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Berufsunfähigkeitsversicherung –  Streitwert bei Antrag auf Feststellung des Fortbestehens

OLG Nürnberg – Az.: 8 W 916/20 – Beschluss vom 26. März 2020

Auf die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Beklagten wird der Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 17.02.2020, Az. 2 O 4446/19, in Ziffer II. (betreffend Wertfestsetzung) abgeändert:

1. Der Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren wird auf 14.083,94 € festgesetzt. Ein überschießender Vergleichswert besteht nicht.

Die weitergehende Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Beklagten wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Festsetzung des Gebührenstreitwertes durch das erstinstanzliche Prozessgericht.

Die Klägerin hält bei der Beklagten mit Versicherungsbeginn vom 01.11.2013 eine Berufsunfähigkeitsversicherung als Baustein „Arbeitskraftabsicherung“ im Rahmen eines umfassenden Versicherungsprodukts „Vermögensaufbau & Sicherheitsplan“.

Im Herbst 2015 stellte die Klägerin einen Leistungsantrag bei der Beklagten.

Im Rahmen der Leistungsprüfung erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 06.05.2016 (Anl. K 4) den Rücktritt „von der Arbeitskraftabsicherung (Berufsunfähigkeitsversicherung)“, weil die Klägerin bei Beantragung der Versicherung am 04.10.2013 vorsätzlich falsche Angaben zu ihrem Gesundheitszustand gemacht habe. Das Schreiben endet mit dem Satz, „Ob wir trotz unseres Rücktritts leistungspflichtig sind, teilen wir Ihnen mit, wenn wir unsere Prüfung beendet haben.“

Mit nachfolgendem Schreiben vom 19.08.2016 (Anl. K 3) hat die Beklagte rückwirkend zum 01.05.2015 den Eintritt des Versicherungsfalls „Berufsunfähigkeit“ anerkannt und erbringt seitdem die vertragsgemäßen (dynamisierten) Leistungen (Zahlung Monatsrente von 1.572,65 € und Beitragsfreistellung).

Mit der unter dem 05.03.2019 erhobenen Klage begehrt die Klägerin die Feststellung, dass der Berufsunfähigkeitsversicherungsvertrag unbeschadet der von Versichererseite „erklärten Rücktritte bzw. Kündigungen laut Schreiben vom 06.05.2016 zu unveränderten Bedingungen fortbesteht“.

Nach Durchführung einer Beweisaufnahme haben sich die Parteien im Rahmen eines Prozessvergleichs darauf geeinigt, dass die streitgegenständliche „Arbeitskraftabsicherung (Berufsunfähigkeitsversicherung)“ unter Vereinbarung einer ausformulierten Ausschlussklausel (betreffend „alle Erkrankungen und Funktionsstörungen des rechten Sprunggelenkes“) ansonsten unverändert fortbesteht.

Das Landgericht hat unter Ziffer II. seines Vergleichsfeststellungsbeschlusses nach § 278 Abs. 6 ZPO vom 17.02.2020 (Bl. 134 d.A.) den Streitwert auf 13.842,95 € (20 % der 3,5-fachen Jahresbeträge von Rentenleistung und Versicherungsprämie, vgl. BGH, Beschluss vom 06.10.2011 – IV ZR 183/10-, juris) festgesetzt und das Nichtbestehen eines überschießenden Vergleichswertes festgestellt.

Dagegen wenden sich die Prozessbevollmächtigten der Beklagten mit einer Beschwerdeschrift vom 23.02.2020 (Bl. 138), mit der beantragt wird, den Streitwert auf 55.371,79 € (= 80 % der 3,5-fachen Jahresleistung) festzusetzen. Zur Begründung wird ausgeführt, dass gerade nach der vom LG zitierten BGH-Entscheidung lediglich ein Feststellungsabschlag in Höhe von 20 % vorzunehmen sei und nicht ein solcher von 80 %. Diese Argumentation wurde mit Schriftsatz vom 06.03.2020 (Bl. 143) vertieft.

Die Klagepartei hat sich zum Beschwerdevorbringen nicht geäußert.

Mit Beschluss vom 13.03.2020 (Bl. 145) hat das Landgericht eine Abhilfe abgelehnt und die Sache dem Oberlandesgericht Nürnberg zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die zulässige Beschwerde hat nur geringen Erfolg. Die Wertfestsetzung des Prozessgerichts erweist sich dem Grunde nach als richtig, enthält allerdings einen Berechnungsfehler, der eine abändernde Entscheidung des Beschwerdegerichts veranlasst.

1.

