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Berufsunfähigkeitsversicherung – Nachweis Berufsunfähigkeit bei psychischen Beeinträchtigungen

OLG Köln – Az.: 20 U 50/18 – Urteil vom 01.10.2021

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 15.03.2018 verkündete Urteil des Landgerichts Aachen – Az. 9 O 339/13 – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen trägt der Kläger.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger macht gegen die Beklagte Ansprüche aus einer bei dieser abgeschlossenen Lebensversicherung mit eingeschlossener Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (Versicherungsschein Nr. A, Anlage K1) geltend. Er behauptet, spätestens seit dem 01.08.2009 berufsunfähig gewesen zu sein. Wegen aller Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens wird auf den Tatbestand des angegriffenen Urteils sowie das schriftsätzliche Vorbringen der Parteien und ihre zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.

Berufsunfähigkeitsversicherung - Nachweis Berufsunfähigkeit bei psychischen Beeinträchtigungen
(Symbolfoto: YAKOBCHUK VIACHESLAV/Shutterstock.com)

Das Landgericht hat die Beklagte – nach Vernehmung von Zeugen zur beruflichen Tätigkeit des Klägers sowie Einholung eines orthopädischen Sachverständigengutachtens nebst internistischem und psychiatrischem Zusatzgutachten – unter Abweisung der Klage im Übrigen dazu verurteilt, an den Kläger rückständige Rentenbeträge für den Zeitraum von März 2011 bis August 2013 i.H.v. 31.450,12 EUR nebst Zinsen sowie ab September 2013 bis längstens April 2035 eine monatliche Rente i.H.v. 1.100,71 EUR, für die Jahre 2014 bis 2017 zzgl. einer jährlich zum 01.05. fälligen Erhöhung der Vorjahresrente um 3,75 %, zu zahlen. Ferner hat es die Beklagte verurteilt, an den Kläger für den Zeitraum März 2011 bis August 2013 vereinnahmte Beiträge i.H.v. insgesamt 1.585,13 EUR nebst Zinsen und für den Zeitraum von September 2013 bis Januar 2018 gezahlte Versicherungsbeiträge i.H.v. insgesamt 2.709,89 EUR zu erstatten und hat festgestellt, dass den Kläger in der Zeit von Februar 2018 bis längstens April 2035 keine Beitragsverpflichtungen mehr träfen.

Soweit für das Berufungsverfahren relevant hat es zur Begründung – wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils verwiesen – Folgendes ausgeführt:

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Kläger (erst) seit dem 01.03.2011 in seiner zuletzt vor Eintritt der Berufsunfähigkeit ausgeübten Tätigkeit als Telefonakquisiteur und Außendienstmitarbeiter bei einem Immobilienmakler bedingungsgemäß berufsunfähig gewesen sei.

Zwar sei von einer Berufsunfähigkeit aus fachorthopädischer-unfallchirurgischer und internistischer Sicht nicht auszugehen. Der orthopädisch-unfallchirurgische Gutachter B und der internistische Zusatzgutachter C hätten festgestellt, dass insoweit keine messbaren Beeinträchtigungen der Berufsfähigkeit vorlägen.

Nach den überzeugenden Feststellungen des psychiatrischen Zusatzgutachters D sei der Kläger aber aufgrund einer schwer ausgeprägten rezidivierenden depressiven Episode mit Angst- und Panikattacken gesichert seit März 2011 durchgängig berufsunfähig gewesen. Soweit das Ausgangsgutachten des Sachverständigen D den Anforderungen der Rechtsprechung zunächst nicht gerecht geworden sei, habe die Kammer Weisungen erteilt, die dann im Rahmen des Ergänzungsgutachtens umgesetzt worden seien. Insbesondere habe der Sachverständige den Kläger erneut untersucht und Feststellungen insbesondere zu dem familiären Umfeld des Klägers und dort stattfindenden Auseinandersetzungen, zu Spannungen und Reaktion des Klägers hierauf in dessen Alltag, zum beruflichen Werdegang des Klägers und seiner bisherigen medizinischen Behandlung getroffen und diese gewürdigt. Zudem habe der Sachverständige ein ihm geeignet erscheinendes testpsychologisches Verfahren genutzt und sich auch ausführlich mit den von der Beklagten vorgelegten Gutachten auseinandergesetzt. Auf dieser Grundlage habe der Sachverständige Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen des Klägers festgestellt, die einem Arbeiten im Telefonmarketing entgegenstünden. Zum Zeitpunkt der Begutachtung habe der Kläger zudem eine Panikattacke erlitten, was zu der Annahme einer Angst- und Panikstörung geführt habe. Die Kammer gebe der fachlichen Einschätzung des gerichtlichen Sachverständigen den Vorzug vor der abweichenden Einschätzung der Privatgutachter der Beklagten, weil diese nicht auf einen persönlichen Eindruck des Klägers in der Exploration hätten zurückgreifen können. Die Einwände der Beklagten habe der Sachverständige im Übrigen im Rahmen seiner Anhörung auszuräumen vermocht.

