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Berufsunfähigkeitsversicherung – Leistungseinstellung bei Verbesserung des Gesundheitszustandes

LG Hamburg – Az.: 314 O 71/19 – Urteil vom 14.02.2020

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 66.843,60 (in Worten: sechsundsechzigtausendachthundertdreiundvierzig 60/100 Euro) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz

aus jeweils € 13.368,72 seit dem 01.03.2018,

aus weiteren € 13.368,72 seit dem 01.06.2018,

aus weiteren € 13.368,72 seit dem 01.09.2018,

aus weiteren € 13.368,72 seit dem 01.12.2018 und

aus weiteren € 13.368,72 seit dem 01.03.2019

zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ab dem 01.06.2019 eine vierteljährliche Rente in Höhe von derzeit € 13.368,72 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf jeweils € 13.368,72 seit dem 01.06.2019, 01.09.2019 sowie 01.12.2019 während der Fortdauer bedingungsmäßiger Berufsunfähigkeit, längstens bis zum 01.12.2023 zu zahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von der Verpflichtung, Versicherungsbeiträge zu dem Versicherungsvertrag mit der Versicherungsschein-Nr.: LV… zu zahlen, ab dem 01.03.2018 während der Fortdauer bedingungsmäßiger Berufsunfähigkeit, längstens bis zum 01.12.2023 freizustellen.

4. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin die nach dem Versicherungsvertrag mit der Versicherungsschein-Nr.: LV… vereinbarte Überschussbeteiligung bedingungsgemäß zu gewähren.

5. Die Beklagte wird verurteilt, außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 3.509,19 (in Worten: dreitausendfünfhundertneun 19/100 Euro) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.06.2019 zu zahlen.

6. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

7. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

8. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte, die die Zahlungen eingestellt hat, auf weitere Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung in Anspruch.

Zwischen den Parteien besteht zur Versicherungsschein-Nr.: LV… mit Versicherungsschein vom 01.12.1997 (Anl. K1) und Nachtrag zum 01.12.2013 (Anl. K3) eine Kapitallebensversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung. Gültigkeit haben die Allgemeinen Versicherungsbedingungen sowie die besonderen Bedingungen für die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung (Anl. K2). Vereinbart ist eine vierteljährliche Rentenzahlung in Höhe von € 13.368,72 (entspricht monatlich € 4.456,24).

Bei der Klägerin wurde im März 2014 ein Mammakarzinom diagnostiziert, es folgte dessen operative Entfernung sowie anschließende Chemo- und Strahlentherapie. Die Klägerin ist selbständige Steuerberaterin und betrieb vor der Erkrankung ein Steuerberatungsbüro mit wenigen Mitarbeitern.

Mit Datum vom 10.10.2014 stellte sie einen Antrag auf Leistungen wegen Berufsunfähigkeit bei der Beklagten (Anl. B1). In diesem Zeitpunkt war die Chemotherapie beendet und die Strahlentherapie stand unmittelbar bevor. Die Klägerin machte darin Angaben zu ihrer beruflichen Tätigkeit vor Eintritt der Erkrankung und benannte behandelnde Ärzte verschiedener Fachrichtungen. Außerdem teilte sie unter Nr.13 „Welche berufliche Tätigkeit üben Sie heute noch aus?“ mit, dass sie mit einem durchschnittlichen Zeitaufwand von insgesamt 3 Stunden täglich an drei Tagen in der Woche die eigene Buchführung, den Zahlungsverkehr und die Kontrolle der Mitarbeiter in Bezug auf erledigte Arbeiten durchführte.

Mit Schreiben vom 18. November 2014 (Anl. K4), erklärte die Beklagte:

„Nach der Stellungnahme Ihres Arztes werden Sie länger als 6 Monate – aber nicht dauernd – zu mindestens 50% außer Stande sein, Ihren bisherigen Beruf auszuüben. Die Leistungen stehen Ihnen deshalb erst nach der 6-monatlichen Karenzzeit zu. Da die berufsbezogene Erwerbsminderung von mindestens 50% am 06.03.2014 begann, beginnen die Leistungen am 01.10.2014 …. Zu gegebener Zeit müssen wir prüfen, ob die Berufsunfähigkeit noch fortdauert. Wir werden uns dann an Sie wenden. …“

Die Beklagte leitete sodann im Jahr 2016 ein Nachprüfungsverfahren ein und bat u.a. die Ärztin für Neurologie, Psychiatrie, Psychotherapie, ärztliches Qualitätsmanagement und Verkehrsmedizin, Dr. C. M., mit Schreiben vom 02. November 2017 um Erstellung eines nervenfachärztlichen Gutachtens zur Frage der Berufsunfähigkeit der Klägerin. Die an die Ärztin gerichtete Fragestellung lautete u.a. wie folgt:

1. Zu welchem Prozentsatz ist Frau H. in dem zuletzt ausgeübten Beruf als selbständige Steuerberaterin berufsunfähig? …

2. Ist gegenüber dem Gesundheitszustand aus dem Jahr 2014 (siehe beiliegende Arztberichte) eine Besserung oder mindestens eine Stabilisierung des Gesundheitszustandes bei Frau H. dergestalt eingetreten, dass sie gelernt hat, mit den bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen umzugehen?

