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Berufsunfähigkeitsversicherung – Berufsunfähigkeitsanerkenntnis mit Entscheidung über Wegfall

Eine wegweisende Entscheidung der Berufsunfähigkeitsversicherung

Es gibt viele Situationen im Leben, die wir nicht vorhersehen können, und manchmal führen diese unerwarteten Umstände zu Konflikten, die nur durch gerichtliche Intervention gelöst werden können. Ein solcher Fall ist das Urteil des Landgerichts Heidelberg (Az: 2 O 290/20) vom 30.04.2021, welches sich um die Leistungsansprüche aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung dreht. Ein Mann hatte gegen seine Versicherungsgesellschaft geklagt, weil er der Meinung war, dass er aufgrund seiner Berufsunfähigkeit Anspruch auf monatliche Leistungen hat. Die Versicherungsgesellschaft sah dies anders und weigerte sich, diese Leistungen zu zahlen.

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Erzielung der Berufsunfähigkeitsleistungen

Das Gericht entschied zugunsten des Klägers und verurteilte die Versicherungsgesellschaft, monatliche Leistungen zu zahlen. Die Höhe dieser Leistungen betrug 1.000 Euro pro Monat und war für einen bestimmten Zeitraum zu zahlen, der vom 1. Mai eines ungenannten Jahres bis zum 28. Februar eines anderen Jahres lief. Darüber hinaus wurde die Versicherungsgesellschaft verpflichtet, Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen.

Übernahme der Bonusrente und Beitragszahlungspflicht

Neben der Zahlung der monatlichen Leistungen war die Versicherungsgesellschaft ebenfalls verpflichtet, die jährlichen Rentenzahlungen zum 1. März um einen Überschussanteil (Bonusrente) gemäß den Versicherungsbedingungen zu erhöhen. Zusätzlich wurde die Versicherungsgesellschaft verurteilt, den Kläger von der Beitragszahlungspflicht für die Berufsunfähigkeitsversicherung für den besagten Zeitraum zu befreien.

Bedeutung des Urteils für Versicherte

Dieses Urteil ist ein Meilenstein für alle, die eine Berufsunfähigkeitsversicherung haben oder darüber nachdenken, eine solche abzuschließen. Es verdeutlicht, dass Versicherungsgesellschaften die Leistungen erbringen müssen, die in den Versicherungsbedingungen festgelegt sind, und dass sie im Falle einer Berufsunfähigkeit die monatlichen Leistungen zahlen müssen. Es zeigt auch, dass sie die Rentenzahlungen erhöhen müssen und den Versicherten von der Beitragszahlungspflicht befreien können.


Das vorliegende Urteil

LG Heidelberg – Az.: 2 O 290/20 – Urteil vom 30.04.2021

I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger aus der selbständigen Berufsunfähigkeitsversicherung, Versicherungsscheinnummer …, Leistungen in Höhe von monatlich € 1.000,00 für den Zeitraum vom 1. Mai … an bis längstens zum Ablauf des 28. Februar …, zahlbar monatlich im Voraus, zu bezahlen zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus € 1.000,00 seit dem 1. Mai …, aus weiteren € 1.000,00 seit dem 1. Juni …, aus weiteren € 1.000,00 seit dem 1. Juli …, aus weiteren € 1.000,00 seit dem 1. August …, aus weiteren € 1.000,00 seit dem 1. September …, aus weiteren € 1.000,00 seit dem 1. Oktober …, aus weiteren € 1.000,00 seit dem 1. November …, aus weiteren € 1.000,00 seit dem 1. Dezember …, aus weiteren € 1.000,00 seit dem 1. Januar …, aus weiteren € 1.000,00 seit dem 1. Februar …, aus weiteren € 1.000,00 seit dem 1. März …, aus weiteren € 1.000,00 seit dem 1. April …, aus weiteren € 1.000,00 seit dem 1. Mai …, aus weiteren € 1.000,00 seit dem 1. Juni …, aus weiteren € 1.000,00 seit dem 1. Juli …, aus weiteren € 1.000,00 seit dem 1. August …, aus weiteren € 1.000,00 seit dem 1. September …, aus weiteren € 1.000,00 seit dem 1. Oktober …, aus weiteren € 1.000,00 seit dem 1. November …, aus weiteren € 1.000,00 seit dem 1. Dezember …, aus weiteren € 1.000,00 seit dem 1. Januar …, aus weiteren € 1.000,00 seit dem 1. Februar …, aus weiteren € 1.000,00 seit dem 1. März …, aus weiteren € 1.000,00 seit dem 1. April …, aus weiteren € 1.000,00 seit dem 1. Mai …, aus weiteren € 1.000,00 seit dem 1. Juni …, aus weiteren € 1.000,00 seit dem 1. Juli …, aus weiteren € 1.000,00 seit dem 1. August …, aus weiteren € 1.000,00 seit dem 1. September … sowie aus weiteren € 1.000,00 seit dem 1. Oktober ….