Hiergegen wendet sich die Berufung der Beklagten, mit welcher diese ihren erstinstanzlichen Antrag auf vollumfängliche Klageabweisung weiterverfolgt. Sie meint, das Landgericht habe sich nicht auf die Ausführungen des Sachverständigen D stützen dürfen, sondern hätte ein neues Gutachten einholen müssen. Die Ausführungen des Sachverständigen D könnten schon deshalb keine Entscheidungsgrundlage für die Überzeugungsbildung und Entscheidungsfindung sein, weil dem Sachverständigen nicht die vollständigen über den Kläger geführten Behandlungsunterlagen vorgelegen hätten. Vor allem aber seien die Feststellungen des Sachverständigen nicht von ausreichender Sachkunde getragen, gründeten auf einer unvollständigen Erhebung der Befundtatsachen, seien widersprüchlich, nicht fundiert, mangelhaft und insgesamt nicht überzeugend. Eine nachvollziehbare Begründung, weshalb der Meinung des gerichtlichen Sachverständigen der Vorzug vor der der Privatgutachter der Beklagten zu geben wäre, fehle. Insbesondere hätten die Privatgutachterin E und der Privatgutachter F den Kläger wesentlich umfassender und sorgfältiger untersucht und exploriert als der gerichtlich beauftragte Sachverständige. Die Einwendungen der Beklagten seien durch die persönliche Anhörung des Sachverständigen auch keineswegs ausgeräumt worden. Der Sachverständige habe vielmehr eingeräumt, dass er in der Vornahme und Auswertung neuropsychologischer Testverfahren nicht geschult sei und ihm zum anderen die einschlägigen Begutachtungsleitlinien nicht bekannt seien. Soweit das Landgericht hervorhebe, dass der Sachverständige in seinen Gutachten Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen festgestellt habe, habe dieser in seinen Gutachten keinerlei Befunde beschrieben, die auf solche schließen ließen. Im Rahmen seiner Anhörung habe er zudem eingeräumt, keine dezidierte Auskunft über die konkrete Leistungsfähigkeit des Klägers hinsichtlich der Kategorien Konzentration und Merkfähigkeit geben zu können. Er habe sich insoweit auf die von dem Privatgutachter F durchgeführten Leistungstests und Beurteilungen verlassen. Der Privatgutachter F habe aber gerade ausgeführt, dass er kognitive Defizite nicht mit ausreichender Sicherheit habe feststellen können und es keine gesicherten Aussagen über die Konzentrationsfähigkeit gebe. Soweit der Sachverständige eine Panikattacke zum Zeitpunkt der Begutachtung beschrieben habe, sei eine solche an keiner Stelle dokumentiert worden, so dass diese zu bestreiten sei.

Nur vorsorglich sei im Übrigen darauf hinzuweisen, dass das Landgericht von einem zu hohen Erhöhungssatz der Rente ausgegangen sei.

Die Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil teilweise abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angegriffene Urteil und meint, das Gutachten des gerichtlich beauftragten Sachverständigen D sei keineswegs unbrauchbar.

Der Senat hat ergänzend Beweis erhoben durch Einholung eines psychiatrischen Gutachtens der Sachverständigen G nebst neuropsychologischem Zusatzgutachten des Sachverständigen H sowie Anhörung der Sachverständigen G. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten der Sachverständigen G vom 18.03.2020 (Bl. 624 ff. d.A.), das Zusatzgutachten des Sachverständigen H vom 09.07.2019 (Bl. 817 ff. d.A.) sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 10.09.2021 (Bl. 1.000 ff. d.A.) verwiesen.

Wegen aller weiteren Einzelheiten wird auf das schriftsätzliche Vorbringen der Parteien, die von den Parteien zu den Akten gereichten und beigezogenen Unterlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 21.09.2018 (Bl. 523 ff. d.A.) und 10.09.2021 (Bl. 1.000 ff. d.A.) Bezug genommen.

II.

1. Die zulässige Berufung der Beklagten hat auch in der Sache Erfolg und führt zur vollumfänglichen Klageabweisung. Dem Kläger stehen Ansprüche aus der bei der Beklagten bestehenden Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung schon dem Grunde nach nicht zu.

Soweit der Kläger ursprünglich Ansprüche aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung für den Zeitraum August 2009 bis Februar 2011 geltend gemacht hat, sind diese durch das insoweit nicht angegriffene erstinstanzliche Urteil bereits rechtskräftig abgewiesen worden. Auch Ansprüche für den Zeitraum ab März 2011 stehen dem Kläger jedoch nicht zu. Denn dieser hat nicht nachgewiesen, ab dem 01.03.2011 oder zu einem späteren Zeitpunkt bedingungsgemäß berufsunfähig gewesen zu sein.

§ 1 der den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien zugrunde liegenden Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (Anlage K2) bestimmt:

§ 1 Was ist Berufsunfähigkeit im Sinne dieser Bedingungen?

