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Berufsunfähigkeitsversicherung für fremde Rechnung im Insolvenzverfahren – Insolvenzmasse

OLG Frankfurt, Az.: 7 U 142/14, Urteil vom 21.09.2016

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 31.7.2014, Az.: 8 O 85/14, aufgehoben und die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits einschließlich des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115% des auf Grund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter über das Vermögen der X GmbH von der beklagten Versicherung Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung.

Zwischen der Insolvenzschuldnerin und der Beklagten bestand seit 1.11.2006 eine Risikolebensversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung. Versicherte Person war der damalige Geschäftsführer und Gesellschafter der Insolvenzschuldnerin, Herr A. Die jährliche Rente bei Eintritt der Berufsunfähigkeit betrug 14.000 €, bei vereinbarter vierteljährlicher Auszahlung. Versicherungsablauf war der 1.11.2029. Bestandteil des Vertrages waren auch die Bedingungen für die B Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Versicherungsschein vom 10.11.2006 und auf die Versicherungsbedingungen (Anlage K 2, Bl. 10 ff.).

Unstreitig ist zwischen den Parteien, dass der Versicherungsfall eingetreten und Herr A seit dem 1.8.2010 berufsunfähig ist. Im Zeitraum von August 2010 bis April 2013 erbrachte die Beklagte Berufsunfähigkeitsleistungen an die Insolvenzschuldnerin.

In einem vor dem Landgericht Stadt1 zum Az.: … zwischen Herrn A und der Insolvenzschuldnerin geführten Rechtsstreit begehrte Herr A Auszahlung der Berufsunfähigkeitsrente an sich. Das Landgericht verurteilte die hiesige Insolvenzschuldnerin, die dortige Beklagte zu 1, durch Urteil vom 26.7.2012, u.a. wie folgt:

„Die Beklagte zu 1 wird weiter verurteilt, der Übertragung des Bezugsrechtes aller Leistungen aus der mit der B Lebensversicherung AG abgeschlossenen Zusatz-Berufsunfähigkeitsversicherung Nr. … auf den Kläger zuzustimmen und sämtliche erforderlichen Erklärungen gegenüber der B Lebensversicherung AG abzugeben und die entsprechenden Handlungen vorzunehmen, insbesondere Unterschriften zu leisten“.

(Vgl. Anlage B 2, Bl. 59 ff.).

Die hiergegen eingelegte Berufung der Insolvenzschuldnerin wies das Oberlandesgericht Stadt1 durch Beschluss vom 12.2.2013, Az.: … gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurück.

Zwischenzeitlich hatte das Amtsgericht Stadt1 – Insolvenzgericht – den Kläger durch Beschluss vom 17.1.2013 zum Insolvenzgutachter bestellt. Gleichzeitig hatte das Insolvenzgericht Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gegen die Schuldnerin, soweit nicht unbewegliche Gegenstände betroffen waren, gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO untersagt.

Durch nachfolgenden Beschluss vom 23.1.2013 hatte das Insolvenzgericht dann die vorläufige Insolvenzverwaltung über das Vermögen der nunmehrigen Insolvenzschuldnerin, der X GmbH angeordnet und den Kläger zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Zugleich hatte das Insolvenzgericht gemäß § 21 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 InsO angeordnet, dass Verfügungen der Schuldnerin nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind.

Mit Schreiben vom 13.3.2013 verweigerte der Kläger in seiner Eigenschaft als vorläufiger Insolvenzverwalter die Zustimmung zur Übertragung des Bezugsrechts der Leistungen aus der mit der Beklagten abgeschlossenen Berufsunfähigkeitszusatzversicherung auf Herrn A und begehrte Zahlung der Berufsunfähigkeitsrente zur Masse.

Mit Beschluss vom 1.4.2013 eröffnete das Amtsgericht Stadt1 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter.

Mit Schreiben vom 21.5.2013 forderte der Kläger die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 4.6.2013 zur Zahlung auf das Insolvenzanderkonto auf.

Die Beklagte weigerte sich, die Auszahlung der Rente an den Kläger vorzunehmen, weil sie Herrn A für forderungsberechtigt hielt. Sie erbrachte daher seit dem 1.4.2013 Leistungen aus der streitgegenständlichen Versicherung an ihn. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Beklagte Zahlungen in Höhe von 3.624,16 € am 2.4.2013, von 3.624,16 € am 30.7.2013 sowie von 3.649,59 € am 30.10.2013 und von 3.649,59 € am 30.1.2014, insgesamt also 14.547,50 €, an Herrn A leistete. In diesen Zahlungen waren bereits die vertraglich vereinbarten Überschussbeteiligungen enthalten.