II. Die Beklagte wird verurteilt, die gemäß Klageantrag Ziffer 1. geschuldeten Rentenzahlungen jährlich zum 1. März um einen Überschussanteil (Bonusrente) gemäß § 3 Ziffer 33 der Versicherungsbedingungen zu erhöhen.

III. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von der Beitragszahlungspflicht für die selbständige Berufsunfähigkeitsversicherung, Versicherungsnummer …, für den Zeitraum vom 1. Mai … an bis längstens zum Ablauf des 28. Februar … freizustellen und die vom Kläger an die Beklagte für die Zeit ab dem 1. Mai … gezahlten Beiträge nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszins seit dem jeweiligen Zahlungseingang bei der Beklagten an den Kläger zu erstatten.

IV. Die Beklagte wird verurteilt, an die … Rechtschutz-Versicherungs-AG, …, zur Schadennummer: … einen Betrag in Höhe von € 3.229,90 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 5. Oktober … zu bezahlen.

V. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

VI. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung von 110 % vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 75.703,13 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Ansprüche aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung.

Der Kläger unterhält bei der Beklagten zur Versicherungsnummer … eine selbständige Berufsunfähigkeitsversicherung (Versicherungsschein Anlage K1). Der Kläger bezog von der Beklagten im Zeitraum vom 1. Juli … bis zum Ablauf des 30. April … Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung. Als monatliche Rente im Falle der Berufsunfähigkeit sind 1000 EUR vereinbart.

In § 14 Nr. 4 der Allgemeine Bedingungen für die Berufsunfähigkeitsversicherung (BSO2M NT) WWK BU-Komfort heißt es:

Ist die Berufsunfähigkeit weggefallen oder hat sich ihr Grad auf weniger als 50 % vermindert, werden wir von der Leistung frei. In diesem Fall legen wir Ihnen die Veränderung in Textform dar und teilen die Einstellung unserer Leistungen dem Anspruchsberechtigten in Textform mit. Die Einstellung unserer Leistungen wird mit dem Ablauf des dritten Monats nach Zugang unserer Erklärung bei Ihnen wirksam. Zu diesem Zeitpunkt muss auch die Beitragszahlung wieder aufgenommen werden, sofern die vereinbarte Beitragszahlungsdauer noch nicht abgelaufen ist. Der Beitragsanteil für die Einmalzahlung entfällt.

In § 3 Nr. 33 der o.g. Bedingungen heißt es:

Überschussverwendung während der Berufsunfähigkeit:

Bonusrente

33. Ab Eintritt der Berufsunfähigkeit gemäß §§ 1 und 2 werden die jährlichen Überschussanteile zur Bildung von beitragsfreien Berufsunfähigkeitsrenten verwendet, die bis zur Beendigung der Berufsunfähigkeit die von der WWK zu zahlenden versicherten Berufsunfähigkeitsrenten erhöhen (Bonusrente).

Der Kläger machte gegenüber der Beklagten Ende …/Anfang … Ansprüche wegen Berufsunfähigkeit geltend. Daraufhin bat die Beklagte dem Kläger zunächst aus Kulanzgründen, da eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit nicht vorläge, anteilige und später volle Rentenzahlung für die Zeit vom 1. Juli … bis zum 28. Februar … an (vgl. Anlagen K3 und K4). Dies lehnt der Kläger ab.

Nach Aufforderung durch die Prozessbevollmächtigen des Klägers teilte die Beklagte unter dem 13. Dezember … mit, dass eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit von mindestens 50 % ab dem 6. Juni … festgestellt worden sei und dass ein Anspruch auf Beitragsbefreiung und Rentenzahlungen ab dem 1. Juli … bestünde. Über den Ablauf des 30. April … hinaus bestünde indes kein weiterer Anspruch, da die bedingungsgemäßen Voraussetzungen hierfür nicht länger vorliegen würden (Anlage K6/B5).