3. Resultiert daraus eine Verbesserung der Lebensqualität?

4. Wenn ja, begründen Sie bitte die Verbesserung oder Stabilisierung im Gesundheitszustand durch einen Vergleich Ihrer Diagnosen mit den Vorbefunden.

Übermittelt wurden der Gutachterin bereits vorliegende Befundberichte bezüglich des Gesundheitszustandes der Klägerin ab dem 08.01.2015, Befundberichte aus dem Jahr 2014 wurden ihr nicht vorgelegt.

Die Gutachterin kommt nach einer persönlichen Untersuchung der Betroffenen am 20. November 2017 in ihrem schriftlichen Gutachten vom 27. November 2017 (Anl. B7) zu dem Ergebnis:

1. Auf nervenärztlichem Fachgebiet ist Frau H. als selbständige Steuerberaterin aufgrund der leichten Anpassungsstörung und der Symptomatik einer milden Polyneuropathie nach Chemotherapie zu 20% berufsunfähig.

2. Gegenüber dem Gesundheitszustand aus dem Jahr 2014 ist eine deutliche Besserung, Stabilisierung eingetreten. ….Schwere Defizite im Alltag und bei Ausübung ihres Berufs können bei Frau H. im Rahmen der hiesigen gutachterlichen Untersuchung und auch unter Beiziehung der Befunde der Behandler nicht festgestellt werden.

3. Eine Verbesserung der Lebensqualität unter Vergleich mit den Befunden aus 2014 ist feststellbar. …

Auf das Gutachten im Einzelnen wird Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 11. Dezember 2017 (Anl. K5) erklärte die Beklagte sodann gegenüber der Klägerin, dass eine Berufsunfähigkeit im Sinne der Versicherungsbedingungen nicht mehr vorliege, und sie ihre Leistungen zum 01.02.2018 einstellen werde. Eine Übermittlung des Gutachtens der Sachverständigen Dr. M. an die Klägerin erfolgte nicht. Auf das Schreiben im Einzelnen wird Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 17.12.2018 (Anl. K6) teilte der Klägervertreter gegenüber der Beklagten mit, dass die Einstellung der Leistungen schon formal nicht wirksam sei und forderte die Beklagte zur unverzüglichen Wiederaufnahme der Zahlungen auf. Die Beklagte reagierte hierauf jedoch nicht.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf rückständige und fortlaufende Zahlung der Berufsunfähigkeitsrente in Anspruch.

Sie ist der Auffassung, es liege bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung keine wirksame Mitteilung über eine Leistungseinstellung seitens der Beklagten vor. So sei das Schreiben vom 11.12.2017 nach dem Anerkenntnis der Beklagten aus dem November 2014 schon deshalb formal unwirksam, weil das von der Sachverständigen erstellte Gutachten diesem Schreiben nicht beigefügt war. Dessen Beifügung sei auch nicht aus dem Grunde entbehrlich, weil die Klägerin ihre gesundheitliche Situation und deren mögliche Verbesserung aus eigener Anschauung selbst beurteilen und damit das Prozessrisiko einschätzen könne. Maßgeblich als Vergleichsmaßstab sei das im Zeitpunkt des Anerkenntnisses (18.11.2014) bestehende Gesundheitsbild der Klägerin. Bereits zu diesem Zeitpunkt habe sie – wie auch im Leistungsantrag angegeben – dreimal wöchentlich für etwa 3 Stunden wieder ihre Tätigkeit ausgeübt. Inwiefern sich hier gegenüber zum heutigen Gesundheitszustand und der Frage der Berufsfähigkeit eine Änderung ergeben haben solle, könne sie nicht ohne weiteres selbst beurteilen.