Die gemäß § 68 Abs. 1 GKG statthafte Beschwerde wurde form- und fristgerecht erhoben. Die Erwachsenheitssumme (200,00 €) des § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG ist überschritten, da der maßgebliche Unterschiedsbetrag der Gebühr der Beschwerdeführer einschließlich Umsatzsteuer, berechnet nach dem festgesetzten und dem mit der Beschwerde beantragten Streitwert (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 33. Aufl., § 3 Rn. 9 a.E., siehe auch Rn. 16.157 „Streitwertbeschwerde“), höher ist.

Der Prozessbevollmächtigte der Partei ist befugt, im eigenen Namen die gerichtliche Wertfestsetzung nach § 63 GKG im Beschwerdeverfahren gemäß § 68 GKG zur Überprüfung zu stellen (vgl. Zöller/Herget, a.a.O.,§ 3 Rn. 9, 10 unter Hinweis auf § 32 Abs. 2 Satz 1 RVG).

Da mit der Beschwerde geltend gemacht wird, das Landgericht habe den Streitwert zu niedrig festgesetzt, ist nicht die Beklagte als Partei Beschwerdeführerin. Es handelt sich vielmehr gemäß § 32 Abs. 2 RVG um eine Beschwerde ihrer Prozessbevollmächtigten aus eigenem Recht. Auch wenn dies in der Beschwerdeschrift nicht expressis verbis erkennbar ist, ist von dem „prozessual Vernünftigen“ auszugehen und im Zweifelsfall anzunehmen, dass der Prozessbevollmächtigte die Beschwerde gegen eine vorgeblich zu niedrige Wertfestsetzung nur im eigenen Namen eingelegt hat (Hartmann/Toussaint, Kostenrecht, 49. Aufl. 2019, § 32 RVG Rn. 16 „Zu niedriger Wert“ m.w.N.).

Das Beschwerdegericht hat die Entscheidung des Prozessgerichts in vollem Umfang nachzuprüfen, wobei an die Stelle des Ermessens der 1. Instanz dasjenige des Beschwerdegerichts tritt; wegen der amtswegigen Abänderungsmöglichkeit nach § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG gilt auch kein Verschlechterungsverbot (Zöller/Herget, a.a.O., § 3 Rn. 13).

2.

Für die Wertberechnung maßgebend ist der Zeitpunkt der den jeweiligen Streitgegenstand betreffenden Antragstellung bei Einleitung des Rechtszuges (§ 40 GKG).

Nachdem es im vorliegenden Fall nicht um den Anwendungsbereich des § 42 GKG (Wiederkehrende Leistungen, ausgenommen Ansprüche aus einem Vertrag, der auf Leistung einer Rente gerichtet ist, vgl. § 42 Abs. 1 Satz 2 GKG) geht, verbleibt es bei der für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten allgemein geltenden Bestimmung des § 48 GKG, dass sich die Gebühren nach den für die Zuständigkeit des Prozessgerichts geltenden Vorschriften über den Wert des Streitgegenstands (§§ 2 bis 9 ZPO) richten.

3.

Der Wert wird durch den Streitgegenstand bestimmt, der gleich demjenigen ist, was die Partei begehrt und mit ihrem Angriff erreichen will. Diesen Streitgegenstand legen Klageantrag und Klagebegründung fest; die Begründung wird dabei aber, wie auch weiteres Parteivorbringen, nur zur Auslegung des Antrags herangezogen. Es entscheidet das Interesse des Klägers. Ohne Einfluss auf den Streitwert ist das Vorbringen des Gegners, sein Interesse an einer Abweisung oder Parteivereinbarungen über die Höhe des Streitwerts (Zöller/Herget, a.a.O., § 3 Rn. 2).

4.

Im vorliegenden Fall lag dem Verfahren folgender Klageantrag in der Hauptsache zu Grunde (vgl. Klageschrift, S. 2, i.V.m. Antragstellung in der Verhandlung vom 22.10.2019 gem. Protokoll, S. 4):

„Es wird festgestellt, dass der von der Klägerin mit der Beklagten geschlossene Berufsunfähigkeitsversicherungsvertrag Nr. xxx unbeschadet der von der Beklagten erklärten Rücktritte bzw. Kündigungen laut Schreiben vom 06.05.2016 zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.“

Im vorliegenden Fall war deshalb Streitgegenstand allein der Antrag auf Feststellung, dass der zwischen den Parteien bestehende Berufsunfähigkeitsversicherungsvertrag weder durch Rücktritt noch durch Kündigung der Beklagten umgestaltet wurde, sondern unverändert fortbesteht. Bezifferte Leistungsansprüche oder ein auf Feststellung der Leistungspflicht gerichteter Sachantrag waren zu keinem Zeitpunkt Streitgegenstand des Rechtsstreits.

