Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Herausforderungen bei Berufsunfähigkeitsversicherung und neurologischen Erkrankungen
- Der Fall vor Gericht
- Versicherer darf Berufsunfähigkeitsversicherung wegen verschwiegener Parkinsonsymptome anfechten
- Verschweigen von Bewegungseinschränkungen trotz ärztlicher Diagnose
- Versicherung verweigert Leistung und erklärt Anfechtung
- Gericht sieht arglistige Täuschung als erwiesen an
- Neurologische Erkrankung musste nicht spontan angegeben werden
- Vertrag rückwirkend nichtig
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Benötigen Sie Hilfe?
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Welche Symptome müssen der Berufsunfähigkeitsversicherung gemeldet werden?
- Was sind die rechtlichen Folgen einer Anfechtung durch die Versicherung?
- Wie lange kann die Versicherung den Vertrag rückwirkend anfechten?
- Wann liegt eine arglistige Täuschung bei Gesundheitsfragen vor?
- Welche Rechte haben Versicherungsnehmer bei einer Anfechtung?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberlandesgericht Dresden
- Datum: 21.03.2024
- Aktenzeichen: 4 U 1975/23
- Verfahrensart: Berufungsverfahren
- Rechtsbereiche: Versicherungsrecht, Vertragsrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Ehemaliger Autoverkäufer. Er argumentierte, dass er die Versicherung korrekt abgeschlossen habe und keine Arglistige Täuschung begangen habe. Er gibt an, dass die Parkison-Erkrankung nicht relevant sei, da sie nicht auf dem Formular angefragt wurde.
- Beklagte: Versicherungsgesellschaft. Sie behauptet, der Kläger habe wichtige Gesundheitsinformationen, insbesondere über seine Parkinson-Erkrankung, bei der Antragstellung arglistig verschwiegen, wodurch die Versicherung den Vertrag anficht.
Um was ging es?
- Sachverhalt: Der Kläger schloss 2015 eine Berufsunfähigkeitsversicherung ab, ohne bestehende Beweglichkeitsstörungen anzugeben, die später Parkinson zugeordnet wurden. 2022 forderte er aufgrund dieser Erkrankung Leistungen, die die Versicherung verweigerte, und erklärte die Anfechtung des Vertrags wegen arglistiger Täuschung.
- Kern des Rechtsstreits: Die Frage war, ob der Kläger seine Anzeigepflicht verletzte, indem er seine Bewegungseinschränkungen, die mit einer Parkinson-Diagnose in Verbindung stehen, beim Abschluss der Versicherung nicht offenbarte.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen. Das Landgericht hatte zu Recht den Fortbestand der Versicherung verneint.
- Begründung: Die Entscheidung beruht darauf, dass der Kläger seine Offenbarungspflicht verletzt hat, indem er relevante Gesundheitsbeschwerden (des Bewegungsapparates) verschwiegen hat, wodurch die Versicherung rechtmäßig den Vertrag wegen arglistiger Täuschung anfechten konnte.
- Folgen: Der Vertrag ist ex tunc, also rückwirkend, nichtig. Die Entscheidung bedeutet, dass der Kläger keinen Anspruch auf Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung hat und bekräftigt die Praxis der Versicherer, auf korrekte Angaben bei Gesundheitsfragen zu bestehen. Der Kläger wird zur Rücknahme der Berufung empfohlen, um Kosten zu sparen.
Herausforderungen bei Berufsunfähigkeitsversicherung und neurologischen Erkrankungen
Eine Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) bietet Menschen einen wichtigen finanziellen Schutz, wenn gesundheitliche Probleme die Ausübung des Berufes unmöglich machen. Besonders bei neurologischen Erkrankungen stellen sich komplexe Fragen zur Leistungsberechtigung und Risikobewertung.
Präzise Gesundheitsfragen und ärztliche Gutachten spielen dabei eine entscheidende Rolle, wenn Versicherungsansprüche geprüft werden. Die Beurteilung von Krankheitsbildern wie psychischen oder neurologischen Störungen erfordert eine sorgfältige Analyse des individuellen Gesundheitszustands und möglichen Therapieoptionen.
Der folgende Beitrag beleuchtet einen konkreten Gerichtsfall, der die Herausforderungen bei der Anerkennung von Berufsunfähigkeitsleistungen bei neurologischen Erkrankungen aufzeigt.