(1) Berufsunfähigkeit im Sinne dieser Bedingungen liegt vor, wenn die versicherte Person infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich mindestens sechs Monate ununterbrochen zu mindestens 50 % außer Stande ist, ihrem zuletzt vor Eintritt dieses Zustands ausgeübten Beruf nachzugehen.

(…)

(4) Wird uns nachgewiesen, dass ein in Absatz 1 (…) beschriebener Zustand für einen Zeitraum von sechs Monaten ununterbrochen vorgelegen hat, gilt dieser Zustand von Beginn an als Berufsunfähigkeit.

(…)

Davon, dass diese Voraussetzungen ab dem 01.03.2011 oder einem späteren Zeitpunkt vorlagen, kann nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme nicht ausgegangen werden.

a. Zwar hat der Sachverständige D im Rahmen seines schriftlichen Gutachtens vom 07.11.2014 nach Untersuchung des Klägers ausgeführt, dass der Kläger unter einer schweren depressiven Symptomatik sowie unter ausgeprägten Angst- und Panikattacken leide und aufgrund dieser psychischen Erkrankungen eine Arbeitsunfähigkeit in dem zuletzt ausgeübten Beruf seit Juli 2011 bestehe. Aus fachärztlich-psychiatrischer Sicht liege die Arbeitsfähigkeit bei weniger als drei Stunden täglich. Nach erneuter Untersuchung des Klägers und nach Erteilung von Weisungen durch das Landgericht erfolgter Durchführung einer testpsychologischen Untersuchung mittels des „Minnesota Multiphasic Personality Inventory“ (MMPI II) und des „Beck-Depressions-Inventars“ (BDI-II) hat der Sachverständige in seinem Zusatzgutachten vom 28.10.2016 ausgeführt, dass von einer durchgehenden Berufsunfähigkeit mit Sicherheit ab März 2011 im Rahmen einer derzeit schwer ausgeprägten rezidivierenden depressiven Episode mit Angst- und Panikattacken auszugehen sei. In der testpsychologischen Untersuchung des F hätten sich deutliche Konzentrationsstörungen und Aufmerksamkeitsstörungen gezeigt, die einem Arbeiten im Telefonmarketing entgegenstünden.

Entgegen der Annahme des Landgerichts sind die Ausführungen des Sachverständigen D jedoch nicht geeignet, eine Grundlage für die Annahme bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit zu bilden. Denn die Begutachtung leidet an ganz erheblichen inhaltlichen und methodischen Mängeln, die die Feststellungen insgesamt unbrauchbar machen.

Bei psychischen Beeinträchtigungen darf der Sachverständige seine Diagnose zwar ausnahmsweise auf eine Beschwerdeschilderung des Versicherungsnehmers stützen, wenn es keine andere Möglichkeit der Objektivierung gibt (vgl. BGH, Urteil vom 14.04. 1999, Az. IV ZR 289/97 – zitiert nach juris; hierzu und zum folgenden: Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung, 4. Auflage 2020, Kap. 7 Rn. 14 m.w.N.). Er darf diese Angaben jedoch nicht unbesehen hinnehmen, sondern muss sie einer eingehenden Prüfung mit den hier zur Verfügung stehenden Methoden und testpsychologischen Verfahren unterziehen; ferner kommt es auch auf das Verhalten des Versicherten zu den maßgeblichen Zeitpunkten der Diagnosestellung an (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 05.11.2019, Az. 4 U 390/18 – zitiert nach juris; KG, Beschluss vom 21.10.2014, Az. 6 U 18/13 – zitiert nach juris; OLG Saarbrücken, Urteil vom 19. 5. 2010 – 5 U 91/08-10 – zitiert nach juris; Neuhaus, aaO, Kap. 7 Rn. 14; vgl. auch Rixecker in: Langheid/Rixecker, VVG, 6. Auflage 2019, § 172 Rn. 28). Insbesondere bei der Beurteilung von Gesundheitsbeeinträchtigungen, die nur schwer objektivierbar sind, muss versucht werden, etwaige bewusstseinsnahe Verfälschungstendenzen wie Simulation, Aggravation und Dissimulation zu identifizieren. Dazu stehen testpsychologische Verfahren zur Verfügung, mit denen die Schilderungen des Versicherten überprüft werden können.

Diesen Anforderungen wird die Begutachtung durch den Sachverständigen D in keiner Weise gerecht. Denn der Sachverständige stützt seine Feststellungen im Wesentlichen nur auf die anamnestischen Angaben des Klägers sowie die Diagnosen und Berichte anderer Ärzte und Gutachter, ohne diese aber eingehend zu prüfen und kritisch zu hinterfragen.