In dem Schreiben heißt es:

Sehr geehrter Herr …,

wir haben den gestellten Leistungsantrag geprüft. Anhand der uns vorliegenden Unterlagen stellen wir hiermit eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit von mindestens 50 % im Sinne des § 2 ab 06.06…. fest.

Der Anspruch auf Leistungen entsteht mit dem auf den Eintritt des Versicherungsfalles folgenden Monatsersten. Vor diesem Hintergrund besteht ein Anspruch auf folgende Leistungen:

– Beitragsbefreiung ab 01.07…. (überbezahlte Beiträge werden zurückerstattet)

– Rente ab 01.07…. in Höhe von monatlich 1.000 €

Über den 30.04…. hinaus besteht kein weiterer Anspruch auf Leistungen, da die bedingungsgemäßen Voraussetzungen hierfür nicht länger vorliegen. Denn Sie konnten ab 15.01…. wieder medizinisch zumutbar über 50 Prozent Ihre bisherige Tätigkeit ausüben, so dass damit die Berufsunfähigkeit entfiel. Gemäß § 14 Ziffer 4 der Versicherungsbedingungen entfällt der Leistungsanspruch zum Ende des darauffolgenden dritten Monats, also zum 30.04…..

(…)

Der Kläger ist der Auffassung,

die Einstellung sei bereits formal unwirksam, da es an der erforderlichen Begründung fehle. Eine nachvollziehbare Begründung enthalte das Schreiben der Beklagten ersichtlich nicht, es enthalte faktisch überhaupt keine Begründung.

Zudem sei der Kläger auch weiterhin außer Stande, seiner zuletzt in gesunden Tagen ausgeübten, sehr stresshaften Tätigkeit wieder nachkommen zu können. Eine Wiederaufnahme einer derartigen Tätigkeit würde den Kläger, der aufgrund der starken psychischen Beeinträchtigungen in der Vergangenheit weiterhin eine deutlich höhere Vulnerabilität insoweit aufweist und ein deutlich reduziertes Leistungsvermögen vollkommen überfordern und wäre ihm nicht mehr möglich. Müsste der Kläger wieder arbeiten wie zuletzt in gesunden Tagen würde dies über einen längeren Zeitraum nicht möglich sein, da dies eine vollkommene Überforderung des Klägers bedeuten würde. Er komme einer vergleichbaren Tätigkeit nicht nach, sondern absolviere eine Rehabilitationsmaßnahme, die gefördert werde und beziehe zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes Sozialleistungen durch den Kostenträger der Maßnahme.

Der Kläger beantragt,

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger aus der selbständigen Berufsunfähigkeitsversicherung, Versicherungsscheinnummer …, Leistungen in Höhe von monatlich € 1.000,00 für den Zeitraum vom 1. Mai … an bis längstens zum Ablauf des 28. Februar …, zahlbar monatlich im Voraus, zu bezahlen zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus € 1.000,00 seit dem 1. Mai …, aus weiteren € 1.000,00 seit dem 1. Juni …, aus weiteren € 1.000,00 seit dem 1. Juli …, aus weiteren € 1.000,00 seit dem 1. August …, aus weiteren € 1.000,00 seit dem 1. September …, aus weiteren € 1.000,00 seit dem 1. Oktober …, aus weiteren € 1.000,00 seit dem 1. November …, aus weiteren € 1.000,00 seit dem 1. Dezember …, aus weiteren € 1.000,00 seit dem 1. Januar …, aus weiteren € 1.000,00 seit dem 1. Februar …, aus weiteren € 1.000,00 seit dem 1. März …, aus weiteren € 1.000,00 seit dem 1. April …, aus weiteren € 1.000,00 seit dem 1. Mai …, aus weiteren € 1.000,00 seit dem 1. Juni …, aus weiteren € 1.000,00 seit dem 1. Juli …, aus weiteren € 1.000,00 seit dem 1. August …, aus weiteren € 1.000,00 seit dem 1. September …, aus weiteren € 1.000,00 seit dem 1. Oktober …, aus weiteren € 1.000,00 seit dem 1. November …, aus weiteren € 1.000,00 seit dem 1. Dezember …, aus weiteren € 1.000,00 seit dem 1. Januar …, aus weiteren € 1.000,00 seit dem 1. Februar …, aus weiteren € 1.000,00 seit dem 1. März …, aus weiteren € 1.000,00 seit dem 1. April …, aus weiteren € 1.000,00 seit dem 1. Mai …, aus weiteren € 1.000,00 seit dem 1. Juni …, aus weiteren € 1.000,00 seit dem 1. Juli …, aus weiteren € 1.000,00 seit dem 1. August …, aus weiteren € 1.000,00 seit dem 1. September … sowie aus weiteren € 1.000,00 seit dem 1. Oktober ….

