gesamten Antrag und damit auch den Hinweis durchzulesen. Es sind auch keine sonstigen objektiven Anhaltspunkte ersichtlich oder von der Beklagten vorgetragen, die darauf hindeuten würden, dass dem Kläger der Hinweis in einer geeigneten Weise zur Kenntnis gebracht worden sei. Die vorgedruckte Erklärung auf Seite 5 des Antragsformulars, dass der Versicherungsnehmer der Hinweis verstanden und gelesen habe, führt nicht dazu, dass davon ausgegangen werden kann, dass der Hinweis dem Kläger tatsächlich zur Kenntnis gelangt ist. Denn auch hier gilt, dass diese Erklärung nicht zur Kenntnis genommen werden konnte, wenn das Antragsformular lediglich zur Unterschrift vorgelegt worden ist.

Der Beklagten war es damit verwehrt, eine Anpassung des Versicherungsvertrags unter Ausschluss des sich beim Kläger realisierten Gesundheitsrisikos vorzunehmen.

b) Auf die Erfüllung der Hinweispflicht nach § 19 Abs. 5 VVG käme es nicht an, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherer bei der Beantwortung der Gesundheitsfragen arglistig getäuscht hätte (vgl. BGHZ 200, 286). Die Beklagte konnte indes den Nachweis, dass der Kläger bei Beantwortung dieser Fragen arglistig gehandelt habe, nicht führen. Die Beweiswürdigung im erstinstanzlichen Urteil ist – auch unter Berücksichtigung der Einwendungen der Beklagten im Berufungsverfahren – nicht zu beanstanden.

aa) Es kann unterstellt werden, dass der Kläger nach § 19 Abs. 1 VVG grundsätzlich verpflichtet gewesen wäre, bei der Antragstellung im Jahr 2009 anzugeben, dass 2003 eine Operation seines Knie erfolgt war. Auch die Thrombose mit Lungenembolie im Jahr 1998 mit der diesbezüglich im Jahr 2005 erfolgten Kontrolluntersuchung hätte der Kläger angeben müssen. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass entsprechende Angaben nicht in den Versicherungsantrag aufgenommen worden waren. Damit waren die Antworten objektiv unrichtig.

bb) Für die Täuschung trägt der Versicherer die Beweislast (vgl. BGH, Urteil vom 24. November 2010 – IV ZR 252/08 -, juris; Prölss/Martin, VVG, 29. Aufl.2015, § 22 VVG Rn. 43 m.w.N.).

Die arglistige Täuschung setzt eine Vorspiegelung falscher oder das Verschweigen wahrer Tatsachen gegenüber dem Versicherer zum Zwecke der Erregung oder Aufrechterhaltung eines Irrtums voraus. Der Versicherungsnehmer muss vorsätzlich handeln, indem er bewusst und willentlich auf die Entscheidung des Versicherers einwirkt. Falsche Angaben in einem Versicherungsantrag allein rechtfertigen den Schluss auf eine arglistige Täuschung nicht. Einen allgemeinen Erfahrungssatz des Inhalts, dass eine bewusst unrichtige Beantwortung einer Antragsfrage immer und nur in der Absicht erfolgt, auf den Willen des Versicherers einzuwirken, gibt es nicht (vgl. BGH, Urteil vom 24. November 2010 – IV ZR 252/08 – Rn. 19, juris). In subjektiver Hinsicht setzt die Annahme von Arglist zusätzlich voraus, dass der Versicherungsnehmer erkennt und belegt, dass der Versicherer seinen Antrag bei Kenntnis des wahren Sachverhalts gar nicht oder nur zu anderen Konditionen annehmen werde (vgl. BGH, a.a.O.). Es genügt zum Nachweis einer Verletzung der vorvertraglichen Anzeigeobliegenheit also nicht, dass die schriftlichen Antworten auf Antragsfragen – wie hier die Angaben zum Gesundheitszustand der versicherten Person – objektiv falsch sind. Der Versicherer kann allein mit dem Inhalt des von seinem Versicherungsvertreter ausgefüllten Antragsformular nicht den Beweis führen, dass der Versicherungsnehmer hinsichtlich seiner Vorerkrankungen falsche Angaben gemacht habe, sofern dieser substantiiert behauptet, den Versicherungsvertreter mündlich zutreffend unterrichtet zu haben (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 26). Dann muss der Versicherer – im Regelfall durch Aussage seines Versicherungsvertreter – beweisen, dass der Versicherungsnehmer dem Vertreter die Gefahrumstände verschwiegen hat. Dies gilt auch in einer Fallkonstellation, bei der der Versicherungsnehmer substantiiert vorgetragen hat, dass eine mündliche Mitteilung der Gefahrumstände erfolgt sei und der Versicherungsvertreter erklärt habe, dass die Versicherung sich über den Arzt oder die Krankenkasse informieren werde. Die Versicherung ist dann gehalten, diesen Vortrag zu widerlegen und weiter vorzutragen, auf welchen Umständen die Arglist beruht (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 13. August 2015 – 9 U 50/14 -, juris).