So gelangt der Sachverständige nach Untersuchung des Klägers auf der Grundlage der von diesem gemachten Angaben und insbesondere unter Einbeziehung des Umstands der dem Kläger seit Oktober 2011 bewilligten Erwerbsunfähigkeitsrente zur Diagnose einer schweren depressiven Störung mit Angst- und Panikattacken. Dass die von dem Kläger geschilderten Beschwerden einer Überprüfung unterzogen worden wären, ist indes nicht erkennbar. Worauf die in dem Gutachten getroffene Feststellung, es gebe keinen Hinweis auf Dissimulations- oder Aggravationstendenzen, erschließt sich daher nicht. Dies gilt umso mehr, als es im vorliegenden Fall gleich mehrere Anhaltspunkte gab, die auf entsprechendes hindeuten konnten. So hatte der Kläger zur Begründung der von ihm angenommenen Berufsunfähigkeit auch eine Vielzahl von internistischen und orthopädischen Beeinträchtigungen geschildert, die nach dem Ergebnis der Begutachtungen des orthopädisch-unfallchirurgischen Gutachters B und des internistischen Zusatzgutachters C seine Berufsfähigkeit jedoch nicht tangieren. Schon allein dies begründete die Notwendigkeit, die anamnestischen Angaben des Klägers insgesamt nicht unkritisch zugrunde zu legen. Darüber hinaus hat bereits der von der Beklagten vorprozessual eingeschaltete Privatgutachter F (Anlage K6) bei dem Kläger Defizite in der Daueraufmerksamkeit und im Gedächtnis festgestellt, die nach seiner Einschätzung zu einer Depression vom Ausmaß her nicht passten. Zugleich hat er weitere Hinweise auf eine negative Antwortverzerrung gefunden und eine Aggravationsneigung als „wahrscheinlich“ eingeschätzt. Mit alldem hat sich der Sachverständige D in seinem Ausgangsgutachten nicht auseinandergesetzt.

Diese Problematik hat auch das Landgericht richtig gesehen und dem Sachverständigen mit Beschluss vom 06.10.2016 für die Erstattung eines Ergänzungsgutachtens dem Rechnung tragende detaillierte Weisungen erteilt.

Diese haben indes auch in dem durch den Sachverständigen daraufhin erstellten Zusatzgutachten vom 28.10.2016 keine hinlängliche Beachtung erfahren. Zwar hat der Sachverständige daraufhin zwei testpsychologische Untersuchungen, nämlich das Minnesota Multiphasic Personality Inventory (MMPI II) sowie das Beck Depressions Inventar (BDI-II) durchgeführt und ausgewertet bzw. auswerten lassen, aus denen im Zusatzgutachten sodann ausführlich zitiert wird. An einer hinreichend kritischen Überprüfung der anamnestischen Angaben des Klägers bzw. der Vorbefunde und Vorgutachten unter Anwendung der Ergebnisse der Testverfahren fehlt es indes weiterhin; Schlussfolgerungen werden aus diesen allenfalls im Ansatz gezogen. So hat der Sachverständige im Rahmen seiner mündlichen Anhörung durch das Landgericht im Termin vom 12.01.2018 eingeräumt, dass die erhobenen Testergebnisse des MMPI II-Tests einer weitergehenden Auswertung zugänglich seien, er eine solche aber nicht vorgenommen habe oder habe vornehmen lassen. Auf Nachfrage des Privatsachverständigen der Beklagten konnte der Sachverständige insbesondere auch nicht erläutern, ob der im BDI-II erzielte Testwert – wie ihm von dem Privatgutachter vorgehalten – nicht auf eine Beschwerdeübertreibung hindeute, sondern hat lediglich erklärt, einzelne Testwerte nicht weiter verfolgt zu haben. Leistungstests hat der Sachverständige D nicht selbst durchgeführt oder durchführen lassen. Auf entsprechenden Vorhalt hat er lediglich auf die durch den Privatgutachter F erfolgten Leistungstests verwiesen und erklärt, diese nicht in Frage zu stellen und seiner Begutachtung zugrunde gelegt zu haben. Hierdurch entsteht indes ein nicht aufzulösender Widerspruch. Denn in dem Gutachten des Sachverständigen F werden gerade Antwortverzerrungen und eine Tendenz zur Aggravation beschrieben, die nach Einschätzung des Sachverständigen F dazu führen, dass über das Ausmaß einer zu unterstellenden Leistungsminderung keine gesicherten Aussagen gemacht werden könnten.

b. Vor diesem Hintergrund sind die gutachterlichen Feststellungen des Sachverständigen D als unbrauchbar anzusehen. Nach § 412 Abs. 1 ZPO bedurfte es daher der Einholung eines weiteren Gutachtens durch den Senat, das mit dem psychiatrischen Gutachten der Sachverständigen G vom 18.03.2020 nebst neuropsychologischem Zusatzgutachten des Sachverständigen H vom 09.07.2019 vorliegt.

aa. Schon auf der Grundlage der Feststellungen des Sachverständigen H kann der Nachweis bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit nicht als erbracht angesehen werden. Denn danach muss davon ausgegangen werden, dass es bereits an hinreichenden Anknüpfungstatsachen fehlt, auf die eine entsprechende Annahme durch Sachverständige und Gericht überhaupt gestützt werden könnte.