2. Die Beklagte wird verurteilt, die gemäß Klageantrag Ziffer 1. geschuldeten Rentenzahlungen jährlich zum 1. März um einen Überschussanteil (Bonusrente) gemäß § 3 Ziffer 33 der Versicherungsbedingungen zu erhöhen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von der Beitragszahlungspflicht für die selbständige Berufsunfähigkeitsversicherung, Versicherungsnummer …, für den Zeitraum vom 1. Mai … an bis längstens zum Ablauf des 28. Februar … freizustellen und die vom Kläger an die Beklagte für die Zeit ab dem 1. Mai … gezahlten Beiträge nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszins seit dem jeweiligen Zahlungseingang bei der Beklagten an den Kläger zu erstatten.

4. Die Beklagte wird verurteilt, an die … Rechtschutz-Versicherungs-AG, …, zur Schadennummer: … einen Betrag in Höhe von € 3.229,90 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 5. Oktober … zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt, Klageabweisung.

Sie ist der Auffassung, dass § 174 Abs. 2 VVG auf Fälle, in denen gleichzeitig mit der Anerkennung der Leistungspflicht diese wieder eingestellt werde nicht anzuwenden sei. Denn da noch kein Leistungsbezug erfolgt sei, konnte auch noch keine „Gewöhnung“ an einen solchen entstehen. Auf den Entzug entsprechender Leistungen braucht sich der Versicherte nicht einzustellen, da ja noch gar kein Bezug dieser Leistung stattgefunden hatte.

Zudem werde das Mitteilungsschreiben den formalen Anforderungen an ein Änderungsschreiben gerecht.

Soweit eine Änderung des gesundheitlichen Befindens vorläge, bedürfe es indes nicht detaillierter Angaben hierzu, wenn diese – wie hier – dem Versicherungsnehmer bekannt ist. Die Nachvollziehbarkeit ergibt sich dann aus dem eigenen Wissen des Versicherungsnehmers/Klägers, für den es offensichtlich sei, dass – wie vorliegend – durch das Ende der Arbeitsunfähigkeit und Aufnahme der bisherigen Tätigkeit die Berufsunfähigkeit weggefallen sei.

Es handele sich mithin hier um einen Einzelfall, bei dem auf die vergleichende Betrachtung verzichtet werden konnte, da dem Kläger die ihm zu entnehmenden Informationen vollständig und ohne Bewertungsspielräume zu belassen, zur Verfügung gestanden hätten.

Wegen des Parteivorbringens im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze und das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe

1. Die zulässige Klage ist begründet. Dem Kläger stehen auch nach dem 1.5…. Leistungen aus der bei der Beklagten bestehenden Berufsunfähigkeitsversicherung zu.

a. Die Beklagte hat mit Schreiben vom 13.12…. (Anlage K6/B5) ihre Leistungspflicht anerkannt.

b. Stellt der Versicherer nach einem Anerkenntnis fest, dass die Voraussetzungen der Leistungspflicht entfallen sind, wird er gemäß § 174 Abs. 1 VVG nur leistungsfrei, wenn er dem Versicherungsnehmer diese Veränderung in Textform dargelegt hat. Eine den Anforderungen des § 174 Abs.1 VVG entsprechende Mitteilung hat die Beklagte dem Kläger bisher nicht gemacht, sodass die Leistungspflicht auch weiterhin fortbesteht.

(1) Die Wirksamkeit der Mitteilung scheitert zunächst nicht daran, dass das Anerkenntnis mit der Nachprüfung verbunden wurde. Dem Versicherer ist es gestattet, die Leistungspflicht für einen bestimmten Zeitraum in der Vergangenheit anzuerkennen und sie für die Folgezeit zu verneinen. Der Versicherer kann in diesem Fall Anerkenntnis und Entscheidung im Nachprüfungsverfahren miteinander verbinden. (BGH, Urteil vom 19. 11. 1997 – IV ZR 6/97).