Mittlerweile wurde durch Beschluss vom 14.4.2014 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Herrn A eröffnet und ein Treuhänder bestellt.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, dass die Beklagte zur Zahlung an ihn verpflichtet sei. Versicherungsnehmerin sei die Insolvenzschuldnerin. Ihr allein würden die Rentenleistungen zustehen. Daran würde – so die Ansicht des Klägers – auch die Verurteilung der Insolvenzschuldnerin durch das Landgericht Stadt1 und auch die Fiktion der Willenserklärung gemäß § 894 ZPO nichts ändern. Im Zeitpunkt der Verurteilung sei bereits die vorläufige Insolvenzverwaltung und ein Zustimmungsvorbehalt für Verfügungen der Insolvenzschuldnerin angeordnet gewesen. Die rechtskräftige Verurteilung – so die Ansicht des Klägers – ersetze lediglich Willenserklärungen des Schuldners, nicht aber des Insolvenzverwalters, der als „Dritter“ anzusehen sei. Seine Zustimmung, die er hier aber verweigert habe, sei deswegen zur Übertragung des Bezugsrechts zusätzlich erforderlich gewesen.

Der Kläger hat in erster Instanz beantragt,

1. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 14.547,50 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 3.624,16 € seit dem 29.4.2013, aus weiteren 3.624,16 € seit dem 30.7.2013, aus weiteren 3.649,59 € seit dem 30.10.2013 und aus weiteren 3.649,59 € seit dem 30.1.2014 zu zahlen;

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ab dem 1.4.2014 aus der Zusatz-Berufsunfähigkeitsversicherung, Versicherungsschein-Nr. …, Leistungen in Höhe von vierteljährlich 3.500 € zu gewähren, zahlbar vierteljährlich im Voraus bis zum ersten Werktag eines ersten Monats eines Vierteljahres bis zum Ablauf der Versicherung mit dem 1.11.2029.

Die Beklagte hat in erster Instanz beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat gemeint, die Leistungen aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung würden ausschließlich Herrn A zustehen. Mit Rechtskraft des Urteils des Landgerichts Stadt1 gelte die Zustimmung der Insolvenzschuldnerin zur Übertragung des Bezugsrechts gemäß § 894 ZPO als erteilt.

Einer gesonderten Willenserklärung der Insolvenzschuldnerin habe es nicht mehr bedurft.

Der im Beschluss über die vorläufige Eröffnung des Insolvenzverfahrens angeordnete Zustimmungsvorbehalt beziehe sich nur auf Verfügungen der Schuldnerin und nicht auf Willenserklärungen.

Durch die Fiktionswirkung des § 894 ZPO würde im Zeitpunkt des Eintritts der Rechtskraft sogar eine etwaige, fehlende Geschäftsfähigkeit des Schuldners überwunden und auch eine mangelnde Verfügungsbefugnis.

Das Landgericht hat der Klage durch Urteil vom 31.7.2014 (vgl. Bl. 102 ff.) vollumfänglich stattgegeben. Begründet hat das Landgericht seine Entscheidung damit, dass dem Insolvenzverwalter die Leistungen aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung zustehen würden.

Mit Rechtskraft der Entscheidung des Landgerichts Stadt1 sei nach § 894 ZPO nur die von der Insolvenzschuldnerin abzugebende Erklärung fingiert worden.

Auf den Zustimmungsvorbehalt des Insolvenzverwalters für Verfügungen, zu denen auch die hier streitgegenständliche Übertragung des Bezugsrechts aller Leistungen gehöre, habe dies aber keine Auswirkungen.

Eine andere Sichtweise hätte zur Folge, dass derjenige, der eine Zustimmung der Insolvenzschuldnerin mittels der Fiktion gemäß § 894 ZPO erhalte, gegenüber demjenigen, der von der Insolvenzschuldnerin eine einfache Zustimmung erhalte, besser gestellt wäre.

Wegen der weiteren Entscheidungsbegründung wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung und verfolgt ihren erstinstanzlichen Antrag auf Klageabweisung weiter.