Der Fall vor Gericht
Versicherer darf Berufsunfähigkeitsversicherung wegen verschwiegener Parkinsonsymptome anfechten

Ein 1962 geborener Autoverkäufer muss eine herbe Niederlage im Streit um seine Berufsunfähigkeitsversicherung hinnehmen. Das Oberlandesgericht Dresden bestätigte die Anfechtung des Versicherungsvertrags durch den Versicherer, da der Mann bei Vertragsschluss Beschwerden des Bewegungsapparates verschwiegen hatte.
Verschweigen von Bewegungseinschränkungen trotz ärztlicher Diagnose
Der Mann litt seit 2013 unter Beweglichkeitsstörungen des rechten Arms und Beins, die sich zunehmend verschlechterten. Im Mai 2015 suchte er das Universitätsklinikum Leipzig auf, wo bei ihm ein idiopathisches Parkinson-Syndrom diagnostiziert wurde. Nur zwei Monate später, im Juli 2015, beantragte er eine Berufsunfähigkeitsversicherung. In der Gesundheitserklärung versicherte er, dass bei ihm in den letzten zwei Jahren keine „Erkrankungen oder Beschwerden des Bewegungsapparates“ festgestellt oder behandelt wurden.
Versicherung verweigert Leistung und erklärt Anfechtung
Als der Versicherungsnehmer 2022 aufgrund seiner Parkinsonerkrankung Leistungen beantragte, lehnte die Versicherung nicht nur die Leistungspflicht ab, sondern erklärte auch die Anfechtung des Vertrags. Nach Auffassung des Versicherers hatte der Mann die Gesundheitserklärung falsch beantwortet, da er die bestehenden Beweglichkeitsstörungen verschwiegen hatte.
Gericht sieht arglistige Täuschung als erwiesen an
Das OLG Dresden bestätigte die Rechtmäßigkeit der Anfechtung. Für das Gericht war entscheidend, dass der Mann die Beschwerden des Bewegungsapparates bewusst verschwieg, unabhängig von deren neurologischer Ursache. Die Richter sahen mehrere Indizien für eine arglistige Täuschung: der enge zeitliche Zusammenhang zwischen Diagnose und Versicherungsabschluss, die Schwere der fortschreitenden Erkrankung ohne Heilungschancen sowie die besondere Relevanz der Bewegungseinschränkungen für seine Tätigkeit im Außendienst.
Neurologische Erkrankung musste nicht spontan angegeben werden
Das Gericht stellte klar, dass der Versicherungsnehmer die Parkinson-Diagnose als neurologische Erkrankung nicht von sich aus hätte angeben müssen, da die Versicherung nicht danach gefragt hatte. Die Anzeigepflicht wurde jedoch durch das Verschweigen der konkreten Bewegungseinschränkungen verletzt, nach denen im Formular ausdrücklich gefragt wurde.
Vertrag rückwirkend nichtig
Die erfolgreiche Anfechtung führt zur rückwirkenden Nichtigkeit des Versicherungsvertrags. Das Gericht empfahl dem Kläger die Rücknahme seiner Berufung, da diese offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg habe.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil verdeutlicht, dass falsche oder unvollständige Angaben beim Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung zur Anfechtung des Vertrags durch die Versicherung führen können – auch Jahre später. Die Versicherung kann sich vom Vertrag lösen, wenn der Versicherte wesentliche Vorerkrankungen verschweigt, selbst wenn diese zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses als weniger schwerwiegend eingeschätzt wurden. Die Täuschung muss dabei nicht zwingend in böser Absicht erfolgt sein.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Wenn Sie eine Berufsunfähigkeitsversicherung abschließen möchten, müssen Sie absolut transparent mit Ihren Vorerkrankungen umgehen – auch wenn diese Ihnen zum Zeitpunkt des Abschlusses harmlos erscheinen. Selbst leichte Beschwerden oder Diagnosen, die Sie als nebensächlich einstufen, müssen der Versicherung mitgeteilt werden. Im Zweifelsfall sollten Sie lieber eine Erkrankung zu viel als zu wenig angeben, da sonst Jahre später der gesamte Versicherungsschutz wegfallen kann – genau dann, wenn Sie ihn am dringendsten benötigen. Lassen Sie sich vor Vertragsabschluss unbedingt ausführlich beraten und dokumentieren Sie alle Gespräche schriftlich.