5.

Sein besonderes Gepräge gewinnt der Streitfall allerdings durch den Umstand, dass die Beklagte den Eintritt eines Versicherungsfalls der bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit anerkannt hat und die Vertragsleistungen (Rente und Beitragsbefreiung) erbringt. Dieser Einzelfallumstand ist zusätzlich wertbestimmend zu berücksichtigen.

Zudem ist hervorzuheben, dass die Beklagte ausschließlich vom Gestaltungsrecht eines Rücktritts vom Vertrag (mit Rechtswirkung ex nunc) Gebrauch gemacht und sich nicht auf eine Vertragsanfechtung wegen arglistiger Täuschung (mit Rechtswirkung ex tunc) berufen hat.

Demzufolge hatte der Ausgang des Rechtsstreits keinerlei Bedeutung für die laufende Leistungsgewährung des Versicherers aus einem in der Vergangenheit eingetretenen und anerkannten Versicherungsfall. Die Entscheidung über das – isolierte – Feststellungsbegehren war deshalb ausschließlich für etwaige künftige ungewisse weitere Versicherungsfälle während der vertraglichen Restlaufzeit der Berufsunfähigkeitsversicherung bis zum 31.10.2045 von Bedeutung.

6.

Ausgangspunkt für die Wertermittlung bei einem solchen Streitgegenstand ist – wie sowohl das Landgericht als auch die Beschwerdeführer zutreffend erkannt haben – zunächst die Entscheidung des BGH vom 06.10.2011 (IV ZR 183/10, VersR 2012, 76), wo es unter Rn. 1 (juris) heißt (Hervorhebungen durch das Beschwerdegericht):

„Begehrt der Versicherungsnehmer einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung die Feststellung, dass der Versicherungsvertrag trotz einer Anfechtung des Versicherers wegen arglistiger Täuschung fortbestehe, konkretisiert sich seine Beschwer in der Rentenleistungsverpflichtung und der Pflicht zur Beitragsfreistellung. Dabei ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats von den 3,5-fachen Jahresbeträgen der begehrten monatlichen Rentenleistung und der monatlichen Prämie (§§ 3, 9 ZPO) ein Abschlag von 50 % vorzunehmen, wenn der Eintritt des Versicherungsfalles, mithin der Berufsunfähigkeit im Sinne der vereinbarten Bedingungen, noch ungeklärt ist, während sich bei bereits geklärter Berufsunfähigkeit der Feststellungsabschlag auf 20 % beläuft.“

Einigkeit besteht zunächst darin, dass Ausgangsgröße aller Wertberechnungen der nach §§ 3, 9 ZPO ermittelte Gesamtbetrag der 3,5-fachen Jahresvertragsleistung (Rente zzgl. Beitragsfreistellung) ist (vgl. Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung, 4. Aufl. 2020, Kap. 19 Rn. 1 ff. m.w.N.; Dunkel/Mokhtari in: v. Bühren, Handbuch Versicherungsrecht, 7. Aufl. 2017, § 15 Rn. 311 ff.).

Zentrale Fragestellung – auch im Rahmen des vorliegenden Beschwerdeverfahrens – ist diejenige nach der Höhe des vorzunehmenden Abschlags von dieser Rechengröße.

Auf den ersten Blick überzeugend erscheint die Argumentation der Beschwerdeführer, da die Berufsunfähigkeit der Klägerin anerkannt und damit „geklärt“ sei, komme nach der vorstehenden BGH-Entscheidung nur ein Feststellungsabschlag von 20 % in Betracht.

Diese Sichtweise wird aber den Besonderheiten des Streitfalles nicht gerecht – wie das Landgericht insbesondere in seiner sorgfältig begründeten Nichtabhilfeentscheidung vom 13.03.2020 zutreffend ausgeführt hat.

Denn die hier zu beurteilende Fallgestaltung wird tatsächlich nicht unmittelbar und nicht vollständig von dieser BGH-Entscheidung erfasst.

Im BGH-Fall ging es um eine Vertragsanfechtung wegen arglistiger Täuschung bei Beantwortung der Gesundheitsangaben im Rahmen der Vertragsanbahnung. Eine solche würde in jeder der beiden vom BGH angesprochenen Alternativen, nämlich

– wenn der Eintritt des Versicherungsfalles, mithin der Berufsunfähigkeit im Sinne der vereinbarten Bedingungen, noch ungeklärt ist,

oder

– bei bereits geklärter Berufsunfähigkeit

unmittelbar auf Leistungsansprüche des Versicherten durchschlagen und diesen entgegenstehen. Selbst bei „geklärter“ Berufsunfähigkeit entfiele eine Leistungspflicht des BU-Versicherers, wenn die von ihm eingewandte Vertragsanfechtung durchgreift.

