OLG Karlsruhe – Az.: 9 U 138/10 -Urteil vom 23.05.2012
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Offenburg vom 09.09.2010 – 1 O 74/07 – wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann eine Vollstreckung des Klägers abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger macht gegen die Beklagte Ansprüche aus einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung geltend.
Im Jahr 1996 schloss der Kläger bei der Beklagten eine Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung ab. Maßgeblich waren der Antrag vom 12.02.1996 (I, 485/487) und die Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung der Beklagten 11/1995 (Anlagenheft der Beklagten II). Die Parteien vereinbarten eine Lebensversicherungssumme von 30.000,00 DM mit einem dynamischen Beitrag und einer dynamischen Versicherungssumme. In der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung wurden eine Beitragsbefreiung und eine Rente in einer bestimmten Höhe für den Fall der Berufsunfähigkeit vereinbart. Bei den Versicherungsleistungen der Beklagten sollten zudem Überschussanteile berücksichtigt werden, die sich im Laufe der Jahre ergaben.
Die maßgeblichen Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (im Folgenden abgekürzt: BUZVB) enthalten unter anderem folgende Regelungen:
§ 1:
Was ist Berufsunfähigkeit im Sinne dieser Bedingungen?
Abs. 1:
Berufsunfähigkeit im Sinne dieser Bedingungen liegt vor, wenn die versicherte Person in Folge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich dauernd
a) zu mindestens 50 % außer Stande ist, ihren Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die auf Grund ihrer Kenntnisse und Fähigkeiten ausgeübt werden kann und ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht,
b) …
…
§ 7:
Wann geben wir eine Erklärung über unsere Leistungspflicht ab?
Abs. 1:
Nach Prüfung der uns eingereichten sowie der von uns beigezogenen Unterlagen erklären wir, ob und für welchen Zeitraum wir eine Leistungspflicht anerkennen.
Abs. 2:
…
§ 9:
Was gilt für die Nachprüfung der Berufsunfähigkeit?
Abs. 1:
Wir sind berechtigt, das Fortbestehen der Berufsunfähigkeit nachzuprüfen. Dies gilt auch für zeitlich begrenzte Anerkenntnisse nach § 7. Dabei können wir insbesondere erneut prüfen, ob die versicherte Person eine andere Tätigkeit im Sinne von § 1 Abs. 1 a) oder Abs. 3 ausüben kann, wobei neu erworbene Kenntnisse und Fähigkeiten zu berücksichtigen sind.
…
Abs. 4:
Ist die Berufsunfähigkeit weggefallen, stellen wir unsere Berufsunfähigkeitsleistungen ein. Die Einstellung teilen wir dem Anspruchsberechtigten unter Hinweis auf seine Rechte aus § 8 mit.
Sie wird nicht vor Ablauf eines Monats nach Absenden dieser Mitteilung wirksam, frühestens jedoch zu Beginn des darauf folgenden Monats.
Der Kläger übte bis Anfang 2003 den Beruf eines Stuckateurs mit dreijähriger Berufsausbildung aus. Im Januar 2003 erlitt er zwei Bandscheibenvorfälle, infolge derer er nicht mehr in seinem erlernten Beruf tätig sein konnte. Die Beklagte erkannte mit Schreiben vom 14.07.2003 (Anlage BB3), die Berufsunfähigkeit an und zahlte ab dem 01.02.2003 eine monatliche Rente in Höhe von 406,60 €.
Der Kläger absolvierte in der Folgezeit eine Umschulung zum Bürokaufmann, die er im Juli 2005 erfolgreich abschloss. Seit dem 25.07.2005 – also unmittelbar nach Beendigung der Umschulung – ist der Kläger als Mitarbeiter der S. AG in D. bei F. im Bereich Auftragsannahme/Lagerist/Töner tätig. Der Arbeitsvertrag vom 10.08.2005 war zunächst bis zum 16.09.2005 befristet. Nach mehrfachen Verlängerungen der Befristung ist der Kläger seit dem 25.07.2007 in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis tätig; der Aufgabenbereich des Klägers hat sich seit dem 25.07.2005 nicht verändert.
