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Berufsunfähigkeitsversicherung – Darlegungslast hinsichtlich fehlender Vergleichbarkeit

LG Heidelberg – Az.: 4 O 165/16 – Urteil vom 25.01.2019

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger aus der Berufsunfähigkeitsversicherung, Versicherungsnummer (…), Leistungen in Höhe von monatlich 1.429,42 € für den Zeitraum vom 01.November 2015 bis längstens zum 01.März 2028, zahlbar monatlich im Voraus zu bezahlen zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 1.429,42 € seit dem 19. März 2016, aus weiteren 1.429,42 € seit dem 01. April 2016, aus weiteren 1.429,42 € seit dem 01. Mai 2016, aus weiteren 1.429,42 € seit dem 01. Juni 2016 sowie aus weiteren 1.429,42 € seit dem 01. Juli 2016.

2. Die Beklagte wird verurteilt, die an den Kläger zu zahlende Berufsunfähigkeitsrente nach § 4 Abs. 10 der dem Vertrag zugrunde liegenden Tarifbedingungen für Tarif IBU220C (50%-Klausel) (GN222098_012004) zum Ende eines jeden Versicherungsjahres, frühestens nach einem vollen Rentenbezugsjahr, zu erhöhen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von der Beitragszahlungspflicht für die Berufsunfähigkeitsversicherung, Versicherungsnummer (…), für den Zeitraum vom 01. November 2015 bis längstens zum 01. März 2028 freizustellen.

4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

5. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

6. Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 69.495,42 € festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger macht gegen die Beklagte Ansprüche aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung geltend.

Der am 09.08.1968 geborene Kläger unterhält bei der Beklagten seit dem 01.03.2006 eine Berufsunfähigkeitsversicherung unter der Versicherungsnummer (…) mit einer Laufzeit bis zum 01.03.2028 (vgl. den Versicherungsschein vom 08.03.2006 im Anlagenkonvolut K 1).

Dem Versicherungsvertrag liegen die „Allgemeinen Bedingungen für die … Investment Berufsunfähigkeitsversicherung nach Tarif IBU2200C“ (im Folgenden: Allgemeine Bedingungen) sowie die „Tarifbedingungen für Tarif IBU2200C“ (im Folgenden: Tarifbedingungen) zugrunde (vgl. Anlagenkonvolut K1).

Die Tarifbedingungen lauten auszugsweise:

§ 1 Was ist versichert?

(1) Wird die versicherte Person während der Versicherungsdauer dieser Versicherung zu mindestens 50 % berufsunfähig, so erbringen wir folgende Versicherungsleistung:

Zahlung einer Berufsunfähigkeits-Rente, längstens für die vereinbarte Versicherungsdauer. Die Rente zahlen wir monatlich im voraus. Von der Beitragszahlungspflicht werden Sie befreit.

Bei einem geringeren Grad der Berufsunfähigkeit besteht kein Anspruch auf die Versicherungsleistung.

(2) …

(3) Der Anspruch auf Beitragsbefreiung und Rente entsteht frühestens mit Ablauf des Monats, in dem die Berufsunfähigkeit eingetreten ist.

(4) – (9) …

Die Allgemeinen Bedingungen lauten auszugsweise:

§ 2 Was ist Berufsunfähigkeit im Sinne dieser Bedingungen?

(1) Vollständige Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn die versicherte Person infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich mindestens sechs Monate ununterbrochen außerstande ist, ihren vor Eintritt des Versicherungsfalls zuletzt ausgeübten Beruf – so wie er ohne die gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war – nachzugehen und in dieser Zeit auch keine andere Tätigkeit ausübt, die aufgrund ihrer Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht (vgl. Absatz 4). Auf die abstrakte Verweisung verzichten wird.

(2) – (3) …

(4) Als eine der Ausbildung und Erfahrung sowie der bisherigen Lebensstellung entsprechende berufliche Tätigkeit wird dabei nur eine solche Tätigkeit angesehen, die keine deutlich geringeren Kenntnisse und Fähigkeiten erfordert und auch in ihrer Vergütung und Wertschätzung nicht spürbar unter das Niveau der bislang ausgeübten beruflichen Tätigkeit absinkt.

(5) – (12) …

Aufgrund eines Arbeitsvertrags vom 05.11.2001 war der Kläger, der von Beruf Mechaniker ist, seit dem 01.11.2001 als Industriemechaniker bei der K. in St. Leon-Rot als beschäftigt (vgl. den Arbeitsvertrag Anl. K 2). Seine Tätigkeitsbeschreibung wurde wie folgt angegeben „Fertigungszelle Sonderteile; Einrichten und Bedienen des Maschinenbereichs „A“.

Anlässlich eines stationären Aufenthaltes in dem Paracelsus-Krankenhaus – Fachklinik für Innere Medizin zwischen dem 28.02.2012 und dem 07.03.2012 wurde bei dem Kläger unter anderem die folgende Diagnose gestellt: „Bandscheibenprolaps L4/5 und L5/S1, beidseits mediodorsal; Bandscheibenprotrusion L1/2; Spondylarthrosen L 4 bis S 1; Chronisches Schmerzsyndrom“. Während dieses Aufenthaltes wurde am 05.03.2012 ein MRT der Lendenwirbelsäule erstellt. (vgl. den Entlassbrief vom 02.05.2012 in dem Anlagenheft „Behandlungsunterlagen“ unter Ziffer 4 [BU/4]).

