I. Auf die (Zweit-)Berufung der Klägerin wird das am 23. November 2023 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken – 14 O 123/20 – unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert:
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ab März 2018 aus der Berufsunfähigkeitsversicherung mit der Versicherungsscheinnummer xxx Leistungen in Höhe von monatlich 1.230,00 € bis zum 31. Dezember 2023 mithin 86.100,00 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz aus der Summe von 33.210 Euro ab dem 30. Mai 2020 und aus jeweils weiteren 1.230,- Euro zum Ersten eines jeden nachfolgenden Monats beginnend mit dem Monat Juni 2020.
2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin von der Beitragszahlungspflicht der Berufsunfähigkeitsversicherung mit der Versicherungsscheinnummer xxx in Höhe von monatlich 92,79 € mit Wirkung ab März 2018 bis einschließlich Dezember 2023 freizustellen.
3. Es wird festgestellt, dass die Berufsunfähigkeitsversicherung mit der Versicherungsscheinnummer xxx durch die Kündigung des Beklagten 19. August 2019 nicht beendet wurde und über den 19. September 2019 hinaus fortbesteht.
4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die (Erst-)Berufung des Beklagten gegen das 23. November 2023 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken – 14 O 123/20 – wird zurückgewiesen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits fallen dem Beklagten zur Last.
IV. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
VI. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 100.289,18 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Klägerin begehrt Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung.
Die am … 1978 geborene Klägerin unterhält bei dem Beklagten unter der Versicherungsscheinnummer xxx eine selbständige Berufsunfähigkeitsversicherung mit Überschussbeteiligung und planmäßiger Erhöhung der Berufsunfähigkeitsrente und Beitrag. Versicherungsbeginn war der 1. März 2017. Als Ablauf der Beitragszahlung und gleichzeitig Ablauf der Versicherung sowie Leistungsdauer ist der 1. Februar 2043 vereinbart.
Als Versicherungsleistung aus der Berufsunfähigkeitsversicherung ist eine monatliche Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von 1.230,00 € nebst einer Befreiung von der Beitragszahlungspflicht vereinbart (vgl. Anlage 1, Blatt 167ff d.A.). Die monatliche Prämienzahlung betrug zuletzt 92,79 € unter Berücksichtigung der Überschussbeteiligung ermäßigte sich diese auf 53,39 €.
Dem Versicherungsvertrag liegen die „Allgemeinen Bedingungen für die selbständige Berufsunfähigkeits-Versicherung (BED.SBU.0915)“ (im Folgenden: AVB, vgl. Blatt 173ff d.A.) sowie die „Besonderen Bedingungen für die Lebensversicherung mit planmäßiger Erhöhung der Beiträge und Leistungen ohne erneute Gesundheitsprüfung (BED.DYN.0115)“ zugrunde.
Im Juli 2018 zeigte die Klägerin dem Beklagten an, dass sie bedingungsgemäß berufsunfähig sei. Ab diesem Zeitpunkt zahlte die Klägerin keine Beiträge mehr. Mit Schreiben vom 17. Mai 2019 (Bl. 11 d.A.) lehnte der Beklagte seine Eintrittspflicht ab und teilte der Klägerin mit, dass die während der Dauer der Prüfung der Leistungspflicht zinslos gestundeten Beiträge nun rückwirkend zu entrichten seien. Auf weitere Aufforderung der jetzigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin teilte der Beklagte mit Schreiben vom 3. Juli 2019 (Anlage 3) mit, dass er bei seiner Leistungsablehnung verbleibe. Mit Schreiben vom 19. August 2019 (Bl. 791 d.A.) hat der Beklagte wegen Beitragsrückstandes i.H.v. 686,23 € für den Zeitraum September 2018 bis einschließlich Juli 2019 die Kündigung des Versicherungsvertrages erklärt.
Die Klägerin war vor der Anzeige des Versicherunfalles zuletzt bei der Firma E. als Sekretärin beschäftigt, im September 2019 schied sie aus diesem Arbeitsverhältnis aus. Seit dem 1. September 2020 arbeitete die Klägerin bei der Firma V. (Vereinigte K.- und Z.-H.) im Büro in einem Umfang von 4x 5 Stunden. Seit dem 1. Januar 2024 ist sie in der Verwaltung eines Diakonie-Heims tätig und – wie zweitinstanzlich zuletzt unstreitig war – nicht mehr bedingungsgemäß berufsunfähig. Der Beklagte hat die Klägerin erstinstanzlich mit Schriftsatz vom 23. Dezember 2021 (Bl. 265 d.A.) auf ihre neue Tätigkeit bei der Firma V. verwiesen. Im zweiten Rechtszug hat er diese Verweisung mit Schriftsatz vom 4. Januar 2024 (Bl. 558 d.A.) erneuert und mit Schriftsatz vom 4. Juni 2024 (Bl. 747 d.A.) auch eine Verweisung auf die am 1. Januar 2024 aufgenommene Tätigkeit der Klägerin im Diakonie-Heim ausgesprochen.
Die Klägerin hat mit ihrer am 29. Mai 2020 zugestellten Klage die Zahlung der vereinbarten monatlichen Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von 1.230,00 € von Februar 2018 bis zum Ende des Vertrages am 1. Februar 2043, sowie die Feststellung der Pflicht der Beklagten zur Beitragsfreistellung geltend gemacht.
Sie hat behauptet, sie sei in gesunden Tagen als Sekretärin des Abteilungsleiters des IT-Bereiches und Kauffrau für mobile Kommunikation in Teilzeit im Umfang von jeweils 6 Stunden an 4 Tagen wöchentlich (montags bis donnerstags), mithin 24 Wochenstunden, bei der Firma E. tätig gewesen. Sie habe gegen 09:00 Uhr oder 9:30 Uhr ihre Arbeit begonnen und habe dort alle Tätigkeiten einer klassischen Sekretärin ausgeführt. Ihre Tätigkeit habe das Abholen, Sichten und Verteilen der Post umfasst und sie sei für E-Mails und Telefonie für Abteilungsleiter und Teamleiter zuständig gewesen. Außerdem habe sie die Terminkalender gepflegt, die Urlaubsplanung und Reiseplanung für alle IT- Mitarbeiter übernommen sowie Überstundenanträge und Mehrarbeitsanträge mit dem Betriebsrat abgeklärt und Schulungen organisiert. Zudem habe sie die Verwaltung der Software- und Hardwareverträge des IT-Bereiches, die Verwaltung der Handys und Smartphones für alle Standorte einschließlich der Klärung aller kommerziellen und administrativen Fragestellungen mit den Mobilfunkprovidern, den Abschluss von Neuverträgen, Organisation der Reparatur, Datenpflege in S. und Warenbestellungen im Bereich IT, Bestellung von PCs für die Mitarbeiter vorgenommen. Bezüglich des behaupteten Tagesablaufs wird auf die Darstellung im Schriftsatz vom 30. November 2020 (S. 112 d.A.) vollumfänglich Bezug genommen.
Seit Februar 2018 sei sie aufgrund in unregelmäßigen Abständen auftretender Panikattacken, körperlicher Erschöpfung, Angststörungen, depressiver Verstimmung und schwerer depressiver Phasen sowie rezidivierender Kopfschmerzsymptomatik in Gänze nicht mehr in der Lage ihre geschilderte Tätigkeit bei der Firma E. oder auch jede sonstige berufliche Tätigkeit überhaupt auszuüben. Am 10. Februar 2018 sei sie in einem Geschäft, in dem sie sich zum Einkaufen aufgehalten habe, plötzlich und ohne irgendeinen Anlass nach vorne gestürzt und auf das linke Handgelenk und die Hüfte gefallen. Frakturen oder sonstige knöcherne Verletzungen habe sie sich zwar nicht zugezogen, jedoch am Abend desselben Tages erneut beim Einkaufen einen Schwächeanfall erlitten. Sie habe Übelkeit und Herzklopfen verspürt und ihre Beine hätten sich schwer wie Blei angefühlt. Eine Mitarbeiterin habe den Rettungsdienst alarmiert. Danach habe sie noch zwei weitere Anfälle mit Herzrasen, schweren Beinen, Kribbeln über den ganzen Körper, Hyperventilation und Engegefühl in der Brust sowie Panikgefühl erlitten. Seither leide sie dauerhaft in unregelmäßigen Abständen an Panikattacken, körperlicher Erschöpfung, Angststörungen und einer rezidivierenden Kopfschmerzsymptomatik. Diese Beschwerden führten zu einer depressiven Verstimmung und Erschöpfungszuständen aufgrund derer die Klägerin nahezu nicht mehr belastbar sei.