Der Sachverständige H hat nach eingehender Untersuchung, Exploration und Beobachtung des Verhaltens des Klägers sowie Durchführung verschiedener testpsychologischer Verfahren, insbesondere auch zur Leistungsprüfung und Beschwerdevalidierung, sowie unter Auseinandersetzung mit den Vorbefunden ausgeführt, dass auf der Grundlage der erhobenen Informationen aktuell nicht von einer wesentlichen Beeinträchtigung der beruflichen Leistungsfähigkeit des Klägers ausgegangen werden könne. Es könne nicht gesichert werden, dass eine krankheitswertige und behandlungsbedürftige psychische Störung vorliege, die eine wesentliche Beeinträchtigung der beruflichen Leistungsfähigkeit begründe. Unabhängig von klinischen Diagnosen könnten auch Art und Ausmaß kognitiver und kommunikativer Funktion und Leistungsbeeinträchtigungen nicht gesichert werden. Zugleich ließen Angaben zum Störungsverlauf nicht darauf schließen, dass sich die Funktions- und Leistungsfähigkeit des Klägers seit 2011 wesentlich verändert habe. Insofern spreche mehr dafür als dagegen, dass auch zu einem früheren Zeitpunkt keine Berufsunfähigkeit vorgelegen habe. Ob zu einem früheren Zeitpunkt eine erhebliche Leistungsbeeinträchtigung bestanden habe, könne angesichts fehlender testpsychologisch objektivierter Erkenntnisse zur kognitiven und kommunikativen Leistungsfähigkeit nicht sicher beurteilt werden. Denn die wenigen vorliegenden testpsychologischen Ergebnisse hätten auch in der Vergangenheit Hinweise auf intentionale Verzerrungen im Klageverhalten ergeben. Hierzu hat der Sachverständige unter ausführlicher Darlegung der im Rahmen der Begutachtung gewonnenen Erkenntnisse insbesondere erläutert, dass die Vielzahl der von dem Kläger beschriebenen auffälligen psychopathologischen Eigenschaften und psychosomatischen Beschwerden nicht mit seinem Verhalten und dem Eindruck in der Untersuchungssituation korrespondierten. Bei den inhaltlichen Antworttendenzen sei die Neigung deutlich erhöht, unwahrscheinliche Angaben zu Beschwerden und Beeinträchtigungen zu machen bei leicht reduzierter Neigung, offen und unverzerrt Auskunft über sich zu geben. Diese Kennwerte würden als wichtigste Indikatoren für eine intentional negativ verzerrte Selbstdarstellung gelten. Weiterhin sei bei dem Kläger die Neigung deutlich erhöht, Aussagen über Beschwerden oder Beeinträchtigungen – insbesondere in Bezug auf die Beschreibung emotionaler Labilität, depressive und manische Symptome – an stereotypen Vorstellungen bzw. nicht erfahrungsbasierten Kenntnissen über Krankheiten und Beeinträchtigungen auszurichten. Diese Ergebnisse sprächen dafür, dass die Darstellungen insbesondere zu affektiven Störungen und Beschwerden in der Untersuchungssituation wahrscheinlich nicht auf eigene Erfahrungen, sondern auf erlerntes Wissen zurückgeführt werden könnten. Das gezeigte Beschwerdeverhalten und die gemachten Angaben seien typisch für Personen, die um die rechtliche Anerkennung ihrer Beschwerden streiten würden, aber wenig typisch für Patienten, die nur an den genannten Beschwerden oder Störungen leiden würden und deshalb in Behandlung seien. Dies spreche dafür, dass der Kläger bestrebt gewesen sei, das eigene Untersuchungsverhalten und die Beschwerdeschilderungen auf das gewünschte Ergebnis abzustimmen. Auch dies spreche gegen die Erlebnisnähe der beklagten Beschwerden und Beeinträchtigungen. Die Ergebnisse sprächen weiterhin dafür, dass die teilweise extreme Ausprägung der gemachten Klagen nicht vereinbar sei mit den Bewältigungsbemühungen, die normalerweise mit derart extremen Beschwerden und Beeinträchtigungen einhergehen würden. Auch dies spreche dafür, dass die psychischen Beschwerden in der Untersuchung überzeichnet und negativ dar gestellt worden seien. Zwar gebe es auch Hinweise darauf, dass der Kläger tatsächlich unter psychischen Beschwerden leide. Die Hinweise auf die Gültigkeit der gemachten Angaben zu Art und Beschwerdegrad seien jedoch vergleichsweise schwach und auch nur vereinzelt, so dass sie die überwiegenden Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Angaben nicht ausgleichen könnten.

