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Berufsunfähigkeitsversicherung – Nichtanzeige gefahrerheblicher Umstände

OLG Hamm, Az.: I-20 U 191/15, Beschluss vom 13.11.2015

Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.

Es wird Gelegenheit gegeben, binnen drei Wochen Stellung zu nehmen.

Gründe

Der Senat ist einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung auf Grund mündlicher Verhandlung erfordern und eine mündliche Verhandlung auch sonst nicht geboten ist.

Die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von § 546 ZPO, noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere, der Klägerin günstigere Entscheidung, § 513 Abs. 1 ZPO.

I.

Das Landgericht hat die Klage der Klägerin, mit der sie Leistungen aus einer bei dem Beklagten genommenen Berufsunfähigkeitsversicherung wegen einer von ihr behaupteten bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit im Zeitraum August 2013 bis Februar 2015 begehrt, abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass der Beklagte nach einer von ihm mit Schreiben vom 08.10.2013 erklärten Arglistanfechtung gem. §§ 22 VVG, 123 Abs. 1, 142 Abs. 1 BGB leistungsfrei sei. Die Klägerin habe bei Antragstellung am 02.04.2012 ihre vorvertragliche Anzeigepflicht u.a. dadurch verletzt, dass sie trotz Frage des beklagten Versicherers nicht angegeben habe, seit Oktober 2011 durchgehend abends ein Antidepressivum einzunehmen, um besser einschlafen zu können. Zudem habe die Klägerin trotz Nachfrage ärztliche Behandlung im Jahre 2011 wegen einer depressiven Symptomatik ebenso verschwiegen wie eine ärztlich diagnostizierte Migräne. Von Arglist der Klägerin sei auszugehen, da die Klägerin nicht in nachvollziehbarer Weise plausibel dargelegt habe, wie und warum es zu den objektiv falschen bzw. unvollständigen Angaben gekommen sei. Die Kausalität der Täuschung der Klägerin für die Annahme ihres Antrags durch den Beklagten sei ebenfalls gegeben. Denn der Beklagte habe schlüssig vorgetragen, er würde den Antrag aufgrund der Vorgaben seines Rückversicherers bei Kenntnis der verschwiegenen Vorerkrankungen und -behandlungen abgelehnt haben. Das Anfechtungsrecht des Beklagten sei schließlich auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil dem Beklagten aufgrund der erteilten Schweigepflichtentbindung die Möglichkeit zur Nachfrage bei den die Klägerin behandelnden Ärzten eröffnet worden sei.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts durch das Landgericht rügt und ihre erstinstanzlichen Klagebegehren weiter verfolgt. Sie macht geltend, dass der Beklagte den Nachweis des subjektiven Tatbestands einer arglistigen Täuschung nicht erbracht habe. Zudem habe der den Vertrag vermittelnde Versicherungsmakler Belehrungspflichten verletzt, indem er die Klägerin nicht auf die Bedeutung der Angaben hingewiesen habe. Das Verhalten des Versicherungsmaklers müsse sich die Klägerin zurechnen lassen. Die Anfechtung sei auch wegen einer Verletzung einer „Nachforschungsobliegenheit“ des Beklagten ausgeschlossen. Denn der Beklagte habe die Möglichkeit gehabt, weitere Erkenntnisse über den Gesundheitszustand der Klägerin aufgrund der erteilten Schweigepflichtentbindungserklärung zu erlangen. Weiterhin bestreitet die Klägerin, dass der Beklagte den Antrag ohne Täuschung nur unter einer „Leistungsbeschränkung“ geschlossen haben würde. Es habe sich ein völlig anderes Risiko verwirklicht, welches mit der vom Landgericht angenommenen Täuschung nichts zu tun habe.

II.

Die Rügen der Berufung erweisen sich als nicht durchgreifend.

Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Klägerin stehen die geltend gemachten Leistungsansprüche aus der Berufsunfähigkeitsversicherung nicht zu. Die Leistungsfreiheit des Beklagten folgt daraus, dass er mit der Nichtigkeitsfolge des § 142 Abs. 1 BGB die auf den Vertragsschluss gerichtete Willenserklärung der Klägerin wirksam wegen arglistiger Täuschung angefochten hat (§§ 22 VVG, 123 Abs. 1 BGB).