Zunächst habe sie eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme vom 19. September 2018 bis zum 31.Oktober 2018 in B. durchgeführt. Am 16. Januar 2020 habe sich die Klägerin wegen einer Panikstörung und schweren Depression zur psychiatrischen und psychotherapeutischen Behandlung in das F. Krankenhaus Neunkirchen begeben. Die stationäre Behandlung habe bis zum 23. März 2020 angedauert und sei wegen der Corona-Pandemie unterbrochen worden. Eine für Mai 2020 vorgesehene weitere Behandlung sei aufgrund der Corona-Pandemie auf September 2020 verschoben worden. Daneben habe die Klägerin 2019 einen thorakalen Bandscheibenvorfall erlitten mit Verdacht auf Sulcus ulnaris Syndrom links. Sie leide zudem unter einer symptomatischen Kyphose, einer BWS-Blockierung mit Wirbelluxation, chronischen Dorsalgie und einer Mammahypertrophie. Seit den Vorfällen am 10. Februar 2018 sei sie bis Ende 2019 arbeitsunfähig krankgeschrieben gewesen. Ihre Berufsunfähigkeit ergebe sich aus den dem Beklagten vorliegenden Arztbriefen. Sie habe versucht, den Alltag wieder bewältigen zu können und regelmäßige Psychotherapiesitzungen absolviert. Sie habe im September 2019 eine neue Stelle bei der P. GmbH als Produktmanagerin in Vollzeit angetreten, sei jedoch über den ersten Arbeitstag hinaus nicht in der Lage gewesen, die Tätigkeit fortzusetzen.
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Er hat sämtliche Angaben der Klägerin zu ihrem Berufsbild sowie zu den vorgetragenen Symptomen, Behandlungen und Klinik- bzw. Reha-Aufenthalten sowie zu den behaupteten Erkrankungen mit Nichtwissen bestritten und ist der Ansicht gewesen, bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit liege nicht vor, was sich bereits daraus ergebe, dass aus dem Entlassungsbericht bzgl. der Reha-Maßnahme Ende 2018 in B. hervorgehe, dass die Klägerin noch 6 Stunden pro Tag arbeiten könne. Auch aus dem Bericht des D. vom 16. Februar 2018 und vom 22. Februar 2018 lasse sich keine Berufsunfähigkeit herleiten. Selbiges gelte für die mit den Anlagen 7 bis 9 vorgelegten Arztberichte. Die behauptete Berufsunfähigkeit sei jedenfalls mit Aufnahme der Tätigkeit bei der Firma V. am 1. September 2020 entfallen, weswegen sie sich – entsprechend der im Rechtsstreit abgegebenen Erklärungen – hierauf verweisen lassen müsse. Insoweit sei es im Falle einer konkreten Verweisung auch im Nachprüfungsverfahren Sache des Versicherungsnehmers, darzulegen und nachzuweisen, aus welchem Grund er nicht auf diese Tätigkeit verwiesen werden könne, weswegen es zunächst an der Klägerin sei, entsprechenden Sachvortrag zu halten (Bl. 275 d.A.).
Mit dem zur Berufung angefallenen Urteil, auf dessen Inhalt auch hinsichtlich der darin enthaltenen Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat das Landgericht nach informatorischer Anhörung der Klägerin sowie der Einholung eines Sachverständigengutachtens nebst Zusatz- und Ergänzungsgutachten der Sachverständigen Dr. B. den Beklagten unter Klageabweisung im Übrigen dazu verurteilt, von März 2018 bis zum 30.04.2022 Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung in Höhe von 1.230,00 € monatlich, mithin 61.500 € zu zahlen, sowie festgestellt, dass die Klägerin in dem genannten Zeitraum von der Beitragszahlungspflicht freizustellen ist. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass nach Durchführung der Beweisaufnahme feststehe, dass die Klägerin seit Februar 2018 ununterbrochen bedingungsgemäß berufsunfähig sei. Die Pflicht zur Zahlung der Berufsunfähigkeitsrente und zur Freistellung von der Beitragszahlungspflicht ende jedoch mit Ablauf des Monats April 2022, nachdem der Beklagte die Klägerin wirksam mit Schriftsatz vom 23. Dezember 2021 (Bl. 265 ff. d.A.) auf die unstreitig von ihr seit dem 1. September 2020 ausgeübte Tätigkeit bei der Firma V. ausgeübte Tätigkeit konkret verwiesen habe.
Gegen dieses Urteil haben beide Parteien jeweils selbständig Berufung eingelegt.
Der Beklagte verfolgt mit seiner Erstberufung sein vormaliges, auf vollständige Klageabweisung gerichtetes Begehren weiter. Soweit das Landgericht das behauptete und mit Nichtwissen bestrittene Berufsbild der Klägerin aufgrund einer informatorischen Anhörung als nachgewiesen erachtet habe, habe es durch das Übergehen eines berechtigten Bestreitens das Recht des Beklagten auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG verletzt. Angesichts der seitens der Klägerin für ihr Berufsbild benannten Zeugen habe das Landgericht nicht allein auf die informatorische Anhörung der Klägerin, die die letztlich entscheidende Einzelrichterin auch nicht selbst durchgeführt habe, abstellen dürfen. Weiterhin wendet sich der Beklagte gegen die vorgenommene Bewertung des Gutachtens der Sachverständigen Dr. B.. Die Sachverständige habe nicht hinreichend aufgeklärt, welche konkreten Symptome bei der Klägerin für welchen Zeitraum objektiv nachgewiesen werden könnten. Zudem bleibe nicht nachvollziehbar, warum die Sachverständige im Schweregrad über die gestellten Diagnosen der Behandler in der Klinik B. und der Diakonie-Kliniken Saarland hinausgehe, ohne die Behandlungsunterlagen der Behandler beigezogen und überprüft zu haben, ob die tatsächlich von den Behandlern festgestellten Befunde die gestellten Diagnosen rechtfertigen. So rechtfertige der jeweils festgehaltene psychiatrische Befund noch nicht einmal die gestellten Diagnosen. Das Landgericht habe es zudem pflichtwidrig unterlassen, ein neues Gutachten gemäß § 412 ZPO einzuholen, denn die Anhörung der Sachverständigen habe verdeutlicht, dass diese die anamnestischen Angaben der Klägerin schlicht übernommen und mitgeteilte Befindlichkeiten ohne Befundqualität wiederholt habe. Schließlich habe das Landgericht verkannt, dass es nicht ausreiche, dass eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit zu irgendeinem Zeitpunkt eingetreten sei. Vielmehr müsse sie zu dem Zeitpunkt eingetreten sein, der von dem Versicherungsnehmer behauptet werde. Gelinge dieser Nachweis nicht, könnten neue Ansprüche nur auf einen neuen Versicherungsfall gestützt werden, der aber nur eintreten könne, wenn sich der Zustand des Versicherungsnehmers erheblich verschlechtert habe. So könne aus Unterlagen, die zu einem sehr viel späteren Zeitpunkt erstellt worden seien, nicht ohne weiteres auf den Zustand der Klägerin im Februar 2018 geschlossen werden. Angesichts des Umstands, dass die Klägerin den Beklagten unstreitig nicht über die seit dem 1. September 2020 ausgeübte Tätigkeit unterrichtet habe, sei diese wegen vorsätzlicher Verletzung der Mitwirkungsobliegenheit aus § 12 Abs. 3 AVB nicht berechtigt, sich auf die mangelnde Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens und den erst später erfolgten Zugang der Einstellungsmitteilung zu berufen (Bl. 464 d.A.). In der mündlichen Verhandlung vom 06. Mai 2021 (Bl. 138 d.A.) habe die Klägerin auf Nachfrage des Gerichts „nach der Arbeitstätigkeit der Klägerin jetzt“ vielmehr wahrheitswidrig angegeben, dass sie nach Ende des Krankengeldes ausgesteuert worden sei und seitdem keine Leistungen von der Krankenkasse oder vom Arbeitsamt mehr erhalte (Bl. 140 d.A.), obwohl sie bereits seit dem 1. September 2020 wieder berufstätig gewesen sei. Dessen ungeachtet sei jedenfalls spätestens mit Schriftsatz vom 4. Januar 2024 (Bl. 558 ff. d.A.) eine formal wirksame Einstellungsmitteilung in Bezug auf die ab dem 1. September 2020 ausgeübte Tätigkeit erfolgt.
Soweit die Klägerin sich mit ihrer Berufungsbegründung hinsichtlich der Verweisung auf die seit dem 1. September 2020 aufgenommene Tätigkeit erstmalig auf einen Einkommensverlust berufe, welcher der Annahme der für eine Verweisung erforderlichen Vergleichbarkeit der Tätigkeiten entgegenstehe, sei dieses neue Vorbringen gemäß § 531 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen, da sie entsprechenden Vortrag in erster Instanz – trotz entsprechenden Hinweises des Landgerichts zu ihrer Vortragslast im Beschluss vom 26. August 2022 (Bl. 360, 364 d.A.) – unterlassen habe. Dessen ungeachtet stellt der Beklagte in Abrede, dass die Klägerin auch im Jahr 2020 ein Einkommen erzielt habe, wie es sich aus der von ihr vorgelegten Lohnsteuerbescheinigung für das Jahr 2022 (Bl. 478 d.A.) ergebe; ebenso, dass die Klägerin zum Zeitpunkt des behaupteten Eintritts des Versicherungsfalls Einkünfte in der vorgetragenen Höhe der vorgelegten Entgeltabrechnung für Dezember 2017 (Bl. 477 d.A.) bezogen habe.
Der Beklagte beantragt, die Klage unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils des Landgerichts Saarbrücken vom 23.11.2022 (Az.: 14 O 123/20) in vollem Umfang abzuweisen.