Im Rahmen eines Aufenthaltes in der Nordseeklinik Borken zwischen dem 13.06.2012 und dem 04.07.2012 wurde bei dem Kläger unter anderem ein degeneratives Wirbelsäulenleiden auf Höhe L4/5 und L5/S1 diagnostiziert (vgl. den Entlassungsbericht Anl. K 7)

Die Fachärztin für Orthopädie Dr. S. diagnostizierte anlässlich einer Vorstellung des Klägers am 31.03.2014 bei diesem unter anderem: „Chronifiziertes Schmerzsyndrom; Multiple Insertionstendinosen; Zustand nach Bandscheibenprolaps L4/5 und L5/S1; Spondylarthrose der LWS“ (vgl. den Arztbrief vom 01.04.2014 [Anl. K 11]).

Zwischen dem 12.06.2014 und dem 10.07.2014 hielt der Kläger sich stationär in der … Klinik … in Bad Nauheim auf. In dem ärztlichen Entlassungsbericht (im Anlagenheft der Beklagten – nicht paginiert) wurde zu dem Leistungsvermögen des Klägers unter anderem festgehalten, dass er aufgrund des Zustandes nach Bandscheibenprolaps L4 und L5/S1 sowie der Spondylarthrose der LWS das Heben, Tragen und Bewegen von schweren Lasten ohne Hilfsmittel sowie Zwangshaltungen vermeiden sollte.

Eine weitere Kernspinaufnahme der Lendenwirbelsäule des Klägers wurde am 08.10.2014 in der Praxis Prof. G. und Kollegen gefertigt.

Zwischen dem 12.06.2014 und dem 11.10.2015 war der Kläger arbeitsunfähig krankgeschrieben.

Mit Schreiben vom 07.04.2015 (vgl. Anl. B 3 und B 4) stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Leistungen wegen Berufsunfähigkeit.

Unter dem 19.03.2015 erstellte Dr. H. vom Arbeits-Betriebsmedizinischen-Institut ein sozialmedizinisches Leistungsbild des Klägers (vgl. Anl. K 13).

Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 15.09.2015 (Anl. B 5) mit, dass eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit nicht hinreichend nachgewiesen sei. Ohne Anerkennung einer Rechtspflicht erhalte der Kläger aufgrund der vorgelegten ärztlichen Unterlagen Leistungen für den Zeitraum vom 01.07.2014 bis 31.10.2015 in Höhe von insgesamt 21.252,13 €.

Seit dem 12.10.2015 ist der Kläger bei K. als Lagerist tätig und mit dem Empfang von Wareneingängen, Ausgeben von Werkzeug und Betriebsmitteln beschäftigt. Seine Tätigkeit wird nach der Entgeltgruppe 4 vergütet (vgl. die Nebenabrede zum Anstellungsvertrag in Anl. K 17 und die Tätigkeitsbeschreibung in Anl. K 18).

Weitere Leistungen lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 18.03.2016 (Anl. B 6) ab.

Für die Tätigkeit seines Prozessbevollmächtigten wurde dem Kläger mit Vorschussanforderung vom 13.11.2015 (Anl. K 24) ein Betrag in Höhe von 150,00 € in Rechnung gestellt.

Der Kläger behauptet:

Bei ihm lägen ein chronifiziertes Schmerzsyndrom, multiple Insertionstendinosen, ein Zustand nach Bandscheibenprolaps L4/5 und L 5/S 1, Spondylarthrose der LWS, Spondylarthropathie LWS (HLAB 27 positiv) und eine Cervicocephalgie vor.

Aufgrund der massiven gesundheitlichen Beeinträchtigungen sei er spätestens seit dem 12.06.2014 außer Stande gewesen, seine zuletzt in gesunden Tagen ausgeübte Tätigkeit noch zu 50 % oder mehr zu erbringen.

Seine zuletzt in gesunden Tagen ausgeübte Tätigkeit sei in der Arbeitsbeschreibung vom 08.11.2002 (Anl. K 3) festgehalten. Er sei an fünf Tagen in der Woche acht Stunden beschäftigt gewesen, daneben seien zwei bis drei Extraschichten an den Wochenenden pro Monat angefallen. Die Produktion von Serienteilen habe sieben Stunden und 30 Minuten pro Tag in Anspruch genommen. Die Tätigkeit habe er überwiegend stehend ausgeübt an laufenden Maschinen, lange mit erhobenen Armen bei regelmäßiger Staub- und Rauch- sowie Gas- und Dampfentwicklung, verbunden mit dem Tragen von Gegenständen über 30 kg und hautreizenden Arbeiten.

Auf die Tätigkeit als Lagerist sei er nicht zu verweisen. Die Tätigkeit sei schon hinsichtlich des Verdienstes mit seiner früheren Tätigkeit als Maschineneinrichter nicht vergleichbar. Daneben fehle die Vergleichbarkeit auch hinsichtlich der sozialen Wertschätzung. Die Tätigkeit im Lager sei eine bloße Anlerntätigkeit, während seine Tätigkeit zuvor eine abgeschlossene Berufsausbildung erforderlich gemacht habe.

Der Kläger ist der Ansicht:

Es liege eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit nach § 2 Abs.1 und § 2 Abs. 3 der Allgemeinen Bedingungen vor, weil er infolge seiner Erkrankung mehr als sechs Monate außerstande gewesen sei, seine vor Eintritt des Versicherungsfalls zuletzt ausgeübte Tätigkeit weiter auszuüben.

Das Schreiben der Beklagten vom 15.09.2015 sei als Anerkenntnis der Berufsunfähigkeit zu werten.

Die Beklagte wäre auch gehalten gewesen, ein Anerkenntnis zu erklären.