Die Klägerin ist weiter der Auffassung, dass auch der Vortrag der Beklagten im vorliegenden Verfahren formell nicht den entsprechenden Anforderungen an eine Leistungseinstellungsmitteilung entspreche. So sei auch hier ein ausreichender Vergleich zu dem Zustand im November 2014 nicht hergestellt worden. Die Aussagen der Gutachterin Dr. M. seien hierfür nicht heranzuziehen, da diese sich lediglich auf Befundberichte ab Januar 2015 stützen konnte und deshalb qualifizierte Aussagen mit einer vergleichenden Betrachtung zum Zustand November 2014 gar nicht anstellen konnte.

Die Klägerin begehrt außerdem Freistellung von den Versicherungsbeiträgen, Beteiligung an den Überschüssen sowie Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nebst Verzinsung. Sie legt hierzu die Rechnung ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 4.4.2019 (Anlage K 8) sowie die Ermächtigung zur Geltendmachung dieser Kosten im eigenen Namen seitens der Rechtsschutzversicherung vom 15.4.2019 (Anlage K 9 ) vor. Die Kosten belaufen sich auf eine 1,3 Geschäftsgebühr auf einen Gegenstandswert von EUR 243.193,50 (= EUR 2.928,90) nebst Postpauschale und MWSt., insgesamt EUR 3.509,19.

Die Klägerin beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 66.843,60 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils € 13.368,72 seit dem 01.03.2018, aus weiteren € 13.368,72 seit dem 01.06.2018, aus weiteren € 13.368,72 seit dem 01.09.2018, aus weiteren € 13.368,72 seit dem 01.12.2018 und aus weiteren € 13.368,72 seit dem 01.03.2019 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ab dem 01.06.2019 eine vierteljährliche Rente in Höhe von derzeit € 13.368,72 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Fälligkeit im Falle der Nichtzahlung zu zahlen während der Fortdauer bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit, längstens bis zum 01.12.2013.

3. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von der Verpflichtung, Versicherungsbeiträge zu dem Versicherungsvertrag mit der Versicherungsschein-Nr.: LV… zu zahlen, ab dem 01.03.2018, längstens bis zum 01.12.2023 freizustellen und seit dem 01.03.2018 geleistete Versicherungsbeiträge zurückzuzahlen.

4. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin die nach dem Versicherungsvertrag mit der Versicherungsschein-Nr.: LV… vereinbarte Überschussbeteiligung bedingungsgemäß zu gewähren.

5. Die Beklagte wird verurteilt, außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 3.509,19 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.12.2018 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie weist zunächst darauf hin, dass eine Beifügung des Gutachtens zu der Einstellungsmitteilung vom 11.12.2017 bereits deshalb nicht erforderlich gewesen sei, weil die Klägerin ihren Gesundheitszustand selbst (am besten) habe beurteilen können. Es sei völlig selbstverständlich, dass während der Chemo- und Strahlentherapie eine berufliche Tätigkeit in keiner Weise ausgeübt werden könne. Sofern diese Therapien jedoch beendet seien, ergäbe sich von selbst, dass eine (positive) Änderung in der Berufsfähigkeit gegeben sei. Den Umfang könne die Klägerin als Versicherungsnehmerin selbst beurteilen. Nach dem Wegfall von Chemo- und Strahlentherapie sei allenfalls eine 20%ige Einschränkung in der Ausübung der Tätigkeit noch vorhanden (Beweis: Sachverständigengutachten).

Zumindest mit den Ausführungen im Rahmen der Klagerwiderung sei eine wirksame Einstellungsmitteilung gegenüber der Klägerin erfolgt, so dass weitere Leistungsansprüche ausschieden.

Die Klägerin sei auch bereits seit Dezember 2017 nicht mehr berufsunfähig, so dass die Leistungsvoraussetzungen entfallen seien. Nach dem Wegfall von Chemo- und Strahlentherapie sei allenfalls eine 20%ige Einschränkung in der Ausübung der Tätigkeit noch vorhanden (Beweis: Sachverständigengutachten).

Zur Ergänzung des Sachverhaltes im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Klägerin steht ein Anspruch auf Zahlung der rückständigen Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung, auf Titulierung der zukünftigen Zahlungen sowie auf Freistellung von den Versicherungsbeiträgen und Feststellung einer Überschussbeteiligung nebst Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten zu. Lediglich im Hinblick auf die Zinsverpflichtung für die zukünftigen Zahlungen sowie den Antrag auf Rückzahlung der in der Zeit seit dem 1.3.2018 geleisteten Versicherungsbeiträge war die Klage abzuweisen.