Die Einwendungen der Beklagten gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts greifen nicht durch. Der Kläger hat bei seiner persönlichen Anhörung vor dem Landgericht eingeräumt, dass ihm bei der Antragsstellung am 17.06.2009 bewusst gewesen sei, dass in dem Antrag weder seine Kreuzbandoperation am linken Knie im Jahr 2003 noch seine Thrombose mit Lungenembolie im Jahr 1998 aufgeführt worden seien. Er habe diese Umstände jedoch dem Zeugen … mündlich mitgeteilt und gesagt, dass er die Daten nicht zusammen bekomme. Daraufhin habe ihm der Zeuge gesagt, dass statt dieser Angaben die Krankenversicherung in den Antrag aufgenommen werde und die Versicherung dort Rücksprache nehmen würde. Er sei davon ausgegangen, dass das so seine Richtigkeit habe. Der Zeuge … führte hingegen aus, dass er eine Thrombose oder Embolie sowie eine Knieoperation auf jeden Fall in den Antrag aufgenommen hätte. Es sei unüblich, alle Risikofragen mit „Nein“ zu beantworten und dann nur die Krankenkasse anzugeben. Er könne sich an Einzelheiten des Gesprächs nicht mehr erinnern, sondern gebe wieder, wie er regelmäßig vorgegangen sei.

Das Landgericht ist bei Würdigung dieser Aussagen mit zutreffenden Erwägungen davon ausgegangen, dass die Schilderung des Klägers von dem Gesprächsablauf in ausreichender Weise substantiiert gewesen und durch die Aussage des Zeugen nicht widerlegt worden sei. Das Vorbringen des Zeugen ist nicht, wie die Beklagte meint, plausibler. Es sind auch keine anderen objektiven Anhaltspunkte von der Beklagten vorgetragen oder sonst ersichtlich, die darauf schließen lassen, dass der Vortrag des Klägers zu dem Gesprächsinhalt falsch sei. Auch der Umstand, dass der Zeuge … seine übliche Vorgehensweise geschildert habe, führt hier nicht dazu, dass daraus ein Rückschluss auf den Ablauf des Gespräches erfolgen könne und insoweit von der Glaubhaftigkeit der Aussage auszugehen sei. Anders als in der von der Beklagten zitierten Rechtsprechung (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 27. Februar 2004 – 20 U 186/03 -, juris) konnte sich der Zeuge zwar an den Kläger, aber nicht mehr auf einzelne konkrete Umstände des Gesprächs erinnern, die es ihm ermöglicht hätten, Schlüsse auf den Ablauf zu ziehen. Zudem hatte der Zeuge in einer E-Mail, die am 04.08.2014 bei dem Landgericht eingegangen war und die vom Landgericht auch die Parteien übermittelt worden war, mitgeteilt, dass er seit 2010 aufgrund eines „Arbeits-Überlastungssyndroms“ erkrankt sei und seit dieser Zeit Probleme mit dem Gedächtnis habe. Er könne sich nur teilweise an den Vorgang erinnern. Wegen seiner bipolaren Störung komme es auch vor, dass er sich falsch erinnere. Es ist daher nicht zu beanstanden, wenn das Landgericht, insbesondere wegen des Fehlens weiterer objektiver Anhaltspunkte, die für die Richtigkeit der Behauptung der Beklagten sprechen, zu dem von ihm festgestellten Beweisergebnis gelangt ist.

c) Ferner konnte die Beklagte – wie das Landgericht weiterhin zutreffend festgestellt hat – nicht den Beweis dafür führen, dass der Kläger mit dem Zeugen … in kollusiver Weise zusammengewirkt habe oder ein Missbrauch der Vollmacht durch den Zeugen … für den Kläger objektiv evident gewesen sei.

d) Die Beklagte hat in der Berufung auch keine Einwände gegen die Feststellung des Landgerichts erhoben, dass der Kläger wegen der im Januar 2012 erlittenen Lungenembolie nicht in der Lage sei, seinen vor Eintritt der Erkrankung ausgeübten Beruf als Kraftfahrer im internationalen Kraftverkehr auszuüben (vgl. § 2 Nr. 2 der Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung, K 1).

e) Der Feststellungantrag des Klägers ist damit begründet. Ferner steht dem Kläger ab dem 01.02.2012 (§ 1 Nrn. 1 und 2 der Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung) eine monatliche Rente in Höhe von 750 EUR unter Beitragsfreistellung zu. Für den Zeitraum vom 01.02.2012 bis 31.03.2014 errechnet sich damit ein Zahlungsbetrag in Höhe von 10.500 EUR. Der Anspruch auf Rentenzahlung besteht ab dem 01.04.2014 fort, solange die Berufsunfähigkeit vorliegt bzw. die vereinbarte Leistungsdauer nicht abgelaufen ist (§ 1 Nr. 4 der Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung).

III.

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 711 Satz 1 und Satz 2, § 709 Satz 2 ZPO.

3. Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO zuzulassen, weil die Rechtsfrage, ob für die Einhaltung der Textform und der Kenntnisnahme des Hinweises nach § 19 Abs. 5 Satz 1 VVG nicht nur die Vorlage des Antragsformulars zur Unterschrift, sondern auch zur Durchsicht zur verlangen ist, höchstrichterlich noch nicht geklärt ist.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 48.645,49 € festgesetzt.

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