Der Kläger beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger aus der Berufsunfähigkeitsversicherung, Versicherungsnummer (…), Leistungen in Höhe von monatlich 1.429,42 € für den Zeitraum vom 01.November 2015 bis längstens zum 01.März 2028, zahlbar monatlich im Voraus zu bezahlen zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.429,42 € seit dem 01. November 2015, aus weiteren 1.429,42 € seit dem 01. Dezember 2015, aus weiteren 1.429,42 € seit dem 01. Januar 2016, aus weiteren 1.429,42 € seit dem 01. Februar 2016, aus weiteren 1.429,42 € seit dem 01. März 2016, aus weiteren 1.429,42 € seit dem 01. April 2016, aus weiteren 1.429,42 € seit dem 01. Mai 2016, aus weiteren 1.429,42 € seit dem 01. Juni 2016 sowie aus weiteren 1.429,42 € seit dem 01. Juli 2016.

2. Die Beklagte wird verurteilt, die an den Kläger zu zahlende Berufsunfähigkeitsrente nach § 4 Abs. 10 der dem Vertrag zugrunde liegenden Tarifbedingungen für Tarif IBU220C (50%-Klausel) (GN222098_012004) zum Ende eines jeden Versicherungsjahres, frühestens nach einem vollen Rentenbezugsjahr, zu erhöhen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von der Beitragszahlungspflicht für die Berufsunfähigkeitsversicherung, Versicherungsnummer (…), für den Zeitraum vom 01. November 2015 bis längstens zum 01. März 2028 freizustellen.

4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 150,00 € (Selbstbeteiligung) nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24. November 2015 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt, die Abweisung der Klage.

Die Beklagte erwidert: In dem Schreiben vom 15.09.2015 könne nicht die Anerkennung einer Berufsunfähigkeit gesehen werden.

Eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit habe der Kläger nicht nachgewiesen. Aus einer Arbeitsunfähigkeit könnten keine Rückschlüsse auf eine Berufsunfähigkeit gezogen werden.

Der Kläger wurde in dem Termin vom 24.02.2017 informatorisch angehört. In diesem Termin hat die Kammer außerdem Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen Markus H., Stefan M., Zeljko N. und Reinhold S. (vgl. die Sitzungsniederschrift AS 157 ff.). In dem Termin vom 29.06.2018 hat die Kammer die Zeugen Leander M., Markus H. und Margit T. uneidlich vernommen (vgl. die Sitzungsniederschrift AS 547 ff). Aufgrund eines Beweisbeschlusses vom 06.06.2017 (AS 265 ff.) hat die Kammer Beweis erhoben durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens. Auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. F. vom 23.10.2017 (AS 311), die mündliche Anhörung vom 29.06.2018 (AS 563), das ergänzende schriftliche Gutachten vom 21.08.2018 (AS 597 ff.) aufgrund des Beschlusses vom 23.07.2018 (AS 567 ff.) sowie die weitere Anhörung des Sachverständigen in dem Termin vom 11.01.2019 (AS 687 ff.) wird verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

I.

Der Kläger ist berufsunfähig im Sinne des § 2 (1) der Allgemeinen Bedingungen und hat ab dem 12.06.2014 einen Anspruch auf Zahlung der vereinbarten Berufsunfähigkeitsrente und Beitragsfreistellung.

1. Bei der Beurteilung der Berufsunfähigkeit ist auf die von dem Kläger angegebene Tätigkeitsbeschreibung abzustellen.

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt es bei der Beurteilung, ob der Versicherte bedingungsgemäß berufsunfähig geworden ist, zunächst darauf an, wie sich seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen in seiner konkreten Berufsausübung auswirken. Deshalb muss bekannt sein, wie das Arbeitsfeld des Versicherten tatsächlich beschaffen ist und welche Anforderungen es an ihn stellt. Insoweit ist es Sache desjenigen, der den Eintritt von Berufsunfähigkeit geltend machen will, hierzu substantiiert vorzutragen und im Falle des Bestreitens Beweis für sein Vorbringen anzutreten. Als Sachvortrag genügt dazu nicht die Angabe des Berufstyps und der Arbeitszeit, vielmehr muss eine ganz konkrete Arbeitsbeschreibung verlangt werden, mit der die anfallenden Tätigkeiten ihrer Art, ihres Umfangs wie ihrer Häufigkeit nach für einen Außenstehenden nachvollziehbar werden (vgl. BGH NJW-RR 2004, S. 1679 ebenda).

b) Diesen Anforderungen genügt der Sachvortrag des Klägers.

Schriftsätzlich hat er vorgetragen, im Schichtbetrieb an fünf Tagen in der Woche acht Stunden täglich an verschiedenen Maschinen Serienteile produziert zu haben. Dabei hat er Bezug genommen auf eine Arbeitsbeschreibung seines Arbeitgebers in der Anlage K 3, in der die eingesetzten Betriebsmittel, der Arbeitsplatz und der Arbeitsablauf näher beschreiben werden. Hinsichtlich der einzelnen Arbeitsschritte an den Maschinen hat er unter Bezugnahme auf seine Angaben in dem Antrag bei der Beklagten (Anl. K 4) weitere Ausführungen gemacht. Im Rahmen seiner Anhörung hat er die Angaben insbesondere hinsichtlich der einzelnen Arbeitsschritte, deren Taktung und des Bewegungsablaufs weiter präzisiert. So hat er erläutert, dass er Rohlinge in eine Maschine eingelegt habe, die dann gepresst worden seien. Diesen Vorgang habe er etwa 200 Mal in der Stunde wiederholt. Die gefertigten Teile seien dann in einem Korb gesammelt worden, der dann befüllt ein Gewicht von insgesamt 30 kg gehabt habe. Diesen Korb habe er dann in einem Radius von drei bis vier Metern bewegt und dies etwa 10 bis 14 Mal an einem Arbeitstag. Diese Tätigkeit habe er je nach Maschine im Sitzen oder Stehen ausgeführt (vgl. AS 159 f.). Beim Einlegen der Teile habe man sich nach vorne beugen müssen. Schulter und Arme seien dabei etwa in einem rechten Winkel zu den Beinen gewesen (vgl. AS 163).