Die Klägerin hat zunächst beantragt,
I. die Berufung des Beklagten zurückzuweisen,
II. das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 23.11.2022 (Az.: 14 O 123/20) abzuändern und den Beklagten zu verurteilen:
1. an die Klägerin ab Februar 2018 aus der Berufsunfähigkeitsversicherung mit der Versicherungsscheinnummer xxx Leistungen in Höhe von monatlich 1.230,00 € längstens bis zum Ende des Vertrages am 1. Februar 2043 zu zahlen, zahlbar monatlich im Voraus bis zum dritten Werktag eines jeden Monats soweit die bedingungsgemäßen Voraussetzungen für die Berufsunfähigkeit erfüllt sind;
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin von der Beitragszahlungspflicht der Berufsunfähigkeitsversicherung Versicherungsscheinnummer xxx in Höhe von monatlich 92,79 € ab Februar 2018 freizustellen, soweit die bedingungsgemäßen Voraussetzungen für die Berufsunfähigkeit erfüllt sind;
3. an die Klägerin Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 1.954,46 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Mit Schriftsatz vom 4. November 2024 (Bl. 788 d.A.) hat die Klägerin die zu Ziff. 1 und 2 gestellten Klageanträge insoweit für erledigt erklärt, als Leistungen über den 31. Dezember 2023 hinaus geltend gemacht werden, da sie davon ausgehe, dass die Berufsunfähigkeit mit Aufnahme der ab dem 1. Januar 2024 ausgeübten Tätigkeit entfallen sei. Der Beklagte ist dem nicht entgegengetreten und hat sich der Erledigungserklärung angeschlossen (Bl. 802 d.A.).
Die Klägerin beantragt nunmehr unter Berücksichtigung der Teilerledigungserklärung:
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ab März 2018 bis einschließlich Dezember 2023 aus der Berufsunfähigkeitsversicherung mit der Versicherungsscheinnummer xxx Leistungen in Höhe von monatlich 1.230,00 € jeweils zuzüglich Zinsen auf die Monatsbeiträge i.H.v. 4 % gemäß § 91 VVG bis zur Rechtshängigkeit sowie jeweils zuzüglich weiterer Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf die monatlichen Beiträge ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin von der Beitragszahlungspflicht aus der Berufsunfähigkeitsversicherung mit der Versicherungsschein Nr. xxx in Höhe von monatlich 92,79 € ab März 2018 bis einschließlich Dezember 2023 freizustellen.
3. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 1.954,46 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
4. Es wird festgestellt, dass die Berufsunfähigkeitsversicherung mit der Versicherungsscheinnummer xxx durch die Kündigung des Beklagten vom 19.08.2019 nicht beendet wurde und über den 19.09.2019 fortbesteht.
Der Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil, soweit das Landgericht das Vorliegen von bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit ab Februar 2018 festgestellt hat, wendet sich aber gegen die Annahme, dass der Beklagte die Klägerin mit Schriftsatz vom 23. Dezember 2021 wirksam auf die von der Klägerin seit dem 1. September 2020 ausgeübte Tätigkeit konkret verwiesen habe und hieraus Leistungsfreiheit ab Mai 2022 folge. Insoweit fehle es bereits an einem Nachprüfungsverfahren bzw. an einer Anerkennung oder Feststellung der Leistungspflicht, welche Voraussetzung einer wirksamen Einstellungsmitteilung sei. Die Differenz zwischen dem Einkommen der Klägerin vor dem Ende der Berufsunfähigkeit und der jetzt wieder aufgenommenen Tätigkeit betrage rund 31 % (Bl. 475 ff. d.A.), weswegen eine Verweisung auch nach der Regelung in § 2 Abs. 4 AVB ausgeschlossen sei, welche die zumutbare Einkommensdifferenz auf maximal 20 % begrenze; eine Erhöhung der Wochenstundenzahl in der neuen Tätigkeit sei aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich gewesen. Der von dem Beklagten angenommenen Verletzung einer Mitwirkungsobliegenheit stehe entgegen, dass der Beklagte das gebotene Anerkenntnis nicht abgegeben habe und die Voraussetzungen eines Versicherungsfalls nach wie vor leugne.
Der Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften des Landgerichts vom 6. Mai 2021 (Bl. 138 ff. d.A.) und vom 15. Juli 2022 (Bl. 336 ff. d.A.) sowie des Senats vom 24. November 2023 (Bl. 535 ff. d.A.) und vom 2. April 2025 (Bl. 812 ff. d.A.) Bezug genommen.
II.
Beide Rechtsmittel sind gemäß §§ 511, 513, 517, 519 und 520 ZPO zulässig. In der Sache ist allein die (Zweit-)Berufung der Klägerin nach Maßgabe des Tenors insoweit begründet, als das Landgericht im Zeitraum Mai 2022 bis zum Ablauf des Jahres 2023 keine Zahlungspflicht der Versicherungsleistung und keine Freistellung von der Beitragszahlungspflicht angenommen hat. Die auf vollständige Klageabweisung gerichtete (Erst-)Berufung des Beklagten bleibt hingegen ohne Erfolg.
1.
In seinem Ausgangspunkt ist das Landgericht zu Recht davon ausgegangen, dass sich das Vorliegen des Versicherungsfalls nach den zugrundeliegenden Allgemeinen Bedingungen für die selbständige Berufsunfähigkeits-Versicherung richtet.
a)
Danach erbringt der Beklagte die versicherten Leistungen, wenn der Versicherte während der Dauer der Zusatzversicherung zu mindestens 50 % berufsunfähig wird (§ 1 Abs. 1 AVB). Nach § 2 Abs. 1 AVB liegt vollständige Berufsunfähigkeit vor, wenn die versicherte Person ihren zuletzt ausgeübten Beruf, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war, infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls voraussichtlich mindestens 6 Monate nicht mehr ausüben kann. Teilweise Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn die in Absatz 1 genannten Voraussetzungen nur in einem bestimmten Grad voraussichtlich mindestens 6 Monate erfüllt sind (§ 2 Abs. 2 AVB). Lag der in § 2 Abs. 1 AVB beschriebene Zustand 6 Monate ununterbrochen vor, so gilt gemäß § 2 Abs. 3 AVB dieser Zustand von Beginn an als vollständige oder teilweise Berufsunfähigkeit.
Die für das Vorliegen dieser Voraussetzungen beweisbelastete Klägerin muss daher nachweisen, dass sie, bezogen auf einen konkreten Zeitpunkt (Stichtag), zu der versicherten beruflichen Tätigkeit in einem Ausmaß nicht mehr imstande ist, welches nach den Versicherungsbedingungen einen Anspruch auf die Versicherungsleistungen begründet; außerdem muss sie darlegen und beweisen, dass sie keine andere, ihrer Ausbildung oder Erfahrung und bisherigen Lebensstellung entsprechende Tätigkeit ausübt (vgl. BGH, Urteil vom 26. Februar 2003 – IV ZR 238/01, VersR 2003, 631; Urteil vom 12. Januar 2000 – IV ZR 85/99, VersR 2000, 349; Senat, Urteil vom 9. Mai 2018 – 5 U 23/16, VersR 2018, 1314 (Ls.) = RuS 2019, 214).
b)
Diesen ihr obliegenden Nachweis hat die Klägerin geführt. Nach dem Ergebnis der im Berufungsrechtszug ergänzten Beweisaufnahme steht mit der erforderlichen Gewissheit fest, dass die Klägerin seit Februar 2018 bedingungsgemäß zu mindestens 50 % berufsunfähig ist und seitdem ihren zuletzt ausgeübten Beruf mindestens 6 Monate nicht mehr ausüben konnte.
aa)
Zur Beurteilung der Frage, ob Berufsunfähigkeit des Versicherten in seinem früheren Beruf vorliegt, ist – wie das Landgericht seiner Entscheidung zutreffend zugrunde gelegt hat – zunächst von seiner zuletzt in gesunden Tagen ausgeübten Tätigkeit in ihrer konkreten Ausgestaltung auszugehen. Demnach ist grundsätzlich die letzte konkrete Berufsausübung des Versicherten maßgebend, so wie sie in gesunden Tagen ausgestaltet war, d.h. solange seine Leistungsfähigkeit noch nicht beeinträchtigt war (BGH, Urteil vom 22. September 1993 – IV ZR 203/92, VersR 1993, 1470; Senat, Urteil vom 26. April 2017 – 5 U 27/15, VersR 2018, 540; Urteil vom 9. Mai 2018 – 5 U 23/16, VersR 2018, 1314). Auf spätere Veränderungen erst nach dem behaupteten Eintritt von Berufsunfähigkeit ist nicht abzustellen, besonders wenn diese, was in solchen Fällen regelmäßig naheliegt, lediglich eine leidensbedingte Reaktion auf bereits vorhandene gesundheitliche Einschränkungen darstellen (vgl. BGH, Urteil vom 14. Dezember 2016 – IV ZR 527/15, VersR 2017, 216; Senat, Urteil vom 16. Januar 2013 – 5 U 236/12, VersR 2014, 1114; Rixecker in Langheid/Rixecker, 7. Aufl., § 172 Rdn. 12).