Eine arglistige Täuschung in diesem Sinne setzt eine Vorspiegelung falscher oder ein Verschweigen wahrer Tatsachen gegenüber dem Versicherer zum Zweck der Erregung oder Aufrechterhaltung eines Irrtums voraus. Der Versicherungsnehmer muss vorsätzlich handeln, indem er bewusst und willentlich auf die Entscheidung des Versicherers einwirkt. Zwar gibt es keinen allgemeinen Satz der Lebenserfahrung des Inhalts, dass der Versicherungsinteressent, der Fragen nach seinem Gesundheitszustand oder nach früheren Behandlungen unrichtig beantwortet, stets die Absicht verfolgt, auf den Willen des Versicherers Einfluss zu nehmen. In subjektiver Hinsicht setzt die Annahme von Arglist vielmehr zusätzlich voraus, dass der Versicherungsnehmer erkennt und billigt, der Versicherer werde bei wahrheitsgemäßen und vollständigen Antworten seinen Antrag entweder gar nicht oder nur zu anderen Konditionen annehmen (vgl. BGH, Urt. v. 04.05.2009, IV ZR 62/07, VersR 2009, 968, 969, Rn. 10; Urt. v. 28.02.2007, IV ZR 331/05, VersR 2007, 785, Rn. 8; Senat, Beschl. v. 15.09.2014, 20 U 154/14, n.v.; Urt. v. 17.08.2007, 20 U 26/07, juris, Rn. 50 mit weiteren Nachweisen, VersR 2008, 477). Da es sich hierbei um eine innere Tatsache handelt, kann der Beweis jedoch durch Indizien geführt werden (Senat, a.a.O.). Hierbei hat der Versicherungsnehmer die Umstände darzutun und der Überprüfung zugänglich zu machen, die sich in seiner Sphäre abgespielt haben und die der Versicherer daher nicht kennen kann. Dazu gehören die Umstände, warum er gegenüber dem Versicherer objektiv unrichtige Angaben gemacht hat (Senat, Beschl. v. 15.09.2014, 20 U 154/14, n.v.; Urt. v. 16.01.1991, 20 U 111/90, juris, Rn. 41 mit weiteren Nachweisen, r+s 1992, 358).

An den vorstehenden Grundsätzen gemessen ist das Landgericht rechtsfehlerfrei zu der Annahme eines arglistigen Verhaltens der Klägerin gelangt. Die Klägerin hat gefahrerhebliche Umstände objektiv verschwiegen, was auch die Berufung nicht in Zweifel zieht. Die feststehenden Umstände lassen auch subjektiv den Schluss zu, dass die Klägerin mit Hilfe der Abgabe einer falschen Erklärung auf den Willen des Beklagten einwirken wollte und sich bewusst gewesen ist, dass der Beklagte, wüsste er von den verschwiegenen Behandlungen und Erkrankungen, ihren Antrag auf Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung nicht oder nur mit ihr nachteiligen Bedingungen annehmen würde. Eine nachvollziehbare Erklärung dafür, wie und warum es zu den Falschangaben gekommen ist, hat die Klägerin nicht gegeben. Ihr erstmals mit der Berufungsbegründung erfolgter pauschaler Hinweis, der den Antrag aufnehmende Versicherungsmakler habe Belehrungspflichten über die Bedeutung der Gesundheitsfragen verletzt, greift nicht durch. Entgegen der Auffassung der Berufung muss sich bereits nicht der Versicherer das Verhalten eines (echten) Versicherungsmaklers (vgl. § 59 Abs. 3 VVG) zurechnen lassen, sondern der Versicherungsnehmer (vgl. BGH, Beschl. v. 12.03.2008, IV ZR 330/06, juris, Rn. 8, VersR 2008, 809; OLG Köln, Hinweisverfügung v. 25.04.2007, 5 U 242/06, juris, Rn. 5, VersR 2008, 810; Beschl. v. 11.06.2007, gl. Az., juris; OLG Frankfurt/Main, Beschl. v. 24.07.2008, 3 U 68/08, juris, Rn. 7, zfs 2009, 269). Unabhängig davon: Das Verhalten der Klägerin ist auch unter Berücksichtigung des neuen Vortrags arglistig.

Die Täuschung der Klägerin ist auch für die Annahme des Versicherungsantrags durch den Beklagten ursächlich gewesen. Der Beklagte hat erstinstanzlich seine Risikoprüfungsgrundsätze unter Hinweis auf die Vorgaben seines Rückversicherers dargelegt, ohne dass die Klägerin dem entgegen getreten ist. Ihr erstmaliges und pauschales Bestreiten in der Berufungsinstanz ist gem. § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO unbeachtlich. Ohnehin verkennt die Klägerin mit ihrem Hinweis, es habe sich ein vollkommen anderes Risiko realisiert, dass sich das Kausalitätserfordernis nur auf die Annahmeentscheidung des Versicherers, nicht auch auf den Versicherungsfall bezieht. Ein Kausalitätsgegenbeweis ist dem Versicherungsnehmer im Rahmen der Arglistanfechtung des Versicherers nicht eröffnet (vgl. nur Karczewski, r+s 2012, 521, 531).

Einer Arglistanfechtung steht schließlich auch nicht die Verletzung einer Nachfrageobliegenheit durch den beklagten Versicherer entgegen. Erstens besteht eine Nachfrageobliegenheit allenfalls dann, wenn die Angaben des Versicherungsnehmers widersprüchlich, sonst wie unklar oder erkennbar unrichtig sind. Zweitens kann sich der arglistig handelnde Versicherungsnehmer auf eine Verletzung der Nachfrageobliegenheit durch den Versicherer nicht berufen (vgl. nur BGH, Beschl. v. 21.03.2012, IV ZR 264/10, juris, Rn. 10; Urt. v. 11.05.2011, IV ZR 148/09, juris, Rn. 15, VersR 2011, 909; Beschl. v. 30.09.2009, IV ZR 1/07, juris; Beschl. v. 04.07.2007, IV ZR 170/04, VersR 2007, 1256; Beschl. v. 15.03.2006, IV ZA 26/05, VersR 2007, 96).

Auf die Gebührenermäßigung für den Fall der Berufungsrücknahme (KV Nr. 1222 GKG) wird hingewiesen.

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