2. Nach der durchgeführten Beweisaufnahme ist für die Kammer erwiesen, dass es sich bei der geschilderten Tätigkeit im Kern um diejenige handelt, die der Kläger zuletzt in gesunden Tagen ausgeübt hat.

Die Kammer geht davon aus, dass der Kläger vor seiner Erkrankung täglich wechselnd in gleichem Umfang jeweils acht Stunden an der Boley-Drehmaschine, der Röcher-Presse, der May-Presse, dem Drehbomaten, der Schuler-Presse und dem Hand-Laser-Gerät eingesetzt wurde. Die Kammer legt zugrunde, dass für den Einsatz an der Röcher-Presse, dem Drehbomaten, der Schuler-Presse, der May-Presse und der Boley-Drehmaschine die Körbe mit dem Rohmaterial bzw. dem bearbeiteten Material zwischen 20 und 30 Kilogramm wogen, dass an den Maschinen Hebemaschinen/Kräne zur Verfügung standen, um die Körbe mit dem Rohmaterial bzw. dem bearbeiteten Material zu bewegen, dass die Rohlinge, die in die Maschinen gelegt wurden, ein Gewicht von 500 bis 1.000 Gramm pro Stück aufwiesen, dass die fertigen Produkte in 30 % der Fälle in den Korb rollten und in 70 % der Fälle mit der Hand in den Korb gelegt wurden, dass, wenn die Hebemaschinen/Kräne nicht eingesetzt wurden, die Körbe mit dem Rohmaterial bzw. dem bearbeiteten Material vor und nach der Bearbeitung jeweils etwa einen Meter getragen wurden und dass dieses Umsetzen der Körbe täglich 10 bis 14 Mal erfolgte, wobei die Körbe mit den Rohlingen vom Boden geschätzt einen Meter hochgehoben und die Körbe mit dem fertigem Material auf eine neben der Maschine befindlichen Palette gestapelt wurden, dass die Tätigkeit (außer an der May-Presse) wahlweise sitzend oder mit etwas gesenktem Kopf stehend verrichtet wurde, wobei der Oberkörper beim Einlegen und Entnehmen der Rohlinge leicht nach vorne gebeugt wird, dass die Tätigkeit an der May-Presse im Sitzen in nach vorne gebeugter Körperhaltung erfolge und dass die Taktung bei jeweils 400/Stunde lag. Hinsichtlich des Einsatzes an dem Hand-Laser-Gerät geht die Kammer davon aus, dass die Tätigkeit im Stehen leicht gebückt erfolgte, dass 10 bis 14 Mal täglich Körbe mit einem Gewicht von etwa 10 Kilogramm an- und abtransportiert wurden über eine Strecke von etwa 1 Meter und dass die Taktung bei 1.000/Tag lag. Die täglichen Pausen beliefen sich auf einmal eine halbe Stunde und dreimal jeweils zehn Minuten.

a) Dabei stützt sich die Kammer insbesondere auf die Angaben des Zeugen Leander M..

Der Zeuge M. hat detailliert und widerspruchsfrei die Tätigkeit des Klägers beschrieben. Der Zeuge war bei K. Schichtführer in dem Bereich, in dem auch der Kläger zuletzt tätig war, und verfügte daher über einen guten Einblick in dessen Arbeit. Er hat unter dem 20.12.2017 eine Beschreibung der Tätigkeit des Klägers vorgelegt (vgl. Anl. K 26). Danach sei der Kläger überwiegend an Maschinen mit Einlegetätigkeit eingesetzt gewesen. Dazu hätten die May-, Schuler- und Röcher-Presse gehört. Der Kläger sei auch an dem Hand-Laser-Gerät, der Boley-Drehmaschine und dem Drehbomaten eingesetzt gewesen. Dabei würden in die Maschinen Teile mit Armvorhalt und Körperrotation, teils im Sitzen und teils im Stehen mit nach vorne gebeugter Körperhaltung eingelegt. Mehrmals täglich müssten ca. 3 bis 12 Körbe umgesetzt werden, je nach Größe der Teile mit Lasten mit 20 bis 30 kg pro Korb. Der Kläger sei zu ca. 80 bis 90 % an den Einlegeplätzen beschäftigt gewesen.

Im Termin hat der Zeuge M. die Angaben in der von ihm verfassten schriftlichen Tätigkeitsbeschreibung bestätigt (vgl. AS 549 ff.). Der Zeuge hat darüber hinaus detailliert die Arbeitsabläufe einschließlich der Körperhaltung an den einzelnen Maschinen, an denen der Kläger tätig war, beschrieben. Er hat ergänzt, dass es bei jeder Maschine so sei, dass man den Rohling links entnehme, in die Maschine lege und dann rechts wieder raus lege. Teilweise würden die fertigen Produkte in den Korb rollen und in schätzungsweise 70 % der Fälle lege man das fertige Produkt mit der Hand in den Korb (vgl. AS 549 ff).