Dies bedeutet freilich nicht, dass – wie die Beklagte offenbar meint – eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit immer auch schon für den Zeitpunkt nachgewiesen werden müsste, den der Versicherungsnehmer als Beginn seiner Berufsunfähigkeit behauptet. Zwar ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung der vom Versicherungsnehmer behauptete Eintritt der Berufsunfähigkeit. Eine Prüfung der Voraussetzungen der Berufsunfähigkeit im Rechtsstreit allein in Bezug auf das von der Klägerin behauptete Datum – hier: Februar 2018 – würde aber zu kurz greifen; denn dies überginge, dass der Vortrag der Klägerin, seit Februar 2018 bedingungsgemäß außerstande zu sein, ihren zuletzt ausgeübten Beruf auszuüben, die Behauptung umfasst, seit Februar 2018 dauerhaft berufsunfähig zu sein. Vielmehr ist in einem solchen Fall – wie es das Landgericht richtig getan hat – zu prüfen, ob bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit zu einem Zeitpunkt nach dem genannten Beginn, hier: Februar 2018, vorgelegen hat und zu diesem Zeitpunkt die weiteren Voraussetzungen für eine Leistungspflicht der Beklagten bestanden haben (zum Ganzen: BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2023 – IV ZR 125/23, NJW-RR 2024, 309, 310 = RuS 2024, 465, 467).
bb)
Hinsichtlich der Ausgestaltung der für die Beurteilung maßgeblichen Tätigkeit ist – im Ergebnis auch mit dem Landgericht – von der Tätigkeit auszugehen, die die Klägerin schriftsätzlich und in ihrer Anhörung geschildert hat und die auf Grundlage der ergänzenden Beweiserhebung in zweiter Instanz nunmehr zur Überzeugung des Senats (§ 286 ZPO) erwiesen ist.
aaa)
Nach der eigenen Schilderung der Klägerin habe diese in gesunden Tagen an 4 Tagen pro Woche für 6 Stunden gearbeitet und dort insbesondere alle Tätigkeiten einer klassischen Sekretärin wie Abholen, Sichten und Verteilen der Post ausgeführt; außerdem sei sie zuständig für die E-Mails und Telefonie für den Abteilungsleiter und Teamleiter gewesen. Weiterhin habe ihr die Pflege der Terminkalender, die Urlaubs- und Reiseplanung, Bearbeitung von Überstundenanträgen, Mehrarbeitsanträge sowie die Organisation von Schulungen oblegen. Sie habe sich darüber hinaus im Rahmen ihres Arbeitsbereiches als Kauffrau für Bürokommunikation um die benötigte Hard- und Software gekümmert, insbesondere um den Mobilfunk der Firma sowie die Beschaffung und Reparatur der Diensthandys, einschließlich des Abschlusses der dafür erforderlichen Verträge. Zudem habe sie PCs für die Mitarbeiter bestellt und ausgeliefert und die Datenpflege in S. vorgenommen (Bl. 139, 140 d.A.).
bbb)
Der Senat hält diese in sich schlüssige und plausible Schilderung der Ausgestaltung der beruflichen Tätigkeit einer Sekretärin und Bürokauffrau, die durch die Aussagen der Zeugin B. vom 24. November 2023 (Bl. 537 ff. d. A.) gestützt wird, unter Berücksichtigung aller Umstände mit der erforderlichen hinreichenden Gewissheit für bewiesen. Die Zeugin gab hierzu an, dass sie selbst seit 2010 bei der Firma E., mithin demselben Unternehmen, in dem die Klägerin tätig war, arbeitete und die Klägerin für sie einige Organisationsangelegenheiten erledigt habe. Die Klägerin habe 6 Stunden am Tag gearbeitet, wobei sie meine, dass die Klägerin freitags immer frei gehabt habe. Die Klägerin habe die typischen Aufgaben einer Sekretärin für die direkten Vorgesetzten erledigt, also die Termine organisiert, den Kalender geführt, die Post gesichtet und vorsortiert; auch das Telefon sei auf sie umgestellt gewesen. Daneben sei sie auch Teamassistentin und damit nicht nur für ihren Chef zuständig gewesen, sondern auch für weitere Mitarbeiter. Im Rahmen dieser Tätigkeit habe sie sämtliche Dienstreisen organisiert, die zu diesem Zeitpunkt auch in erhöhtem Umfang international angefallen sein. Sie sei insgesamt für etwa 15 Werke zuständig gewesen und habe die Flüge, Autos, Hotels und Shuttles gebucht, sich also um alles gekümmert, was bei den Dienstreisen angefallen sei. Daneben sei die Klägerin auch als Sachbearbeiterin tätig und insoweit für die Hard- und Software zuständig gewesen. Sie habe Hardware bestellt, sich aber auch um die Software gekümmert, insbesondere auch um Lizenzen. Sie habe die Waren entgegengenommen und geprüft, ob es sich um bestellte Waren handele und sich auch um die Rechnung gekümmert, diese kontrolliert und die entsprechenden Buchungen im Warenwirtschaftssystem S. durchgeführt. Sie habe sich des weiteren um sämtliche Mobilfunkverträge für alle Mitarbeiter in Neunkirchen und, soweit sie wisse, auch in Wilsdruff/Dresden gekümmert. Sie habe die Mobilfunkverträge abgeschlossen, die Endgeräte an die Mitarbeiter verteilt und diesen auch eine kurze Einführung in die Geräte gegeben. Die Klägerin sei die Anlaufstelle für die Mitarbeiter gewesen, wenn etwas mit den Handys/Smartphones nicht funktioniert habe. Dadurch sei im Büro der Klägerin immer viel los gewesen und sie von ihrer Arbeit abgehalten worden. Diese detailgetreue, glaubhafte Aussage deckt sich in maßgeblichen Punkten mit den Angaben der Klägerin, die der Senat vor diesem Hintergrund in der Gesamtschau für erwiesen erachtet und von der er für die Frage, welche berufliche Tätigkeit für die Beurteilung von Berufsunfähigkeit maßgeblich ist, ausgeht.
cc)
Nach dem Ergebnis der in der zweiten Instanz ergänzten Beweisaufnahme hält es der Senat außerdem für erwiesen (§ 286 ZPO), dass die Klägerin ihrer vormaligen Tätigkeit als Sekretärin bei der Firma E. in dem nachgewiesenen Tätigkeitsfeld seit Februar 2018 gesundheitsbedingt mindestens sechs Monate ununterbrochen zu mindestens 50 Prozent nicht mehr nachgehen konnte (§ 2 Abs. 1 und 3 AVB), da sie seitdem unter einer schweren depressiven Episode bei vorbestehender Angststörung litt und ihr deshalb wesentliche, ihren Beruf prägende Tätigkeiten nicht mehr möglich waren.
aaa)
Die Sachverständige Dr. B. ist in ihren fachpsychiatrischen Gutachten vom 30. November 2021 (Blatt 196 ff d.A.) nebst Ergänzungsgutachten vom 22. Februar 2022 (Bl. 296 ff. d.A.) zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin aufgrund einer schweren depressiven Episode (ICD 10 F 32.2) bei vorbestehender Angststörung (F41.1) seit Februar 2018 in erheblichem Umfang erkrankt und nicht mehr in der Lage gewesen sei, ihre berufliche Tätigkeit auszuüben. Sie hat bei ihrer Beurteilung eine Tätigkeit der Klägerin in einem Umfang von 4 x 6 Wochenstunden zugrunde gelegt und näher ausgeführt, dass die Klägerin angesichts der von ihr festgestellten erheblichen Erkrankung ab Februar 2018 allenfalls in der Lage gewesen sei, ihre Bürotätigkeit und die damit in Zusammenhang stehenden Tätigkeiten, vor allem auch solche mit konzentrativem Anspruch, wie sie die Klägerin behauptet habe, für maximal 2 Stunden pro Tag auszuführen. Alles darüber hinausgehende hätte nach Auffassung der Sachverständigen einen Raubbau an der Gesundheit bedeutet. Im Untersuchungszeitraum hätten sich auch keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine vollständige Remission der Erkrankung finden lassen, so dass nicht davon auszugehen sei, dass die Klägerin zu einem Zeitpunkt wieder mehr als 3,5 bzw. 4 Stunden hätte arbeiten können bzw. der Zustand der Klägerin sich über einen zusammenhängen Zeitraum von 6 Monaten wesentlich verbessert hatte, sodass sie dem Bericht der Klinik B. und der dort angegebenen Belastbarkeit von 6 Stunden pro Tag nicht folgen könne, zumal aus dem Bericht der Klinik B. schon nicht nachvollziehbar hervorgehe, wie man dort zu dieser Einschätzung gelangt sei, insbesondere vor dem Hintergrund, dass in dem Bericht selbst auf Seite 3 (Blatt 231 d.A.) festgehalten sei, dass „aufgrund der noch weiterhin bestehenden Einschränkungen der Durchhaltefähigkeit und aufgrund der raschen Erschöpfbarkeit“ die Klägerin noch als „arbeitsunfähig“ für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit entlassen worden ist.