Im Sommer 2005 leitete die Beklagte ein Nachprüfungsverfahren ein, in welchem sie prüfte, ob die Voraussetzungen für die Berufsunfähigkeitsrente weiter vorlagen. Die von der Beklagten gestellten Fragen beantwortete der Kläger am 08.09.2005 in einem Fragebogen „Selbstauskunft zur Nachprüfung der Berufsunfähigkeit“ (II, 167 ff). Der Kläger wies hierbei insbesondere auf die abgeschlossene Umschulung zum Bürokaufmann und die begonnene Tätigkeit bei der S. AG hin. Mit Schreiben vom 28.10.2005 erklärte die Beklagte daraufhin:
Sehr geehrter Herr B., aufgrund der uns vorliegenden Unterlagen erkennen wir unsere Leistungen aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung weiterhin im bisherigen Umfang an.
Das Recht auf Nachprüfung gemäß den dem Vertrag zugrunde liegenden Bedingungen behalten wir uns vor.
Eine Besserung Ihres Gesundheitszustandes oder eine Änderung Ihrer beruflichen Tätigkeit teilen Sie uns bitte mit.
Mit freundlichen Grüßen
Im Jahr 2007 leitete die Beklagte erneut ein Nachprüfungsverfahren ein. Dieses führte zu einem Schreiben vom 06.07.2007 (Anlage K 1), mit welchem die Beklagte erklärte, sie werde die Leistungen aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung ab dem 01.09.2007 einstellen. Denn das Einkommen des Klägers habe sich seit der Weiteranerkennung vom 28.10.2005 verbessert, so dass er nicht mehr als berufsunfähig im Sinne von § 1 Abs. 1a) BUZVB anzusehen sei.
Mit seiner Klage hat der Kläger eine Weiterzahlung der Berufsunfähigkeitsrente für die Zeit ab dem 01.09.2007 in Höhe von jeweils monatlich 406,60 € verlangt. Außerdem hat er die Rückzahlung von Versicherungsbeiträgen für die Zeit von September bis November 2007 geltend gemacht, da er in dieser Zeit wegen der Berufsunfähigkeit weiterhin von der Beitragszahlung befreit gewesen sei.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie sei zu weiteren Leistungen an den Kläger nicht mehr verpflichtet, da dieser nicht mehr berufsunfähig sei. Zum einen übe der Kläger seit dem 25.07.2005 bei der S. AG eine Tätigkeit aus, die seiner früheren Lebensstellung entspreche. Zum anderen hat die Beklagte eine abstrakte Verweisung auf eine Vergleichstätigkeit geltend gemacht. Auf Grund der im Sommer 2005 abgeschlossenen Umschulung zum Bürokaufmann sei es ihm möglich, auch eine höherwertige Bürotätigkeit, bei der er auch ein höheres Einkommen erzielen könne, auszuüben.
Das Landgericht hat die Beklagte mit Urteil vom 09.09.2010 antragsgemäß wie folgt verurteilt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.605,90 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 406,60 € seit dem 02.09., 02.10. und 02.11.2007 und aus weiteren 386,10 € seit 04.12.2007 zu bezahlen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger ab 01.12.2007 und für die Dauer der Berufsunfähigkeit bis längstens zum Vertragsende monatlich im Voraus eine Berufsunfähigkeitsrente von 406,60 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem zweiten des jeweiligen Folgemonats zu zahlen.
3. Es wird festgestellt, dass der zwischen den Parteien geschlossene Lebensversicherungsvertrag samt Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung mit der Nummer … ab dem 01.12.2007 für die Dauer der Berufsunfähigkeit bis längstens zum Vertragsende beitragsfrei ist.
Das Landgericht hat ausgeführt, die Beklagte sei auch in der Zeit ab September 2007 zu Leistungen aus der Berufsunfähigkeit-Zusatzversicherung verpflichtet. An der Berufsunfähigkeit des Klägers habe sich nichts geändert. Die Beklagte könne sich gegenüber dem Kläger weder auf eine konkrete Verweisung auf eine Vergleichstätigkeit noch auf eine abstrakte Verweisung berufen. Nach der durchgeführten Beweisaufnahme (vgl. insbesondere die Gutachten des Sachverständigen N. I 193 ff. und I 499 ff.) stehe fest, dass die derzeitige Tätigkeit des Klägers bei der … AG nicht im Sinne von § 1 Abs. 1 a) BUZVB mit der früheren Tätigkeit vergleichbar sei. Bei einer anderweitigen Tätigkeit als Bürokaufmann müsse der Kläger mit einem deutlich geringeren Einkommen rechnen. Außerdem habe er sich erfolglos um entsprechende Arbeitsplätze bemüht. Daher könne sich die Beklagte auch nicht auf eine abstrakte Verweisung im Sinne von § 1 Abs. 1 a) BUZVB berufen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie ist der Auffassung, sie könne sich seit September 2007 sowohl auf eine konkrete Verweisung als auch auf eine abstrakte Verweisung im Sinne von § 1 Abs. 1 a) BUZVB berufen. Der Kläger sei zum einen im Hinblick auf seine derzeitige Tätigkeit bei der S. AG nicht mehr berufsunfähig (konkrete Verweisung). Wenn man diese Bewertung nicht teilen würde, wäre dem Kläger zumindest entgegenzuhalten, dass er bei zumutbaren Bemühungen um eine andere Stelle eine im Sinne von § 1 Abs. 1 a) BUZVB vergleichbare Berufstätigkeit als Bürokaufmann finden könne (abstrakte Verweisung).