Keine genaue Aussage zu der Tätigkeit des Klägers konnte demgegenüber der Zeuge Stefan H., Teamleiter bei K., treffen. Anlässlich seiner Vernehmung in dem Termin vom 24.02.2017 hat er auf Nachfrage konzediert, sich nicht mehr erinnern zu können, in welcher Verteilung der Kläger an den unterschiedlichen Maschinen tätig war (vgl. AS 167). In der weiteren Befragung im Termin vom 29.06.2018 hat er auf Vorhalt der Aussage des Zeugen M., der Kläger sei zu 80 bis 90 % an Einlegeplätzen tätig gewesen, hierzu nichts Genaues sagen zu können (vgl. AS 557). Auch zu weiteren Einzelheiten der Arbeit des Klägers, etwa ob dieser die Körbe hob oder einen Kran einsetzte, konnte der Zeuge H. keine Angaben machen.

b) Hinsichtlich des Bewegungsablaufs geht die Kammer davon aus, dass der Kläger die Rohlinge aus einem neben der Maschine stehenden Korb entnahm und nach dem Pressvorgang in 70 % der Fälle in den rechts neben der Maschine stehenden Korb legte und in 30 % der Fälle in den Korb rutschen ließ, wie es der Zeuge M. berichtet hat (vgl. AS 553). Dabei nimmt die Kammer an, dass die Körbe für die fertigen Teile ebenerdig auf dem Boden standen und sich nicht etwa auf gleicher Höhe mit der Maschine oder auf halber Höhe zwischen Maschine und Boden auf einem Tisch o.ä. befanden. Hinweise auf eine entsprechende Vorrichtung ergaben sich aus den Aussagen der befragten Zeugen oder des Klägers nicht. Vielmehr hat der Zeuge M. berichten, dass die Teile in den Korb „rollen“ was eine Positionierung des Korb auf dem Boden nahe legt. Der Zeuge Stefan M., der ebenfalls im ersten Halbjahr 2014 als Maschineneinrichter in dem Betrieb tätig war, hat ausgesagt, dass die Teile aus dem Korb herausgenommen worden würden und nach dem Pressvorgang in einen Korb rutschen würden (AS 171). Keiner der Zeugen hat im Zusammenhang mit der Schilderung des An- und Abtransportes der Rohlinge bzw. fertigen Teile berichtet, dass die Körbe für die fertigen Teile händisch oder mittels Kran auf eine Vorrichtung auf Höhe der Arbeitsfläche oder auf halber Höhe gehoben worden seien. Soweit der Zeuge M. ausgesagt hat, dass das gepresste Teil an der Röcher-Presse nicht händisch in den Korb befördert werde, sondern rutsche (AS 171), steht dies nicht in Widerspruch zu der Annahme, dass in 70% der Fälle die fertigen Produkte in den Korb gelegt wurden, weil die Röcher-Presse nur eine von sechs Maschinen war, an denen der Kläger arbeitete. Im Übrigen hat der Zeuge M. seine Aussage dahingehend eingeschränkt, dass es auch bei der Röcher-Presse vorkomme, dass man Teile händisch herausnehme (vgl. AS 171). Aus der Aussage der Zeugin Margit T., die mit dem Kläger in demselben Maschinenbereich zusammenarbeitete, dass sich bei der Schuler-Maschine der Korb mit den Rohlingen auf einem Ständer befunden habe und dass sich dann auf der anderen Seite ein Korb für die (bearbeiten) Rohlinge befinde (AS 561), lässt sich ebenfalls schließen, dass jedenfalls für die Körbe mit den fertigen Produkten keine besonderen Vorrichtungen existierten, sondern diese auf dem Boden standen.

Hinsichtlich der Taktung hat der Zeuge M. in Bezug auf die Röcher-Presse angegeben, dass sich der Vorgang des Hereinlegens, Pressens und Entnehmen in der Stunde 392 Mal wiederhole (vgl. AS 555). Dies entspricht der Taktung ausweislich des von dem Kläger in dem Termin vom 11.01.2019 vorgelegten Arbeitsplan für diese Maschine (AS 555) und deckt sich mit der Aussage des Zeuge M., dass der gesamte Vorgang bis zu 10 Sekunden pro Teil dauere. Diese Taktung von annähernd 400/Stunde bezieht die Kammer auch auf die Arbeit an dem Drehbomaten, der Schuler-Presse, der May-Presse und der Boley-Drehmaschine. Insoweit stützt die Kammer sich auf die Aussage des Zeugen M., dass die Arbeitsabläufe bei den Stanzpressen und dem Drehbomaten, einer Drechselbank, im Wesentlichen identisch seien (vgl. AS 551 f.). Lediglich bei dem Hand-Laser-Gerät liegt die Taktung nach Aussage des Zeugen M. bei 1.000 pro Tag (vgl. AS 551).

3. Aufgrund des eingeholten Sachverständigengutachtens steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Kläger jedenfalls seit dem 12.06.2014 krankheitsbedingt zu mehr als 50 % in seiner Fähigkeit zur Ausübung seiner Tätigkeit als Maschineneinrichter eingeschränkt ist.

a) Der von der Kammer bestellte Sachverständige Prof. Dr. F. ist als Leiter der Abteilung Wirbelsäulentherapie der orthopädischen Universitätsklinik des Saarlandes hervorragend zur Gutachtenerstattung qualifiziert. Er ist in seinem Gutachten von den zutreffenden Anknüpfungstatsachen ausgegangen. Seine Darstellungen im schriftlichen Gutachten waren ebenso wie seine Erläuterungen im Rahmen der mündlichen Anhörung in sich nachvollziehbar und schlüssig. Seine Bewertung stützt sich auf eine eingehende Befassung mit den beigezogenen Behandlungsunterlagen einschließlich der Bildgebung sowie auf eine körperliche Untersuchung des Klägers am 17.10.2017. Daher macht sich die Kammer seine Ausführungen nach eigener Prüfung auf Widerspruchsfreiheit zu Eigen.