(2) Erforderlich ist aber auch in diesem Fall, dass die „Nachprüfung” inhaltlich auch tatsächlich den Anforderungen an ein Nachprüfungsverfahren standhält. Der Versicherer muss nachvollziehbar machen, wie er trotz zunächst nachgewiesener Berufsunfähigkeit zu der Annahme gelangt ist, die Berufsunfähigkeit sei bereits wieder entfallen. Es bedarf also einer nachvollziehbaren Vergleichsbetrachtung (formelle Anforderung) dazu, wegen welcher Gründe Berufsunfähigkeit für den genannten Zeitraum zu bejahen war und warum diese Gründe nach Auffassung des Versicherers nicht mehr fortdauerten (materielle Anforderung) (Neuhaus Berufsunfähigkeitsversicherung, Kapitel 14. Nachprüfungsverfahren Rn. 178).

Im Rahmen der Änderungsmitteilung ist daher grundsätzlich der Gesundheitszustand der versicherten Person, der dem Anerkenntnis zugrundelag, dem späteren Gesundheitszustand gegenüberzustellen (BGH, Urt. v. 18.12.2019 – IV ZR 65/19, Rn. 17, juris). Die Anforderungen an den Inhalt der Nachprüfungsmitteilung des Versicherers entsprechen deren Bedeutung für den Versicherungsnehmer: Sie sind einerseits hoch, sie dürfen aber auch nicht überspannt werden (Prölss/Martin/Lücke, a.a.O., § 174 Rn. 25-27).

Der Versicherer muss dem Versicherten die Informationen geben, die er benötigt, um sein Prozessrisiko abschätzen zu können. Voraussetzung dafür ist die Nachvollziehbarkeit der Versichererentscheidung. Nachvollziehbarkeit ist für den Versicherten deshalb so bedeutsam, weil er es ist, der sich mit einer Klage gegen die durch eine Mitteilung ausgelösten Rechtsfolgen zur Wehr setzen muss (NJW-RR 1993, 725, beck-online)

(3) Die im Einzelfall gebotene Gesamtschau ergibt, dass die Einstellungmitteilung der Beklagten diesen hohen Anforderungen nicht gerecht wird.

(a) Im äußerst knappen Schreiben der Beklagte (Anlage B5/K6) fehlt jegliche Vergleichsbetrachtung. Sie begründet den Wegfall der Leistungspflicht lediglich mit dem Satz „Denn Sie konnten ab 15.01…. wieder medizinisch zumutbar über 50 Prozent Ihre bisherige Tätigkeit ausüben, so dass damit die Berufsunfähigkeit entfiel.“ Es fehlt an jeglicher Begründung dazu, wie die Beklagte zu dieser Erkenntnis gelangt ist und auf welche Tatsachen sie die Annahme stützt, der Kläger konnte ab 15.1…. seiner bisherigen Tätigkeit wieder nachgehen. Ausführungen dazu, wie sich der Gesundheitszustand des Klägers im Vergleich zu dem Zeitraum, für den die Beklagte die Leistungen anerkannt hat verbessert haben soll sind in dem Schreiben nicht zu finden. Da für den Kläger völlig unklar war, auf welchen Begründung die Versicherung ihr Annahme stützt, der Kläger konnte wieder einer Berufstätigkeit nachgehen, war ein Abschätzen des Prozessrisikos für den Kläger nicht möglich.

(b) Es ist aus dem Mitteilungsschreiben bereits nicht erkennbar, dass die Beklagte davon ausgeht, der Kläger gehe seiner ursprünglichen Tätigkeit wieder nach. Der Beklagten war zudem, wie aus der Anlage K4 hervorgeht, bekannt, dass der Kläger an einer Rehabilitationsmaßnahme teil nimmt. Die Beklagte hat erst mit Schriftsatz vom … (AS 42) mitgeteilt, dass sie davon ausgeht, der Kläger gehe seiner ursprünglichen Tätigkeit wieder nach. Zwar kann eine mangelhafte oder nicht nachweislich zugegangene Erklärung – auch noch im Prozess – nachgeholt werden (BGH, Beschluss vom 20. 1. 2010 – IV ZR 111/07).