Benötigen Sie Hilfe?
Berufsunfähigkeitsversicherung abgelehnt? Wir helfen Ihnen.
Das Urteil des OLG Dresden zeigt, wie wichtig korrekte Angaben bei der Beantragung einer Berufsunfähigkeitsversicherung sind. Ein unbedachter Fehler kann dazu führen, dass Ihnen im Ernstfall der Versicherungsschutz verwehrt wird. Gerade bei komplexen Krankheitsbildern ist es oft schwierig zu beurteilen, welche Informationen für die Versicherung relevant sind.
Wir unterstützen Sie dabei, Ihre Rechte gegenüber der Versicherung durchzusetzen. Unsere Anwälte verfügen über langjährige Erfahrung im Versicherungsrecht und helfen Ihnen, die Anfechtung Ihrer Berufsunfähigkeitsversicherung abzuwehren oder Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Dabei stehen wir Ihnen mit kompetenter Beratung und individueller Betreuung zur Seite.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Welche Symptome müssen der Berufsunfähigkeitsversicherung gemeldet werden?
Bei der Beantragung einer Berufsunfähigkeitsversicherung müssen Sie alle Beschwerden und Erkrankungen angeben, wegen derer Sie in ärztlicher Behandlung waren. Der Versicherer fragt dabei standardmäßig Erkrankungen der letzten fünf Jahre für ambulante und zehn Jahre für stationäre Behandlungen ab.
Grundsätzliche Meldepflicht
Sie müssen auch Beschwerden melden, die Ihnen möglicherweise harmlos erscheinen. Wenn beispielsweise Bewegungsstörungen auftreten, die Sie beim Arzt abklären lassen, sind diese anzugeben – unabhängig von der späteren Diagnose. Auch leichte Beschwerden wie Hautausschläge oder Nackenverspannungen sollten Sie angeben.
Ausnahmen von der Meldepflicht
Nicht angegeben werden müssen:
- Gelegentliche Kopfschmerzen
- Einfache Erkältungen (nicht jedoch Grippe)
Allerdings werden auch diese Bagatellerkrankungen relevant, wenn sie auffällig häufig auftreten.
Besonderheiten bei neurologischen Erkrankungen
Bei neurologischen Erkrankungen gilt: Wenn der Versicherer in seinem Fragebogen nicht explizit danach fragt, müssen Sie diese nicht von sich aus angeben. Dies hat das OLG Dresden in einem aktuellen Beschluss vom März 2024 klargestellt. Eine spontane Anzeigepflicht besteht nur bei ungewöhnlichen Krankheiten.
Zeitpunkt der Meldung
Wenn Sie bereits Leistungen beziehen, müssen Sie Veränderungen Ihres Gesundheitszustandes nur dann von sich aus mitteilen, wenn dies ausdrücklich in den Versicherungsbedingungen vereinbart ist. Dies betrifft insbesondere Verbesserungen des Gesundheitszustandes, die Auswirkungen auf die 50% Leistungsgrenze haben könnten.
Was sind die rechtlichen Folgen einer Anfechtung durch die Versicherung?
Eine erfolgreiche Anfechtung durch die Versicherung hat weitreichende rechtliche und finanzielle Konsequenzen für den Versicherungsnehmer.
Rückwirkende Nichtigkeit des Vertrags
Der Versicherungsvertrag wird durch die Anfechtung von Anfang an nichtig. Dies bedeutet, dass der gesamte Versicherungsschutz rückwirkend entfällt. Wenn Sie bereits Leistungen aus der Versicherung erhalten haben, müssen Sie diese vollständig zurückzahlen.
Finanzielle Auswirkungen
Die finanziellen Folgen sind besonders gravierend:
- Die bereits gezahlten Versicherungsbeiträge werden nicht zurückerstattet
- Der Versicherer behält gemäß § 39 Abs. 1 S. 2 VVG einen Anspruch auf die Prämien
- Künftige Beitragszahlungen entfallen zwar, aber der bisherige finanzielle Aufwand ist verloren
Teilanfechtung möglich
Der Versicherer kann sich auch für eine Teilanfechtung entscheiden, wenn sich die Täuschung nur auf bestimmte Vertragsteile bezieht. In diesem Fall bleibt der restliche Vertrag bestehen. Bei einer Berufsunfähigkeitsversicherung mit Zusatzversicherungen kann beispielsweise nur die Zusatzversicherung angefochten werden, während die Hauptversicherung bestehen bleibt.