b) In seinen schriftlichen Gutachten vom 23.10.2017 hat der Sachverständige zum Gesundheitszustand des Klägers ausgeführt, dass bei diesem ein Bandscheibenvorfall L4/L5 und L5/S1 und eine Spondylarthrose (Arthrose der kleinen Wirbelgelenke) der Lendenwirbelsäule vorliege (AS 421). Aus wirbelsäulenorthopädischer Sicht objektivierbar seien die Beschwerden, die durch die Arthrose im Bereich der kleinen Wirbelgelenke (Facetten) im Bereich der Lendenwirbelsäule hervorgerufen würden. Die geklagten Lumbalgien, insbesondere die Schmerzverstärkung bei leicht gebückter Haltung bzw. bei einer Armhaltung horizontal und überhorizontal, die die Lendenwirbelsäule in eine Verstärkung der bei dem Kläger schon feststellbaren Hyperlordose zwängen, würden die diesbezüglichen Beschwerden objektivieren. Es sei somit festzustellen, dass dem Kläger die Einnahme wirbelsäulenbelastender Zwangshaltungsmuster nicht mehr abverlangt werden könne. Hierzu würden häufiges Bücken, häufiges Knien, Arbeiten im Fersenhockensitz, Arbeiten mit starker Verwindung des Oberkörpers, Arbeiten mit Überhorizontalstellung der Arme und Arbeiten mit Kopf-in-Nacken-Stellung zählen. Was die Arbeitsschwere betreffe, sei festzuhalten, dass das Heben und Bewegen von Gegenständen bis 20 kg zumutbar sei (vgl. AS 425 f.).

c) Der Sachverständige hat in seinem schriftlichen Ergänzungsgutachten vom 21.08.2018 nachvollziehbar begründet, dass die im Zeitpunkt seiner Untersuchung am 17.10.2017 festgestellten körperlichen Beeinträchtigungen des Klägers auch am Stichtag des 12.06.2014 bestanden hätten. Hierbei stützt er sich nachvollziehbar auf die ärztlichen Befunde von Dr. S., Dr. H. und der … Klinik, die einen entsprechenden körperlichen Zustand des Klägers zeitnah zu dem Stichtag beschreiben (vgl. AS 617 f.). Mündlich angehört hat der Sachverständige ergänzt, dass ihm Kernspinaufnahmen vom 05.03.2012 und 08.10.2014 vorgelegen hätten und dass er seiner Begutachtung die zweite Kernspinaufnahme zugrunde gelegt habe, die den Zustand der Wirbelsäule zum Stichtag wiedergebe. Er habe dann im Rahmen der Begutachtung Röntgenbilder erstellen lassen, auf denen man eine weitere erhebliche Verschlechterung im Bereich der Bandscheibe und bei der Spondylarthrose sehe (vgl. AS 691 f.).

d) Zu den Auswirkungen der Erkrankung auf die oben festgestellte berufliche Tätigkeit hat der Sachverständige in dem schriftlichen Ergänzungsgutachten ausgeführt, dass der Umstand, dass die bearbeiteten Rohlinge in 70% der Fälle mit der Hand in den Korb gelegt werden müssten, Momente beinhalte, die als nicht mehr zumutbar aufschienen. Ein ständiges Verdrehen und Verwinden des Oberkörpers sei aufgrund der Wirbelsäulenerkrankung dem Kläger nicht mehr abzuverlangen. Unter der Voraussetzung, dass die fertigen Teile in 70 % der Fälle in den Korb gelegt werden müssten bei einer Taktung von 300 bis 400 Stück pro Stunde, sei festzustellen, dass der Kläger sich bei dem Hineinlegen der Teile in den Korb circa 280 Mal pro Stunde beugen und verwinden müsse. Vor dem Hintergrund seiner wirbelsäulenbelastenden Tätigkeit sie ihm dies jedoch zu 100 % nicht mehr zumutbar (vgl. AS 621)

Hinsichtlich des händischen Bewegens von Körben, welches 10 bis 14 Mal täglich erfolge, sei festzustellen, dass dieses unter der Voraussetzung, dass diese nur 20 kg wögen, keine Einschränkung zu sehen sei. Bei Gewichten über 20 kg sei dies entsprechend dem festgestellten Wirbelsäulenleiden nicht mehr zumutbar (vgl. AS 623).

Bezüglich des Einsatzes an dem Hand-Laser-Gerät sei auszuführen, dass eine Tätigkeit im Stehen in leicht gebückter Haltung eine ungünstige, die Wirbelsäule überlastende Zwangshaltung darstelle, die nicht mehr zumutbar sei. Bei einer Taktung von 1.000/Tag und unter der Voraussetzung, dass die Körbe ebenerdig positioniert seien, d.h. unter der Voraussetzung, dass zum Ablegen der Werkstücke in den Korb wiederum ein Beugen und Verdrehen des Oberkörpers notwendig sei, sei festzustellen, dass auch hier viele hundert Male pro Tag eine solche Beuge-/Verdrehbewegung des Oberkörpers abverlangt werde, die dem Kläger nicht mehr zumutbar sei. Die repetitive ständige Flexions-, Lateralneigungs- und Rotationsbelastung sei ihm aufgrund der Erkrankung im Bereich der Lendenwirbelsäule nicht mehr abzuverlangen, da eine solche repetitive Bewegung zu Beschwerdeexazerbation führe (vgl. AS 625 f.). Insofern sei festzustellen, dass der Kläger als zu 100% nicht mehr in der Lage erachtet werden müsse, die beschriebenen Tätigkeiten an der Boley-Drehmaschine, der Röcher-Presse, der May-Presse, dem Drehbomaten und der Schuler-Presse sowie dem Hand-Laser-Gerät auszuüben. Demnach sei er spätestens seit dem 12.06.2014 außer Stande gewesen, seine zuletzt in gesunden Tagen ausgeübte Tätigkeit noch zu 50 % zu erbringen (vgl. AS 627).