Die Beklagte meint, in den für ihre Leistungspflicht maßgeblichen Umständen sei eine nachträgliche Veränderung eingetreten. Bei der Prüfung, einer möglichen Veränderung sei ein Vergleich mit den Verhältnissen zum Zeitpunkt des Anerkenntnis-Schreibens vom 14.07.2003 (Anlage BB3) erforderlich. Die Beklagte könnte sich auch insoweit auf eine nachträgliche Veränderung berufen, als diese schon im ersten Nachprüfungsverfahren, also vor dem Schreiben vom 28.10.2005, hätte geltend gemacht werden können. Durch das Schreiben vom 28.10.2005 (II, 165) habe sich die Beklagte nicht die Möglichkeit genommen, später ihre Leistungen doch noch wegen einer bereits eingetretenen Veränderung der Verhältnisse einzustellen. Hilfsweise beruft sich die Beklagte darauf, dass nach dem 28.10.2005 maßgebliche Veränderungen eingetreten seien. Auf die bei der Firma S. AG ausgeübte Tätigkeit habe sie den Kläger erst im Jahr 2007 verweisen können. Denn zum einen sei das Arbeitsverhältnis vorher befristet gewesen, und zum anderen habe der Kläger erst im Jahr 2007 ein vergleichbares Einkommen erzielt, wie früher als Stuckateur.
Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Offenburg vom 09.09.2010 – 1 O 74/07 – die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt das Urteil des Landgerichts und ergänzt und vertieft seinen erstinstanzlichen Vortrag.
Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
II.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Sie ist entsprechend den Anträgen des Klägers auch in der Zeit ab September 2007 zu Leistungen aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung verpflichtet.
1. Dem Kläger steht wegen seiner Berufsunfähigkeit für die Zeit von September bis November 2007 ein Zahlungsanspruch in Höhe von 1.219,80 € gegen die Beklagte zu.
a) Maßgeblich für die Verpflichtungen der Beklagten sind die vertraglichen Vereinbarungen, die sich zum einen ergeben aus dem vorgelegten Versicherungsantrag (I, 485/487) und zum anderen aus den BUZVB (Anlagenheft II der Beklagten).
b) Auf das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien finden die Bestimmungen des Versicherungsvertragsgesetzes Anwendung in der Fassung bis zum 31.12.2007. Dies ergibt sich aus Art. 1 Abs. 1, 2 EGVVG. Daher sind die neuen gesetzlichen Bestimmungen für die Berufsunfähigkeitsversicherung (§ 172 ff. VVG) auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar.
c) Die Parteien haben nach dem vorgelegten Antrag eine Geltung des Tarifes IR der Beklagten (Beitragsbefreiung und Berufsunfähigkeitsrente) vereinbart. Dem Kläger steht in der Zeit ab September 2007 eine Monatsrente in Höhe von mindestens 406,60 € zu. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass sich auf Grund der dynamischen Versicherung und der Berücksichtigung von Überschussanteilen in der maßgeblichen Zeit eine Rente mindestens in dieser Höhe ergibt. Ob und inwieweit die Beklagte einen höheren monatlichen Betrag schuldet, kann dahinstehen, da der Kläger im Rechtstreit nur 406,60 € monatlich geltend macht.