Die Sachverständige Dr. B. stellt weiter fest, dass die Klägerin ab 2018 unter zunehmenden Ängsten, zunehmenden körperlichen Symptomen mit Schmerzen im Bereich des Kopfes, Rückens und abdominalen Beschwerden gelitten habe, wobei die verschiedenen diagnostischen Maßnahmen durch die zahlreichen ärztlichen Berichte dokumentiert seien. Die Klägerin habe ab 2018 eine ausgeprägte depressive Episode entwickelt, die jedoch anfangs nicht leitliniengerecht behandelt worden sei. Zum Zeitpunkt der Begutachtung durch die Sachverständige habe sich jedoch eine gebesserte depressive Symptomatik gezeigt, wobei die Sachverständige nach wie vor, auch angesichts der von ihr selbst vorgenommenen Untersuchung bzw. der testpsychologischen Zusatzbegutachtung, von einer reduzierten Belastbarkeit und vermehrten Erschöpfbarkeit ausgehe (vgl. Bl. 216 d.A.). Diese Feststellung stützt die Sachverständige darauf, dass der klinisch-psychologische Befund nach ca. 3 Stunden Untersuchung entsprechende Symptome und Defizite gezeigt habe. So schildert die Sachverständige, dass die Klägerin am Ende der Untersuchung deutlich reduzierte psychophysische Leistungsfähigkeit und Hinweise auf Erschöpfung gezeigt habe (Bl. 210 d.A.). Für die Zeit ab August 2021 geht die Sachverständige danach von einer Belastbarkeit von ca. 3 bis 4 Stunden pro Tag aus, auch wenn die Klägerin seit September 2020 ca. 5 Stunden am Tag arbeite, da sie bei einer darüberhinausgehenden Belastung von einer Gefährdung des jetzigen Gesundheitszustandes ausgehe. Es bestehe ein erhöhter Bedarf an Ruhepausen (Bl. 210 d.A.).
Die vom F. Krankenhaus Neunkirchen im Bericht vom 23. März 2020 gestellte Diagnose einer schweren depressiven Episode aufgrund der beschriebenen Symptome, wie gedrückter Stimmung und reduziertem Antrieb, könne die Sachverständige absolut nachvollziehen. Ebenso könne die Diagnose einer rezidivierenden depressiven Störung durch die Ostsee Klinik G. vom 3. August 2021 (Bl. 228 d.A.) aus heutiger Sicht nachvollzogen werden. Schließlich führt die Sachverständige aus, dass die im Bericht der Klinik Sulzbach vom 20. Februar 2019 (Bl. 224 f. d.A.) gestellte Diagnose eines chronischen Spannungskopfschmerzes sowie die die dort beschriebenen Ängste ebenfalls als depressionstypische Symptome zu interpretieren seien. In dem Bericht selbst sei eine „begleitende psychisch verstärkende Komponente“ als Ursache angegeben.
Aggravation sei bei der Klägerin auszuschließen. Bei der testpsychologischen Zusatzbegutachtung (vgl. etwa Test SRSI, Bl. 210 d.A und Bl. 249 d.A.) hätten keine Hinweise auf eine negative Antwortverzerrung oder darauf, dass die Klägerin unter ihrem Kompetenzniveau geblieben sei, vorgelegen (vgl. Bl. 210 und Bl. 248f d.A.), sodass die Beschwerdeschilderung der Klägerin insgesamt durch die Sachverständige als valide und nachvollziehbar eingestuft wurde.
bbb)
Den Senat überzeugen diese Feststellungen der – ihm seit vielen Jahren als fachkundig und sorgfältig arbeitende Gutachterin bekannten – Sachverständigen Dr. B. auch ungeachtet der dagegen mit ihrer Berufung gerichteten Einwendungen der Beklagten. Die Sachverständige Dr. B. hat sich mit diesen in ihrem zweitinstanzlich auftragsgemäß ergänzten fachpsychiatrischen Gutachten (Bl. 701 ff. d.A.) und dessen Erläuterung in der mündlichen Verhandlung vom 2. April 2025 (Bl 812 ff. d.A.) intensiv auseinandergesetzt, dabei auch die ihr vorgegebene, nunmehr erwiesene Tätigkeitsbeschreibung der Klägerin an gesunden Tagen sowie sämtliche Behandlungsunterlagen der einzelnen Behandler berücksichtigt und von der Beklagten erhobene Bedenken zerstreut. Sie hat überzeugend und überaus plausibel dargestellt, warum sie davon ausgegangen ist, dass sich die Klägerin bereits ab Februar 2018 im einem gesundheitlichen Zustand befand, in dem sie ihre vormalige berufliche Tätigkeit nicht mehr ausüben konnte und diese Feststellung insbesondere auf einen Arztbrief der Abteilung Innere Medizin des D. Neunkirchen betreffend einen stationären Aufenthalt der Klägerin vom 10. bis zum 16. Februar 2018 gestützt. Dort wurde festgehalten, dass die Klägerin wegen einer Präsynkope mit Panikattacken in stationärer Behandlung gewesen sei. Sie sei mit dem RTW zur Aufnahme gekommen, wobei sich aus dem Protokoll des Rettungsdienstes ergebe, dass die Klägerin kollabiert sei und über Schwindel, Übelkeit, ein Engegefühl am Hals und ein Kältegefühl in Armen und Beinen geklagt habe. Diese Beschwerden seien, wie die Sachverständige einsichtig ausführt, im Nachhinein der vorbekannten depressiven Störung im Sinne eines somatischen Syndroms mit Angst- und Panikstörung zuzuordnen. In der sich bis zum 22. Februar 2018 anschließenden Weiterbehandlung in der neurologischen Klinik Neunkirchen sei eine sehr hohe Medikation mit dem Medikament Tavor, einem Benzodiazepin, erfolgt. Im Pflegebericht der neurologischen Klinik sei angegeben worden, dass bekannte Panikattacken und Angstattacken bestünden sowie Kribbeln am ganzen Körper, Übelkeit und Unruhe. Diese Symptome seien einem somatischen Syndrom bei depressiver Erkrankung zuzuordnen. Auch im Arztbrief der Neurologie Neunkirchen werde das somatische Syndrom mit Übelkeit und Schmerzen geschildert und im psychischen Befund eine Weinerlichkeit bei reduzierter Grundstimmung und reduzierter Schwingungsfähigkeit, mithin die Symptome einer Depression, beschrieben. Aus dem folgenden Arztbrief des Nervenarztes Dr. B., der festhielt, dass es zu Panikattacken gekommen sei und der eine verunsicherte, angespannte Patientin sowie eine depressive Verstimmung und Erschöpfung beschrieb, ergebe sich ein Befund, der den weiteren Fortgang der Erkrankung zeige. Zudem sei bei der Hausärztin der Klägerin Dr. S. eine sehr engmaschige Behandlung aufgrund der depressiven Störung und Angststörung erfolgt, bei der diese stets Symptome einer depressiven Erkrankung schilderte und durchgehend die Diagnose einer schweren Depression stellte. All dies lässt den absolut nachvollziehbaren Schluss der Sachverständigen zu, dass die Klägerin seit Februar 2018 gesundheitsbedingt mindestens sechs Monate ununterbrochen an einer schweren depressiven Episode litt. Daran ändert auch der Verweis des Beklagten auf die Feststellungen der M. Klinik für Psychosomatik B. über den stationären Aufenthalt der Klägerin dort vom 19. September bis zum 31. Oktober 2018 nichts. Dort wurde lediglich eine mittelgradige depressive Episode diagnostiziert und die Feststellung getroffen, dass aus psychosomatischer Sicht ein Leistungsvermögen von 6 Stunden und mehr sowohl für die letzte Tätigkeit als auch für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes bestünden. Die Sachverständige Dr. B. hat sich auch mit diesen Feststellungen auseinandergesetzt und dazu einsichtig geäußert, dass aus dem Bericht von B. auch erhebliche schwere Symptome hervorgingen (Bl. 338 d.A.). Aus diesen Symptomen sei zu folgern, dass die Klägerin zu diesem Zeitpunkt nicht mehr als 2 Stunden ihrer beruflichen Tätigkeit nachgehen konnte. Sie übernehme Diagnosen keineswegs unstrittig, sondern prüfe diese selbst. Aus diesem Grund sei sie dem Befund der Klinik in B. nicht gefolgt (Bl. 339 d.A.). Ungeachtet dessen könne auch bei einer mittelschweren Depression eine Krankenhausbehandlung und eine Arbeitsunfähigkeit indiziert sein.
ccc)
Der Senat gelangt auf dieser Grundlage zu der Überzeugung, dass gerade die seitens der Sachverständigen festgestellten und fundiert erläuterten Symptome einer schweren depressiven Erkrankung die konkret ausgeführte Tätigkeit an gesunden Tagen zu mindestens 50 % nicht mehr zuließ. Er folgt der einsichtigen und nachvollziehbaren Einschätzung der Sachverständigen, wonach die Klägerin, die – nachgewiesenermaßen – damals in einer sog. „Multitasking-Situation“ arbeitete, eine Tätigkeit wahrnahm, die grundsätzlich für Menschen mit psychischen Erkrankungen nicht geeignet ist (Bl. 729 d.A.). Gerade ein depressiver Mensch versuche stets, den Anforderungen gerecht zu werden, was bei einer Multitasking-Situation nicht gelingen könne; denn hierbei handele es sich um einen sehr raschen und oft unvorhersehbaren Wechsel zwischen verschiedenen Aufgaben und Anforderungen. Gerade die Summe der Tätigkeiten der Klägerin und der ständige, durch hinzukommende Personen und deren Anliegen nicht vorhersehbare Wechsel auf neue Anforderungen und andere Tätigkeiten mache es für das menschliche Gehirn sehr anstrengend, zwischen mehreren Aufgaben hin und her zu schalten. Dabei gehe Energie und Zeit verloren. Insbesondere Menschen mit depressiven Erkrankungen neigten dazu, ihre Aufgaben besonders gut erledigen zu wollen. Dabei komme es unter den Bedingungen eines Multitasking zu rascher Überforderung, insbesondere dann, wenn eine psychische Erkrankung hinzutrete. Dies lasse den Schluss zu, dass depressionsbedingte Einschränkungen der Belastbarkeit für die Summe der Aufgaben der Klägerin und die Situation des Multitasking bestünden. Der Senat hält die daraus gezogene Schlussfolgerung, wonach die Klägerin – trotz langjähriger Erfahrung – krankheitsbedingt nicht mehr in der Lage war, ihre Tätigkeit bei der Firma E. auszuüben, für absolut plausibel und überzeugend. Insoweit spielt es auch eine Rolle, dass, wie die Sachverständige unter Verweis auf die Aussage der Zeugin B. betont hat, im Laufe der Zeit aufgrund von Smartphones und neuer Technik ständig neue Aufgaben und Ansprüche von Personen auf die Klägerin hinzugekommen sind. Angesichts ihrer Feststellungen, wonach auch während der gutachterlichen Untersuchung von 9:30 bis 13:00 Uhr bereits eine deutliche reduzierte psychophysische Belastbarkeit aufgefallen war, teilt er die Einschätzung der Gutachterin, dass ab Februar 2018 für die Dauer von mindestens 6 Monaten in der beruflichen Tätigkeit der Klägerin eine Belastbarkeit von maximal 3 Stunden täglich aufgrund der Multitasking- Situation, mithin also ein Grad der Berufsunfähigkeit von mindestens 50 %, anzunehmen war.