Besondere Situation bei laufenden Leistungen
Wenn Sie zum Zeitpunkt der Anfechtung bereits Leistungen beziehen, etwa eine Berufsunfähigkeitsrente, ergeben sich besonders schwerwiegende Konsequenzen:
Der Versicherungsschutz entfällt nicht nur für die Zukunft, sondern auch rückwirkend. Dies bedeutet, dass Sie sämtliche bereits erhaltenen Versicherungsleistungen zurückzahlen müssen. In der Praxis kann dies zu erheblichen finanziellen Belastungen führen, insbesondere wenn die Leistungen bereits für den Lebensunterhalt verwendet wurden.
Zeitliche Grenzen
Die Anfechtung muss innerhalb bestimmter Fristen erfolgen:
- Jahresfrist: Die Versicherung muss die Anfechtung innerhalb eines Jahres nach Entdeckung der Täuschung erklären
- Zehnjahresfrist: Nach Ablauf von zehn Jahren seit Vertragsschluss ist eine Anfechtung grundsätzlich nicht mehr möglich
Wie lange kann die Versicherung den Vertrag rückwirkend anfechten?
Bei der Anfechtung eines Versicherungsvertrags gelten zwei wichtige Fristen:
Die Jahresfrist
Wenn die Versicherung von einer arglistigen Täuschung erfährt, muss sie innerhalb eines Jahres die Anfechtung erklären. Diese Frist beginnt erst zu laufen, wenn die Versicherung sowohl von der objektiven Täuschung als auch von der subjektiven Arglist Kenntnis erlangt hat.
Die absolute Ausschlussfrist
Nach § 21 Abs. 3 VVG kann die Anfechtung höchstens 10 Jahre nach Vertragsabschluss geltend gemacht werden. Diese Frist gilt unabhängig davon, ob die Versicherung von der arglistigen Täuschung wusste oder nicht. Wenn Sie also einen Versicherungsvertrag seit mehr als 10 Jahren haben, kann die Versicherung diesen nicht mehr wegen einer arglistigen Täuschung anfechten.
Beweislast und Wirkung
Die Versicherung muss die arglistige Täuschung nachweisen. Wenn Sie als Versicherungsnehmer sich auf den Ablauf der Fristen berufen, müssen Sie allerdings den Beweis für diese Verfristung führen.
Bei erfolgreicher Anfechtung wird der Vertrag rückwirkend aufgehoben. Das bedeutet für Sie: Die Versicherung muss keine Leistungen erbringen, kann aber die bereits gezahlten Beiträge behalten. Falls Sie bereits Leistungen erhalten haben, müssen Sie diese zurückzahlen.
Wann liegt eine arglistige Täuschung bei Gesundheitsfragen vor?
Eine arglistige Täuschung bei Gesundheitsfragen liegt vor, wenn Sie bei Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung bewusst falsche Angaben machen oder wichtige gesundheitliche Umstände verschweigen.
Voraussetzungen für eine arglistige Täuschung
Vorsätzliches Handeln ist die zentrale Voraussetzung. Dies bedeutet, dass Sie sich beim Ausfüllen der Gesundheitsfragen bewusst sind, dass Ihre Angaben unrichtig oder unvollständig sind. Dabei genügt bereits bedingter Vorsatz – Sie müssen die Täuschung nicht gezielt beabsichtigen.
Konkrete Täuschungshandlungen
Eine arglistige Täuschung kann auf zwei Arten erfolgen:
Aktives Handeln: Wenn Sie Fragen zu bestimmten Krankheiten oder Behandlungen bewusst falsch beantworten.
Verschweigen: Wenn Sie nach bestimmten Erkrankungen gefragt werden und diese trotz Kenntnis nicht angeben. Allerdings müssen Sie nur die Fragen beantworten, die im Antrag ausdrücklich gestellt werden. Wird beispielsweise nicht nach neurologischen Erkrankungen gefragt, müssen Sie eine Parkinson-Erkrankung nicht von sich aus erwähnen.