d) Der Kläger ist berufsunfähig im Sinne von § 1 Abs. 1 a) BUZVB. Die Berufsunfähigkeit steht mit Bindungswirkung zwischen den Parteien fest auf Grund der Anerkennungserklärungen der Beklagten, welche diese gemäß § 7 Abs. 1 BUZVB am 14.07.2003 und am 28.10.2005 abgegeben hat. Die Anerkennungserklärungen sind bindend und wirken für die Zukunft, also auch für die Zeit ab dem 01.09.2007. Auf Grund der Anerkennung durch die Beklagte kommt eine Prüfung der tatsächlichen Voraussetzungen der Berufsunfähigkeit im Sinne von § 1 Abs. 1 a) BUZVB im Rechtstreit nicht mehr in Betracht. Dies gilt auch für die Frage, ob dem Kläger (konkret oder abstrakt) eine Vergleichstätigkeit möglich ist, soweit eine solche Möglichkeit schon zum Zeitpunkt der Anerkennung bestand. (Vgl. zur Wirkung von Anerkenntnis-Erklärungen in der Berufsunfähigkeitsversicherung bei entsprechenden Versicherungsbedingungen BGH, NJW 1993, 1532; BGH, NJW-RR 2000, 550; Benkel/Hirschberg, Lebens- und Berufsunfähigkeitsversicherung 2. Aufl. 2011, § 6 BUZ 2008, Rdnr. 9 ff..)
2. Allerdings kann sich die Beklagte nachträglich auf eine Verweisungsmöglichkeit (Zumutbarkeit einer anderen Tätigkeit) berufen, wenn die Voraussetzungen gemäß § 9 Abs. 4 BUZVB in einem sogenannten Nachprüfungsverfahren festgestellt werden. Erforderlich ist zum einen eine wirksame Änderungsmitteilung, in welcher die maßgebliche Veränderung nachvollziehbar dargestellt wird (vgl. zu den Anforderungen an eine Änderungsmitteilung BGH, NJW 1993, 1532; BGH NJW-RR 2000, 550). Zum anderen ist die Verweisung auf eine andere zumutbare berufliche Tätigkeit nur dann möglich, wenn die (abstrakte oder konkrete) Verweisungsmöglichkeit nach dem (letzten) maßgeblichen Anerkenntnis der Beklagten im Sinne von § 7 Abs. 1 BUZVB eingetreten ist. Eine Berufung auf eine Verweisungsmöglichkeit, die bereits zum Zeitpunkt des Anerkenntnisses gegeben war, ist der Beklagten hingegen abgeschnitten. (Vgl. zu den Voraussetzungen einer Nachprüfungsentscheidung bei gleichartigen Versicherungsbedingungen in der Berufsunfähigkeit BGH, NJW 1993, 1532; BGH, NJW-RR 2000, 550; Benkel/Hirschberg, a.a.O..)
Maßgeblich ist im vorliegenden Fall die Anerkennung im Schreiben der Beklagten vom 28.10.2005 (II, 165). In diesem Schreiben hat die Beklagte ihre Verpflichtung – erneut – im Sinne von § 7 Abs. 1 BUZVB anerkannt. Die Formulierung im Schreiben der Beklagten („…erkennen wir unsere Leistungen aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung weiterhin im bisherigen Umfang an“) ist eindeutig. Dass die Beklagte selbst von einem wirksamen Anerkenntnis gegenüber dem Kläger ausging, ergibt sich zudem aus den beiden Schreiben der Beklagten vom 05.07.2007 (II, 163) und vom 06.07.2007 (Anlage K 1). In diesen Schreiben nimmt die Beklagte Bezug auf die „Weiteranerkennung“ vom 28.10.2005 und beruft sich – im Hinblick auf § 9 Abs. 4 BUZVB – auf verbesserte Einkommensverhältnisse des Klägers nach dem 28.10.2005. Aus der Formulierung ergibt sich, dass die Beklagte selbst in diesem zweiten Nachprüfungsverfahren von einer grundsätzlich bindenden „Weiteranerkennung“ vom 28.10.2005 ausging.
Die Beklagte weist zwar zutreffend darauf hin, dass sie im ersten Nachprüfungsverfahren im Jahr 2005 in formeller Hinsicht nicht gezwungen war, erneut eine Anerkennungserklärung abzugeben. Wenn sie bei der Überprüfung im Jahr 2005 zu dem Ergebnis kam, dass keine Gründe für eine Einstellung der Rente vorlagen, hätte sie auch die Möglichkeit gehabt, dem Kläger lediglich mitzuteilen, dass derzeit kein Anlass für eine Einstellung der Rente bestehe, ohne erneut ein Anerkenntnis auszusprechen. In diesem Fall wären im Jahr 2005 keine Anerkenntnis-Wirkungen eingetreten, mit der Konsequenz, dass sich die Beklagte im Jahr 2007 auf eine Veränderung gegenüber der früheren Anerkenntnis-Erklärung im Jahr 2003 hätte berufen können (vgl. zu einem solchen Fall BGH, NJW-RR 2008, 626). Die Beklagte hat im Jahr 2005 jedoch einen anderen Weg gewählt; daher muss sie sich an der Wirkung des im ersten Nachprüfungsverfahren im Jahr 2005 abgegebenen Anerkenntnisses festhalten lassen.