Sie wiederholt und vertieft ihren Vortrag erster Instanz. Insbesondere macht sie geltend, dass die Insolvenzschuldnerin gerade keine Verfügung im Sinne von § 21 InsO getroffen habe. Die Insolvenzschuldnerin sei vielmehr völlig passiv geblieben. Die Wirkung des § 894 ZPO, wonach die Willenserklärung der Schuldnerin ersetzt werde, sei daher eingetreten, ohne dass es noch einer Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters bedurft habe. Zudem handele es sich bei § 894 ZPO um einen Akt der Zwangsvollstreckung, der durch den angeordneten Zustimmungsvorbehalt nicht tangiert werde.

Nach Ansicht der Beklagten habe die Anordnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens auf das Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht Stadt1 daher keine Auswirkungen gehabt. Im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1.4.2013 sei die Fiktionswirkung des § 894 ZPO längst eingetreten.

Die Beklagte trägt weiter – insoweit unbestritten – vor, dass die Entscheidung des Oberlandesgerichts Stadt1 vom 12.2.2013, die der Insolvenzschuldnerin am 13.2.2013 zugestellt worden sei, frühestens zum 13.3.2013 rechtskräftig geworden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beklagten wird auf die Berufungsbegründung (Bl. 144 ff.) Bezug genommen.

Die Beklagte beantragt, das am 31.7.2014 verkündete Urteil des Landgerichts Wiesbaden, Az.: 8 O 85/14, aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines Vortrags erster Instanz. Insbesondere macht er nach wie vor geltend, dass seine nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO erforderliche Zustimmung nicht durch die Fiktion des § 894 ZPO obsolet geworden sei. Durch § 894 ZPO sei nur die eigentliche Willenserklärung der Insolvenzschuldnerin fingiert, nicht aber die Zustimmung des Insolvenzverwalters ersetzt worden. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens des Klägers wird auf die Berufungserwiderung (Bl. 157 ff.) Bezug genommen. Mit weiterem Schriftsatz vom 27.5.2016 (Bl. 241 ff.) führt der Kläger ergänzend aus, dass der versicherten Person, Herrn A, seiner Ansicht nach kein vertragliches Bezugsrecht für den Fall des Eintritts der Berufsunfähigkeit eingeräumt worden sei.

II.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere ist sie formgerecht angebracht und begründet worden (vgl. §§ 511, 517, 519 f. ZPO).

Die Berufung hat in der Sache vollumfänglich Erfolg.

Das erstinstanzliche Urteil ist abzuändern und die Klage ist abzuweisen.

Dem Kläger als Insolvenzverwalter über das Vermögen der X GmbH stehen gegen die Beklagte keine Ansprüche auf rückständige Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung von insgesamt 14.547,50 € für den Zeitraum von April 2013 bis März 2014 zu.

Er kann auch nicht ab dem 1.4.2014 von der Beklagten Zahlung der Berufsunfähigkeitsrente zur Insolvenzmasse verlangen.

Zwar ist der Kläger als Insolvenzverwalter hinsichtlich der geltend gemachten Ansprüche auf Rentenzahlungen aktivlegitimiert.

Dies ergibt sich daraus, dass die ursprünglichen Vertragsparteien, die Insolvenzschuldnerin X und die Beklagte, eine Versicherung für fremde Rechnung im Sinne von § 43 Abs. 1 VVG abgeschlossen haben.

Versicherungsnehmerin und formal verfügungsberechtigt über die Forderung war die X GmbH. Begünstigter und materiell berechtigter Inhaber der Ansprüche nach § 44 Abs. 1 VVG war die versicherte Person, der damalige Geschäftsführer und Gesellschafter der Insolvenzschuldnerin, Herr A.

Über die Rechte, die Herrn A nach Eintritt der Berufsunfähigkeit aus dem Versicherungsvertrag zustanden, konnte die X GmbH, die auch im Besitz des Versicherungsscheins ist, gemäß § 45 Abs. 1, Abs. 2 VVG im eigenen Namen verfügen.

Dies ergibt sich vorliegend auch aus den §§ 11, 13 der Bedingungen für die B Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung i.V.m. § 15 der in Bezug genommenen Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die B Risikoversicherung, wonach die Beklagte die Leistungen aus dem Versicherungsvertrag grundsätzlich an die Versicherungsnehmerin, hier also an die X GmbH, zu erbringen hat.