1. Zahlung der Berufsunfähigkeitsrente

Der Klägerin steht ein Anspruch aus dem streitgegenständlichen Berufsunfähigkeitszusatzversicherungsvertrag unter Berücksichtigung des Anerkenntnisses der Beklagten vom 18.11.2014 auch für die im Tenor erwähnten Zeiträume zu. Die Beklagte ist nicht durch eine wirksame Einstellungsmitteilung im Sinne von § 7 Abs. 2 BB-BUZ von ihrer Leistungsverpflichtung freigeworden. Weder die Einstellungsmitteilung vom 11.12.2017 noch der Vortrag der Beklagten in der Klagerwiderung erfüllt die hierfür nötigen formellen Anforderungen.

Die Einstellungsmitteilung mit Schreiben vom 11.12.2017 (Anl. K5) reicht als wirksame Einstellungsmitteilung schon deshalb formell nicht aus, weil das dieser Mitteilung zugrunde gelegte Gutachten der Sachverständigen Dr. M. nicht beigefügt war.

Das Gericht geht – insofern in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs – davon aus, dass Mindestvoraussetzung für die Nachvollziehbarkeit einer Einstellungsentscheidung des Versicherers und damit für die Wirksamkeit seiner Mitteilung ist, dass er ein zugrundeliegendes ärztliches Gutachten dem Versicherten mit der Mitteilung zugänglich macht. Zu verweisen ist hier auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 17.02.1993 (IV ZR 228/91, NJW-RR 1993; Seite 725) bzw. dessen Urteil vom 19.05.1993 (Az.: IV ZR 155/92 = NJW-RR 1993, Seite 1238 f.) und die Entscheidung vom 12.6.1996, Az. IV ZR 106/95 (zitiert nach www.beck-online.de).

Die Erforderlichkeit der Beifügung des ärztlichen Gutachtens ist auch nicht deshalb aufgehoben, weil die Klägerin und Versicherungsnehmerin aufgrund der Kenntnis von ihrem eigenen Gesundheitszustand die gesundheitlichen Verbesserungen/Veränderungen selbst beurteilen konnte und dementsprechend ein Prozessrisiko im Hinblick auf eine Klage gegenüber der Beklagten selbst einschätzen konnte. Dies gilt im vorliegenden Fall vor allem deshalb, weil im Zeitpunkt des Anerkenntnisses der Beklagten (November 2014) die erforderliche Operation schon durchgeführt war und die für die Klägerin belastende Chemotherapie bereits abgeschlossen war und deshalb – anders als die Beklagte vorträgt – der Gesundheitszustand der diesem Anerkenntnis zugrunde gelegt wurde eben nicht alleine deshalb geändert war, nachdem Operation und Chemotherapie weggefallen waren. Inwieweit die danach durchgeführte Strahlentherapie die Gesundheit der Klägerin mittel- bis längerfristig belastet hat, ist nicht eindeutig. Auch insofern gilt jedenfalls nicht der Einwand der Beklagten, dass eine Verbesserung der Gesundheitssituation nach deren Wegfall „offensichtlich“ und damit nicht weiter ausführungsbedürftig sei.

Zudem ist es vorliegend so, dass – mangels Ausführungen der Beklagten im Schreiben vom 18.11.2014 – überhaupt nicht klar ist, ob diese im Rahmen des Anerkenntnisses den Gesundheitszustand der Beklagten zu diesem Zeitpunkt oder aber zum Zeitpunkt des von der Klägerin vorgetragenen Beginns der Berufsunfähigkeit, nämlich dem 06.03.2014, zugrunde gelegt hat. Es finden sich vielmehr in dem Schreiben vom 18. November 2014 überhaupt keine Ausführungen dazu, welchen genauen Gesundheitszustand die Beklagte diesem Anerkenntnis zugrunde legt und auf welche ärztlichen Berichte im Einzelnen sie sich hierfür stützt.

Dementsprechend sind auch die Vorgaben für die Sachverständige im Rahmen der Erstellung des Gutachtens im Jahre 2014 nicht ausreichend gewesen. Die Fragestellung, wonach der „Gesundheitszustand 2014“ zugrunde gelegt werden soll, ist bereits derart weit gefasst, dass die Veränderung des Gesundheitszustandes zwischen dem Beginn der Erkrankung bzw. der ersten Diagnose, 06.03.2014, und dem Ende der Phase „Operation/Chemotherapie“ im Oktober 2014 überhaupt keine differenzierte Berücksichtigung findet. Des Weiteren ist diese entsprechende Vorgabe an die Sachverständige schon deshalb nicht maßgeblich, weil ärztliche Berichte zum Gesundheitszustand der Klägerin erst ab dem Januar 2015 mit überreicht wurden. Woraufhin die Sachverständige überhaupt den Gesundheitszustand der Klägerin im Jahr 2014 (und zu welchem Zeitpunkt in diesem Jahr) ermitteln sollte, ist nicht ersichtlich. Damit konnte sie aber auch keine wirksame Vergleichsbetrachtung anstellen. Eine bloße Begutachtung und Mitteilung des Gesundheitszustandes im Zeitpunkt der möglichen Leistungseinstellung allein reicht jedoch nicht aus (vgl. z.B. Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung, 3 Aufl. 2014, „Nachprüfungsverfahren“, Rdnr. 89).