Für die Bindungswirkung der Anerkennungserklärung spielt es im Übrigen keine Rolle, von welchem Sachverhalt die Beklagte am 28.10.2005 ausgegangen ist. Die vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Parteien sehen keinen Vorbehalt vor für den Fall, dass die Beklagte beispielsweise von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen wäre. Die Bindungswirkung einer Anerkennung der Berufsunfähigkeit wird auch bei eventuellen Willensmängeln grundsätzlich nicht durchbrochen (vgl. hierzu Lücke in Prölss/Martin, VVG, 28. Auflage 2010, § 174 VVG, Rn. 5 ff.).
3. Die Berufung auf eine abstrakte Verweisung auf den Beruf eines Bürokaufmannes ist der Beklagten abgeschnitten. Denn es ist insoweit keine nachträgliche Veränderung seit dem bindenden Anerkenntnis vom 28.10.2005 ersichtlich. Sofern man – entsprechend der Auffassung der Beklagten – davon ausgehen würde, dass der Kläger nach seiner Umschulung eine im Sinne von § 1 Abs. 1 a) BUZVB vergleichbare Tätigkeit als Bürokaufmann ausüben könnte, bestand diese (abstrakte) Möglichkeit bereits bei Ende der Umschulung. Der Kläger hat seine Umschulung bereits im Juli 2005 beendet, so dass – eine abstrakte Verweisungsmöglichkeit unterstellt – diese jedenfalls auch schon zum Zeitpunkt der Anerkennung vom 28.10.2005 bestand. Dass sich in der Zeit nach dem 28.10.2005 in der für die Berufsunfähigkeit maßgeblichen Beurteilung etwas geändert hätte, ist nicht ersichtlich und von der Beklagten nicht geltend gemacht. Dies gilt insbesondere für eventuelle Bemühungen des Klägers um einen geeigneten Arbeitsplatz als Bürokaufmann (vgl. zu den Bemühungen um einen vergleichbaren Arbeitsplatz bei einer abstrakten Verweisung BGH, NJW-RR 2000, 550). Der Kläger hat sich unstreitig jedenfalls ab seinem Arbeitsbeginn bei der S. AG (25.07.2005) nicht mehr um einen anderweitigen Arbeitsplatz als Bürokaufmann bemüht. Ob und inwieweit ihm Bemühungen zumutbar gewesen wären, kann dahinstehen. Denn wenn solche Bemühungen im Hinblick auf die Frage der Berufsunfähigkeit erforderlich gewesen wären (vgl. hierzu BGH a. a. O.), wäre hiervon bereits für den Zeitpunkt der Anerkennung am 28.10.2005 auszugehen. Da die Beklagte für die Zeit nach dem 28.10.2005 keine Veränderungen geltend gemacht hat, die für eine abstrakte Verweisung relevant sein könnten, kann sie sich im Hinblick auf ihre bindende Anerkennung nicht auf eine – mögliche – abstrakte Verweisung berufen (vgl. hierzu auch BGH, NJW 2011, 1736).
4. Auch eine konkrete Verweisung des Klägers auf die ausgeübte Tätigkeit bei der S. AG ist der Beklagten verwehrt. In der Änderungsmitteilung vom 06.07.2007 (Anlage K 1) hat sich die Beklagte darauf berufen, das Einkommen des Klägers habe sich seit der Weiteranerkennung vom 28.10.2005 soweit verbessert, dass nunmehr die ausgeübte Tätigkeit mit der früheren Tätigkeit als Stuckateur vergleichbar sei. Es kann letztlich dahinstehen, ob die Einkommenssteigerung zwischen 2005 und 2007 (von 2.214,00 € brutto monatlich auf ca. 2.500,00 € brutto monatlich) von Relevanz ist. Ebenso kann dahinstehen, ob die Änderungsmitteilung vom 06.07.2007 formell ordnungsgemäß ist, da die Beklagte in diesem Schreiben die Einkommenssteigerung zwischen 2005 und 2007 nicht konkret darstellt, sondern lediglich auf einen Vergleich mit dem früheren Einkommen als Stuckateur im Jahr 2002 Bezug nimmt. Denn in jedem Fall ließ die vom Kläger ausgeübte Tätigkeit auch im Jahr 2007 die Berufsunfähigkeit nicht entfallen. Die – gleich gebliebene – Tätigkeit des Klägers bei der S. AG im Bereich Auftragsannahme/Lagerist/Töner war dem Beklagten, wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, nicht im Sinne von § 1 Abs. 1 a zumutbar; sie entsprach nicht seiner „bisherigen Lebensstellung“.