Insgesamt könnten die Angaben zu psychischen Beschwerden und Beeinträchtigungen als relativ stark antwortverzerrt und auf die Erfordernisse der Begutachtungssituation abgestimmt bewertet werden. Die Ergebnisse zur Validierung der Leistungsvoraussetzungen in Leistungstests ließen darauf schließen, dass die Leistungstestergebnisse teilweise nicht das tatsächliche Leistungsvermögen des Klägers widerspiegeln würden. Sämtliche erhobenen Kennwerte seien auffällig, demnach seien die Leistungstestwerte nicht aussagekräftig, um das tatsächliche Leistungsniveau des Klägers zu bestimmen.

Von der Richtigkeit der gutachterlichen Feststellungen des Sachverständigen H, die auch von dem Kläger nicht ausdrücklich angegriffen worden sind, ist der Senat überzeugt. Die Ausführungen sind sorgfältig, in sich widerspruchsfrei und nachvollziehbar. Mit den Vorbefunden und bereits vorhandenen medizinischen Gutachten hat sich der Sachverständige eingehend auseinandergesetzt und überzeugend dargelegt, dass und weshalb auch unter deren Einbeziehung unklar bleibe, welche Teile des Verhaltens und Erlebens des Versicherten in welcher Qualität und welcher Intensität der willentlichen Steuerungsfähigkeit noch unterliege bzw. unterlegen habe.

bb. Auf diesen Feststellungen aufbauend ist auch die Sachverständige G im Rahmen ihres Gutachtens vom 18.03.2020 zu dem Ergebnis gelangt, dass nicht davon ausgegangen werden könne, dass der Kläger seit dem 01.03.2011 infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfall – insbesondere von Depression und/oder einer Angststörung – für die Dauer von sechs Monaten ununterbrochen zu mindestens 50 % außerstande gewesen sei, seinen zuletzt ausgeübten Beruf als Call-Center-Mitarbeiter auszuüben und / oder hierzu in diesem Zeitraum voraussichtlich mindestens sechs Monate ununterbrochen zu mindestens 50 % außerstande gewesen sei. Unter eingehender Auseinandersetzung mit den Ergebnissen des Sachverständigen D hat die Sachverständige ausgeführt, sie gelange zu einer von diesem abweichenden Einschätzung, da unter Konsistenzprüfungsaspekten dem Vortrag des Klägers, außerstande zu sein, die bisher ausgeübte Tätigkeit verrichten zu können, nicht begründet gefolgt werden könne.

Hierfür hat die Sachverständige zum einen aus ihrer Sicht bestehende Inkonsistenzen aus klinisch-psychiatrischer Sicht angeführt. So sei hervorzuheben, dass die ab August 2009 eingetretene Arbeitsunfähigkeit des Klägers gar nicht in einer seelischen Erkrankung begründet gewesen sei; es habe vielmehr eine endokrinologische Erkrankung bestanden. Nachdem aus endokrinologischer Sicht im Februar 2010 keine Funktionsbeeinträchtigungen mehr gesehen worden seien, sei es zu zwei Wiedereingliederungsversuchen beim letzten Arbeitgeber gekommen. Ein halbes Jahr später, am 19.08.2010, habe sich der Kläger in Behandlung des Psychiaters I begeben. Den Aufzeichnungen von I lasse sich entnehmen, dass ab Oktober 2010 dann umfangreiche Absicherungsbemühungen des Klägers begonnen hätten. So habe dieser einen Antrag auf Anerkennung der Schwerbehinderung und auf Anerkennung der Berufsunfähigkeit gestellt. Eine „eigeninitiative Initiierung“ von weiteren Behandlungsmaßnahmen sei dagegen nicht erfolgt. Im Januar 2011 sei der Kläger nach Stellung eines Antrags auf Anerkennung einer Erwerbsminderung für die Deutsche Rentenversicherung begutachtet worden. Der Gutachter J habe dort nur eine ganz moderate psychische Störung, nämlich eine Angst- und depressive Störung festgestellt, die in der Allgemeinbevölkerung häufig vorkomme. Vom 29.06.2001 bis 26.07.2011 habe sich der Kläger in psychosomatischer Fachbehandlung in der Klinik K befunden. Offenbar habe die Rentenversicherung nach Rentenantragstellung gesehen, dass der Grundsatz „Reha vor Rente“ nicht erfüllt sei. Zum Aufnahmezeitpunkt in der Klinik sei der Kläger ausweislich des psychischen Aufnahmebefundes auch in ausgeglichener nicht depressiver Stimmung gewesen. Die Selbstbeurteilung des Klägers im Beck‘schen Depressionsinventar, die auf eine schwere depressive Episode hingedeutet habe, sei hiermit inkonsistent gewesen, was seitens der Klinik aber nicht aufgegriffen worden sei. In der Rehabilitation in K sei dann eine wiederkehrende depressive Störung mittelgradiger Ausprägung festgestellt worden, die sich bei Entlassung allerdings nicht gebessert habe, sowie eine nicht-organisch-bedingte Schlafstörung mit Konzentrationsstörungen, die bei Entlassung ebenfalls nicht gebessert gewesen sei. Weshalb der Kläger dennoch aus der Behandlung ohne Verlängerung entlassen worden sei, sei angesichts dessen nicht nachvollziehbar. Ab Anerkennung der Erwerbsminderung durch die Deutsche Rentenversicherung und vorangehender Anerkennung eines GdB 50 seien dann seitens des Klägers mit Ausnahme der Durchführung ambulanter Behandlungsmaßnahmen keine erweiterten Behandlungsmaßnahmen durchgeführt worden, die dem vorgetragenen Ausmaß der Beeinträchtigungen Rechnung getragen hätten. Jenseits der Nicht-Verlängerung der Heilmaßnahme in K sei insbesondere weder eine tagesklinische Behandlung durchgeführt noch eine vollstationäre Behandlung oder gar eine Behandlung angestrebt worden, die bei einer kombinierten Persönlichkeitsstörung mit emotional instabilen Anteilen erfolgversprechend gewesen wäre. Wenn ein Therapieerfolg aber unter Fortführung einer ambulanten psychotherapeutischen Behandlung, die der Kläger am 02.01.2012 bei L in Anspruch genommen habe, ausgeblieben sei, so wäre eine Intensivierung der Behandlungsmaßnahmen gerade unter dem Aspekt zu erwarten gewesen, dass der Kläger bereits eine entsprechende Einsicht in die seelische Begründetheit seiner Beschwerden gewonnen habe. Gerade dann, wenn ausweislich der durchgeführten Testpsychologie tatsächlich eine im Oktober 2016 noch immer schwere depressive Episode bestanden habe, sei nicht nachvollziehbar, wie dies so lange habe toleriert werden können. Derzeit werde im Krankenhaus M, in das sich der Kläger zur ambulanten Behandlung begeben habe, die Diagnose einer bipolar affektiven Störung erwogen. Dem stehe aber schon der aktenkundige Verlauf entgegen, in dem sich Phasen gehobener Stimmung nicht nachweisen ließen. Hypomane Schwankungen, inadäquat gehobene Stimmungen und massive Antriebssteigerungen seien in dem dokumentierten Verlauf nie evident geworden.