Bei seiner mündlichen Anhörung am 11.01.2019 hat der Sachverständige vertiefend erläutert, dass 280 Verwindungen in der Stunde zu einer ständigen Überlastung und Überreizung der kleinen Facettengelenke der Wirbelsäule führen würden. Bei einer vorgeschädigten Wirbelsäule wie der des Klägers träten nach kurzer Zeit zunehmend Schmerzen auf und die Verrichtung der Tätigkeit sei nicht mehr zumutbar. Dabei summiere sich der Reizzustand trotz Pausen (vgl. AS 689).

e) Mit seinen Ausführungen konnte der Sachverständige für die Kammer überzeugend begründen, dass der Kläger seit dem 12.06.2014 nicht mehr in der Lage ist, seine zuletzt in gesunden Tagen ausgeübte berufliche Tätigkeit wahrzunehmen.

Er hat anschaulich dargestellt, dass die Tätigkeit an den Pressen, dem Drehbomaten und dem Hand-Laser-Gerät beim Einlegen der fertigen Produkte in den ebenerdig stehenden Korb mit einer Zahl von Verwindungen des Oberkörpers pro Stunde einhergeht, die dem Kläger wegen der damit verbundenen Reizung und Überlastung der Facettengelenke der Wirbelsäule nicht mehr abverlangt werden kann. Bereits diese wiederholten Verwindungen des Oberkörpers führen dazu, dass dem Kläger die Tätigkeit nicht mehr zumutbar ist. Die Einschätzung des Sachverständigen, dass dem Kläger die Einnahme wirbelsäulenbelastende Zwangshaltungsmuster wegen der dadurch verursachten Schmerzverstärkung nicht mehr zumutbar ist, deckt sich auch mit den Beurteilungen in dem ärztlichen Entlassungsbericht der … Klinik vom 21.07.2014, in dem entsprechende Einschränkungen beschrieben sind. Auch in dem von Dr. H. am 19.03.2015 erstellten Sozialmedizinischen Leistungsbild wurde die Ausführung von Rotationen als negativ eingestuft. Es leuchtet der Kammer auch ein, dass bei einem ohnehin bestehenden Wirbelsäulenleiden die Ausübung repetitiver wirbelsäulenbelastender Verrichtungen zu einer weiteren Verschlechterung der Schmerzsituation führt. Auf die Fragen, wie oft der Kläger täglich Körbe mit Rohlingen und Fertigteilen mit einem ihm nicht mehr zumutbaren Gewicht von über 20 kg bewegte, und ob er alternativ auf den Einsatz zur Verfügung stehender Kräne hätte zurückgreifen können oder sollen, kommt es nicht mehr entscheidend an.

f) Dass der Kläger selbst nicht explizit von einem Verwinden des Oberkörpers beim Einlegen der fertigen Produkte in den Korb berichtet hat, ist dabei unschädlich.

aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat sich nach allgemeinem Grundsatz eine Partei die bei einer Beweisaufnahme zutage tretenden ihr günstigen Umstände regelmäßig zumindest hilfsweise zu Eigen macht (vgl. BGH, Beschluss vom 05.07.2017 – IV ZR 508/14 –, juris Rn. 23).

bb) Vorliegend hat der Zeuge M., wie bereits ausgeführt, detailliert die Tätigkeit des Klägers beschrieben und dabei auch berichtet, in welcher Taktung dieser die fertigen Produkte in einen neben der entsprechenden Maschine befindlichen Korb legte. Dass das Einlegen der Teile in stehender oder sitzender Haltung in einen ebenerdig positionierten Korb mit dem von dem Sachverständigen beschriebenen Verwinden des Oberkörpers einhergeht, folgt aus der Tätigkeitsbeschreibung des Zeugen. Die für den Kläger günstige Aussage des Zeugen war damit nach den Maßstäben der oben zitierten Rechtsprechung zu berücksichtigen.

4. Die Beklagte darf den Kläger auch nicht auf seine derzeit ausgeübte Tätigkeit als Lagerist verweisen.

a) Nach § 2 (1) in Verbindung mit (4) der Allgemeinen Bedingungen liegt eine Berufsunfähigkeit nur vor, wenn die versicherte Person keine andere Tätigkeit ausübt, die aufgrund ihrer Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht. Hierzu bedarf es eines konkreten Vergleichs der Anforderungsprofile der zuletzt ausgeübten Tätigkeit mit der aufgezeigten Verweisungstätigkeit (vgl. OLG Karlsruhe r + s 2008, S. 251 ebenda m.w.N.).

Übt der Versicherungsnehmer eine vom Versicherer als Vergleichsberuf in Anspruch genommene Tätigkeit schon tatsächlich aus, hat er – und nicht sein Versicherer –Kenntnis davon, welche Anforderungen diese im Einzelnen an ihn stellt. In einem solchen Falle genügt es daher nicht, wenn der Versicherungsnehmer die Vergleichbarkeit der anderen Tätigkeit nur summarisch bestreitet, vielmehr obliegt es ihm von Anfang an vorzutragen – und erforderlichenfalls zu beweisen –, dass und warum er diese Tätigkeit nicht ausüben kann oder warum sie sonst den bedingungsgemäßen Anforderungen an eine Vergleichstätigkeit nicht genügt (vgl. BGH NJW-RR 2000, S. 691 [692]).

b) Vorliegend ist für die Kammer erwiesen, dass die ausgeübte Tätigkeit als Lagerist kein Verweisungsberuf ist. Eine Gesamtbetrachtung zeigt, dass sie sich im Hinblick auf die Entlohnung, die erforderliche Qualifikation, Aufstiegsmöglichkeiten sowie den Anspruch der Tätigkeit derart von der Tätigkeit eines Maschineneinrichters unterscheidet, dass eine Verweisung ausscheidet.