a) Bei der Frage, ob ein Beruf der bisherigen Lebensstellung des Versicherten entspricht, kommt es vor allem auf die soziale Wertschätzung an, die dem Beruf entgegengebracht wird. Denn die Berufsunfähigkeitsversicherung soll dazu beitragen, dass der Versicherte seine bisherige wirtschaftliche und soziale Stellung beibehalten kann. Für den Vergleich einer bestimmten Tätigkeit mit dem früher ausgeübten Beruf kommt es auf die Umstände des Einzelfalles an. Es ist insbesondere zu prüfen, welche Ausbildung für eine bestimmte Tätigkeit erforderlich ist, welche Kenntnisse und Fähigkeiten ein Beruf erfordert, welche Verdienst- und Aufstiegsmöglichkeiten gegeben sind, und inwieweit der Versicherte in der Planung und Gestaltung seiner Arbeit Freiräume besitzt oder selbstständig handeln kann (vgl. zu den Kriterien ausführlich Benkel/Hirschberg, a.a.O., § 2 BUZ 2008, Rn. 97 ff.).
b) Die soziale Wertschätzung für den früher vom Kläger ausgeübten Beruf eines Stuckateurs ist mit der Wertschätzung für den jetzt ausgeübten Beruf als Mitarbeiter der S. AG nicht vergleichbar. Dies ergibt sich insbesondere aus einer Würdigung des erstinstanzlich eingeholten Gutachtens des Sachverständigen N. (vgl. das schriftliche Gutachten I, 193 ff. und die mündliche Erläuterung des Sachverständigen im Termin vor dem Landgericht vom 23.12.2008, I, 309 ff.).
aa) Der Sachverständige hat in seinem Gutachten die Tätigkeit des Klägers in seinem jetzt ausgeübten Beruf zutreffend beschrieben. Maßgeblich ist hierbei nicht die (verkürzende) Bezeichnung „Lagerist“, sondern die tatsächliche Beschreibung. Zum Tätigkeitsprofil des Klägers gehört insbesondere, dass er im Bereich der Auftragsannahme tätig ist. Das heißt: Der Kläger nimmt Bestellungen von Handwerkern entgegen und erfasst diese über EDV. Dabei wird ein Lieferschein erstellt. Teilweise werden bestellte Materialien vom Kläger auch selbst ausgehändigt. Die Erstellung von Angeboten gehört nicht zum Aufgabenbereich des Klägers. Ab und zu werden Malerfarben vom Kläger eingetönt, wobei er den Vorgaben der jeweiligen Handwerkerbestellung folgt. Im Folgenden wird die Tätigkeit des Klägers im jetzt ausgeübten Beruf zur Vereinfachung als „Mitarbeiter“ bezeichnet.
bb) Der Sachverständige hat in seinem Gutachten die frühere Tätigkeit des Klägers als Stuckateur seiner heutigen Tätigkeit als Mitarbeiter ausführlich gegenüber gestellt. Der Kläger ist ausgebildeter Stuckateur-Geselle. Er führte Gipserarbeiten auf einer Baustelle aus und alle damit zusammenhängenden Tätigkeiten. Er war in der Regel selbstständig für eine Baustelle verantwortlich, die ihm von seinem Arbeitgeber zugeteilt wurde. Dabei wurde ihm jeweils ein Hilfsarbeiter zugeteilt, dem gegenüber er weisungsbefugt war. Demgegenüber hat der Kläger heute als Mitarbeiter Tätigkeiten zu verrichten, die nach dem Gutachten des Sachverständigen im Prinzip von jedermann nach einer kurzen Anlernzeit erbracht werden können.