Es ist deshalb in einem solchen Fall sachgerecht, das Feststellungsinteresse des klagenden Versicherungsnehmers höher zu gewichten, als dies in einem Streitfall ohne Relevanz für die laufende Leistungsgewährung des BU-Versicherers geboten erscheint.

7.

Die hier vom Einzelrichter der Zivilkammer unter Hinweis auf eine anderweitige Entscheidung des BGH vom 13.12.2000 (IV ZR 279/99, VersR 2001, 601) vorgebrachten Bedenken gegen eine unmittelbare Übernahme des 20 %-Abschlags wegen „geklärter Berufsunfähigkeit“ aus der vorzitierten BGH-Entscheidung vom 06.10.2011 und dessen darauf gestützte Ermessensentscheidung, einen Abschlag von 80 % vorzunehmen und den Wert nur auf 20 % der 3,5-fachen Jahresleistung festzusetzen, überzeugen.

a)

In seiner Entscheidung vom 13.12.2000 führt der Bundesgerichtshof aus (vgl. Rn. 9-10 juris; hier der besseren Lesbarkeit wegen gekürzt um die Verweise auf andere Belegstellen, Hervorhebungen durch das Beschwerdegericht):

Bei einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung bemißt der Senat die Beschwer bei einer auf die Feststellung gerichteten Klage, daß der Versicherungsvertrag trotz des vom Versicherer erklärten Rücktritts oder der von diesem erklärten Anfechtung fortbesteht, regelmäßig unter Rückgriff auf die Bemessung der Beschwer bei einer auf Leistung gerichteten Klage. Denn für das wirtschaftliche Interesse an dieser Feststellung ist maßgeblich, welche finanziellen Auswirkungen die getroffene Feststellung voraussichtlich für den Rechtsmittelkläger haben wird. Dabei liegt auf der Hand, daß diese Auswirkungen dann einem Unterliegen mit einer Leistungsklage nahekommen, wenn bereits feststeht, daß der Versicherungsfall eingetreten ist. Diesem Ansatz entspricht es, das Interesse des Rechtsmittelklägers mit nur 50 % des für eine Klage auf Leistungen aus der Zusatzversicherung maßgeblichen Wertes zu bemessen, wenn der Eintritt des Versicherungsfalles zwar behauptet, tatsächlich aber bislang ungeklärt geblieben ist, ob der Kläger berufsunfähig im Sinne der vereinbarten Bedingungen geworden ist.

Das Berufungsgericht stellt jedoch fest, daß im vorliegenden Fall ein Versicherungsfall nicht eingetreten sei und der Kläger sich auch keiner Ansprüche gegen die Beklagte aus einem solchen (mehr) berühme. Dennoch rechtfertigen es auch diese Umstände nicht, das wirtschaftliche Interesse des Klägers nicht mehr unter Rückgriff auf sein Leistungsinteresse zu bestimmen. Denn das Interesse des Klägers wird auch in einem solchen Falle durch die erstrebte Erhaltung der durch den Versicherungsvertrag von vornherein in Höhe und Dauer festgelegten – von einem konkreten Schaden oder Bedarf unabhängigen – Leistungspflicht der Beklagten geprägt, die wirtschaftlichen Auswirkungen also durch den Verlust oder die Sicherung dieses – wenngleich in seiner Entstehung ungewissen – Anspruchs bestimmt. Allerdings rechtfertigt es die Ungewißheit des Eintritts des Versicherungsfalles, dieses Interesse geringer als mit 50% des Wertes einer Leistungsklage zu bemessen. Bei einer Klage auf Feststellung des Fortbestehens einer Risikolebensversicherung – auch hier ist der Eintritt eines Versicherungsfalles, nicht aber die vom Versicherer bei Eintritt zu erbringende Leistung ungewiß – hat der Senat demgemäß das Interesse des Rechtsmittelklägers auf 20% der versprochenen Versicherungssumme bemessen. Diese Einstufung liefert grundsätzlich auch im vorliegenden Falle den Maßstab für eine angemessene Wertfestsetzung.

b)

Zunächst ist festzuhalten, dass die Begriffe „Beschwer“ oder „Wert des Beschwerdegegenstandes“ im Sinne des § 511 ZPO (um die es in vorgenannter BGH-Entscheidung ging) für die hier interessierende Frage der Berechnung des „Gebührenwertes“ oder „Streitwertes“ uneingeschränkt gleichgesetzt werden können (§ 2 ZPO i.V.m. § 48 Abs. 1 GKG; vgl. auch Zöller/Herget, ZPO, 33. Aufl., § 3 Rn. 4-6).

c)

Eine Anwendung der Grundsätze aus der vorstehenden BGH-Entscheidung auf den hier zu klärenden Streitfall bedeutet im Einzelnen:

Zur Bemessung des wirtschaftlichen Interesses an der begehrten Feststellung ist maßgeblich, welche finanziellen Auswirkungen die getroffene Feststellung voraussichtlich für die Klägerin haben wird.