Bedeutung für den Versicherungsvertrag
Stellt die Versicherung eine arglistige Täuschung fest, kann sie den Vertrag anfechten. Dies hat weitreichende Folgen:
Der Versicherungsvertrag wird rückwirkend unwirksam. Die Versicherung muss dann im Versicherungsfall nicht leisten, darf aber die bereits gezahlten Beiträge behalten.
Besonders wichtig: Die Versicherung muss die arglistige Täuschung beweisen. Dabei reicht die bloße Tatsache einer falschen Angabe nicht aus. Die Versicherung muss nachweisen, dass Sie die falschen Angaben bewusst und willentlich gemacht haben.
Welche Rechte haben Versicherungsnehmer bei einer Anfechtung?
Als Versicherungsnehmer stehen Ihnen bei einer Anfechtung durch die Versicherung mehrere rechtliche Möglichkeiten zur Verfügung.
Prüfung der Anfechtungsvoraussetzungen
Sie können die Wirksamkeit der Anfechtung anhand der gesetzlichen Voraussetzungen überprüfen. Die Versicherung muss drei wesentliche Punkte nachweisen:
- Eine objektiv falsche Angabe
- Die arglistige, also bewusste Täuschungsabsicht
- Die Kausalität zwischen Täuschung und Vertragsschluss
Formale Einwendungen
Die Anfechtung ist an strenge Fristen gebunden. Sie können prüfen, ob:
- Die Jahresfrist seit Kenntnis der Täuschung eingehalten wurde
- Die absolute Ausschlussfrist von 10 Jahren seit Vertragsschluss bereits abgelaufen ist
- Die Anfechtungserklärung formgerecht erfolgte
Inhaltliche Verteidigung
Bei fehlenden Fragen im Versicherungsantrag besteht keine spontane Anzeigepflicht. Wenn die Versicherung beispielsweise nicht ausdrücklich nach bestimmten Krankheiten gefragt hat, müssen diese auch nicht angegeben werden. Dies wurde durch das OLG Dresden in einem aktuellen Urteil vom März 2024 bestätigt.
Beweislastverteilung
Die Beweislast liegt grundsätzlich beim Versicherer. Er muss die arglistige Täuschung nachweisen. Wenn Sie als Versicherungsnehmer plausibel darlegen können, warum es zu Falschangaben kam, muss die Versicherung das Gegenteil beweisen.
Teilanfechtung prüfen
Die Versicherung kann sich unter Umständen nur von einzelnen Vertragsteilen lösen. Wenn sich die behauptete Täuschung nur auf bestimmte Bereiche des Vertrags bezieht, können Sie prüfen lassen, ob andere Vertragsteile bestehen bleiben können.
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Arglistige Täuschung
Eine bewusste Irreführung durch aktives Verschweigen oder falsche Angaben von wichtigen Tatsachen beim Abschluss eines Vertrags. Sie liegt vor, wenn jemand absichtlich täuscht, um den Vertragspartner zum Vertragsschluss zu bewegen. Gemäß § 123 BGB kann der Getäuschte den Vertrag anfechten. Bei Versicherungsverträgen ist besonders die Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht relevant. Beispiel: Ein Versicherungsnehmer verschweigt bewusst eine schwere Vorerkrankung beim Abschluss einer Krankenversicherung.
Anfechtung
Die rechtliche Möglichkeit, eine Willenserklärung nachträglich zu beseitigen, wenn sie unter bestimmten Mängeln leidet (§§ 119 ff. BGB). Bei erfolgreicher Anfechtung ist der Vertrag von Anfang an nichtig. Im Versicherungsrecht kann der Versicherer den Vertrag besonders bei arglistiger Täuschung oder Irrtum anfechten. Die Anfechtungserklärung muss unverzüglich erfolgen, sobald der Anfechtungsgrund bekannt wird.
Anzeigepflicht
Die gesetzliche Verpflichtung des Versicherungsnehmers, dem Versicherer vor Vertragsabschluss alle ihm bekannten Gefahrumstände mitzuteilen, die für den Versicherungsschutz erheblich sind (§ 19 VVG). Dies betrifft besonders Vorerkrankungen oder Gesundheitsstörungen bei Personenversicherungen. Die Verletzung kann zur Vertragsanfechtung oder zum Rücktritt des Versicherers führen.