cc) Die Einkommensverluste, welche der Kläger nach dem Wechsel seiner Tätigkeit hinnehmen musste, sind begrenzt. Als Stuckateur hatte er vor seiner Erkrankung im Jahr 2002 ein Bruttogehalt von 35.482,04 €, während er als Mitarbeiter auf ein Bruttoeinkommen von etwa 32.600,00 € kommt. Entscheidend dafür, dass der Beruf als Mitarbeiter der S. AG nicht der bisherigen Lebensstellung des Klägers entspricht, sind nicht die Einkommensverluste, sondern die weiteren – im Folgenden dargestellten – Umstände.
dd) Von wesentlicher Bedeutung ist die Tatsache, dass der Kläger eine 3-jährige Ausbildung als Stuckateur besitzt. Diese Ausbildung qualifizierte ihn für die Tätigkeit, bei der von seinem früheren Arbeitgeber eingesetzt wurde. Es gibt nach dem Gutachten des berufskundlichen Sachverständigen zwar auch für Lageristen 2-jährige Ausbildungsgänge („Fachlagerist“); wesentlich ist jedoch, dass das Anforderungsprofil für die berufliche Tätigkeit beim Lageristen – auch unter Berücksichtigung des tatsächlichen Aufgabenbereichs (s.o.) – als deutlich geringer einzuschätzen ist, so dass in der Praxis in diesem Bereich sehr viel häufiger Mitarbeiter ohne Ausbildung – oder mit einer fachfremdem Ausbildung – eingesetzt werden.
ee) Der Sachverständige hat darauf hingewiesen, dass die Ausführung von Gipserarbeiten (sowie Trockenbauarbeiten und andere zusammenhängende Tätigkeiten) handwerkliches Geschick und handwerkliche Fähigkeiten erfordert. Vergleichbare besondere Fähigkeiten sind für die Tätigkeit des Klägers als Mitarbeiter nicht erforderlich.
ff) Die berufliche Stellung des Klägers wurde früher vor allem dadurch bestimmt, dass er seine Arbeit in erheblichem Umfang selbstständig gestalten konnte und musste. Ihm wurde von seinem Arbeitgeber jeweils die Verantwortung für eine bestimmte Baustelle übertragen. Die Arbeitsabläufe hatte er eigenverantwortlich zu planen und zu gestalten. Eine ähnliche Selbstständigkeit ist mit der Tätigkeit als Mitarbeiter nicht verbunden. Bei der Annahme von Waren, dem Lagern, dem Annehmen von Aufträgen und dem Herausgeben von Waren sind die Arbeitsabläufe im großen Umfang vorgegeben.
gg) Die soziale Stellung des Klägers wurde früher auch dadurch mitbestimmt, dass er gegenüber einem Mitarbeiter als Kolonnenführer weisungsbefugt war. Als Mitarbeiter der S. AG hat der Kläger keinen Mitarbeiter, der ihm zugeordnet wäre.
hh) Der berufskundliche Sachverständige hat im Übrigen zutreffend darauf hingewiesen, dass Handwerker, die eine 3-jährige Ausbildung benötigen, in der Gesellschaft generell ein höheres Ansehen genießen, als angelernte Hilfskräfte, deren Tätigkeit nicht mit entsprechenden Anforderungen verbunden ist. Hinzu kommt, dass der Kläger als Stuckateur nach dem Gutachten des Sachverständigen grundsätzlich Aufstiegs- und Weiterbildungsmöglichkeiten hatte, die ihm als Mitarbeiter nicht zukommen. Bei seinem jetzigen Arbeitgeber hat der Kläger – allenfalls – die geringe Chance, in der Zukunft als Leiter der Filiale seines Arbeitgebers in D. (Filiale mit zwei Mitarbeitern) tätig zu werden, wenn er eine entsprechende Wertschätzung seines Arbeitgebers erreichen kann.
c) Bereits aus dem Vergleich der Berufsbilder ergibt sich, dass die Tätigkeit des Klägers als Mitarbeiter (auch unter Berücksichtigung der vom Sachverständigen mitgewürdigten Aufgaben Auftragsannahme und Töner) nicht mit der früheren Lebensstellung des Klägers als Stuckateur bzw. Gipser vergleichbar ist. Es kann daher dahinstehen, ob auch die längere Fahrtzeit des Klägers zu seinem Arbeitgeber, wie das Landgericht angenommen hat, einer konkreten Verweisung auf die ausgeübte Tätigkeit bei der S. AG entgegensteht.