Aus diesem Grunde ist auch der Vortrag der Beklagten in der Klagerwiderung unter jetzt erfolgter Beifügung des Gutachtens Dr. M., nicht ausreichend, um eine wirksame Leistungseinstellung zu begründen. Auch hierin finden sich keine maßgeblichen Ausführungen zur Gegenüberstellung des dem Anerkenntnis zugrundeliegenden Gesundheitszustandes mit dem Gesundheitszustand im Zeitpunkt der Leistungseinstellung.

Dass die Klägerin mit dem Leistungsantrag im Oktober 2014 bereits sogar mitgeteilt hat, dass sie dreimal in der Woche für je 3 Stunden wieder beruflich tätig war, ist demgegenüber ein zusätzlicher, aber lediglich untergeordneter Gesichtspunkt. Bereits hieraus ergibt sich allerdings, dass die Gegenüberstellung des Gesundheitszustandes von Oktober 2014 mit dem zum Untersuchungszeitpunkt seitens der Sachverständigen bzw. der Leistungseinstellung, Dezember 2017, keine grundsätzlichen Unterschiede ergeben konnte und nicht „nach Wegfall der Chemotherapie „selbstverständlich“ gebessert war“.

Aus diesem Grunde besteht der Anspruch der Klägerin aus dem Anerkenntnis vom 18.11.2014 in Verbindung mit dem streitgegenständlichen Berufsunfähigkeitszusatzversicherungsvertrag fort. Auf die gesundheitliche Situation der Klägerin und die tatsächliche Berufsunfähigkeit im gegenwärtigen Zeitpunkt kommt es dementsprechend nicht an.

Die Beklagte ist deshalb zur Fortzahlung dieser Rente während der Dauer bedingungsmäßiger Berufsunfähigkeit längstens bis zum 01.12.2023 und zur Freistellung von den Versicherungsbeiträgen in dieser Zeit verpflichtet.

In Bezug auf die Zahlungen zum 1.6.2019, 1.9.2019 und 1.12.2019 ergibt sich die Zinspflicht aus §§ 280, 286 BGB, weil diese Zahlungen inzwischen fällig geworden sind. Hinsichtlich der weitergehenden zukünftigen Zahlungen kann allerdings keine Zinsverpflichtung „für den Fall der Nichtzahlung“ bereits jetzt tituliert werden, weil ein Verzug der Beklagten mit zukünftigen Zahlungen noch gar nicht eingetreten sein kann bzw. festgestellt werden kann.

2. Freistellung von Versicherungsbeträgen

Die Beklagte ist außerdem verpflichtet, die Klägerin von den Versicherungsbeiträgen für die Zeit ab 01.03.2018 längstens bis zum 01.12.2023 während der Dauer bedingungsmäßiger Berufsunfähigkeit freizustellen. In Bezug auf letzteres war der Klagantrag im Tenor ergänzend zu korrigieren.

Hinsichtlich des gleichzeitig geltend gemachten Rückzahlungsanspruches für die „seit dem 01.03.2018 geleisteten Versicherungsbeiträge“ überschneidet sich dies mit dem Freistellungsantrag und ist außerdem wegen der nicht aufgeführten Zahlungsbeträge so ohnehin nicht vollstreckbar. Insoweit war die Klage abzuweisen.

3. Feststellung der Überschussbeteiligung

Die Beklagte ist verpflichtet, versicherungsvertragsgemäß die vereinbarte Überschussbeteiligung zu gewähren.

4. Außergerichtliche Rechtsanwaltskosten

Hier hat die Beklagte eine 1,3-Geschäftsgebühr nebst Postpauschale und MwSt. auf den geltend gemachten Gegenstandswert zu erstatten. Die Zinspflicht ergibt sich aus § 291 BGB erst ab Eintritt der Rechtshängigkeit. Für einen weitergehenden Zinsanspruch fehlt es schon an der Darlegung eines Verzuges im Hinblick auf diese Kosten. Auch insoweit war die Klage deshalb abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs.2 ZPO, die Entscheidung über die sofortige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.

 

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