dd)
Angesichts dieser schlüssigen und inhaltlich absolut einsichtigen Feststellungen der Sachverständigen, auf die der Senat seine hinreichende Überzeugungsfindung (§ 286 ZPO) stützen konnte, sieht der Senat keine verfahrensrechtliche Pflicht, dem Antrag der Beklagtenseite auf Einholung eines weiteren Gutachtens (§ 412 ZPO) nachzukommen. Eine solche Pflicht besteht nur ausnahmsweise, nämlich im Falle einander widersprechender Sachverständigengutachten, bei besonders schwierigen Fragen, bei groben Mängeln der vorhandenen Gutachten, wie wenn das Gutachten unvollständig, nicht nachvollziehbar oder in sich widersprüchlich ist, der Sachverständige erkennbar oder erklärtermaßen nicht die notwendige Sachkunde hat und dann, wenn ein neuer Gutachter über überlegene Forschungsmittel verfügt (BGH, Urteil vom 4. März 1980 – VI ZR 6/79, VersR 1980, 533; Senat, Urteil vom 9. Mai 2018 – 5 U 23/16, VersR 2018, 1314; Greger, in: Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Aufl., § 412 ZPO Rn. 2). All dies ist vorliegend nicht ersichtlich.
c)
Steht damit fest, dass bei der Klägerin von einer bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit ab Februar 2018 auszugehen ist, führt dies zur Unbegründet der (Erst-)Berufung des Beklagten. Demgegenüber ist die Zweitberufung der Klägerin begründet, soweit das Landgericht – zu Unrecht – einen Leistungswegfall wegen konkreter Verweisung gem. § 2 Abs. 4 i.V.m. § 12 Abs. 4 AVB bereits ab Mai 2022 bejaht hat. Denn der im Schriftsatz vom 23. Dezember 2021 (Bl. 265 d.A.) ausgesprochenen Verweisung auf die ab dem 1. September 2020 ausgeübte Tätigkeit fehlte es bereits an einer formal wirksamen Einstellungsmitteilung, wohingegen die mit Schriftsatz vom 4. Januar 2024 ausgesprochene – erneute – Verweisung auf diese Tätigkeit, die lediglich für die Zukunft wirken konnte, angesichts der zwischenzeitlichen Beendigung dieser Tätigkeit und des zweitinstanzlich auf den Zeitraum bis zum 31. Dezember 2023 begrenzten Streitgegenstandes der Klage ins Leere ging.
aa)
Ist – wie hier – ab einem bestimmten Zeitpunkt eine Leistungspflicht gegeben, steht dem Versicherer im selben Rechtsstreit der Beweis offen, dass und ab welchem Zeitpunkt die Voraussetzungen für eine Herabsetzung oder Einstellung der Leistungen nach § 12 Abs. 4 AVB eingetreten sind; im Urteil ist dann über Beginn und Ende der Leistungspflicht zu entscheiden (BGH, Beschluss vom 20. Januar 2010 – IV ZR 111/07, RuS 2010, 251; Senat, Urteil vom 5. April 2023 – 5 U 43/22, VersR 2023, 1083). Die wirksame Einstellung der Leistungen erfordert aber neben dem späteren Wegfall der zunächst bestehenden Berufsunfähigkeit stets, dass der Versicherer dies durch eine den inhaltlichen Anforderungen des Nachprüfungsverfahrens genügende Änderungsmitteilung an den Versicherungsnehmer – ggf. auch schriftsätzlich – geltend macht (§ 12 Abs. 4 AVB, § 174 Abs. 1 VVG; vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 2019 – IV ZR 65/19, VersR 2020, 276; Senat, Urteil vom 20. Mai 2020 – 5 U 30/19, VersR 2020, 1169). Schon daran fehlt es hier; denn der Beklagte hat die Aufnahme der neuen Beschäftigung bei der Firma V. nicht zum Anlass genommen, in nachvollziehbarer Weise zu begründen, warum dadurch seine Leistungspflicht geendet haben sollte.
aaa)
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist der Versicherer selbst dann, wenn er – wie hier – kein Leistungsanerkenntnis abgegeben hat, bei Wegfall der zunächst eingetretenen Berufsunfähigkeit an die eine Leistungseinstellung regelnden Versicherungsbedingungen gebunden (BGH, Urteil vom 23. Februar 2022 – IV ZR 101/20, VersR 2022, 500, m.w.N.). Der Versicherungsnehmer bedarf auch in derartigen Fällen des Schutzes, den ihm die in einem Nachprüfungsverfahren zu liefernde nachvollziehbare Begründung des Versicherers für das Entfallen seiner Leistungspflicht bietet (BGH, Beschluss vom 13. März 2019 – IV ZR 124/18, VersR 2019, 1134). Unterbleibt die gebotene Mitteilung oder ist sie rechtsunwirksam, so besteht die Leistungspflicht auch dann fort, wenn sich die maßgeblichen Umstände derart geändert haben, dass sie den Versicherer zur Leistungseinstellung berechtigt hätten (BGH, a.a.O.; Urteil vom 17. Februar 1993 – IV ZR 206/91, BGHZ 121, 284). Voraussetzung der Wirksamkeit einer solchen Mitteilung ist deren Nachvollziehbarkeit, also grundsätzlich das Vorhandensein einer Begründung, aus der für den Versicherten nachvollziehbar wird, warum nach Auffassung seines Vertragspartners die anerkannte Leistungspflicht enden soll (BGH, Urteil vom 3. November 1999 – IV ZR 155/98, VersR 2000, 171; Urteil vom 23. Februar 2022 – IV ZR 101/20, VersR 2022, 500). Dem Versicherungsnehmer müssen diejenigen Informationen erteilt werden, anhand derer er sein Prozessrisiko sachgerecht abschätzen kann (vgl. BGH, Urteil vom 2. November 2005 – IV ZR 15/05, VersR 2006, 102; Senat, Urteil vom 20. Mai 2020 – 5 U 30/19, VersR 2020, 1169; Lücke, in: Prölss/Martin, a.a.O., § 174 Rn. 23). Das gilt nicht nur bei einer Änderung der Gesundheitsverhältnisse, sondern auch bei einer nachträglichen Verweisung auf eine andere Tätigkeit und setzt auch hier grundsätzlich voraus, dass der Versicherer den Zustand, der seinem (gebotenen) Anerkenntnis zugrunde lag, mit dem für das Abänderungsverlangen maßgeblichen Zustand vergleicht und aufzeigt, aufgrund welcher Veränderungen er eine Einstellung der Leistungen für gerechtfertigt hält (vgl. BGH, Urteil vom 2. November 2005 – IV ZR 15/05, VersR 2006, 102; OLG Hamm, VersR 2023, 305). Angaben zu der anderen Tätigkeit als Voraussetzung der Nachvollziehbarkeit der Versichererentscheidung sind allerdings nicht erforderlich, wenn der Versicherte diese Tätigkeit konkret ausübt und daher anhand eigener Kenntnisse zu der Beurteilung in der Lage ist, ob die andere Tätigkeit seiner zuletzt ausgeübten vergleichbar ist (BGH, Urteil vom 3. November 1999 – IV ZR 155/98, VersR 2000, 171; Senat, Urteil vom 30. September 2008 – 5 U 156/08-16, VersR 2009, 917; Lücke, in: Prölss/Martin, a.a.O., § 174 Rn. 25). Hier muss der Versicherer nur erläutern, weshalb er meint, den Versicherten auf diesen anderen Beruf verweisen zu können (OLG Celle, VersR 2017, 870; Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung 4. Aufl., Kap. 14 Rn. 140). Dazu gehört aber, dass der Versicherer die nach seiner Meinung vergleichbare Wertschätzung wenigstens ansatzweise begründet, weil der Versicherungsnehmer diese Kenntnis nicht allein daraus hat, dass er die neue Tätigkeit bereits ausübt (Senat, Urteil vom 5. April 2023 – 5 U 43/22, VersR 2023, 1083; Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung 4. Aufl., Kap. 14 Rn. 140; Knechtel, in: Ernst/Rogler, Berufsunfähigkeitsversicherung 1. Aufl., § 9 BUV Rn. 111). Entscheidend ist, dass dem Versicherungsnehmer die erforderlichen Informationen vollständig und ohne Bewertungsspielräume zu belassen zur Verfügung stehen (Rixecker, in: Langheid/Rixecker, a.a.O., § 174 Rn. 14).