Der Versicherte, Herr A, hatte zwar im Verhältnis zur X GmbH die Stellung eines materiell berechtigten Gläubigers bezüglich der Ansprüche aus dem Versicherungsverhältnis mit der Beklagten – ein eigenes Verfügungsrecht besaß er hingegen nicht. Dies wäre nur dann der Fall gewesen, wenn Herr A gemäß § 44 Abs. 2 VVG im Besitz des Versicherungsscheins wäre, was hier aber nicht der Fall ist.

Nach dem Urteil des BGH vom 16.7.2014, Az. IV ZR 88/13 (abgedruckt in NJW 2014, 3030) ist die Versicherung für fremde Rechnung gekennzeichnet durch die Spaltung der materiellen Inhaberschaft der Rechte aus dem Versicherungsvertrag beim Versicherten und der formell-materiellen Befugnis des Versicherungsnehmers, sie gerichtlich geltend zu machen und über sie zu verfügen.

Vor diesem Hintergrund geht die vom Landgericht Stadt1 im Verfahren zwischen dem Versicherten, Herrn A und der X GmbH ausgesprochene Verurteilung der X GmbH zur „Zustimmung zur Übertragung des Bezugsrechtes“ aller Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung und zur Abgabe und Vornahme aller erforderlichen Erklärungen und Handlungen an der Sache vorbei.

Herr A war bereits aufgrund der Rechtsnatur der zwischen der X GmbH und der Beklagten abgeschlossenen Versicherung für fremde Rechnung im Sinne von § 43 Abs. 1 VVG materiell berechtigter Rechtsinhaber. Der vom Landgericht Stadt1 tenorierten „Übertragung des Bezugsrechts“ bedurfte es daher nicht.

Ein eigenes Forderungsrecht des Herrn A bezüglich der Versicherungsleistungen im Verhältnis zur Beklagten konnte im Verfahren vor dem Landgericht Stadt1 von vornherein nicht wirksam begründet werden, weil das Verfahren zwischen der Versicherungsnehmerin X GmbH und dem Versicherten Herrn A geführt wurde und die Beklagte, die als Vertragspartei bei einer vertraglichen Änderung der Verfügungsbefugnis hätte mitwirken müssen, an dem Rechtsstreit gar nicht beteiligt war.

Nachdem die X GmbH nun insolvent geworden ist, ist die ihr zustehende, formell-materielle Verfügungsbefugnis nunmehr auf den Kläger übergegangen. Die materielle Berechtigung bezüglich des Anspruchs blieb aber unverändert bei dem Versicherten Herrn A. Dies hat der Bundesgerichtshof im Urteil vom 16.7.2014, Az.: IV ZR 88/13, ausdrücklich klargestellt und betont, dass die Insolvenz des Versicherungsnehmers die Rechtsposition des Versicherten nicht beeinträchtige, da der Anspruch auf die Versicherungsleistung nicht zur Insolvenzmasse des Versicherungsnehmers, sondern zu der des Versicherten gehöre. Bei der Insolvenz des Versicherungsnehmers komme es – so der Bundesgerichtshof – lediglich zu einer Änderung hinsichtlich der Verfügungsberechtigung; diese stehe nunmehr dem Insolvenzverwalter zu.

Zwar kann der Kläger als formal Verfügungsberechtigter Ansprüche wegen Berufsunfähigkeit des Versicherten gegen die Beklagte geltend machen.

Allerdings hat er dabei auch den Charakter der Versicherung als für fremde Rechnung – also im Drittinteresse – geschlossen, zu berücksichtigen.