Die deutlichen Inkonsistenzen, die sich in der neuropsychologischen Zusatzbegutachtung gezeigt hätten, würden zu diesen Inkonsistenzen noch hinzutreten. Die Sachverständige G habe auch selbst im Rahmen der persönlichen Untersuchung des Klägers eine Untersuchung mit dem Beck’schen Depressionsinventar zum Abgleich der Selbstbeurteilung des Klägers mit der Einschätzung der Sachverständigen zum Untersuchungszeitpunkt durchgeführt, was zur Ausweisung einer schweren depressiven Episode geführt habe, die somit seit Juni 2011 kontinuierlich angehalten haben müsse. Dies sei allerdings mit dem moderaten Behandlungsdruck des Klägers nicht kompatibel.

Der Beschwerdevortrag des Klägers, seine Selbstbeurteilung, aber auch seine Selbstdarstellung im Verhalten gegenüber den Untersuchern lasse damit kaum eine Festlegung auf eine psychiatrische Diagnose zu, die sich der willentlichen Steuerung entziehe und damit Krankheitswert habe. Mit Ausnahme eines einzelnen Bruchs in der Lebenslinie (Anschluss an Rockerclub / Drogen) habe es keine Brüche im Leben des Klägers gegeben. Es sei möglich, dass der Kläger aufgrund seiner endokrinologischen Erkrankung vorübergehend eine Anpassungsstörung entwickelt habe. Dann aber würde es sich um eine psychoreaktive Störung handeln, die in der Regel innerhalb von zwei Jahren abklinge, längstens als längere depressive Episode über einen Zeitraum von zwei Jahren andauern könne. Hierfür aber müssten Komplikationen in Bezug auf das auslösende Moment – hier die Erkrankung – hinzutreten, die aber nicht bestanden hätten.

Der Senat ist von der Richtigkeit auch der gutachterlichen Ausführungen der Sachverständigen G überzeugt. Die Sachverständige ist insbesondere auf sämtliche vorhandenen Behandlungsunterlagen ausführlich eingegangen und hat detailliert und nachvollziehbar erläutert, warum keine hinreichenden Anhaltspunkte vorlägen, um bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit als nachgewiesen zu erachten. Ebenfalls hat auch sie sich mit dem Vorgutachten des Sachverständigen D eingehend auseinandergesetzt und minutiös erläutert, dass und weshalb dessen Gutachten nicht zu folgen sei, nämlich weil dieses sich nicht mit der Bedeutung neuropsychologischer Zusatzdiagnostik und -testung auseinandersetze und zudem der Aktenlage und dem dort dokumentierten Verlauf, dem Abgleich von Beschwerden, Befunden, Behandlungen sowie den leistungsrechtlichen Rahmenbedingungen zu wenig Bedeutung beigemessen habe.