Der Kläger hat aber bereits mit der Klageschrift mitgeteilt, dass er lediglich eine Rehabilitationsmaßnahme absolviert. Die bloße Behauptung der Beklagten, der Kläger ginge seiner ursprünglichen Tätigkeit nach, ohne jeden Bezug zu dem Vortrag des Klägers, es handele sich lediglich um eine Rehabilitationsmaßnahme und ohne Anhaltspunkte, worauf die Beklagte diese Annahme stützt führt deshalb nicht dazu, dass die Einstellungsmitteilung für den Kläger nachvollziehbar wird.

(3) Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus der von der Beklagtenseite zitierten Rechtsprechung (Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 30.09.2008, AZ: 5 U 156/08-16, juris; OLG Köln, Urteil vom 15.02.2006, AZ: 5 U 116/05, juris;). Zwar kann im Einzelfall auf die vergleichende Betrachtung verzichtet werden, wenn dem Versicherungsnehmer die ihr zu entnehmenden Informationen vollständig und ohne Bewertungsspielräume zu belassen zur Verfügung stehen. Das gilt bspw., wenn der Versicherungnehmer aufgrund neu erworbener Fähigkeiten eine neue Tätigkeit aufgenommen hat (Langheid/Rixecker/Rixecker, 6. Aufl. 2019, VVG § 174 Rn. 13). In den beklagtenseits zitierten Urteilen war die Aufnahme einer neuen Tätigkeit nach neu erworbener Fähigkeiten jeweils unstreitig, sodass eine entsprechende Darlegung – im Gegensatz zum hier vorliegenden Fall – tatsächlich entbehrlich war. Zudem hatte sich dort nicht der Gesundheitszustand der Kläger verbessert, sondern sie sind nach dem Erlernen neuer Fähigkeiten einem anderen Beruf nachgegangen, den sie auch mit der jeweiligen Erkrankung ausüben konnten.

(4) Eine detaillierte Vergleichsbetrachtung erübrigt sich auch dann, wenn sich – z.B. aus einem Attest oder sonstigen Umständen – ergibt, dass der Versicherungsnehmer wieder vollständig genesen und beruflich eingegliedert ist. Der Versicherer muss dann in seiner Nachprüfungsmitteilung auch nicht im Einzelnen darlegen, welche konkreten Tätigkeiten der Versicherte ursprünglich nicht ausführen konnte und jetzt wieder ausführen kann (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 15. Juli 2020 – 11 U 91/19 -, Rn. 59, juris). Voraussetzung für eine formell ordnunggemäße Einstellungsmitteilung ist aber auch in diesem Fall, dass der Versicherer in transparenter und vollständig nachvollziehbarer Weise aufzeigt, weshalb er von einer Genesung des Klägers ausgeht.

Ob der Kläger seine ursprüngliche Tätigkeit wieder aufgenommen hat ist zwischen den Parteien im Gegensatz zu der Entscheidung des OLG Brandenburg streitig. Der Kläger behauptet, dass es sich bei der von ihm zur Zeit ausgeübten Tätigkeit um eine Rehabilitationsmaßnahme handelt. Zudem hat die Beklagte nicht nur keine detaillierte, sondern überhaupt keine Vergleichsbetrachtung vorgenommen. Es ist für den Kläger weder transparent nocht nachvollziehbar, wie sie zu der Annahme gelangt, er sei genesen.

2. Ausweislich § 1 Nr.1 a) der zum streitgegenständlichen Vertrag gehörenden Versicherungsbedingungen (Anlage K1) schuldet die Beklagte dem Kläger die vereinbarte Rente in Höhe von 1000 EUR sowie gemäß § 1 Nr.1 b) eine Befreiung von der Beitragszahlungspflicht. Nach § 3 Nr. 33 der Bedingungen hat die Beklagte die Rente des Klägers um die jährlichen Überschussanteile zu erhöhen.

3. Der Kläger hat auch einen Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren. Nach Ablehnung der Versicherungsleistungen wurde außergerichtlich mit anwaltlicher Hilfe der Leistungsanspruch geltend gemacht, da sich die Beklagte nach der Ablehnung der geltend gemachten Ansprüche in Verzug befand, sind die Kosten ersatzfähig. Aufgrund der Schwierigkeit und Komplexität eines Verfahrens wegen Ansprüchen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung erscheint eine 1,9 Gebühr gerade noch angemessen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs.1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.

 

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