bbb)
Im Streitfall fehlt es danach an einer den Anforderungen genügenden nachvollziehbaren Einstellungsmitteilung. Der Beklagte, der die Klägerin vorrangig nicht für berufsunfähig gehalten hat, hat deren spätere Aufnahme einer neuen Beschäftigung nicht zum Anlass genommen, eine ordnungsgemäße Leistungseinstellung gegenüber dem Versicherungsnehmer zu formulieren. Im Schriftsatz vom 23. Dezember 2021 führt der Beklagte aus, dass selbst eine unterstellte Berufsunfähigkeit ab Februar 2015 (gemeint ist wohl 2018) jedenfalls mit Aufnahme der neuen Tätigkeit bei der Firma V. ab dem 1. September 2020 entfallen sei. Der Beklagte verweist die Klägerin damit zwar konkret auf die von ihr ab dem 1.September 2020 ausgeübte Tätigkeit. Die von dem Beklagten gewählte Formulierung erfüllt die Anforderungen an eine genügende nachvollziehbare Einstellungsmitteilung jedoch nicht, weil mit der darin gegebenen Begründung, selbst unter Berücksichtigung des gesamten weiteren Prozessstoffes nicht nachvollziehbar erläutert wurde, weshalb diese neue Tätigkeit aus Sicht des Beklagten die Anforderungen an eine geeignete Verweisungstätigkeit erfüllte. Denn dafür genügt nicht, dass dem Versicherungsnehmer lediglich die Informationen vorliegen, denen der Versicherer eine zum einem Wegfall der Leistungspflicht führende Veränderung der Umstände i.S.v. § 174 VVG entnimmt; vielmehr muss ihm durch die Veränderungsmitteilung gerade die Beurteilung des Versicherers zum Wegfall der Leistungspflicht i.S.v. § 174 Abs. 1 VVG nachvollziehbar dargelegt werden (vgl. Senat, Urteil vom 5. April 2023 – 5 U 43/22, VersR 2023, 1083; OLG Karlsruhe, RuS 2015, 81); anderenfalls ist eine sachgerechte Prüfung und Abschätzung der eigenen Erfolgsaussichten nicht möglich. Daran fehlte es hier jedoch völlig. Die Angaben des Beklagten im Rechtsstreit beschränkten sich darauf, der Klägerin mitzuteilen, dass sie, weil sie zwischenzeitlich diese neue Tätigkeit ausübe, darauf verwiesen werden könne, und enthielten zur weiteren Begründung nur eine nicht einmal im Ansatz auf den Einzelfall zugeschnittene Aufzählung allgemeiner Voraussetzungen einer Verweisung, wobei ohne jede nähere Begründung behauptet wurde, diese seien hier erfüllt. Die Ausführungen, die Voraussetzungen der Berufsunfähigkeit seien mit der neuen Tätigkeit ab dem 1. September 2020 für die Firma V. entfallen, sind oberflächlich und nichtssagend, weil sie den konkreten Einzelfall überhaupt nicht in den Blick nehmen und auch nicht ansatzweise nachvollziehbar machen, woraus sich über die Nennung von § 2 Abs. 4 und § 12 Abs. 1 AVB hinaus die Berechtigung des Beklagten, die Klägerin auf ihre derzeit ausgeübte Tätigkeit zu verweisen, ergeben soll (vgl. BGH, Urteil vom 2. November 2005 – IV ZR 15/05, VersR 2006, 102). Dass die andere konkret ausgeübte Tätigkeit von der Klägerin aufgrund ihrer Ausbildung, Erfahrung und besondere Beeinträchtigung aufgehoben werden kann und ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht, wird zwar behauptet, aber an keiner Stelle näher konkretisiert. Das genügt nicht, um in formal ordnungsgemäßer Hinsicht die Leistungen – auch im Rechtsstreit – einzustellen. Daran ändert auch nichts, dass der Beklagte die Einzelheiten der Tätigkeit, auf die er die Klägerin verwiesen hat nicht kannte und die Klägerin insoweit eine Darlegungslast traf (vgl. hierzu: BGH, Urteil vom 30.11.1994 – IV ZR 300/93, NJW-RR 1995, 277; OLG Hamm, Beschluss vom 17.05.2006 – 20 U 31/06, ZfS 2007, 582; OLG Celle, Hinweisbeschluss vom 27.04.2017 – 8 U 59/17, BeckRS 2017, 124800). Denn gem. § 12 Abs.2 AVB kann der Versicherer zur Nachprüfung jederzeit sachdienliche Auskünfte verlangen. Diesen Weg einer ordnungsgemäßen Nachprüfung hat der Beklagte aber nicht eingeschlagen, sondern ohne entsprechende Prüfung, deren Ergebnis hätte mitgeteilt werden müssen, die Verweisung erklärt.
ccc)
Entgegen der Ansicht des Beklagten ist es der Klägerin auch nicht nach § 242 BGB wegen Treu und Glauben verwehrt, sich auf die Unwirksamkeit der Einstellungsmitteilung zu berufen. Soweit sich der Beklagte in diesem Zusammenhang auf einen Verstoß gegen die Mitwirkungsobliegenheit aus § 12 Abs. 3 AVB beruft, geht dies schon deshalb fehl, weil den Versicherungsnehmer eine Mitwirkungsobliegenheit nach dieser Bestimmung ausdrücklich nur „während der Zeit festgestellter Berufsunfähigkeit“ trifft, woran es hier jedoch bislang fehlte. Denn Sinn und Zweck dieser Obliegenheit ist es, dem leistungspflichtigen Versicherer die Möglichkeit einer Nachprüfung zu ermöglichen (vgl. Lücke, in: Pröss/Martin, VVG 32. Aufl., § 9 BU Rn. 16); diese Möglichkeit besteht bedingungsgemäß (§ 12 AVB) jedoch erst nach einem Anerkenntnis des Versicherers oder im Falle seiner durch Urteil festgestellten Leistungspflicht.
bb)
Weil die Leistungseinstellung des Beklagten zum Mai 2022 damit schon an dieser wesentlichen formalen Voraussetzung scheitert, kann dahinstehen, ob der Beklagte auch ihre materielle Berechtigung, d.h.: den Wegfall einer vormals bestehenden Berufsunfähigkeit der Klägerin, ausreichend nachgewiesen hat. In diesem Zusammenhang kann insbesondere dahinstehen, ob die Klägerin mit ihrer erstmals zweitinstanzlich eingeführten Behauptung, dass die Differenz zwischen dem Einkommen der Klägerin vor der Berufsunfähigkeit und der im September 2020 neu aufgenommen Tätigkeit rund 31 % betrage und somit den bedingungsgemäßen Schwellenwert in Höhe von maximal 20 % zumutbarer Einkommensreduzierung in § 2 Abs. 4 AVB überschreite, gemäß § 531 Abs. 2 ZPO gehört werden kann und ob diese Behauptung zutrifft.
cc)
Die mit Schriftsatz vom 4. Januar 2024 (Bl. 558 d.A.) ausgesprochene erneute Verweisung auf die vormalige Tätigkeit der Klägerin bei der Firma V. hat auf die Eintrittspflicht des Beklagten keine Auswirkungen. Denn eine – unterstellt – wirksame Einstellungsmitteilung hätte gemäß § 12 Abs.4 AVB nur zur Folge, dass der Beklagte berechtigt wäre, seine Leistungen mit Ablauf des dritten Monats nach Zugang dieser Erklärung bei der Klägerin einzustellen. Zu diesem Zeitpunkt übte die Klägerin ihre Tätigkeit bei der Firma V. jedoch nicht mehr aus; vielmehr ist sie schon seit 1. Januar 2024 in der Verwaltung eines Diakonie-Heimes beschäftigt und daher – zuletzt unstreitig – nicht mehr berufsunfähig, weshalb sie für die Zeit ab 1. Januar 2024 auch keine Leistungen mehr beansprucht. Dementsprechend ging die neuerliche Verweisung der Beklagten insoweit ins Leere.