Da es hier lediglich um einen von Versichererseite erklärten Vertragsrücktritt geht, sind die Wirkungen dieser Rechtsausübung von vornherein auf künftige – ungewisse – Versicherungsfälle beschränkt. Denn der aktuelle Versicherungsfall ist infolge bindenden Anerkenntnisses und vorbehaltloser Leistungserbringung gänzlich außer Streit zwischen den Vertragsparteien.

Die künftigen finanziellen Auswirkungen des Rücktritts für die Klägerin sind überhaupt nur dann darstellbar, wenn der aktuelle „gedehnte Versicherungsfall“ vor Versicherungsablauf (31.10.2045) infolge Gesundung, Versterbens oder bedingungsgemäßer Nachprüfung / Verweisung beendet würde. Denn der Versicherte kann während eines bestimmten Zeitraumes nur einmal die Vertragsleistungen beziehen. Ob überhaupt, und wenn ja, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein solches zur Beendigung der Leistungspflicht der Beklagten führendes Ereignis eintritt, ist völlig ungewiss.

Diese Ungewissheit des Eintritts eines vom Vertragsrücktritt tangierten Versicherungsfalles rechtfertigt es, das Interesse an der Feststellung der Unwirksamkeit des Rücktritts deutlich geringer als mit 50 % des Wertes einer Leistungsklage zu bemessen.

Mit dem Bundesgerichtshof nach dessen Maßstäben aus der vorzitierten Entscheidung und in Übereinstimmung mit dem Landgericht hält auch das Beschwerdegericht deshalb die Einstufung des Interesses der Klägerin an der Feststellung des Vertragsfortbestandes mit 20 % des im Falle einer Leistungsklage anzusetzenden Betrages für eine angemessene Wertfestsetzung (so auch ohne nähere Begründung Dunkel in: v. Bühren, Handbuch Versicherungsrecht, 6. Aufl. 2014, § 15 Rn. 330).

8.

In Abweichung zum Beschwerdevortrag und zur Wertfestsetzung des Landgerichts ist hierbei allerdings die vertraglich vereinbarte Beitragsschuld (hier: „Gesamter tariflicher Monatsbeitrag“ in Höhe von 104,01 €, vgl. Versicherungsschein vom 17.10.2013, S. 3, Anl. K 2) mit in Ansatz zu bringen und nicht nur der im Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls infolge Überschussbeteiligung verminderte tatsächliche Zahlbetrag (hier laut Klageerwiderung vom 18.05.2019, S. 3: 75,32 € bzw. nach Klageschrift vom 05.03.2019, S. 2: 73,50 €).

Denn der in der bedingungsgemäßen Freistellungsverpflichtung des Versicherers bei Eintritt eines künftigen Versicherungsfalls verkörperte Wert wird durch die vertraglich bestimmte Prämienzahlungspflicht des Versicherten bestimmt und nicht durch die mehr oder weniger zufällige und gerade nicht garantierte Höhe einer in der Vergangenheit erwirtschafteten Überschussbeteiligung, die zur Beitragsreduzierung verwendet wurde.

Demnach ist im Streitfall für den auf Feststellung gerichteten Sachantrag folgender Wertansatz geboten:

1.572,65 € + 104,01 € = 1.676,66 € x 42 = 70.419,72 € x 0,2 = 14.083,94 €

Lediglich in Höhe der geringfügigen Differenz von 240,99 € zu der angefochtenen Wertfestsetzung des Landgerichts hat das Rechtsmittel der Prozessbevollmächtigten der Beklagten Erfolg und ist im Übrigen als unbegründet zurückzuweisen.

9.

Eine Kostenentscheidung und eine von Amts wegen vorzunehmende Wertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren sind nicht veranlasst (vgl. Zöller/Herget, a.a.O., § 3 Rn. 11, 12). Denn das Verfahren ist gebührenfrei und Kosten werden nicht erstattet (§ 68 Abs. 3 GKG).

10.

Diese Entscheidung ist mit Rechtsmitteln nicht anfechtbar (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

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