Hiervon ist die Kammer insbesondere nach der Vernehmung des Zeugen Reinhold S., des Personalreferenten bei K., überzeugt.

Gegen eine Verweisbarkeit spricht zunächst, dass die Tätigkeit eines Lageristen für den Kläger eine Einkommenseinbuße von etwa 30 % bedeutet. Während der Verdienst des Klägers als Maschineneinrichter in der Entgeltgruppe 7 nach Aussage des Zeugen S. (AS 181) bei brutto 3.645,05 € zuzüglich Schichtzulagen in Höhe von circa 18 %, also rund 4.300 € lag, beläuft sich sein Verdienst in der drei Gruppen niedriger dotierten Entgeltgruppe 4 seit dem 01.11.2015 auf einen Betrag 3.434,97 €, in dem noch ein Ausgleichsbetrag in Höhe von 462,00 € enthalten ist, der abgeschmolzen wird. Danach ergibt sich für den Kläger eine Einkommensdifferenz von etwa 1.300 € bzw. 30%. Bereits diese deutliche Verschlechterung der Einkommenssituation wird sich spürbar negativ auf die Lebenssituation des Klägers, der verheiratet und Vater zweier Kinder ist (vgl. den Lebenslauf im Anlagenkonvolut B 4), auswirken und lässt die Vergleichbarkeit der Tätigkeit entfallen.

Gegen eine Vergleichbarkeit der Tätigkeit eines Lageristen spricht auch das unterschiedliche Anforderungsprofil. Während für die Tätigkeit eines Maschineneinrichters ein qualifizierter Abschluss wie eine dreieinhalbjährige Ausbildung als Industriemechaniker benötigt wird, stellt die Arbeit als Lagerist eine reine Anlerntätigkeit dar, die keine spezielle Ausbildung erfordert (vgl. die Aussage des Zeugen S. AS 181).

Der qualitative Unterschied wird auch anhand der von dem Zeugen S. vorgelegten Tätigkeitsbeschreibungen für einen Maschineneinrichter einerseits (vgl. AS 185) und einen Lageristen andererseits (vgl. AS 187) deutlich. So umfasst die Tätigkeit eines Maschineneinrichters neben der bloßen Bedienung auch vorbereitende organisatorische Aufgaben wie den Wechsel von Werkzeugen, die Korrektur der Einstelldaten bei Maßabweichung sowie Wartungs- und Reinigungsarbeiten. Hinzu tritt eine Überprüfung der Qualität der gefertigten Teile mit entsprechender Dokumentation. Hiervon unterscheidet sich Breite und Niveau der Aufgaben eines Lageristen, die im Wesentlichen in der Erfassung und Lagerung von Waren besteht.

Hinzu kommt, dass der Kläger sich in seiner annähernd 13-jährigen Tätigkeit bei K. als Maschineneinrichter eine Berufserfahrung aneignen konnte, die ihm ein selbständiges Arbeiten ermöglichte, das sich von der Tätigkeit eines Lageristen, die eher den Rang eines „Hilfsarbeiters“ hat, deutlich abhob.

Ausdruck des geringeren Prestiges der Tätigkeit eines Lageristen ist außerdem der Umstand, dass es nach Aussage des Zeugen S. wenig Beförderungsmöglichkeiten gibt. Im Unterschied hierzu eröffnete die frühere Tätigkeit des Klägers die Möglichkeit einer Beförderung zum Vorabeiter sowie Einkommenssteigerungen um bis zu drei Lohngruppen (vgl. AS 181).

5. Die für den Zeitraum ab 01.11.2015 monatlich zu zahlende Berufsunfähigkeitsrente beläuft sich auf 1.429,42 € (Klageantrag Ziffer 1).

Der Zinsanspruch folgt aus § 288 Abs. 1 Sätze 1 und 2, 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3 BGB. Die Beklagte befand sich mit der Nichtleistung der Berufsunfähigkeitsrente erst mit der endgültigen Leistungsverweigerung mit Schreiben vom 18.03.2016 (Anl. B 6) ab dem 19.03.2016 in Verzug.

6. Der Anspruch auf jährliche Steigerung der Berufsunfähigkeitsrente folgt aus § 4 (10) der Tarifbedingungen (Klageantrag Ziffer 2).

7. Der Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Freistellung von der Beitragszahlungspflicht für die Berufsunfähigkeitsversicherung während der Berufsunfähigkeit folgt aus § 2 (1) Satz 1 der Tarifbedingungen (Klageantrag Ziffer 3).

8. Ein Anspruch des Klägers auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten gemäß § 280 Abs. 1 und 2, 286 Abs. 1 Satz 1 BGB in Höhe der Selbstbeteiligung von 150,00 € (Klageantrag Ziffer 4) besteht nicht.

a) Rechtsverfolgungskosten sind als adäquat verursachte Verzugsfolge zu erstatten, wenn sie – nach Eintritt des Verzugs – aus Sicht des Forderungsgläubigers zur Wahrnehmung und Durchsetzung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren (vgl. BGH NJW 2015, S. 3782 [3784 Rn. 33]).

b) Danach kann der Kläger die Kosten für die anwaltliche Tätigkeit seines Prozessbevollmächtigten in dem Zeitraum vom 27.01. bis 13.11.2015 (vgl. die Vorschussanforderung Anl. K 24) nicht ersetzt verlangen, da die Beklagte sich im Zeitpunkt der Beauftragung des klägerischen Rechtsanwaltes nicht in Verzug befand (siehe oben I.5).

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 Var. 1 ZPO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Satz 2 ZPO.

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