Nichtigkeit
Der schwerwiegendste Mangel eines Rechtsgeschäfts, bei dem der Vertrag von Anfang an keine rechtliche Wirkung entfaltet (§ 142 BGB). Im Gegensatz zur Anfechtbarkeit tritt die Nichtigkeit automatisch ein, ohne dass es einer Erklärung bedarf. Bei nichtigen Verträgen müssen bereits erbrachte Leistungen zurückgewährt werden. Beispiel: Ein unter arglistiger Täuschung geschlossener Versicherungsvertrag.
Gesundheitserklärung
Ein standardisiertes Formular beim Abschluss von Personenversicherungen, in dem der Antragsteller Fragen zu seinem Gesundheitszustand wahrheitsgemäß beantworten muss (basierend auf § 19 VVG). Die Angaben sind Grundlage für die Risikoprüfung und Vertragsentscheidung des Versicherers. Falsche Angaben können zur Anfechtung oder zum Rücktritt vom Vertrag führen.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 19 VVG – Anzeigepflicht des Versicherten): Dieser Paragraph verpflichtet den Versicherungsnehmer, alle ihm bekannten wesentlichen Gefahr1erheblichen Umstände wahrheitsgemäß anzugeben, die für den Versicherer bei der Risikobewertung und Vertragsabschluss von Bedeutung sind. Unterlassene oder falsche Angaben können zur Anfechtung des Vertrags führen. Im vorliegenden Fall hat der Kläger bei Abschluss der Berufsunfähigkeitsversicherung Bewegungsapparatserkrankungen verschwiegen, obwohl er bereits an Parkinson litt. Diese Angaben sind wesentlich, da Parkinson die Berufsfähigkeit erheblich beeinträchtigt und somit das Risiko für den Versicherer erhöht.
- § 19 Abs. 3 VVG – Folgen der Anzeigepflichtverletzung): Wird die Anzeigepflicht verletzt, kann der Versicherer den Vertrag anfechten oder unter bestimmten Umständen die Leistung verweigern. Eine Anfechtung muss innerhalb eines Jahres nach Kenntnis der Anzeigepflichtverletzung erfolgen. In diesem Fall hat die Beklagte die Leistungspflicht abgelehnt und die Anfechtung erklärt, weil der Kläger wesentliche gesundheitliche Informationen nicht korrekt angegeben hat. Dies folgt direkt aus der Verletzung der Anzeigepflicht gemäß § 19 Abs. 3 VVG.
- § 28 VVG – Anfechtung wegen arglistigem Verschweigen): Nach § 28 VVG kann der Versicherer den Vertrag anfechten, wenn der Versicherungsnehmer vorsätzlich oder fahrlässig wesentliche Angaben verschwiegen hat. Eine erfolgreiche Anfechtung hat zur Folge, dass der Vertrag von Anfang an als nichtig betrachtet wird. Im vorliegenden Fall könnte die Beklagte argumentieren, dass der Kläger bewusst seine Parkinson-Diagnose verschwiegen hat, um die Versicherungsprämie zu senken oder den Vertragsschluss zu erleichtern.
- § 7 VVG – Obliegenheiten bei Vertragsschluss): Dieser Paragraph regelt die allgemeinen Pflichten des Versicherungsnehmers beim Vertragsabschluss, einschließlich der Pflicht zur vollständigen und wahrheitsgemäßen Angabe aller relevanten Informationen. Die Einhaltung dieser Obliegenheiten ist essenziell für die Wirksamkeit des Versicherungsvertrages. Hier hat der Kläger möglicherweise gegen diese Pflichten verstoßen, indem er seine gesundheitlichen Probleme nicht vollständig offenlegte, was die Grundlage für die Anfechtung durch die Beklagte bildet.
- Rechtsprechung zum Versicherungsvertragsrecht): Die Rechtsprechung bietet Rahmenbedingungen zur Interpretation und Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen im VVG. Gerichte prüfen insbesondere, ob die Anzeigepflichtverletzung erheblich ist und ob der Versicherer nachweislich auf die verschwiegenen Informationen angewiesen gewesen wäre. Im aktuellen Fall wird das Gericht bewerten, ob die Parkinson-Erkrankung als erhebliche Angabe gilt und ob die Nichtoffenlegung die berechtigte Grundlage für die Anfechtung des Vertrages durch die Beklagte darstellt.
Das vorliegende Urteil
OLG Dresden – Az.: 4 U 1975/23 – Beschluss vom 21.03.2024
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