Aus der durch die §§ 44, 45 VVG angeordneten Aufspaltung von Rechtsinhaberschaft und Verfügungsbefugnis ergibt sich ein gesetzliches Treuhandverhältnis zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherten, aus dem Einziehungs- und Auskehrpflichten des Versicherungsnehmers – und hier des Insolvenzverwalters – folgen. Nach Eintritt des Versicherungsfalls ist der Versicherungsnehmer zur Geltendmachung der Ansprüche auf die Versicherungsleistung und – nach Erhalt – zu deren Auskehr an den Versicherten verpflichtet (vgl. Prölss/Martin, Kommentar zum VVG, 29. Auflage 2015, § 46 Rdnr. 4 ff.). Dabei muss der Versicherungsnehmer den Versicherten nicht schlechthin und ohne Rücksicht auf seine eigenen Interessen in den Genuss der Versicherungsleistung bringen. Er kann sich aus eigenen Ansprüchen in Bezug auf die versicherte Sache nach § 46 Satz 2 VVG befriedigen und kann, etwa in der Unfallversicherung, ausnahmsweise gegenüber dem Anspruch des versicherten Verletzten auf Auskehr der gezahlten Versicherungsleistung mit einer Schadensersatzforderung-Gegenforderung aus Delikt aufrechnen, die er aus demselben Unfallereignis herleitet (vgl. BGH in VersR 1973, 634 ; Prölss/Martin, § 46 Rdnr. 11 m.w.N.).

Da der Anspruch auf Versicherungsleistungen aber grundsätzlich materiell-rechtlich dem Versicherten – und nicht dem Versicherungsnehmer – zusteht, fallen die Ansprüche auf Versicherungsleistungen bei Insolvenz des Versicherten in die Insolvenzmasse des Versicherten und bei Insolvenz des Versicherungsnehmers nicht in die Insolvenzmasse des Versicherungsnehmers. Wenn, wie vorliegend der Fall, über das Vermögen des Versicherungsnehmers das Insolvenzverfahren eröffnet wird, kann der Versicherte, nachdem der Insolvenzverwalter die Versicherungsleistungen eingezogen hat, nach § 47 InsO die Aussonderung des Anspruchs verlangen (vgl. nur: OLG Köln, Urteil vom 5.12.2014, Az.: 26 O 213/13 in VersR 2015, 1155 ; OLG Düsseldorf, Urteil vom 21.10.2014, Az.: 4 U 146/13, zitiert nach Juris; Münchener Kommentar zur InsO, 3. Auflage 2013, § 47 Rdnr. 312; Uhlenbruck, Kommentar zur InsO, § 47 Rdnr. 107).

Vor diesem Hintergrund und angesichts der treuhänderischen Gebundenheit des Anspruchs wäre der Kläger als Insolvenzverwalter gehalten gewesen, die Auszahlung der Rentenleistungen von insgesamt 14.547,50 € an den Versicherten zu genehmigen und künftige Rentenleistungen nicht zur Insolvenzmasse einzufordern. Soweit er nunmehr die Genehmigung verweigert und erneute Leistung der von der Beklagten bereits an den Versicherten entrichteten Summe sowie Zahlung künftiger Renten zur Insolvenzmasse begehrt, handelt er im Sinne von § 242 BGB treuwidrig.

Bei seiner Vorgehensweise lässt der Kläger außer Acht, dass die Ansprüche auf Berufsunfähigkeitsleistungen, wie oben ausgeführt, nicht in die Insolvenzmasse der Insolvenzschuldnerin fallen, sondern dass die Ansprüche treuhänderisch gebunden sind und dass er die Leistungen nur aufgrund seiner formalen Befugnis zur Geltendmachung letztlich für den Versicherten, Herrn A – und nicht für die Insolvenzmasse – einfordern darf, um sie anschließend gleich wieder an den Versicherten aufgrund des diesem zustehenden Aussonderungsrechts auszukehren.

Es ist weder vorgetragen, noch sonst ersichtlich, dass dem Kläger, der die Interessen der Insolvenzgläubiger zu wahren hat, ein wie auch immer geartetes schützenswertes Interesse an der Einziehung der Leistungen, die er nach Erhalt sowieso gleich wieder an den Versicherten auszukehren hätte, zustehen könnte. Ansprüche der insolventen Versicherungsnehmerin gegen den Versicherten, die den Insolvenzverwalter zur Befriedigung aus der Entschädigungsforderung nach § 46 Satz 2 VVG oder zur Aufrechnung berechtigen könnten, wurden nicht geltend gemacht.