d) Die Einwendungen der Beklagten gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts haben keinen Erfolg. Der Kläger hat zwar eine Umschulung zum Bürokaufmann absolviert; bei der beruflichen Tätigkeit des Klägers als Mitarbeiter handelt es sich jedoch um eine Anlern-Tätigkeit, für welche die Umschulung zum Bürokaufmann keine erhebliche Rolle gespielt hat. Es ist auch nicht zutreffend, dass der Kläger im Bereich der Produktberatung tätig wäre. Kunden, die den Kläger ansprechen, werden von ihm an den jeweiligen Kundenberater verwiesen; lediglich in geringem Umfang erteilt der Kläger einfache Auskünfte über Produkte an Privatkunden. Entgegen der Auffassung der Beklagten haben im Übrigen sowohl der erstinstanzlich tätige Sachverständige als auch das Landgericht berücksichtigt, dass der Kläger – ungeachtet der Berufsbezeichnung als „Stuckateur“ – in seinem früheren Beruf Gipserarbeiten ausgeführt hat.
5. Soweit die Beklagte im Laufe des Verfahrens zusätzlich auf weitere Veränderungen in der Berufstätigkeit des Klägers hingewiesen hat, kann man darin möglicherweise neue Änderungsmitteilungen im Sinne von § 9 Abs. 4 BUZVB erblicken (vgl. zur Auslegung entsprechender Erklärungen des Versicherers im Prozess BGH, NJW-RR 2000, 550). Das gilt insbesondere für den schriftsätzlichen Hinweis der Beklagten, sie habe im Jahr 2005 den Kläger noch nicht auf die ausgeübte Tätigkeit bei der S. AG verweisen können, weil sein Arbeitsvertrag damals noch befristet gewesen sei, während er später einen unbefristeten Arbeitsvertrag erhalten habe. Für die Entscheidung des Rechtsstreits ist eine solche Änderung nicht nicht von Bedeutung. Denn die für die mangelnde Vergleichbarkeit der Tätigkeit des Klägers bei der S. AG maßgeblichen Umstände (dazu siehe oben 4.) haben sich bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Senat (bzw. bis zu dem im schriftlichen Verfahren maßgeblichen Zeitpunkt) nicht geändert.
6. Wegen der für die Zeit von September bis November 2007 gezahlten Beiträge steht dem Kläger ein Rückforderungsanspruch in Höhe von 386,10 € zu. Zusammen mit den Rentenleistungen für den selben Zeitraum ergibt sich daher der vom Landgericht in Ziff. 1 des Tenors ausgeurteilte Betrag von 1.605,90 €.
Auf Grund der bestehenden Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung war der Kläger auch in der Zeit ab September 2007 von der Verpflichtung zur Beitragszahlung befreit. Die Voraussetzungen für eine Leistungspflicht der Beklagten ergeben sich – wie oben ausgeführt – auch für die Zeit ab September 2007 aus der Anerkennung vom 28.10.2005. Da der Kläger nicht mehr verpflichtet war, Beiträge an die Beklagte zu entrichten, kann er diese gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB zurück verlangen. Aus drei Monatsbeiträgen in Höhe von jeweils 128,70 € ergibt sich ein Rückforderungsbetrag von 386,10 €.
7. Die Beklagte ist gemäß §§ 286 Abs. 1, 2 Ziff. 1, 288 Abs. 1 BGB zur Zahlung von Verzugszinsen verpflichtet.
8. Der Feststellungsantrag Ziff. 2 (laufende Berufsunfähigkeitsrente von 406,60 € nebst Zinsen) ist zulässig und begründet. Auf die entsprechenden Ausführungen zum Zahlungsantrag des Klägers oben wird verwiesen. Da der Kläger im Feststellungsantrag lediglich einen Betrag von monatlich 406,60 € geltend gemacht hat, ist auch nur dieser Streitgegenstand. Auf die Frage, ob und inwieweit sich die Zahlungsverpflichtung der Beklagten wegen der Dynamisierung der Rente einerseits und wegen der Berücksichtigung von Überschussanteilen andererseits erhöht, kommt es für die Entscheidung des Senates mithin nicht an.
9. Schließlich ist auch der Feststellungsantrag Ziff. 3 zulässig und begründet. Denn der Kläger ist auf Grund seiner Berufsunfähigkeit auch für die Zukunft von der Beitragspflicht befreit.
10. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
11. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Ziff. 10, 711 ZPO.
12. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor. Die für die Entscheidung des Senates maßgeblichen Rechtsfragen sind in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geklärt.