Soweit der Kläger im Rahmen seiner Stellungnahme gerügt hat, dass die Sachverständige G die Beweisfragen nicht unvoreingenommen und unparteilich, sondern ergebnisorientiert geprüft und beantwortet habe, entbehrt dies jeder Grundlage. Dass die Sachverständige bestimmte – dem Kläger nachteilige – Passagen schon bei Darstellung der Aktenlage hervorgehoben bzw. gewertet hat, dient erkennbar dem besseren Verständnis und der besseren Lesbarkeit des 93-seitigen Gutachtens. Es handelt sich nämlich um Passagen, auf die die Sachverständige später im Rahmen der späteren Erläuterung ihres Ergebnisses einen besonderen Schwerpunkt legt. Dass die Sachverständige dem Kläger von vornherein voreingenommen gegenübergestanden hätte und nur dem Kläger ungünstige Umstände hätte einbeziehen wollen, ergibt sich daraus in keiner Weise. Auf die weiteren Einwände des Klägers ist die Sachverständige im Übrigen im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung durch den Senat noch einmal detailliert eingegangen und hat – auch unter erneutem Eingehen auf die Vorbefunde – nachvollziehbar erläutert, dass und weshalb sich hieraus nichts diesem Günstigeres ergeben könne. Insbesondere hat sie erläutert, dass jemand, der depressiv sei, zwar möglicherweise in seinem Antrieb geschwächt sein könne, so dass er selbst nicht zu adäquaten Behandlungsmaßnahmen greife. Dies müsse aber immer im Zusammenhang gesehen werden; dass der Kläger sich darum bemüht habe, in rechtlicher Hinsicht adäquat versorgt zu sein, passe hiermit nämlich nicht zusammen.

cc. Der Senat war entgegen der Auffassung des Klägers nicht gehalten, auch den erstinstanzlich beauftragten Sachverständigen D persönlich anzuhören. Zwar hat der BGH im Rahmen einer von dem Kläger insoweit in Bezug genommenen Entscheidung vom 03.12.2008 (Az. IV ZR 20/06) ausgeführt, dass das Berufungsgericht auf erkennbare Unterschiede zwischen einem erst- und einem zweitinstanzlichen Sachverständigengutachten einzugehen und entscheidungserheblichen Widersprüchen nachzugehen habe. Erst wenn solche Aufklärungsbemühungen erfolglos geblieben seien, dürften Diskrepanzen vom Tatrichter frei gewürdigt werden, indem einem Gutachten mit logisch nachvollziehbarer Begründung der Vorzug gegeben wird. Im vorliegenden Fall liegen indes nicht lediglich gegensätzliche Feststellungen zweier Sachverständiger vor. Das Gutachten des Sachverständigen D ist vielmehr unabhängig von den Ausführungen der Sachverständigen G nicht als Grundlage für die Überzeugungsbildung des Senats geeignet, weil dessen Feststellungen – wie auch bereits im Verhandlungstermin vom 21.09.2018 erörtert – aufgrund der oben ausführlich dargelegten methodischen und inhaltlichen Schwächen ungenügend ist. Die Ladung des erstinstanzlichen Gutachters war hier auch nicht allein deshalb geboten, weil das Gericht auf Antrag einer Partei unabhängig von § 411 Abs. 3 ZPO grundsätzlich verpflichtet ist, den Sachverständigen zur mündlichen Erläuterung seines Gutachtens zu laden. Diese Pflicht erstreckt sich nämlich gerade nicht auf einen früheren Sachverständigen, dessen Gutachten das Gericht für ungenügend erachtet und deshalb zum Anlass genommen hat, gemäß § 412 Abs. 1 ZPO einen anderen Sachverständigen zu beauftragen (BGH, Urteil vom 04.11.2010, Az. III ZR 45/10 – zitiert nach juris). Das Recht der Partei auf Ladung und Befragung des Sachverständigen dient dem Zweck der Wahrung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs in Bezug auf die sachverständige Beratung des Tatrichters als eine bedeutsame Grundlage der richterlichen Sachentscheidung. Hat das Gericht aber gemäß § 412 Abs. 1 ZPO einen anderen Sachverständigen beauftragt, so nimmt dieser anstelle des bisherigen Sachverständigen die Stellung des sachverständigen Beraters ein; dementsprechend beziehen sich die Frage- und Anhörungsbefugnisse der Prozessparteien auch (nur) auf seine Begutachtung.

c. Nach alledem kann zwar nicht ausgeschlossen werden, dass der Kläger tatsächlich an psychischen Beschwerden leidet oder litt, die ihn in der Fähigkeit, seinen Beruf auszuüben, beeinträchtigen oder beeinträchtigt haben. Aus den dargestellten Gründen verbleiben aber jedenfalls ganz erhebliche und nicht aufzulösende Zweifel, die nach allgemeinen Grundsätzen der Beweislast zulasten des für das Vorliegen der Voraussetzungen bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit beweisbelasteten Klägers gehen.

2. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

3. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Dem Rechtsstreit kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu; die Zulassung ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.

Streitwert für das Berufungsverfahren: bis 95.000,00 EUR

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