d)
Ob der Beklagte mit Schriftsatz vom 4. Juni 2024 (Bl. 747 d.A.) eine wirksame Einstellungsmitteilung in Bezug auf die von der Klägerin ab dem 1. Januar 2024 ausgeübte Tätigkeit in der Verwaltung des Diakonie-Heimes ausgesprochen hat, kann dahinstehen. Denn die Leistungspflicht des Beklagten endete – unstreitig – mit Ende des Jahres 2023, nachdem die Klägerin den Wegfall ihrer Berufsunfähigkeit mit Blick auf die zum 1. Januar 2024 aufgenommene neue Tätigkeit eingeräumt hatte, woraufhin die Parteien hinsichtlich der nach Ablauf des Jahres 2023 geltend gemachten Ansprüche den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben. Nach der bereits erwähnten Rechtsprechung des BGH (Beschluss vom 20. Januar 2010 – IV ZR 111/07, RuS 2010, 251, 252) steht dem Versicherer schon im Erstprüfungsprozess der Nachweis offen, dass und ab welchem Zeitpunkt die Voraussetzungen für eine Herabsetzung oder Einstellung der Leistungen eingetreten sind, mit der Folge, dass das Gericht im Urteil neben dem Beginn der Leistungspflicht zugleich auch über dessen Ende zu entscheiden hat. Dass dieses ebenso gelten muss, wenn – wie hier – der Wegfall der Leistungsvoraussetzungen ab einem bestimmten Zeitpunkt unstreitig geblieben ist, weil der Versicherungsnehmer – wie vorliegend – selbst zugesteht, dass ihm ab einem bestimmten Zeitpunkt die Ausübung des Berufs wieder möglich war, liegt auf der Hand (KG, Beschluss vom 10. Oktober 2017 – 6 U 162/16, NJOZ 2018, 1804; Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung, 4. Auflage 2020, Kapitel 6, Rn. 189). Dies hat hier zur Folge, dass der Klägerin, weil sie nachweislich ab Februar 2018 bedingungsgemäß berufsunfähig war und der Beklagte seine Leistungen nicht (formal) wirksam vor Ablauf des Jahres 2023 eingestellt hat, ein Anspruch gem. § 172 Abs. 1 VVG i.V.m. § 1 Abs. 1 lit a), Abs. 6 AVB auf die vereinbarte Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von monatlich 1.230,00 Euro von März 2018 bis einschließlich Dezember 2023, mithin für insgesamt 70 Monate, also in einer Gesamthöhe von 86.100,00 € zusteht. Zudem ist die Klägerin in demselben Zeitraum gem. § 1 Abs.1 lit. b) AVB von der Beitragspflicht zu befreien.
2.)
Auch der zweitinstanzlich von der Klägerin erstmals geltend gemachte Feststellungsantrag, der die Feststellung der Unwirksamkeit der Vertragskündigung vom 19. August 2019 zum Gegenstand hat, ist begründet.
a)
Der in zweiter Instanz erstmals gestellte Antrag der Klägerin, festzustellen, dass die Berufsunfähigkeitsversicherung der Klägerin durch die Kündigung des Beklagten vom 19. August 2019 nicht beendet wurde und über den 19. September 2019 hinaus fortbesteht, ist als zweitinstanzliche Klageänderung im Sinne einer nachträglichen objektiven Klagehäufung ohne Rücksicht auf die Voraussetzungen des § 533 ZPO zulässig. Der Beklagte hat sich ihr nicht entgegengestellt (§ 267 ZPO; zur Geltung der Vorschrift im Rahmen des § 533 ZPO Heßler in: Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 533 Rn. 5; OLG Frankfurt, Urteil vom 17. Juni 2019 – 21 U 73/17, juris).
b)
Die am 19. August 2019 ausgesprochene Kündigung gem. §§ 38 Abs. 3, 166 Abs. 2 und 3, 176 VVG wegen Zahlungsverzuges der Klägerin mit einer Folgeprämie ist unwirksam.
aa)
Voraussetzung für eine wirksame Kündigung nach dieser Vorschrift ist, dass sich der Versicherungsnehmer nach Ablauf einer ihm gesetzten Frist von mindestens zwei Wochen (§ 33 Abs. 1 VVG) mit der Zahlung geschuldeter Beträge im Verzug (§ 286 Abs. 1, 4 BGB) befindet (vgl. Senat, Beschluss vom 15. Januar 2025 – 5 W 83/24, NJW-RR 2025, 481). Der Versicherungsnehmer muss eine Folgeprämie nicht rechtzeitig gezahlt und der Versicherer dem Versicherungsnehmer gem. § 38 Abs. 1 VVG in einer qualifizierten Mahnung, die bestimmten formalen Anforderungen zu genügen hat, eine Zahlungsfrist von mindestens zwei Wochen gesetzt haben. Die Bestimmung ist nur wirksam, wenn die Frist genau bezeichnet wird, sie die rückständigen Beträge der Prämie, Zinsen und Kosten im Einzelnen beziffert und die Rechtsfolgen angibt, die nach § 38 Abs. 2 und 3 VVG mit dem Fristablauf verbunden sind.
bb)
Vorliegend fehlte es dem Schreiben vom 19. August 2019 bereits an einer hinreichend genauen Bezeichnung der Frist. Denn die gewählte Formulierung, der Gesamtbetrag müsse „innerhalb von zwei Wochen“ überwiesen werden, ist unzureichend, da hiermit suggeriert wird, die Zahlung sei fristgerecht, wenn sie am 14. Tag nach der Mahnung erfolgt, während nach dem Gesetzestext auch eine Zahlung am 15. Tag nach Zugang der Mahnung noch rechtzeitig ist (Karczewski in Rüffer/Halbach/Schimikowski, Versicherungsvertragsgesetz, 5. Auflage 2025, § 38 Rn.4; OLG München, Urteil vom 15. Februar 2000 – 25 U 4815/99, VersR 2000,1094; Beckmann in: Bruck/Möller, VVG, 10. Auflage 2022, § 38 VVG 2008; Langheid/Rixecker/Rixecker, 7. Aufl. 2022, VVG § 38 Rn. 3; a.A. Prölss/Martin/Reiff, 32. Aufl. 2024, VVG § 38 Rn. 9).
3.
Mit zutreffender Begründung, auf welche zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird und wogegen die Berufung nichts erinnert, hat das Landgericht den geltend gemachten Anspruch der Klägerin auf Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten mangels Nachweises bestehender Aktivlegitimation verneint.
Den erstmals in zweiter Instanz mit Schriftsatz vom 4. November 2024 geltend gemachten vertraglichen Zinsanspruch hat die Klägerin nicht näher begründet. Er ist weder schlüssig dargelegt noch ist der Anwendungsbereich des § 91 VVG vorliegend eröffnet. Demgegenüber waren ihr – wie erkannt – Rechtshängigkeitszinsen gem. § 291 BGB zuzusprechen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 2, 91a ZPO.
Haben die Parteien – wie hier – einen Teil der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt, ist über die Kosten einheitlich zu entscheiden, und zwar hinsichtlich des für erledigt erklärten Teils sachlich nach den Grundsätzen des § 91a ZPO und über den streitig gebliebenen Teil nach § 91 bzw. 92 ZPO (sog. Kostenmischentscheidung; vgl. Althammer in: Zöller, Zivilprozessordnung, 35. Auflage 2024, § 91a ZPO).
Hinsichtlich des streitig gebliebenen Teils waren danach die Kosten dem Beklagten gem. § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO aufzuerlegen, der weit überwiegend unterlegen ist.
Soweit der Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist, entspricht es billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands, die Kostenentscheidung danach auszurichten, welcher Verfahrensausgang ohne die Erledigung zu erwarten gewesen wäre (vgl. nur Zöller/Vollkommer, ZPO, 35. Aufl., § 91a Rn. 24). Dabei trägt in der Regel derjenige die Kosten, dem sie nach den allgemeinen kostenrechtlichen Bestimmungen aufzuerlegen gewesen wären (§§ 91 – 97, 100, 101 ZPO). In Anwendung dieser Grundsätze ist es vorliegend gerechtfertigt, dem Beklagten auch die Kosten des übereinstimmend für erledigt erklärten Teils aufzuerlegen, § 92 Abs. 2 ZPO. Denn die ursprüngliche Zuvielforderung der Klägerin, die von Beginn an Leistungen – nur – bis längstens zum Ablauf der Vertragsdauer begehrt, mithin spätere Veränderungen in ihrer Berufsunfähigkeit von vornherein eingestellt hatte und auf diese auch umgehend mit den gebotenen prozessualen Erklärungen reagiert hat, erweist sich insoweit als verhältnismäßig geringfügig; besondere Mehrkosten sind dadurch ebenfalls nicht entstanden
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in den §§ 708 Nr. 10, 711 i. V. m. § 709 Satz 2 ZPO.
Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 ZPO nicht zuzulassen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.
Die Wertfestsetzung für das Berufungsverfahren beruht – entsprechend der landgerichtlichen Festsetzung – auf den §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 48 Abs. 1 Satz 1 GKG i.V.m. §§ 3, 9 ZPO. Hinzu kommt der im Berufungsverfahren erstmalig geltend gemachte Feststellungsantrag betreffend die Unwirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung vom 19. August 2019, der sich vorliegend am 3,5- fachen Jahresbetrag der begehrten Rentenleistung und der monatlichen Prämie orientiert und – weil diese Kündigung nach Eintritt des behaupteten Versicherungsfalles ausgesprochen wurde, das Interesse des Klägers mithin lediglich auf den Erhalt des Versicherungsschutzes mit Blick auf künftige, derzeit ungewisse Versicherungsfälle gerichtet ist – mit 20 Prozent der versprochenen Leistungen zu bemessen ist (vgl. BGH, Urteil vom 13. Dezember 2000 – IV ZR 279/99, VersR 2001, 600; Senat, Urteil vom 15. Februar 2023 – 5 U 36/22, VersR 425; vgl. auch BGH, Beschluss vom 23. Juli 1997 – IV ZR 38/97, NJW-RR 1997, 1562 zur Risiko-Lebensversicherung).