Nach einer etwaigen Zahlung der Beklagten an den Kläger könnte anschließend der Versicherte aufgrund seines Aussonderungsrechts die Auskehr der vom Insolvenzverwalter treuhänderisch zu verwaltenden Versicherungsleistung verlangen. Der Versicherte hingegen wäre – jedenfalls in Bezug auf die bereits an ihn gezahlten Versicherungsleistungen – bereicherungsrechtlichen Ansprüchen der Beklagten ausgesetzt. Der Masse und den Insolvenzgläubigern der Versicherungsnehmerin brächte eine solche Vorgehensweise keine Vorteile, sondern allenfalls Nachteile, weil die treuhänderische Verwahrung und die anschließende Auskehr an die versicherte Person durch den Insolvenzverwalter nur mit Aufwand und Kosten verbunden wäre, die die Insolvenzmasse letztlich schmälern. Da im Übrigen auch die beklagte Versicherung mit einer unmittelbaren Auszahlung der Versicherungsleistungen an die versicherte Person einverstanden war und ist, stellt sich die Ausnutzung der formalen Rechtsposition durch den Kläger als treuwidrig dar (vgl. dazu auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 21.10.2014, Az.: 4 U 146/13, zitiert nach Juris).

Der Senat teilt ausdrücklich nicht die Ansicht des OLG Köln, dass dem Insolvenzverwalter die Möglichkeit der erneuten Geltendmachung der bereits an den Versicherten ausgezahlten Invaliditätsentschädigung aus einer vom Arbeitgeber abgeschlossenen Unfallversicherung zusteht (vgl. Urteil vom 5.12.2014, Az.: 20 U 100/14, in VersR 2015, 1155)

Für die hiesige Sichtweise spricht im vorliegenden Fall im Übrigen auch das im Vorprozess vor dem Landgericht Stadt1, Az.: … vom Versicherten, Herrn A, gegen die damals noch nicht insolvente X GmbH erstrittene Urteil. Zwar geht die vom Landgericht Stadt1 in seiner Entscheidung tenorierte „Übertragung des Bezugsrechts“ ins Leere, da der Versicherte, wie bereits oben ausgeführt, wegen des Charakters der Versicherung als Versicherung für fremde Rechnung im Sinne von § 43 Abs. 1 VVG sowieso schon materiell Berechtigter war und eine Übertragung der Verfügungsbefugnis von der Versicherungsnehmerin auf ihn die Beteiligung der Versicherung vorausgesetzt hätte. Aus den Gründen des Urteils des Landgerichts, Seite 11, letzter Absatz ergibt sich aber, dass das Landgericht der Versicherungsnehmerin die formale Befugnis zur Einziehung der Leistungen absprechen und dem Versicherten ein eigenes, unmittelbares Forderungsrecht auf die Leistungen gegenüber der Beklagten einräumen wollte (Zitat: „Sie – Anmerkung: die Versicherungsnehmerin – hat zudem dafür Sorge zu tragen, dass der Kläger in Zukunft die Leistungen unmittelbar von der B Versicherung AG beziehen kann“).

Zwar war, wie bereits oben ausgeführt, eine Übertragung der formalen Verfügungsbefugnis von der Versicherungsnehmerin auf den Versicherten ohne Beteiligung der Beklagten, nicht ohne weiteres möglich, schon gar nicht mittels der vom Landgericht Stadt1 tenorierten Verurteilung der Versicherungsnehmerin zur „Übertragung des Bezugsrechts“ aller Leistungen auf den Versicherten. Der Umstand aber, dass dem Versicherten im Verhältnis zur Beklagten auf Kosten der Versicherungsnehmerin mit Rechtskraft des Urteils ein eigenes Forderungsrecht zugebilligt werden sollte, konnte aber bei der Bewertung der nunmehrigen Geltendmachung des Anspruchs durch den Insolvenzverwalter als treuwidrig im hiesigen Verfahren Berücksichtigung finden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Revision ist nach § 543 Abs. 2 Ziffer 1 und Ziffer 2 ZPO zuzulassen, weil die Rechtssache sowohl grundsätzliche Bedeutung hat als auch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.

Zur Frage, ob ein Insolvenzverwalter in der Insolvenz des Versicherungsnehmers bei einem Versicherungsvertrag für fremde Rechnung aufgrund seiner formalen Rechtsposition Ansprüche der Insolvenzschuldnerin zur Masse ziehen kann, wenn keine Forderungen gegen den Versicherten bestehen oder ob ihm dies nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB verwehrt ist, ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung umstritten. Zumindest das Oberlandesgericht Köln hat in seiner Entscheidung vom 5.12.2014, Az.: 20 U 100/14 entgegen der hier vertretenen Ansicht die Annahme der Treuwidrigkeit verneint. Eine höchstrichterliche Entscheidung existiert dazu nicht.

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